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Intentionen des Dirigenten, den Geschmack des Erhebung und Kunst genuß erwartenden Laienpublikums und die Forderungen der Kritik völlig in Einklang zu bringen! Im Jahre 1895 trat an die Stelle des damals 71jährigen Carl Reinecke, der sein halbes Leben dem Gewandhaus in Treue gewidmet hatte, Arthur Nikisch, „der Aus erwählte unter den Auserwählten“, wie ihn einst Franz Liszt prophetisch genannt hatte. Erst vor Jahresfrist haben wir vor der Pforte dieses Hauses Hugo Lederers Denkmal des hier noch in den Herzen vieler weiterlebenden Künstlers enthüllt und damals seine Verdienste um das Gewandhaus gewürdigt. Erinnern wir uns auch in dieser Stunde seiner einzigen nachschöpferischen Wiedergabe zumal der klassischen Meisterwerke, seiner suggestiven Gewalt über das Orchester, seines Eintretens vor allem für seinen geliebten Bruckner, für Brahms, Draeseke, Tschaikowsky und Richard Strauß. Von Reger, der weitgehend berücksichtigt wurde, brachte er das Klavierkonzert und das Violinkonzert zur Uraufführung. Unter den vielen zeit genössischen Tonsetzern, deren sich Nikisch ferner annahm, erinnere ich an Hugo Wolf, Pfitzner, Humperdinck, Siegfried Wagner, Hausegger, Schillings, Weingartner, Schreker, Schönberg, Reznicek, Wetz, Graener und Korngold. Unter den ausländischen an Cesar Franck, Debussy, Bossi und Sinding. Von den hervorragenden Solisten-Namen nenne ich nur Heermann, Wüllner, Casals, Melba, Pregi, Possart, Cahier, Culp, Elena Gerhardt, Bender, Landi, Hempel, Engell, Ivogün, Rethbcrg, Elisabeth Schumann, Onegin, Paderewski, Pauer, Backhaus, Schnabel, Siloti, Edwin Fischer, Kwast-Hodapp, Vecsey, Flesch, Hubermann, Adolf Busch, Kreisler, Marteau. In den schweren Kriegsjahren ließ der Besuch der Konzerte erklärlicherweise nach. Die Programme wurden unter Ausschaltung der Werke ausländischer Tonsetzer auf einen ernsten Ton gestimmt; so wurde der erste Kriegswinter nicht mit der herkömm lichen Aufführung der IX. Symphonie beschlossen, das „Lied an die Freude“ kam nicht zum Erklingen. Nikisch, in guten und bösen Tagen der treue Freund des Ge wandhauses, richtete einen eigenen Appell an die Zeitungen für einen besseren Besuch. Nur der Umstand, daß sich damals der Orchesterbeitrag an die Stadt noch in an gemessenen Grenzen hielt, bewahrte das Gewandhaus in jener schweren Zeit vor wirtschaftlicher Not und ermöglichte es, ohne Erhöhung der Kartenpreise, an den herkömmlichen 22 Konzerten festzuhalten. 1920 erfolgte eine wichtige Neuordnung des Gewandhaus-Chores insofern, als der bisherige Bachverein als „Chorvereinigung des Gewandhauses“ unter seinem berühmten Leiter Karl Straube nun alle dem Chor zufallenden Aufgaben übernahm neben der Fortführung der Leipziger Bachpflege. Bis dahin nur den Chorwerken alter Meister sich widmend, erweiterte der Chor nun sein Wirkungsfeld auch auf das Gebiet der zeitgenössischen Chorliteratur und entwickelte sich unter seinem unermüd lichen und bewährten Führer zu einem der ersten Chöre Deutschlands. Auch in dieser Stunde sei allen seinen Mitgliedern wie seinem Führer warm gedankt für seine aufopfernde und wertvolle Mitwirkung im Gewandhaus. Diese Regelung bedeutet