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Auerthal-Zeitung : 20.07.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189407207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18940720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18940720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-07
- Tag 1894-07-20
-
Monat
1894-07
-
Jahr
1894
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 20.07.1894
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Harter Harrison, Prendergast, hingettchtet worden. Prendergast beging s. Z. den Mord, well er mit einer Stellenbewerbung abgewiesen worden war. Nur wenigen Personen war eS gestattet, dem Vollzug des Todesurteils beizuwobnen. Zm letzten Augenblicke verlangte Prendergast die Tröstungen deS Priesters. Reife > Lotterie. In Japan gibt eS einen Lerein, der sich „Tombola-Klub" nennt. Die BereinSmitglieder zahlen monatlich Beiträge von 20 bis 100 Mk.; dann findet eine Tombola- Gewinnziehung statt. ES gibt drei Gewinne. Der Gewinner deS ersten Preises hat daS Recht, auf Kosten des Vereins 12 Jahre lang in Europa zu leben; der Gewinner deS zweiten Preises darf fünf Jahre dort wellen, und der Gewinner des dritten Preises ein Jahr. DiesmalS war ein gewisser Haya Goor der glückliche Gewinner des groben Loses, und er ist bereits in Paris eingetroffen. Dieser glückliche Sterbliche be« abstchtigt, zehn Jahre in Europa zu bleiben und es von einem Ende bis zum ,»deren zu durch reisen. «ericht-haüe. Berlin. Ein Wett-Prozeß, der kürzlich in erster Instanz äußerlich zu gunsten, moralisch aber sehr zu Ungunsten der in Letzter Zeit viel angegriffenen Wett-Kommissions-Büreaus ent schieden worden, dürfte alle Sportkreise ganz hervorragend interessieren. Ein Kunde eines dieser Büreaus glaubte sich beim Abrechnen in betteff seines Gewinnanteils geschmälert und klagte infolgedessen gegen das Büreau. Obwohl nun der Anwalt deS verklagten Büreaus noch in letzter Stunde zum Ausgleich des vermeint lichen Anspruchs die Hälfte des bestrittenen Gewinnanteils auszuzahlen anbot, so erkannte merkwürdigerweise der Richter doch auf voll ständige Abweisung der Klage, da das Wetten in diesen Büreaus dem unerlaubten Spiel gleich käme und eine Auszahlung der Gewinne vom guten Willen des betreffenden Sportbüreaus abhänge, auf keinen Fall aber könne ein Richter in einer gesetzwidrigen Spielaffäre zu gunsten des betreffenden Spielers erkennen. . .. .. Berlin. Die Angeklagte machte allerdings einen Eindruck, als sei mit ihr schlecht Kirschen essen. Schon auf dem Korridor, als sie dort des Aufrufs harrte, gab sie eine kleine Probe ihrer Energie ab. „Aujust, du setzt dir hier bei mir her un unnerstehst dir nich, mit den Jammer lappen von Kerl zu reden. Hernachens, wenn du als Zeuge vernommen wirst, denn thue det Maul uff un rede die Wahrheit, aber denn wirste woll nich zu jebrauchen sind. Hier setz dir hin!" Und August gehorcht. Es war nicht etwa ein halberwachsener Knabe, dieser „August", sondem ein Mann in reiferen Jahren. Endlich ruft der Gerichtsdiener die Sache „Braun" auf. Die energisch ausseh-nde Frau erhebt sich, begibt sich in den Saal und in den Anklageraum. — Bors.: Angeklagte, Sie scheinen etwas jähzorniger Natur zu sein, Sie sind schon einmal wegen Haus friedensbruch und einmal wegen Mißhandlung Vorbesttaft. — Angell.: Wenn mir det hier vor't offenbare Publikum vorjehalten wird, denn muß ick ooch sagen derfen, wie et jekommen is. Det erste Mal is schon reber zehn Jahre her. Det war in Richters Warme-Thee-Theater, da hatte sich een Mensch an mir verjüngen, wodruff ick ihm eene schmierte. Eener von die Lohndiener wollte mir denn rausschmeißen, war aber zu ohnmächtig zu, indem ick mir ihn abschüttelte, det er