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Auerthal-Zeitung : 01.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189607018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18960701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18960701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-01
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 01.07.1896
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Z.lMfche / »e«tfchla»d. unmittelbar nach dem Stapellauf de» Panzers „Ersah Preußen" in Wilhelmshaven am 1. Juli tritt Kaiser Wilhel.« seine diesjährige Nordlandreise an. * Prinz Ludwig von Bayern ist am Freitag in Hamburg eingetroffen. Am Montag ist derselbe in Kiel an Bord der Jacht „Hohen- zollern" vom Kaiser empfangen worden. * Der Kaiser hat dem Fürsten Günther zu Schwarzburg-Pudolstadt den Schwarzen Adler-Orden verliehen. *Am SamStag stattete der Vizekönig Li- Hung-Tschang der Berliner Ge werbe-Ausstellung einen mehrstündigen Besuch ab und machte dort größere Einkäufe. Am Sonntag verließ der Vizekönig Berlin und begab sich mittels Sondcrzuges über Magde burg nach Essen zur Besichtigung der Kruppschen Werke. * Es bestätigt sich, daß der preuß. Minister für Handel und Gewerbe Frh r. v. B erl ep s ch seine Entlassung uachgciucht hat und daß die Gewährung des Gesuchs erfolgt ist. Zu seinem Nachfolger ist der Unterstaatssekretär Brefeld ernannt worden. * Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb macht sich bereits bemerkbar. Der Elberfelder Detaillistenvcrein der Textil- und verwandten Branchen hat, wie der .Kon fektionär' milteilt, beschlossen, vom 1. Juli ab eine Kommission von zehn Mitgliedern zur Ueber- wachung des unlauteren Wettbewerbs emzusetzenr Sie soll in Verbindung mit einem E.t erfelde- Rechtsanwalt in erster Linie dem in Geschäfts, reklamen u. s. w. sich irgendwie kundgetenden unlauteren Wettbewerb unterdrücken. Wahrschein lich wird in anderen Städten in ähnlicher Weise vorgegangen werden. * Der einjährige aktiveMilitär- dienst der Volkschullehrer darf nun mehr bei Gewährung der staatlichen Alters zulagen in Anrechnung kommen, wenn er nach bestandener Prüfung und dadurch erlangter Anstellungsfähigkeit zurückgelegt ist. *Mit der Einrichtung eines National- tages für deutsche Kampf spiele hat sich der preuß. Kultusminister Dr. Bosse in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Zentralausschusses zur Förderung der Volks und Jugendspiele, Abg. v. Schenckendorff, ein verstanden erklärt, „dem Unternehmen, das dazu beitragen soll, die Leibesübungen zur Volksfitte zu machen und den nationalen Sinn zu stärken, einen gedeihlichen Fortgang" gewünscht und auch eine event. staatliche Förderung in Aus sicht gestellt. Frankreich. *Der Herzog von Nemours, ein Großonkel des orleanistischen Prätendenten, ist am Freitag, 85 Jahre alt, in Paris gestorben. Der Herzog hm insofern nur eine politische Rolle gespielt, Ms Louis Philipp, sein Bruder, ihn 1832 auf den damals neubegründeten belgi schen Königsthron bringen wollte, was aber an dem energischen Widerspruch Englands scheiterte. *21 Präsidenten oder Präsidentinnen von Wohlthätigkeitsvereinen richten an die Kammer ein Gesuch, in dem sie auf die be klagenswerten Folgen Hinweisen, die die Besteuerung der französischen Staatsrenten für die Hilfsbedürftigen und Notleidenden hätte. Unter den also bedrohten Vereinen befinden sich insbesondere dieelsässi- schen Hilfsvereine. England. * Gegen Jameson ist nun endgültig die Prozeßverhandlung vor den Geschworenen auf den 20. Juli festgesetzt worden. Italien. *Der bekannte schweizerische Ingenieur Jlg richtete vor seiner Abreise von Neapel einen Brief an einen dortigen Freund, woraus hervorgeht, daß er keinerlei amtlichen Auf trag der italienischen Regierung besitze, daß diese vielmehr den Dr. Nerazzini zur Einleitung der Friedensverhandlungen mit Mcnelik bevollmächtigt habe. Jlg beabsichtigt lediglich, ihn bei seinem schwierigen Werk, dessen Gelingen gesichert scheint, zu unterstützen. .Nament lich dürfte sich die Freigabe der Gefangenen ohne Geldentschädignng vollziehen. * Die Frage der wirtschaftliche«-!»