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Auerthal-Zeitung : 18.07.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189407186
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18940718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18940718
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-07
- Tag 1894-07-18
-
Monat
1894-07
-
Jahr
1894
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 18.07.1894
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Kindern zu verschaffen. ES wurden in den Tagesblättern Anzeigen veröffentlicht, denen zu folge von einem hochachtbaren Ehepaar Kinder gegen einmalige Bezahlung zur Adoption gesucht wurden. Bald fanden sich auch niehrere Mütter ein, die ihre Kinder den Eheleuten gegen Zah lung von Sunimen, die zwischen 400 und 700 Kronen schwankten, Übergaben. Sofort nach Em pfang des Geldes wurden die Kleinen von den gewissenlosen Leuten gegen ein billiges Kostgeld, das höchstens im Jahre 80 Kronen betrug, anderweitig in Pflege gegeben. Bis jetzt sind sieben solcher Bctrugsfälle aufgedeckt worden, doch fürchtet man, daß die eingeleitetc Unter suchung noch weiteres Belastungsmaterial gegen die Menschcnhändler zu Tage fördern wird. Der Barbier im Löwenkäfig. Ein Zeichen groster Unerschrockenheit legte dieser Tage in Madrid im Eirco Pricc einer der bekanntesten Figaros ab, indem er sich mit dem dort gastierenden Tierbändiger in den Löwcnkäfig begab, ihn ein seifte und dann rasierte, ohne sich durch das .Knurren der Raubtiere in seiner Beschäftigung stören zu lassen. Eine Prügelei auf der Bühne. Eine serbische Thcaiergesellschaft aus Neusatz hat die Bewohner von O-Brcscc jüngst in Aufregung verfem. Der Sanger der Gesellschaft Markitsch und der Schauspieler Lukitsch waren einander i.wcgcn politischer Meinungsverschiedenheiten feind. Am 9. d. mochten sic vor der Vorstellung dem Weine zu viel zugcsprochcn haben; kurz, kaum hauen die beiden Männer die Bühne betreten, da fingen sic zum Gaudium des Galeriepublikums zu zanken an. Zuerst traktierten sic einander mit Schimpfwortcn, später kam es zu schallenden Ohrfeigen. Das bessere Publikum gab seiner Mißbilligung lauten Ausdruck und entfernte sich. Im Sommer erfroren. Der seltene Fall des Erfrierens eines Menschen im Sommer wird rumänischen Blättern gemeldet. Im Argeschcr Gebirge in der Walachei traten letzte Woche starke Schneefälle ein und herrschte eine so arge Kälte, daß ein Viehhirt erfror. Ueber die bisherigen Verwüstungen durch das Erdbeben nm Bosporus ist nach stehendes bekannt geworden: Die Zahl der Toten beträgt nach amtlicher Angabe IlO, die Schätzung der Schäden ist vorläufig unmöglich; ein großer Teil der öffentlichen Gebäude ist un versehrt, doch sind mehrere Ministerien ernstlich beschädigt. Die Telegraphenbürcaus sind pro visorisch in das Munizipaltheater verlegt. In Pera sind vier Häuser cingestürzt und zahlreiche beschädigt. Auch das Gebäude der Tabakregie ist stark beschädigt. Aus amerikanischen Irrenhäusern. Gegenwärtig tagt in New Bork eine Kommission zur Untersuchung der Mißstände in den städtischen Irrenanstalten. Henry P. Bradley war der erste Zeuge. Er sagte, eines Tages im November 1801 habe er sich einen Rausch angetrunken, sei drei Tage im Bellevue-Hospital gewesen und dann nach der Irrenanstalt auf Wards Island geschafft worden. Zeuge war der Insasse der neunzehnten Abteilung, in der sich etwa achtig Patienten unter der Aufsicht dreier Wärter be fanden. Die Speisen waren schlecht, der „Kaffee" war nichts anderes als gerösteter Roggen. Die anrgetischten Fische waren stets faul, und Kar toffeln bekam Zeuge während seines bis zuni März 1892 dauernden Aufenthaltes nicht zu sehen. Ein Bild von der Brutalität der Wärter entwarf Zeuge, indem er sagte, vier kräftige