in'ne Ecke flog un denn wurde ja een jroßer Uffstand. — Bors.: Ja, so etwas ähn liches steht hier in den Akten. Wie konnten Sie sich nur so hinreiben lassen. — Angell.: Oh! Herr Präsident, det lassen Sie man jut find. Jn't Warme-Thee-Theater is det sehr schön, un da kommen sehr feine Herrschaften hin; natürlich hysterische Konzerte un Sumpfeniemusik hat man da nich un — Vors.: Gegen das Lokal habe ich nichts einzuwenden, aber wie war es denn mit der zweiten Bestrafung? — Angell.: Da hatte ick mein Dienstmächen verplett. Herr Gerichtshof, meenen Sie, det ick mir von so'ne Person an die Wimpern klimpern lasse? Nich in die Tüte! — Vors.: Die Züchtigung muß aber ziemlich heftig ausgefallen sein, denn Sie wurden zu bO Mark Geldstrafe verurteilt. — Im vottiegenden Falle handelt eS sich wieder um Mißhandlung und Hausfriedens- bruch. Sie find wohl mit dem Zeugen H. sehr verfeindet? — Angell.: Wat is, det iS, ick pflege dafor uffzukommen, wat ick dhue. Ick kann bloß sagen, det ick ihm morjenS, mittags und abends eenen Anfall von die Seekrankheit und jede Nacht fünfmal Wadenkrämpfe jönne. So bin ick jejen ihn jesonnen, det sage ick frei und offen. — Vors.: Nun ja, aufrichtig scheinen Sie zu sein. Woher stannnt denn nun Ihre unfreundliche Gesinnung gegen ihn ? — Angekl.: Der Mensch iS KommiS m een Drojenjeschäst nebenan bei uns und steckt voll allerlei infamigte Witze. Mein Mann kann jar nich mehr ohne ihn sein, alle Dage läuft er hin und läßt sich von den Flausenmacher wat vormachen. Mit mir hat er det aber verdorben. Na ick habe ihm bald schön Bescheid jestochen und zu meinen Mann gesagt: „Aujust, sagte ick, det du dir nich wieder unterstehst un jehst in den ollen Laden." Aber so sterbensjut er sonst zu mir iS, in diesen Punkt wollte er mir nich parieren, so det ick jeden Dag meinen schönsten Aerger hatte. Eines Tags kömmt er wieder mit eenen neien Witz zu Hause. „Du", sagt er, „weeßte wat der M. nebenan sagt? Er meente zu mir, ob ick nich jerne meine Frau los sind wollte, denn hätte er een probatet Mittel. Ick sollte meine Frau zu ihren Jeburtsdag eenen Teppich und eenen Stickrahmen schenken, denn müßte sie ent weder „druffjehcn" oder daran „sticken". Ick verbiete ihm natürlich den Mund, aber meine Jestnnung jejen den Menschen nebenan wurde naticrlich mch freundlicher. — Vors.: Ist das denn alles noch Einleitung? Kommen Sie doch endlich zm Sache. — Angckl.: Nu bin ick dabei. Also an den betreffenden Morjen sage ick zu meinen Mann: „Du Aujust" — sage ick — „hole mir doch mal for dreißig Fennje Zacherlin, jetzt wo et warm wird, machen sich die Motten so bemerklich. Aber du mußt in eenen Laden jehen, wo een Jnsektenjäger an't Fenster oder an die Dhüre hängt, denn sonst iS et nich echt." — „Det hole ick nebenan," sagt mein Mann, „der hat ;a alles, von Alaun bis Zitt- wersamen wie er immer sagt, un Insektenpulver is ebenso gut." — „Det is et nich," sage ick, „ick will es in een JlaS haben und nich in die Tüte, du holst mir det echte." Is gut, er geht, kommt nach 'ner halben Stunde wieder und bringt mir richtig von nebenan Insektenpulver in die Tüte. — „Der Drojist sagt ooch, det wäre ebenso jut, un hier könntest du een janzes Rejiment Flöhe mit verjisten," meent er zu mir. Ick reiße ihm die Tüte aus der Hand un rum in'n Laden. „Wollen Sie mir mal sofort mein Jeld retuhr jeden?" frage ick. „Nee," meent er, „wat verkoost is, is verkooft, un Ihr Mann hat jekriegt, wat er verlangt hat." — „Is nich wahr," sage ick, „ick wollte Zacherlin in een Jlas haben und keen Insektenpulver in die Tüte/' — Vors.: Um es kurz zu machen, Sie gerieten mit ihm in einen Wortwechsel. Sie sollen fürchterlich laut geworden sein und trotz aller seiner Aufforderungen, den Laden zu