- Näherung zwischen Frankreich und Italien beschäfttgt fortgesetzt die Presse beider Länder. Einzelne italienische Blätter, die noch immer dem früheren Kabinett anhängen, ver breiten über diesen Gegenstand Nachrichten, die weit eher geeignet find, die Abfichten RudiniS zu durchkreuzen. Ms die wirtschaftliche Aus söhnung der beiden Nationen zu fördem. Nebenher sei bemerkt, daß die Nachricht eines der. bezeichneten Organe, wonach der' italienische Ministerpräsident einen Sonder-Gesandten in dieser Angelegenheit nach Paris entsendet hätte, unbegründet ist. * CriSpi hat vom italienischen Rechnungs höfe eine „einmalige Pension" von 25 000 Lira zugebilligt erhalten. Spanien. fünfhundert Millionen An leihe will Spanien aufnehmen. Der Krieg in Cuba kostet täglich anderthalb Millionen. Wer borgt? * Auf Cuba haben die spanischen Truppen sehr stark unter Seuchen zu leiden. Sie sollen 6000 Kranke haben. In den ersten vier zehn Tagen des Juni starben 129 Mann. Dazu kommt die völlige Ungangbarkeit der Straßen und Wege, die die Verpflegung der operierenden Trnppen verhindern. Auch im Lager Maceos soll eS nicht zum besten bestellt sein, was man namentlich aus dem Umstande schließen will, daß er kürzlich 42 Mann hat aufknüpfen lassen. Rußland. * Unter den Donschen Kosaken find Ruhestörungen vorgekommen, und zur Untersuchung der Ursachen derselben ist eine Ge- richtskommisfion abkommandiert worden. Balkanstaaten. * Fürst Ferdinand von Bulgarien wird dem König Karol von Rumänien im Laufe des Juli einen Besuch abstatten. *Die Geldsendungen seitens der griechischen Kolonien in Odessa, der Levante und anderen Orten an die Leitung der Aufständischen auf Kreta dauern fort. Die letztere erklärte, daß sie nicht persönliche Hilfeleistung, sondern nur Sendungen an Geld und Kriegsmittcln vonnöten habe; ingedesfen sollen schon ansehn liche Bestellungen aus Kriegsmunition bei verschiedenen Firmen im Auslande gemacht wor den sein. * Auf Kreta find, wie der ,Voss. Ztg.' ge meldet wird, Truppen des englischen Mittelmeergeschwaders gelandet. Eine andere Nachricht darüber liegt bisher nicht vor. Die Trag weite eines derartigen thätigen Eingreifens Eng lands indie krctenfischen Wirrenspringt indic Augen, sie wird auch am Goldenen Horn voll erfaßt werden. Die kretenfische Frage träte damit in einen neuen Abschnitt, mit ihr vielleicht die ge samte sogenannte orientalische Frage. Peuters Büreäu bestreitet übrigens die Richtigkeit der Meldung. Afrika. *Der Generalagent von Transvaal übermittelte dem Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain ein Telegramm aus Transvaal, in welchem dem Bedauern Ausdruck gegeben wird, daß die letzten Telegramme des Staats sekretärs Leyds als von einem feindlichen Geiste eingegeben angesehen worden seien. Es sei nichts Feindliches beabsichtigt. Die Regierung von Transvaal wünsche lediglich mit der eng lischen Regierung in freundschaftlichem Sinne darauf hinzuarbeiten, die Schul digen zurBestrafungzu bringen. Denn auf diese Weise würden beide Regierungen den Frieden und das Vertrauen in Südafrika wieder Herstellen. Asten. * DiegesamteNationalschuld Chinas beträgt gegenwärtig etwa 800 Mill. Mk. Ob gleich dieses eine wahre Bagatelle ist angesichts des riesigen natürlichen Reichtums, bildet sie doch unter dem jetzigen Regierungssystem keine unbedeutende