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Neues Leben mit vermittelt zu haben, auch wenn es kein Gewandhaus-Saal und kein Bauplatz sein konnte, ja nicht einmal eine große materielle Spende, möchte die Stadt nur als Zeichen inniger Verbundenheit und herzlichen Dankes bewertet sehen. Mehr kann ich Ihnen heute nicht bringen. Vaterland, Heimat und Stadt ringen darum, dem Volke, den Bürgern ein staatlich und wirtschaftlich geordnetes Leben überhaupt zu erhalten. Aber ich bringe mit meiner Mitarbeiter und meinen Willen, das Gewand haus durch die Schwere der Kämpfe der nächsten Jahre hindurch aufrecht zu erhalten als die Stätte edelster Kunstpflege. An dem Tage, an dem wir Vertreter unserer Generation, der eine fast gigantische Aufgabe auf die Schultern gelegt ist, bekennen können, daß wir diese Aufgabe gelöst haben, an dem Tage wird es eine meiner schönsten Pflichten sein, vor die städtischen Körperschaften hinzutreten und ihnen die Vernichtung des alten Schuldbuches vorzuschlagen. Möge das Gewandhaus mit stets durch Geist lebendig erhaltener Tradition weiter bestehen und wirken, Menschen zur Erbauung, der Stadt zum Ruhme, deutscher Kunst zur Ehre. Solche Wünsche sind eingeschlossen in diesem Blumenstrauß. Ich darf diesen Strauß nicht Ihnen, hochverehrter Herr Brockhaus, überreichen. Sie gestatten, daß ich ihn in die Hände Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin lege, wohl wissend, was die Frau an der Seite des Mannes im Leben bedeutet, wohl wissend, was die edle Frau einem Manne ist, in dessen Händen die Pflege Hegt für eine Stätte edelster Kunst! (Starker, anhaltender- Beifall.) Magnifizenz Professor Dr. LITT Kunst und Wissenschaft! Der Sprachgebrauch unserer Tage pflegt beide Worte so in einem Atemzug auszusprechen, als handele es sich hier um eng verwandte oder gar vöUig gleichartige geistige Tätigkeiten. Und doch möchte es uns manchmal scheinen, als ob zwischen diesen geistigen Mächten das Verhältnis des Gegensatzes bestünde. Nicht ohne Schaudern vernimmt der Mensch unserer Tage etwa das Wort, das in einem der soeben verlesenen Gewandhaus-Berichte auftauchte, wo es hieß, daß an einem Kunstwerk vor allen Dingen zu rühmen sei die „Kunstgelehrsamkeit“. Wir haben das Gefühl, als ob hier zwei Mächte aneinander gebunden wären, die keinesfalls zusammen gehen und zusammen wirken können. Und wenn ich einen Weg mache vom Augustusplatz zur Beethovenstraße, so ist das zwar, räumlich be trachtet, eine kurze Spanne, aber der Übergang aus der Halle der forschenden Wissen schaft in diesen Tempel der Kunst bedeutet doch, so scheint es fast, zugleich den Übertritt in ein völhg andersartiges geistiges Klima. Dort herrscht der Geist der Methodik und des geschulten begrifflichen Denkens, hier die Freiheit der Phantasie, ja des künstlerischen Rauschs. Dort herrscht der ganze Ernst disziplinierter Arbeit, hier die Heiterkeit des Spieles und der seelische Überschwang. Und doch, wenn ich hier nun stehe, um als Vertreter der Universität der Jubilarin des heutigen Tages unseren Glückwunsch und unseren Dank auszusprechen, so ist es mir, als ob neben mir in langer Reihe alle die Diener der Wissenschaft, alle die