Wärter hätten einmal einen Patienten bei den Armen und Beinen aufgehoben, so hoch sic konnten, 'und ihn dann auf den harten Fußboden falten lassen. Dies hätten sie viermal wieder holt. Bei einer anderen Gelegenheit hätten sie es mit einem farbigen Patienten, der sich bei Dr. Pcttit über die Wärter beschwert habe, ebenso gemacht. Als sich Zeuge einst bei einem Wärter beklagte, daß ihn das Ungeziefer nicht schlafen lasse, gab ihm Dr. Drake eine Morphinm-Ein- spntznng! Es geschah nichts, um das Ungeziefer auszurotten. Jedenfalls konnte Herr Bradley in der folgenden Nacht schlafen. Auf dem Gebiete der Strafrechtspflege herrschen in Argentinien schlimme Zustände. Ein Blatt in Buenos Ayrcs hat vor kurzem eine Liste derjenigen Gefangenen veröffentlicht, die sich im dortigen HauptgefängniS seit länger als einem Jahr in Untersuchungshaft befinden und noch auf richterliche Entscheidung warten. Aus der Zusammenstellung ergibt sich, daß von den wegen schwerer Verbrechen Angeschuldigten sich 8 seit Juni 1888, 1 seit 1889, 7 seit 1891, 27 seit 1892 und weitere 27 seit Anfang vorigen Jahres in Untersuchungshaft befinden. Bei 7 der Angeschuldigten, von denen 8 schon im Jahre 1892 eingeliefert ivaren, konnte der Grund der Verhaftung nicht mehr ermittelt werden. Trotzdem war eine Freilassung nicht erfolgt. Gerichts hall». Leipzig. Eine Entscheidung, die Fabrikanten kreise besonders interessieren dürfte, ist kürzlich, wie der,Konf.' berichtet, vom Reichsgericht ge fällt worden. Ein junger Mann, der'von einem Fabrikanten aus einen, Konkurrenzgeschäfte weg zu einem wesentlich höheren Gehalt, als er in der letzten Stelle hatte, engagiert worden war, hatte sich auch verleiten lassen, aus seinem bis herigen Geschäft zwei Zeichnungen wegzunehmen, auf die sein neuer Chef bedeutenden Wert legte. Durch diese Zeichnungen konnte der Fabrikant ein großes Geschäft machen. Durch Landgerichts erkenntnis war nun der Fabrikant infolge er statteter Anzeige wegen Anstiftung zum Dieb stahl und Hehlerei zu drei Monat und der junge Mann wegen Diebstahls zu einen Monat Gefängnis verurteilt worden. Die von dem Fabrikanten hiergegen eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen. Ratibor. Der Kreis - Schulinspektor Dr. Engelen aus Hnltschin, der schon neulich vom Schwurgericht zu 1'/, Jahr Gefängnis ver urteilt worden ist, hatte sich nochmals vor der hiesigen Strafkammer wegen Unterschlagung in 64 Fällen zu verantworten. Dr. Engelen wurde mit Einschluß der früher gegen ihn erkannten Strafe zu inSgesammt drei Jahr Gefängnis ver urteilt. Unter anderem hatte Engelen 418 Mk. unterschlagen, die ihm vom Frhrn. v. Rothschild auf Schillcrsdorf zur Besorgung von warmen Suppen für arme Schulkinder während der Winterzcit übergeben waren. Mülhausen. Am Dienstag beschäftigte das hiesige Schwurgericht ein sogenannter Sensations fall. Die Ehefrau des Schlossers Meyer stand vor den Schranken des Gerichts unter der An klage, am 6. Juni d. die Geliebte ihres Mannes in einem Anfall von Eifersucht vermittelst eines Rasiermessers, mit dem sic ihr den Hals durch schnitt, getötet zu haben. Ganz nach Pariser Art haben die Geschworenen auf die vom Vorsitzenden gestellte Frage: „Ist die Angeklagte schuldig, am 6. Juni d. die Justine Boll vorsätzlich getötet zu haben?" mit „Nein" geantwortet, und so geht die Mörderin frei aus. Ein Teil des Publikums stand allerdings auf der Seite der beleidigten Ehefrau, aber der größere Teil ist erstaunt, daß ein solches Verbrechen, wie cs die Meyer begangen habe, keine strafrechtliche Sühne finden soll. Die Gewißheit, daß sic von der Boll hintcrgangcn worden, die sic bislang für ihre Freundin gehalten hatte, wurde der Frau Meyer erst wenige Augenblicke vor der That, als sic den in überschwänglicher Zärtlichkeit