Last. Das chinesische Schatzamt witt> kaum weniger al» 15—16000000 TaelS an Zinsen und Tilgungssummen jährlich zu zahlen haben. Wenn auch die Zolleinnahmen dafür auSreichen, bleibt der chinesischen Regierung dabei aber mich kein Ueberschnß. In einer oder der anderen Weise wird sie neue Steuem auS- schreiben müssen. Weder die Pekinger Regierung, noch die Provinzialregierungen kennen etwas von einem europäischen Etat. Die chinesische Reichsregierung tritt den Provinzialrcgierungen im November jeden Jahres mit, wie viel Geld sie für das nächste Jahr braucht. Manchmal gibt sie die Quelle an, woher diese Summe aufzubringen ist. Die Forderung ist selten in einem Jahre viel höher, als in dem anderen. A«» Ke» Reichstage. Der Reichstag beschäftigt« sich am Freitag bei der fortgesetzten Beratung de» Bürgerlichen Gesetz buches noch längere Zeit mit den Bestimmungen über die Ehescheidung, insbesondere mit der von der Kommission gestrichenen, von den Abgg. Lenzmann ,ft. Vp.> nnd Auer (soz.) wieder beantragten Zu lässigkeit der Ehescheidung wegen unheilbarer Geistes krankheit. Für den Antrag trat auch entschieden der preuß. Justizminister Schönstädt namens der Mehr heit der verbündeten Regierungen ein, während ein Vertreter der bayrischen Regierung den Antrag be kämpfte. Der Antrag wurde in namentlicher Ab stimmung mit 125 gegen 116 Stimmen abgelchnt. Auch im übrigen blieben die Beschlüsse der Kom mission in Sachen der Ehescheidung, bezüglich der elterlichen Gewalt und der Stellung der unehelichen Kinder im wesenlichen unverändert. Am 27. Juni wird die zweite Beratung des Bür ge r l i ch e n G e s e tz b u ch » bei 8 1698 fortgesetzt, welcher lautet: Als Vater des unehelichen likindes gilt, wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit bei gewohnt hat, eS sei denn, daß auch ein anderer ihr innerhalb dieser Zeit beigewohnt hat. Die Abgg. Auer u. Gen. beantragen, die Be stimmung also zu fasten: als Vater de» unehelichen Kindes gilt, wer der Mutter innerhalb der Empfäng niszeit beitzewohnt oder seine Vaterschaft nach der Geburt des Kindes in einer öffentlichen Urkunde an erkannt hat. Abg. Stadthagen (soz.) rührt zur Begrün dung des Antrages au», auch das uneheliche Kind dürfe nicht alle Siechte verlieren, bloß weil außer dem Vater noch ein anderer der Mutter während der Em- pfängniSzcit beigewohnt. Abg. v. Strombeck (Zentr.) tritt für den An trag ein. Die Abgg. Frhr. v. Stumm (freikons.), Hauß mann (südd. Vp), Rintelen und Gröber (Zentr.) bekämpfen den Antrag, der darauf abge - lehnt wird. Beim Abschnitt „Vormundschaft" beantragt Abg. v. Manteuffel (kons.) zu 8 1783 die Anlegung von Mündelgeldern allgemein in landschaftlichen oder ritterschaftlichen Pfandbriefen zuzulassen. Abg. v. Staudy (freikons.) begründet den An trag. Er hält eS unter Hinweis auf die Verhand lungen vom 18. Juni für zweifellos, daß zwischen dem Reichsbankpräsidenten und dem Reichskanzler eine Meinungsverschiedenheit bestehe. Letzterer habe in einer Verfügung vom 12. August 1895 die Gleich wertigkeit jener Pfandbriefe mit den Staatspapieren anerkannt. Preuß. Landwirtschastsminifter v. Hammer stein: lieber die neuerlichen Verhandlungen im Reichstag bezüglich der landwirtschaftlichen Pfand briefe wird im ,Reichslinz.' eine Berichtigung er scheinen, für heute erkläre er, daß die Landschaften einer ständigen und eingehenden staatlichen Beauf sichtigung unterstehen, der ganze geschäftliche Betrieb werde dauernd kontrolliert, er nehme keinen Anstand, die bestimmte Uebcrzeugung auszudrücken, daß die preuß. Pfandbriefe, und zwar sämtliche Gruppen und Systeme, als erstklassige beste Papiere anznsehen seien, deren vollkommene Sicherheit außer allem Zweifel stehe. Die letzten Ausführungen des