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c) Schicksalslied (op. 54) Ihr wandelt droben im Licht Auf weichem Boden, selige Genien! Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht, Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten. Schicksallos, wie der schlafende Säugling, atmen die Himmlischen; Keusch bewahrt In bescheidner Knospe Blühet ewig Ihnen der Geist, Und die seligen Augen Blicken in stiller, Ewiger Klarheit. Doch uns ist gegeben, Auf keiner Stätte zu ruhn; Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur andern, Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahrlang ins Ungewisse hinab. Hölderlin ZWEITER TEIL Kantate »Jerusalem, du hochgebaute Stadt« für vier Solostimmen. Chor, Orchester und Orgel (op. 12) von Kurt Thomas (geb. 1904). [Zum ersten Male.] Soli: Frau Adelheid ArmholdAtexXva. (Sopran), Frau Elly Hartwig Correns (Alt), Herr Wilhelm Ulbricht (Tenor), Herr Ernst Osterkamp (Baß) Jerusalem, du hochgebaute Stadt, Wollt’ Gott, ich wär’ bei dir! Mein sehnlich Herz so groß Verlangen hat Und ist nicht mehr bei mir. Weit über Berg’ und Tale, Weit über braches Feld Schwingt es sich über alle Und eilt aus dieser Welt. O Ehrenburg, sei nun gegrüßet mir, Tu auf der Gnaden Pfort’! Wie große Zeit hat mich verlangt nach Eh’ ich bin kommen fort [dir, Aus jenem bösen Leben, Aus jener Nichtigkeit, Und mir Gott hat gegeben Das Erb’ der Ewigkeit. O schöner Tag und noch viel schönre Wann wirst du kommen schier? [Stund’, Da ich mit Lust und freiem Freuden- Die Seele geb’ von mir [mund In Gottes treue Hände Zum auserwählten Pfand, Daß sie mit Heil anlände In jenem Vaterland. Was für ein Volk, welch eine edle Schar, Kommt dort gezogen schon? Was in der Welt von Auserwählten war, Seh’ ich, die beste Kron’, Die Jesus mir, der Herre, Entgegen hat gesandt, Da ich noch war von ferne In meinem Tränenland. Im Augenblick wird sie erheben sich Bis an das Firmament, Wenn sie verläßt so sanft und wunderlich die Stätt’ der Element’; Fährt auf Eliä Wagen Mit großer Engelschar, Die sie auf Händen tragen, Umgeben ganz und gar. Propheten groß und Patriarchen hoch, Auch Christen insgemein, Die weiland dort trugen des Kreuzes Joch Und der Tyrannen Pein, Seh’ ich in Ehren schweben, Mit Freiheit überall, Mit Klarheit hell umgeben, Mit sonnenlichtem Strahl.