von ihrem Mann an die Boll geschriebenen Brief las und das Medaillon nm dem Bilde ihres Mannes, das ihr Mann ihr selbst früher ge schenkt hatte, in der Tasche der Boll fand. — Sobald die Meyer der schlafenden Nebenbuhlerin den tötlichcn Schnitt mit dem Rasiermesser bei gebracht hatte, lief sic aus dein Hause und stellte sich selbst der Polizei. Auch die Fabrikarbeiterin, die in der Mcycrschcn Wohnung geschlafen hatte, lief bei dem schrecklichen Anblick fort, ebenso die 11jährige Tochter der Meyer, so daß sich der aus dem Schlaf erwachende Ehemann allein mit dem Opfer befand. Eine von ihm zu Hilfe ge rufene Nachbarin berichtete über die letzten schreck lichen Augenblicke der Boll. Diese sei ans dem Bett gesprungen und noch 12 bis 15 Minuten lang, die Hände ringend, im Zimmer hin und hergelaufen, bis sic endlich, vom Blutverlust er schöpft, auf das Bett gefallen sei. Die Ange klagte besprach mit größer Ruhe den Vorfall; Neue zeigte sic nicht im mindesten. Auf die Frage des Präsidenten, ob eS ihr nicht leid thuc, die Boll getötet zu haben, antwortete sie mit einem entschiedenen Nein! Auf die dann folgende Mahnung, daß man selbst dann nicht, wenn man schwer gekränkt worden ist, das Leben des Neben- Menschen nehmen dürfe, antwortete sie nochmals, daß sie glaube, die Boll habe verdient, was sie ihr gethan habe. Selbst die Beschreibung von deni Ende der Boll brachte die Angeklagte nicht ans ihrer Ruhe; es schien sic vielmehr ^u inter essieren, daß die Boll noch gelitten habe, bevor sie den Geist anfgab. (Aus diesem der.Franks. Zeitung' entnommenen Bericht geht mcht hervor, ob die Freisprechung etwa auf mangelhafter Fragestellung beruhte; es scheint den Geschworenen nur die Frage auf vorsätzliche Tötung vorgelegen zu haben.) Paris. Der Vikar Bruneau in Laval, der seinen Pfarrer getötet und in den Brunnen geworfen hatte, ist vom Schwurgericht zum Tode verurteilt worden. Urr Kahn nach Amerika. Eine Eisenbahnverbindung zwischen Europa und Amerika herzustellen, ist ein Gedanke, der neuerdings in Amerika anfgetancht ist. Die Fahrt von Europa nach Amerika und zurück soll mit der Eisenbahn gemacht werden können, und zwar ohne Ilmsteigcn. Der Anlaß zu der Idee darf in dem Umstande gesehen werden, daß die russische Regierung den Ban der großen sibi rischen Eisenbahn in Angriff genommen hat und dieser derartig energisch betrieben wird, daß der ganze Schienenweg, anstatt wie im Voranschlag vorausgesetzt ist, im Jahre 1904, schon im Jahre 1901 scrtiggcstellt werden soll. Diese Eisenbahn, die Sibirien, also die ganze nördliche Hälfte Asiens, durchkreuzt und den Ural an seinem süd lichen Abhang überschreitet, führt von Wladi wostok, dem Hafcnplatz des Stillen Ozcans im fernen Osten Asiens, nach dem europäischen Rußland, nach Moskau und Petersburg uno weiter nach Deutschland. Dieser Umstand hat nun die erfinderischen Amerikaner auf den Gedanken ge bracht, mit Hilfe der sibirischen Eisenbahn eine direkte Bahnverbindung zwischen Amerika und Europa hcrzustellen. Zu diesem Zwecke soll eine neue Eisenbahn von Chicago nach Alasca gebaut werden, welche die Fortsetzung der vorhandenen Bahnlinie New Bork-Chicago bilden soll. Es wären alsdann die beiden Schienenwege New- Aork-Alasca und Wladiwostok-Petersburg fertig gestellt und es bliebe nur noch die Strecke zwischen Alasca und Wladiwostok. Diese Strecke wird durch die Gewässer der Bcringstraße ausgefüllt, die das Bcringsmecr mit dem nördlichen Eismeer verbindet und in« Norden des Stillen Ozcans liegt. Diese Straße verbindet zugleich den Nord westen Amerikas mit dem Nordostcn Asiens, also Amerika mit Rußland, und hat an ihrer schmälsten Stelle eine Breite von 72 bis 80 Kilometer. Diese Stelle soll nun für den Uebcrgang der bezeichneten Eisenbahn gewählt werden. Da