ReichS- bankpräsidenten seien vielfach mißdeutet ivorden. Der Herr Rcichsbankpräsident habe ihn ersucht, noch mals Hervorzuheben, daß er die sämtlichen Pfand briefe ebenfalls als vollkommen sichere, erstklassige Papiere anerkenne, daß auch die Reichsbank ent sprechend verfahre und unter ihren Lombardbeständen Pfandbriefe von verschiedenen Systemen im Besitz habe nnd hierbei zwischen den einzelnen Gruppen keinen Unterschied mache. Abg. Gamp (freikons.) befürwortet einen Antrag, der die landwirtschaftlichen Pfandbriefe wenigstens mit den kommunalen Papieren gleich stellen will. Staatssekretär Nieberding erklärt sich mit dem Antrag Gamp einverstanden. Der Antrag Gamp wird angenommen. Der Rest des vierten Buches „Familienrecht" wird ohne Debatte erledigt. Ohne Debatte werden auch die ersten Abschnitt» de» fünften Buche», welche« da« „Erbrecht" enthälL angenommen. Eine längere Diskussion emspitmt sich erst bei 8 220k, zu dem die Kommission den > Zusatz beschlossen hat, daß nicht nur richterliche und notarielle Testamente gelten sollen, sondern auch solche, die vom Erblasser eigenhändig ge» und unter- schrieven sind. Abg. v. Buchka (kons.) beantragt, den Zusatz der Kommission wieder zu streichen, also die Re- gierung«vorlage wieder herzuftellen. — Ein gleicher Antrag liegt feiten» dr» Abg. Lenzmann (ft. Bp ) vor. Badischer Bevollmächtigter Gehetmrat v. Jage mann tritt für die Beibehaltung de» privatschrist» lichen Testament» ein. Staatssekretär Nieberding erklärt, die Mehr heit der verbündeten Regierungen stehe nach wie vor ans dem Standpunkt, daß e» richtiger wäre, da» Privattestament nicht in da» Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Er empfehle nur den« Hause, zu dem Vorschläge der verbündeten Regierungen zurück zukehren. Der Antrag wird mit großer Majorität ad- gel e h n t. Ein Antrag de» Grafen Mirbach (kons.) zn 8 2311, die Bestimmungen über da» Pflichtteil bet Nachlässen, die ans Grundstücken im landwirtschaft lichen oder forstwirtschaftlichen Betriebe bestehen, nicht in Ansetzung zu bringen, wird abgelehnt. Der Rest de» Gesetzbuch» (88 2312-2359) ge- langt debattelo» znr Annahme, dessen zweite Be ratung damit erledigt ist. ES folgt die zweite Beratung de» Ein führungsgesetz«» zum Bürgerlichen Gesetz buche. Aba. Auer und Gen. beantragen hier eine» neuen Artikel, in dem ausgesprochen werdn solle, daß die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Jnverbindungtreten von Vereinen, welche politische Zwecke verfolgen, verbieten, aufgehoben werden. Vereinigungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, welche znm Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen sich gebildet haben, unter liegen keiner landesgesetzlichen Vorschrift. Reichskanzler Fürst Hohenlohe erklärt, daß der Bundesrat über das sogenannte Notvereinsgesetz noch nicht Beschluß gefaßt habe, er aber raten möchte, diese Bestimmung nicht in das Bürgerliche Gesetz- buch aufzunehmen, weil sie eine» öffentlich rechtliche» Charakter habe, während die Vorschriften des Bür gerlichen Gesetzbuch» sich auf dem Gebiet des Privat rechts bewegten. Außerdem sei die Aufnahme dieser Bestimmung entbehrlich, weil die begründete Zu versicht bestehe, daß da» in den eizelnen Bundes staaten für politische Vereine geltende Verbot, mit ein ander in Verbindung zu treten, außer Wirksamkeit ge setzt werde. Es liege in der Absicht der verbündeten Regierungen, die Beseitigung des durch das Ver bot geschaffenen RechtszustandeS herbeizuführen. E» werde dies jedenfalls durch die Gesetzgebung der Einzelstaaten eher möglich sein, als es mit Hilfe des Bürgerlichen Gesetzbuches der Fall wäre, da» erst im Jahre 1900 in Kraft trete. Abg. Lieber (Zentr.) erklärt, daß da» Zentrum gegen den