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Beschränkungen, nicht auf stolzem Viadukt, wohl aber auf einem Notsteg, in ihrem Wesen unversehrt hinüberzuretten in eine bessere Zukunft, aus dem Geiste heraus, der etwa einen Friedrich Wilhelm III. bewegte, während der größten materiellen Depression des preußischen Staates 1809 die Universität Berlin zu gründen. Wenn sich mit der Erkenntnis dessen, was nottut, der energische Wille zum ent sprechenden Handeln paart, ist es noch immer möglich gewesen, das gesteckte Ziel zu erreichen, das hier ist: das Leipziger Gewandhaus zu befähigen, seiner hohen Aufgabe der Belebung und Befruchtung des musikalischen Lebens in Leipzig und weit über seine Grenzen hinaus auch in Zukunft gerecht zu werden. Was Nikisch während der Kriegsjahre, was Furtwängler während der Inflation gelungen ist, das soll und muß in der gegenwärtigen und zukünftigen Notzeit gelingen Bruno Walter! Sie werden es verstehen, meine Damen und Herren, wenn heute der Vertreter der Staatsregierung leider nicht in der Lage ist, der Jubilarin ein Angebinde zu über bringen, wie es ihrer Bedeutung und der Bedeutung des Jubiläums entsprechen würde. In dem Wunsche jedoch, der Gewandhaus-Direktion auch ein äußeres Zeichen der Dankbarkeit und Anerkennung zu geben, hat das Ministerium des Innern auf Anregung des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Goerdeler aus Mitteln des Monumental fonds die Anfertigung einer Marmorbüste Franz Schuberts vorbereitet, die in der Wandelhalle aufgestellt werden soll unter den Denkmälern derer, die mit ihren unvergänglichen Tonwerken eine dauernde Stätte in den Konzerten des Gewand hauses gefunden haben. Die Regierung ist der Anregung um so lieber gefolgt, als einerseits das Gewandhaus mit dem Wirken Schuberts deshalb eine besondere Ver bindung hat, weil dessen nachgelassene C-Dur-Symphonie bei einem Gewandhaus- Konzert 1839 unter Mendelssohns Leitung hier erstmalig aufgeführt wurde, und zum anderen Schuberts Werke im Sinne dessen, was ich über Freude und Teilnahme an der Kunst sagte, gerade heute von größtem Werte sind. Hat doch Schubert das deutsche Lied zu einer Macht im deutschen Leben gemacht, das seitdem tausende deutscher Männer aus dem Einerlei des alltäglichen Daseins in eine freie ideelle Sphäre emporhob und Vertreter der verschiedensten Stände gesellig vereinigte. Möchte die Schubert-Büste stummer Zeuge dessen sein, wie auch im nächsten halben Jahr hundert die Jubilarin den bisher von ihr beschrittenen Weg kraftvoll und unbeirrt weitergeht, aufwärts zu neuen Triumphen. Möchten nach 50 Jahren unsere Kinder und Enkel mit gleicher Freude und mit gleichberechtigtem Stolz das 200jährige Jubiläum feiern, aber in einem freieren und glücklicheren Deutschland! (Lebhafter Beifall.) 0 berbürgermeister Dr. GOERDELER Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hochverehrter Herr Brockhaus! Meine Herren von der Konzertdirektion des Gewandhauses! Den Grußgesang des Thomaner chors haben wir vernommen ohne Zeichen des äußeren Beifalls. Ich glaube, wir standen alle unter dem Eindruck, daß sich heute eine ehrwürdige Handlung vollzieht und daß es deswegen gezieme, zu schweigen.