die Beringsiraßc in der langen Winterszeit mit Eis bedeckt ist, so muß von der üblichen Ucber- führung des Eiscnbahnzuges vermittelst Fähr vorrichtung Abstand genommen werden, dagegen soll die Bcringstraße überbrückt oder, was wahr scheinlicher ist, unter derselben ein Tunnel er richtet werden. Man wird alsdann mit direktem Billct und ohne Umsteigen die Eisenbahnfahrt von New s>)ork nach Petersburg oder einer anderen Hauptstadt Europas znrücklegcn können, ohne den Fährlichkcitcn einer Ozcanfahrt ausgesetzt zu sein, welche viele Reisende noch immer fürchten. Es sind allerdings Pläne, deren Ausführung erst für den Beginn des nächsten Jahrhunderts in Aus sicht steht, indessen liegt doch letzterer nicht mehr allzu fern von uns. Die Frage jedoch, ob eine solche Eiscnbahnfahrt die Anstrengungen und Fährlichkcnen der jetzigen Uebcrfahrt mit einem Schnelldampfer vielleicht nicht noch übertreffen werde, liegt allzu nahe. Kuntes Allerlei. Ueber eine Hochzeit auf der Landzunge Hela bringt die,Elb Zig.' nachstehende Mit teilungen : Die Hochzeit oder vielmehr die Vor feier nimmt ihren Aniang mit dem Eintreffen der Musik aus Danzig, dm., ist am Mittag; mit Glockenschlag 12 Uhr nachts erreicht der Polter abend sein Ende. Morgens 5 Uhr am Hoch zeitstage erhalten Braut und Bräutigam ein Ständchen und nach 1 Uhr versammeln sich !m Hause der Braut die Damen und bei dem Bräutigam die Herren. Um 1 Uhr 30 Min. melden die Brautjunfern dem Bräutigam, daß die Braut fertig ist, und die Brautjunfern vorauf, dann die Musik, begibt er sich nun in Beglei tung der beiden „guten Leute" in das Haus der Braut, um sie zum Standesamt abzuholen. Die Musik bleibt zurück; nur die beiden „guten Leute" begleiten das Brautpaar. Ist der stan desamtliche Akt vollzogen, dann werden die ge ladenen Herren in das Brauthaus geholt, jeder Herr bekommt seine Dame, und in geschlossenen! Zuge wird das Brautpaar, natürlich unter Trompetengeschmcttcr, zur Kirche bcgleiici. Den Hochzeitsschmaus richtet der Brauwaler nicht allein aus, vielmehr hilft der Bräutigam nach Kräften mit. Die Musik bezahlen die Gäste. Wie eine Helenscrin erzählte, heiratete man früher nur „unter sich"; in neuerer Zeit aber wurden schon einige Mädchen aus Hela nach Weichsel- müude und Ncufahrwasscr gefreit. Enge Verwandtschaft. Der junge Erbe der englischen Krone, der Sohn des Herzogs nnd der Herzogin von Bork, der dieser Tage im White Lodgc das Licht der Welt erblickte, ist im dritten Grade der Kousin seines Vaters und im zweiten Grade der Kousin seiner Mutter. Die Königin Viktoria und die Herzogin von Teck, Enkelinnen Georgs III., waren nämlich Kousincn, der Prinz von Wales und die Herzogin von Bork waren gleichfalls Geschwisterkinder, ebenso ist der junge Herzog von Bork der Kousin seiner Frau. Eine» sehr zartfühlenden Buchhalter hat Herr Armoor, der Eigentümer des berühmten Handelshauses Amoor in Chicago, das den weitbe kannten vorzüglichen Ochsenflcischcxtrakt und das Pökelfleisch (cornock beet) produziert und nicht weniger als 11000 Personen beschäftigt. Herr Armoor ist ein sehr fleißiger Mensch und ist stets der erste im Kontor, obwohl er es gar nicht nötig hätte, da der ehemalige Schwcinemetzgcr schon laugst auf seinen ungezählten Millionen ausruhcn könnte. Eines Morgens sand Armoor zu seinem größten Erstaunen, daß ein Buchhalter früher an der Arbeit war als er. Armoor rief den geschäftscifrigen Jüngling zu sich, belobte ihn, und sagte ihm, er könne sich zum Lohne für seinen ganz ungewöhnlichen Gcschästscifer auf Geschäftskosten einen neuen Anzug machen lassen. Diese unerhörte Freigebigkeit des Millio närs erregte berechtigtes Aufsehen. Am Monats fchlusse aber fand Armoor unter den Rechnungen, die er selbst genau durchzusehcn pflegt, nicht die Rechnung für