verlassen, nicht gefolgt sein. Dann hat er Sie zur Thür hinausschieben wollen und Sie zu diesem Zwecke am Arm gepackt. Da sollen Sie nun das Insektenpulver genommen und ihm alles ins Gesicht geworfen haben. Er soll momentan blind geworden sein und fürchterlich geniest haben. Ist es nicht so? — Angekl.: Nich in die Tüte. Allerdings, mit det Nießen hat det seine Richtigkeit. Aber als er mir an den rechten Arm faßte, da wollte ick mir natürlich freimachen un schwenkte so in'n Bogen mit dem Arm rum. Dabei war die Tüte, die ick immer noch in die Hand hielt, uffjejangen un wat drin war, flog ihm in't Jesicht. Dafor konnte ick nich. — Durch die Zeugenvernehmung wird festgestellt, daß die Angeklagte dem Zeugen absichtlich das Pulver ins Gesicht warf. Sie wird zu dreißig Mark Geldstrafe verurteilt. — „Wollen Sie sich bei dem Erkenntnisse beruhigen?" fragt der Vorsitzende. Die Gefragte erwidert: „Nich in die Tüte!" Erfurt. Das Schwurgericht verhandelte dieser Tage einen eigenartigen Fall von Falsch münzerei. Ein Arbeiter aus Mühlhausen hatte durch eine besondere Flüssigkeit einem Pfennig s Gemeinnütziges. Ist Essig gesund? In kleinen Mengen genommen, unterstützt guter reiner Essig — es kommt aber viel verfälschter im Handel vor — die Verdauung der eiweißhaltigen Nährstoffe, wie Fleisch und Eier. In größeren Mengen stört er aber nicht bloß den Verdauungsprozeß, sondem zerstört auch die roten Blutkörperchen und erzeugt Blutarmut und Bleichsucht. An diesen Krankheiten leidenden Personen muß er entzogen werden. Brandwunden durch Phosphor. Schon vielfaches Unglück ist dadurch geschehen, daß beim Anzünden von Streichhölzchen der abgesprungene Phosphor in eine Wunde der Hand gekommen ist und den Verlust eines Gliedes oder gar wohl des Lebens zur Folge gehabt hat. Allen, denen solches Unglück zustößt, ist folgendes Mittel an zuraten: Man mache sich sofort starkes Soda wasser und da hinein haltt man die verwundete Stelle. Der Phosphor geht nämlich mit Soda schr leicht eine chemische Verbindung ein und bildet phosphorsaures Natron, einen ganz un schädlichen Stoff. Alle, die diesem Rate folgen, werden sich überzeugen, daß ihnen geholfen ist. Gänse dürfen nicht auf Gärten und Wiesen getrieben werden, wo Kunstdünger ausgestreut wurde. Es ist vorgekommen, daß von 25 Gänsen, die sich in solchen Gärten aufhielten, 11 ver endeten, die übrigen durch Eingabe von Brech mitteln, warmer Milch und durch Baden in- warmem Wasser noch gerettet werden konnten. Also Vorsicht, auch wenn der Dünger schon durch Regen eingewaschen ist. Nickelfarbe verliehen. Ein anderer Arbeiter hatte sodann den Pfennig als Fünfpfennigstück in Zahlung gegeben, indem er die Seite deS AdlerS nach oben hielt. Letzterer erhielt drei Tage Gefängnis, ersterer wurde dagegen frei gesprochen, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, daß er den Pfennig zu obigem Zweck Hofgei-m«. Ein Müller aus Gottsbüren hatte im Schlafzimmer seines Hauses beständig ein geladenes Jagdgewehr stehen. DaS Unglück wollte eS, daß daS Gewehr seinem Sohne in die Hände fiel, und dieser einen anderen Knaben damit niederschoß. Auf Grund dessen wurde dem Müller vom Landratsamt in Hofgeismar der Jagdschein entzogen, weil durch seine Nach lässigkeit ein Mißbrauch der Schußwaffe herbei geführt worden sei. Die hiergegen bei dem Bezirks-Ausschuß zu Kassel eingelegte Bemfung wurde als unbegründet verworfen, weil der Kläger durch daS Stehenlassen eines geladenen Gewehres bewiesen habe, daß er mit Schuß waffen nicht umzugehen verstehe. Diese Ent scheidung wurde auch von dem OberverwaltungS- gericht bestätigt. Kuntes Allerlei. Unverhoffte Wirkung. Madame (die ihrem Dienstmädchen ein Theaterbillet geschenkt): „Nun, wie hat Ihnen denn das