Volltext Seite (XML)
diese Männer, deren ebengenannte Namen wie Hiller, Schicht, Mendelssohn Bartholdy, Rietz, Reinecke, Nikisch, Furtwängler unvergänglich und mit goldenen Lettern in die Annalen der Gewandhaus-Konzerte eingeschrieben sind, im Zu sammenwirken mit den in der Direktion des Gewandhauses tätigen und führenden Leipziger Bürgern die Heranziehung erster ausübender Künstler, zu denen ich durchaus, wie das vorhin schon mit Recht geschehen ist, auch die Mitglieder des Orchesters rechnen möchte, verstanden haben, die Darbietungen des Gewandhauses zu Spitzenleistungen und künstlerischen Ereignissen und Erlebnissen zu gestalten. Wer schätzt die Zahl der Leipziger und der von Nah und Fern Herbeigekommenen, die als erwartungsvoll gestimmte Zuhörer in weihevollen Stunden auserlesensten Kunstgenusses sich hier erfreuen durften, und die das Lob und den Ruhm dieser Kunststätte hinaustrugen in alle Welt und in den großen Städten Europas den Boden bereiteten für die begeisterte Aufnahme, die in den letzten Jahrzehnten das Gewandhaus-Orchester auf seinen Konzertreisen allenthalben gefunden hat! Mit Freude und Bewunderung stellen wir fest, daß sich das Gewandhaus-Orchester durch 150 Jahre hindurch immer auf höchster Höhe erhalten hat, und daß auch heute ein Mann und Künstler, ebenbürtig seinen großen Vorgängern, als Kapellmeister den Stab mit seltener Meisterschaft führt. Wahrlich, Leipzigs Bürgerschaft und die Gewandhaus-Konzertdirektion dürfen mit nur zu berechtigtem Stolz auf die Ver gangenheit zurückblicken und aus diesem Stolz heraus den heutigen Jubiläumstag mit Freude und Genugtuung feiern. Und die Zukunft? Das heutige Jubiläum ist zweifellos überschattet von der traurigen politischen und wirtschaftlichen Lage unseres Vaterlandes, von der Tatsache, daß auch die Kräfte, die bisher die Gewandhaus-Konzerte gehalten und erhalten haben, trotz aller Opferbereitschaft gemindert oder gelähmt sind, und daß Stadt und Staat, sonst in erster Linie zur Hilfeleistung berufen, heute, um ihre Existenz kämpfend, kaum imstande sind, sich neuen nicht zwangsläufigen Aufgaben zuzuwenden. So be rechtigt also auch Zweifel und Sorgen sein mögen, so ist es doch Pflicht und Not wendigkeit, die Gewandhaus-Konzerte ihrer hohen Mission zu erhalten. Gerade in einer Zeit, in der materielle Schwierigkeiten einen jeden drücken und jeder schwer um sein Dasein ringen muß, ist es notwendig, ihm die Möglichkeit zu bieten, immer wieder die Kraft für diesen Daseinskampf und dafür zu gewinnen, all das Schwere unserer Tage zu tragen. Diese Kraft verleiht wahre, ernste Freude an geistigen Gütern, an Wissenschaft und Kunst. Und deshalb ist gerade heute, auch gegenüber schalen und verflachenden Genüssen, das Wort Senecas beherzigenswert: Lerne Dich recht zu freuen, und glaube mir: Die wahre Freude ist eine ernste Sache! Disce gaudere — mihi crede, res severa est verum gaudium! Und ich vertrete weiter mit meinem Herrn Vorredner durchaus den Standpunkt — und ich möchte hier Staat und Stadt ausdrücklich einschließen —, daß es trotz allem Pflicht und Aufgabe unserer Generation ist, über der materiellen Not nicht die ideellen Werte und kulturellen Güter der Nation zu vergessen, vielmehr die Einrichtungen zu ihrer Pflege und Erhaltung, wenn auch mit augenblicklichen Einschränkungen und