den dem gerechten Buchhalter ge schenkten Anzug. Ganz erstaunt fragte er den jungen Manu: „Wo ist der Anzug? Wo ist die Rechnung?" Scheu und schüchtern erwiderte der Jüngling, daß er das Geschenk nicht verdient habe, da er damals nicht aus freiem Willen so früh ins Kontor gekommen sei; er habe viel mehr während der ganzen Nacht gebummelt und dann nicht mehr Lust gehabt, sich für ein paar Stunden schlafen zu legen. „Ich habe cs des halb," so schloß der brave Jüngling mit rühren der Aufrichtigkeit, vorgc,zogen, mich direkt au die Arbeit zu begeben; dafür habe ich aber am Nach mittag im Kontor einige Stunden sehr gut geschlafen." Armoor lachte aus vollem Herzen überfeinen gewissenhaften Buchhalter, hob rühmend seine Ehrlichkeit und seinen guten Charakter her vor nnd machte ihn noch an demselben Tage zu einem der hervorragendsten Angestellten in dem grandiosen Corncd bccf-Exporthanse, das der Stolz der Stadt Chicago ist. Also werden brave Jünglinge schon auf Erden belohnt, und das ist die Moral von dieser rührsamcn Geschichte. Einfache Lösung. Prinzipal: „Es ist recht fatal, daß Sie mit Ihrer Offerte so spät kommen! Nun habe ich bereits einer Dame den Posten versprochen! . . . Was thun?" — Buch halter : „Sehr einfach! Ich heirate die Dame, und Sie engagieren mich!" Vorsichtig. „Ach, Minna, fegen Sic doch morgen das Zimmer Ihres Fräuleins recht sauber aus, ich möchte um ihre Hand anhaltcn nnd dabei einen Kniefall riskieren!" düster, ich habe sie bis zu ihrem frühen Tode nur strahlend heiter gesehen." Inez sank müde in den Schatten zurück. „Sie war ja glücklich und geliebt," murmelte sie. Juanita schien die leisen Worte zu überhören, da sie schnell mit sichtbarem Stolz fortfuhr: „Ja, deine Mutter war das schönste Mädchen im Dorf, wie sie auch das vornehmste war. Sie entstammte einem altadcligcn Geschlecht, das allerdings gänz lich verarmt und dem Erlöschen nahe war. Schon Anitas Vater, der letzte seines Stammes, hatte von dem einstigen großen Besitz der Familie nichts mehr zu sehen bekommen, als das zer fallene Schloß inmitten des verwilderten Parks, von dem ihm kein Stein mehr eigen gehörte, da auch dies letzte bißchen Grundbesitz schon den Gläubigern verpfändet war, die nur auf den Tod des alten Grafen lauerten, nm ihr Eigen tum zu reklamieren, das sie dem Gesetze nach zu seinen Lebzeiten ihm nicht nehmen dursten. Und da der Graf nur ein notdürftiges, zurück gezogenes Leben mit seiner einzigen Tochter in seiner Ruine führte, so kannte Anita keinen Hoch mut, keinen Dünkel auf einen Rana, bei dem sie beinahe darben mußte. Sie war lieber mit unS Dorfmädchen in fröhlichem Spiel unter dem freien Himmel, als in der verwitterten Burg, die jeden Tag über ihr zusammenstürzen konnte. Und ihr Vater ließ sie gewähren. Der Welt entfremdet, brütete er in stolzer Zurückgezogenheit über den grausamen Verfall seines Geschlechts; <r mischte sich niemals unter das Volk und blieb bis zum Tode der unnahbare Aristokrat. Die Mutter hatte Anita frühzeitig verloren, sic blieb sich nach ihrer Firmelung völlig selbst überlassen, und das war just nach ihrem Geschmack. Sie kannte keine Sorgen, sang und tanzte den ganzen Tag, und aß unser Schwarzbrot so vergnügt, als wäre sie unseresgleichen. Wir zählten sie daher völlig als zu uns gehörig, obwohl sie nicht wie wir gekleidet ging und auch von dem Dorfgeistlichen bis zu ihrer Firmelung unter richtet worden war. Sie blieb der Liebling des ganzen Dorfes und war besonders mir die liebste Freundin. So sah dein Vater sie auch nicht zuerst im väterlichen Schlosse, sondern in unserer Mitte, als sie unter rotblühenden Kastanien den Fan dango tanzte. Nie vergesse ich den Abend. Ach Kind, du hast gar keine Ahnung von einem Sommerabend unserer schönen Heimat. Du kennst nicht die