Lustspiel ge fallen, Alma?" — Alma: „O, ganz gut, Madame! Sie hätten nur mal die Antworten hören sollen, die da ein Dienstmädchen ihrer Herrschaft gibt!" Rekrut (der den Urlaub überschritten): „Herr Feldwebel, noch ein Grund..." — Feldwebel: „Das ist mir Wurst..." — Rekrut: „Ja, ich hab' auch eine..." — Feldwebel: „Heraus mit dem Grund!" Richtige Diagnose. Patient: „Nun sagen Sie mir aufrichtig, Herr Professor, wie steht es mit meiner Lunge?" — Arzt: „Etwas angegriffen, das ist nicht zu leugnen; aber so lange Sie leben, reicht sie." Standesbewufttsein. Bauer (zu einem Feldwebel): „I bitt' schön, Herr Feldwebel, könnens mir net sagen, wo der Korporal Schmid- Huber steckt?" — Feldwebel: „Der is halt mit " :: „So, so — was auf der Flucht fortwährend einen Revolver in der Hand gehalten, für den Fall, daß man ver suchen sollte, ihn festzunehmen. Santiago gibt an, daß er in der Theorie Communist sei, in der Prcflis aber Individualist, Revolutionär und Anarchist. Seit drei Jahren habe er keiner anarchistischen Gesellschaft mehr angehört. Auf die Frage, ob er seine That bereue, antwortete er mit einem lauten: „Nein! Ich würde sie sogar noch einmal begehen, denn das ist weiter nichts alS die Kundgebung der anarchistischen Idee!" Der Präsident entzieht dem Angeklagten, so ost er seine konfusen Theorien entwickeln will, das Wort. Santiago erzählt darauf die Einzel heiten seiner Flucht und sagt, daß er wie der ewige Jude umhergeirrt sei. Als er am 1. Januar d. festgenommen wurde, machte er einen Selbstmordversuch. Darauf folgen die Verhöre der Anarchisten Prato und Älfaro, die jedoch nichts Wesentliches aussagen. DaS Gerichtsgebäude und die angrenzenden Straßen werden von zahllosen Polizisten bewacht. (Santiago wurde, wie gemeldet, zum Tode durch die Garotte verurteilt. Die Garotte ist ein rechtwinkelig an einem aufrecht stehenden Stabe befestigtes Halseisen, durch dessen Zu schrauben die Todesstrafe mittels Erdrosselung oder Genickbruch vollstreckt wird.) Aus Karrelona. Ueber den Prozeß gegen den Bombenwerfer im Liceotheater zu Barcelona liegt folgender Bericht vor: Am 11. d. vormittags um neun Uhr begann hier der Prozeß gegen Santiago Salvador, jenes anarchistische Scheusal,- das vor längerer Zeit in dem dichtbesetzten Liceo theater von der Galerie herab eine große Dynamitbombe in das Parterre schleuderte, wo durch mehr als zwanzig Personen getötet und zahlreiche andere schwer verwundet wurden. Zur festgesetzten Stunde betritt der Gerichtshof den Sitzungssaal und die Jury wird gebildet. Santiago Salvador, der Bombenschleuderer, wird hereingeführt, er ist von mittlerer Statur, hat schwarze bewegliche Augen und ein eckiges Kinn, doch zeigt er nicht den von Lombroso und anderen Psychiatern festgestellten Verbrecher typus, und sein Gesicht macht auf den, der ihn steht, nicht den geringsten außergewöhnlichen Andruck. Er ist erst vierundzwanzig Jahre alt. Mit ihm erschienen seine Mitschuldigen: Der Anarchist Prato, der chm zur Flucht behilflich war, ein junger Bursche von kleiner Figur und gleichgültiger Miene, und der Anarchist Alfaro, der dem Attentäter nach der Unthat in seiner Wohnung Unterschlupf gewährte, ein unge schlachter, ordinär aussehender Mensch. Auf dem Tische der Gerichtsschreiber liegen Ueberreste von Kleidungsstücken und sonstige Gegenstände, die den armen Opfern der Bombe gehörten, Bomben modelle rc. Der Anwalt Tuner, Santiagos Verteidiger, bemängelt die Zusammensetzung deS Gerichshofes, aber seine Einwände bleiben un beachtet und der Vorsitzende ordnet die Ver lesung der Anklageschrift an. Darauf beginnt das Verhör des Santiago Salvador. Er antwortet ruhig, cynisch, aber ohne die löbliche Anarchistenfrechheit. Er gehört einer Bauern familie an