Antrag stimmen werde, da die Bestim mungen über da» Vereinsrecht dem öffentlichen Recht angehörten. Abg. Frohme (soz.) ist von der Erklärung de» Reichskanzlers nicht befriedigt, Vereine der Arbeiter hätten einen durchaus privatrcchtlichen Charakter. Staatsminister v. Bötticher hebt hervor, daß in 12 deutschen Staaten ein solches Verbot bestehe, nnd diese 12 Regierungen hätten sich zu dessen baldiger Beseitigung bereit erklärt. Gewerkschaftliche Verein« seien immer als öffentlich rechtliche Vereine betrachtet worden. « Nach weiterer kurzer Debatte wird der Antrag abgelehnt. — Der vom Abg. Lieber beantragte neue Artikel 5:>, wonach das Reichsgericht die letzte Instanz in bürgerlichen RechtSsireitigkeiten sein solle, wird angenommen, desgleichen ein Antrag desselben Abgeordneten zu Artikel 55, daß auch für die hanoverschen, kurhcssischen und nassauischen Fürstenhäuser das Bürgerliche Gesetzbuch nur insoweit gelten soll, als ihm nicht hausgesetzlichc Bestimmungen entgegeustehcn. Art. 86, welcher von Zuwendungen an die Tote Hand handelt, wird mit einem Antrag des Abg. Lieber (Zentr.) angenommen, wonach Zu wendungen unter 5000 Mk. der Genehmigung nicht., bedürfen. Die übrigen Artikel des Einführungs gesetzes werden unverändert angenommen. Die Beratung der vorliegenden Resolutionen wird bis zur dritten Lesung zurückgestellt, die Ab stimmung über die Petitionen gleichfalls bis dahin vertagt. Nächste Sitzung Dienstag. Uon Uah «rrk Fern. Essen. Geheimrat Krupp spendete 600 000,' Mark für ein neues Krankenhaus in Essen. ArrtichL. 12) Novelle von C. Wild. <goris<tzun»0 „Hast recht, Klärchen — natürlich," meinte der Gatte und interessierte sich pflichtgemäß auch für die Toilettenmängcl der Dame. „Du, 'Männchen, da ist seit drei Tagen, seidem du fort bist, eine junge Dame hier —" plapperte Frau Klärchen fort, unbkümmert um Dohlcnaus Gegenwart. „Du wirst mal Augen machen, wenn du sie sichst! Ach, unsere Be kannten find alle ganz närrisch und finden sie so schön! Sie hat auch in der That etwas Fesselndes an sich, aber denke nur, sic trägt so englische Schuhe und abscheuliche farblose Kleider, wie sie vor drei Jahren Mode waren, weißt du, gar nicht breit! " „Wird wohl Engländerin sein," warf Kurt dazwischen. „Ganz gewiß, alle Welt meint es. Ich konnte den Namen noch nicht erfahren, Männ chen, du mußt den Win fragen, ja? Sie ist ganz allein mit einen: kranken alten Herrn da, — du, Kurt, und so große Hüte trägt sie —" Dohlenau, der noch nicht wußte, daß die kleine Frau von Trentow selten von etwas anderem als von Toiletten und Aeußerlichkeiten sprach, fand sie und ihre Reden furchtbar lang weilig und albern und erhob sich mit der Ent schuldigung, daß er sich nun ein bißchen „schön machen" gehe und das Ehepaar nach dreitägiger Trennung ungestört allein lassen wolle. Bald nachdem er fort war, kam ein alter Herr, schwer gestützt auf einen Stock, am Tische vorbei und setzte sich an einen andern in der Nähe, während das junge Mädchen, das an seiner Seite gegangen war, ihm einen Schemel vor die Füße und seinen Sessel etwas mehr in den Schatten schob. Einige der Anwesenden machten sich leise aufmerksam und sahen sie au und ebenso that Frau von Trentow, die ihrem Männchen zuflüstertc, das sei die „Miß", von der sie ihm früher erzählt habe. Und wahrlich, so anspruchslos und bescheiden, ohne Verlegenheit oder Geziertheit ihr Auftreten war, so wert war sie, daß man sie ausah. Ihre hohe, schlanke, wunderbar edle, eben mäßige Gestalt mit den weichen graziösen Be wegungen, ihr schönes, lebensvolles und kluges Gesicht, das einen zarten Teint, aber frische, rosige Farben aufwies, das reiche, rötlichblonde Haar, weches zu Frau Märchens Entsetzen noch ganz veraltet nach englischer