weiche, milde Luft dort, die so wonnig duftet von all den herrlichen Blumen, die man hier nur in Treibhäusern sicht, ivährend sie bei uns wachsen wie die Feldblumen. Der Mond stand voll am Himmel. Unsere Kastagnetten tönten heiter durch den windstillen Abend und nach ihrem Klange tanzte Anita, umflossen von dem märchenhaften Silberlicht, dsn Fandango. Keine von unS vermochte es ihr darin gleich, zuthun. Sie war sozusagen mit ganzer Seele dabei. Ihre schwarzen Flechten hatten sich gelöst und fielen in schweren Locken auf das weiße Kleid herab; ihre Augen blitzten voll Lust, die Wangen glühten — es war eine Freude, ihr zuzusehen, die Keinen Füße schienen kaum den Boden zu berühren. Ihrem fröhlichen Tanz so eifrig hingegeben, bemerkte sie daher auch nicht den Fremden, der da im Dunkel eines Baumes stand und jede Bewegung der zarten Gestalt entzückt verfolgte. Als ste dann unter unserem Beifallsjubel geendet und doch ein wenig erschöpft sich nicderließ, trat der Fremde mit einen: lauten „Bravo" hervor. Sie erschrak heftig bei dem unvermuteten Anblick des großen, blonden Mannes. Eine jähe Röte überflog ihr reizendes Gesicht. Sie schnellte empor, brach ungestüm durch unfern Kreis und eilte wie der Wind davon. Auch kehrte sie an diesem Abend nicht mehr zurück, obwohl sie häufig genug viel später noch bei uns zu weilen Pflegte. Dennoch kani es, wie das Schicksal gewollt. Annita konnte sich nicht immer in ihrer alten Burg verstecken, und da der Fremde nicht auS dem Dorfe wich, mußten sie einander wohl be gegnen. Aus der ersten scheuen Verlegenheit wurde bald ein sehnsüchtiges Suchen. Kein Wunder, daß sie einander liebten und nicht wieder lassen wollten, der. große, sieghafte Künstler und die wunderbar berauschende Blüte des Südens — sie schienen wie geschaffen zu gegenseitigem Glück. Der alte stumpfsinnige Graf erhob keine Ein wendung, als der deutsche Bildhauer ihn um die Hand seiner Tochter bat. Er begriff kaum mehr, als daß jener keinerlei Ansprüche an eine Mit gift stellte, sondern Anita freudig nahm, wie sie ging und stand, und zudem ihm selber gestattete, den Rest seiner Tage in lang entbehrter Behag lichkeit auszuleben. So wurde unsere Anita gar bald des Künstlers Weib, der ihr in der nächstgelegenen großen Stadt ein herrlich ausgestattetes Heim bereitet hatte, wo er dem Glück und seiner großen, ruhmreichen Kunst beseligt mit ihr lebte." Hier schwieg Juanita. In Erinnerung ver sunken, starrte sie in das verglimmende Feuer. Sie mochte an ihren eigenen, kurzen Liebestraum denken, der auch sie in dem nämlichen Sommer umsponnen. Nach geraumer Weile fuhr sie weh mütig fort: „Selten haben wohl zwei Menschen ein so vollkommenes Glück genossen, wie deine Eltern; aber in dieser Welt des Wechsels konnte es nicht von langer Dauer sein. Nach zwei jähriger Ehe wurde deine schöne, junge Mutter durch ein schnelles, heftiges Fieber dahingcraffr. Dein Vater war wie irrsinnig, ich fürchtete für sein Leben, als man sein armes, liebliches Weib in die dunkle Erde senkte. Tagelang irrte er in den Bergen umher, ohne sein Hans zu betreten, selbst nach dir verlangte er nicht. Das schöne, Helle Haar, das deine Mutter so geliebt, war aschgrau geworden nnd seine hohe, kräftige Ge stalt verfallen, gebeugt wie die eines Greises. Dann betrieb er in krankhafter Hast den Verkauf seines Besitztums. Er könne den Ort nicht mehr ertragen; an dem er so selig und so unaussprech lich elend gewesen sei, er wolle nach Deutschland zurückkehren. Und er bat mich, dich zu begleiten und wenigstens während deiner ersten Lebensjahre dich nicht fremden Händen zu überlassen, um unserer armen, geliebten Annita willen, die du, leider, so früh verloren hattest. « « ttzortjepunz fotzt.»
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