und diente in Barcelona in einem vornehmen Hause. Später wurde er in Valencia wegen Betruges verurteilt. Er behauptet, daß er von der Polizei und der Gendarmerie schmäh lich verleumdet worden sei; im übrigen erklärt er sich als den einzigen Urheber des Bomben wurfs im Liceo-Theater.' Die Bombe gab ihm Cerezuela, jener Anarchist, der vor kurzem im Hofe des Forts Monjuich mit noch fünf Ge nossen wegen deS Mordanschlags gegen den General-Kapitän Martinez Campos erschossen wurde; Cerezuela habe jedoch nicht gewußt, wie die Bombe zusammengesetzt gewesen sei. Er (Santiago) habe dagegen die Zusammensetzung und die Anwendung der Bombe sehr gut ge kannt und zur Ausführung seines Verbrechens einen Abend gewählt, an dem, wie er annahm, die beste Gesellschaft von Barcelona im Theater sein mußte. An jenem Abend wurde nämlich die Theatersaison mit neuen vorzüglichen Kräften und mit der in Barcelona lange nicht ge gebenen Rossinischen Oper „Wilhelm Tell" er öffnet. Er habe, so fügt er hinzu, gegen keinen , Zuschauer einen persönlichen Haß gehabt. Nach Abschied entlassen!" — Bauer , . der Ausführung des Attentats sei er während iS er denn jetzt?" — Feldwebel: „Nix is er — der allgemeinen Verwirrung entflohen; er habe Zivilist!" selbstsüchtig grollende Jnsichzurückziehen war ibm zur Natur geworden, es wurde ihm schwer, die Trauer, die er mit Märtyrerwollust gelitten, nun abzuschütteln. Ja es schien ihm fast lieb, daß Inez auch in den nächsten Tagen die Arbeit nicht wieder aufnahm, sondem in ihrem Zimmer verblieb. So sah er sie einstweilen nur ge legentlich der Mahlzeiten, und als er bemerke, w»e da ihre Blicke zuwttlen so nachdenklich, ja selbst mitleidig auf seinen gramdurchwühlten Zügen hasteten, wurde seine Scheu vor diesen rührend ernsten Augen nur größer. Er mied es, ihnen zu begegnen, in dem Argwohn, daß sie die quälenden bitteren Gedanken, die er nicht aüszusprechen wagte, ihm von der Stirn zu lesen vermöchten. Niemals aber hatte er fich so liebevoll für Inez' äußeres Behagen besorgt gezeigt, als da er sie zu meiden schien. In diesen Zeichen wenigstens suchte er zunächst die Aenderung seines Gemütslebens zu beweisen, und ihr staunendes, dankbares Lächeln that ihm sattsam wohl. Dann begann er die Statue seiner Peri, und dieses Werk nahm so völlig seinen Geist ge sungen. daß jedes andere Interesse zurückttat. Nun sah er in Inez vorläufig nm das selten brauchbare Modell, daS all seinen Intentionen wunderbar entsprach und in rührender Geduld ihm lange Tagesstunden diente. Daß sie seit der Vollendung der Ariadne den Meißel nicht wieder zur Hand genonimen, schien er kaum zu bemerken, er lebte nur in seinem Schaffen. Inez aber liebte ihren Vater niemals mehr, als wenn sie den göttlichen Strahl des Genies aus seinen Augen flammen und die Hand mit gewaltiger Körvcrkraft ein Leben auS dem formlosen, toten Stein erwecken sah. In solchen Stunden ver gaß sie die Sehnsucht nach der toten Mutter, nach einer Liebe, die ihr nie geworden. Die Saison in W. stand auf ihrem Höhepunk. Es war die Zeit der Promenade. Zwei mit einfacher Eleganz gekleidete Herren flanierten nachlässig in den Anlagen des Kurhauses. Ziel los ließen sie sich von dem bunten Gewoge reicher Toiletten treiben, ohne ihren Trägerinnen mehr als einen gleichgültigen Blick zu gönnen, obwohl manch blitzendes Frauenauge die statt lich vornehmen Erscheinungen der beiden mit Interesse streifte. „Nein, diesem anspruchsvollen und dabei doch so leeren Badeleben bin ich nicht länger ye- wachsen, äußerte der eine. Wenn mir wenig stens unter allen diesen geschmacklosen Mode puppen ein interessantes Köpfchen begegnete, das man malen möchte! Aber ich finde nicht einen Vorwurf und werde mit jedem Tage ärmer an Ideen. Du