Mode im Nacken zu einem Knoten verschlungen war, ihre einfache, elegante, graue Toilette und der große, schützende Strohhut — das alles vereinigte sich so zu einer anziehenden harmonischen Wirkung, daß dies Mädchen, welches noch die rührende Sorgfalt für ihren alten Begleiter, ihre stille, sonnige Heiterkeit mit einem verklärenden Hauch umgab, mit Recht bewundert und beachtet wurde. Uiid da hatten noch dazu wenige ruhig und tief in ihre Augen sehen können, jene großen leuchtenden, rätselhaften Augen, die einen unsagbaren Reiz besaßen, die manchmal, ja meistens in Ucbereinstimmung mit ihrem holden Gesicht lächelten und lebhaft froh und gemüt voll in die Welt blickten; ost aber — in selt samem Widerspruch mit ihrem Wesen, lag auch ein traumhafter Ausdruck in ihnen, eine stille, wehmütige Trauer, die wie ein Märchen aus vergangenen Zeiten schimmerte. „Willst du hier unten bleiben, Großpapa, während ich hinauf gehe, um mich umzukleiden? Ich komme gleich wieder herab zu dir!" sprach das Mädchen jetzt zu den, alten, vornehm aus sehenden Herrn, dessen Gesicht eine etwas ver grämte Gutmütigkeit besaß. „Ja, mein Kind, ich bleibe hier." Sie ging den: Sotelgebäudc zu, und als sie abermals an dem Tische vorbei kam, wo Tren- tows saßen, fiel ihr Blick auf den sie etwas dreist anstarrendcn Kurt. Einen ganz kleinen Moment stutzte sie, wie wenn em Erkennen durch ihren Kopf flöge, doch weder Kun noch seine Frau, welch letztere gerade die englischen Schuhe ansah, die doch nicht vermochten, den schön gesörmten Fuß zu verunstalten, bemerkten ihre Bewegung, die sic unwillkürlich machte, — und während ein heimliches Lächeln ihre Lippen umspielte, trat sie ins Haus. „Das ist unglaublich — die ist schon fertig!" sagte nach einer kleinen Viertelstunde Frau von Trentow zu einer bekannten Dame, bei der sie jetzt saß, während ihr Mann sein Touristen kostüm ablegen gegangen war. „Nun, das will am Ende nicht io viel heißen!" fügte sic hinzu, als das schöne Mädchen in einem einfachen hell braunen Wollkleid aus dem Hause trat. „Nicht einmal überfrisiert hat sie sich," ent setzte sich die zweite Dame, als sie das Mädchen unbedeckten Hauptes sah, auf dem das wellige, schöne Haar gescheitelt in einem dicken Zopfe am Sinterkopfe befestigt war, während einzelne Löckchen Stirn und Schläfe beschatteten. Noch ehe sie mit ihrer Handarbeit den Tisch erreicht hatte, wo der alte Herr saß, erscholl eine Helle stische Männerstimme und ein fröhliches Lachen aus dem Innern des Hauses, ging aber in dem Gesumme und Lärm ringsum verloren, das Mädchen jedoch mußte sie vernommen haben, denn ihr Fuß haftete wie angewurzelt am Boden, im nächsten Augenblick aber stand,fie schon an des Großvaters Seite. „Du hast dich sehr beeilt, Kind," sagte dieser liebevoll; „wie rot du bist I Was isttflnr, deine Hand zittert ja?" „Nichts, Großpapa — ich weiß nicht," stammelte sie verwirrt, dann einen raschen Blick um sich auf die sic beachtenden Menschen und einen zweiten gegen das Haus werfend, fragte sic: „Willst du nicht noch ein bißchen vor Tisch in den Garten gehen, Großpapa? Komm, liebes Großväterchen." Der alte Herr sah sie etwa erstaunt an, da ihm aber die Bewegung mich lieb war, erhob er sich und schritt, auf den Arm seiner Enkelin gestützt, zwischen den beiden Gebäuden durch, in den Peusionsgarten. „O nur jetzt nicht, vor den Augen der vielen andern, eS kam zu plötzlich und unerwartet," sprach es dabei im Innern des erregten Mädchens. Einige Minuten später trat Hans Dohlenau aus dem Hotel, vom Rcisestaub gereinigt und schlenderte, als er Trentow nirgends sah, lang sam in den rückwärtigen Teil des Gartens. Da fiel sein Blick Ms eine hohe, schöne Mädchen*
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