kannst es mir nicht verdenken, Harald, wenn ich diesem banalen Treiben hier sobald als möglich den Rücken kehre." Der so sprach, war der jüngere der beiden. Der offene Blick seiner lebhaften, braunen Augen, daS dunkle Kraushaar, der zierliche Batt, der die etwas spöttischen Lippen beschattete, die Wanke, mittelgroße Gestalt waren sehr bestechend und räumten ihm manchen Vorzug vor dem älteren Gefährten ein, der wenig Anspruch ans männ liche Schönheit erheben durste. Dieser mochte zu Anfang der Dreißig stehen. Auf seinem reckenhaften Körper saß ein fast eckige Linien beschreibender, von einer Mähne hell blonden Haares umwallter Kopf, dessen breite gedankenvolle Stirn ihm allerdings einen Aus druck von Bedeutung verlieh, während die grau blauen, ehrlichen Angen von schlichter Charakter festigkeit redeten. Und wenn man solch einem geraden, gemütvollen, edelsinnigen Blick be gegnete, konnte man vergessen, daß die Hühnen- gestalt von der Salonschablone abwich, nach der die überwiegende Zahl unserer heutigen Damen welt gern ihre Helden modelliert sieht." Da jedoch der Sage nach jeder Mensch sich wenigstens eines vollendeten Körperteiles rühmen darf, so ging auch Graf Harald Nrittwitz nicht ohne eine kleine Schönheit auS der Hand des Schöpfers hervor. Zum Tröste seiner Mutter, einer Aristokratin blauesten Blutes, besaß er eine klassisch geformte, schöne Hand, zu der der Fuß im vollsten Gleichmaß stand. Diese edle, kräftige und doch so feingegliedette Hand war der einzige Besitz, den ihm sein junger Freund, der talentvolle Maler Felix Tiedow, neidete. So ost als thunlich suchte er sie aus seinen Maltafeln nachzubildcn. „ES wäre Egoismus, dich halten zu wollen," versetzte Graf Harald, „denn ich kann dir nicht einmal einen Strohhalm zuwerfen, um dich aus dieser Modeflut zu retten. Du kennst ja meine Stiefmutter. Sie hat hier ihren Salon, wie in der Residenz; ohne die Auflegung, die Ermüdung täglicher Geselligkeit mag sie nicht leben. So bleibt mir nichts anderes übrig, alS mein trautes Stillleben zu opfern, und ihren oavaltöro »vrvönto zu spielen. So lange ihr Zwillingsbruder, Baron Rottum, als ihr ständiger Begleiter, ja alS de eigentliche Herr unseres, oder, wie ich nun end lich sagen darf, „meines" Hauses lebte, erinnerte man fich kaum meiner Existenz. Doch jetzt — noblssss Obligo — ich muß mich fügen. Aber wie gern ginge ich mit dir, Felix! Wie viel Wohler fühle ich mich in deiner Gesellschaft und deinem helleren, geistvollen Freundeskreise, als in den exklusiven, stellen und so gründlich lang weiligen CercleS meiner Mutter, in denen ich durchaus nicht am Platze bin." „Mein Gott, Herald, niemand könnte dich doch ernstlich hindern, mir zu folgen. Es wäre bei nahe lächerlich, wenn du, der unumschränkte Majoratsherr auf einem halben Dutzend Güter, dir nicht das unschuldige Vergnügen eines Aufent haltes in einer Künstlerstadt gönnen dürftest, wenn eS dir beliebte." „Auch dein Spott kann mich nicht beein flussen, Felix, Pflicht und Ritterlichkeit halten mich einmal hier einstweilen zurück," versetzte Graf Harad ruhig. „Du lächelst, Freund? Nun, meine Stiefmutter ist eine alternde Frau, voller Schwächen und Launen; öffnet sie indes die Schleusen ihrer Thränen und Vorwürfe über mich ungeratenen Sohn, so muß ich eben nach geben. Ich habe noch kein Weib geliebt und bin doch Weibetthränen gegenüber machtlos., Vielleicht ist's das Gefühl der mir innewohnenden! Stärke und Härte, die sich ja auch in meiner äußeren Persönlichkeit in einer daS zarte Geschlecht geradezu erschreckenden Weise kundgibt," schaltete er mit gutmütigem Spott ein, „dasMil.'cib mit der Schwäche haben muß, wo eS ihr begegnet." »r (Zortietzun»
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