Volltext Seite (XML)
Micha: Handle, o Freund, wie’s Gott dir gebeut. Samson: Kehrt mir die Stärke (die mich erfaßte einst im Felde Dan) nur einmal noch zurück: Dann lehr’ ich sie Jehovas Kraft und Macht! Ihr falscher Gott soll vor dem wahren fliehn, Wie leichte Spreu, vom Sturme hingeweht. Zweite Chor der Philister: (bei dem Festgelage in Dagons Säulenbau) Gott Dagon hat den Feind besiegt Und Samson nun im Staube liegt, Laut singt ihm Preis, stimmt freudig ein, Opfert ihm jauchzend Früchte und Wein! Micha, Manoah u. Israeliten (vor dem Gefängnis von Gaza) Manoah: Welch Lustgeschrei war das! sie rasen wild. Micha: Sie schreien und jubeln, zu sehn den mächt’gen Feind, Gefangen, blind, und verhöhnen seine Kraft. Manoah: Gern all mein Gut böt ich zum Lösegeld: Auch ohne Habe wäre ich mit ihm Der reichste meines Stammes. Micha: Sonst pflegt der Sohn den Vater, wenn alt; Doch hier der Vater — den Sohn! Dritte Micha, Manoah und Israeliten Micha: Wo flieh ich hin? wo berg ich mein Gesicht Vor dem, was ich sah? O Trauteste Entsetzen faßt auch euch ob dieser Tat. Manoah: O ende schnell die Folter: sprich es aus! Micha: So fasse dich in Kraft — Samson ist tot. Manoah: O bittrer Schmerz! Micha: Als Sieger sank er mit den Feinden hin. Zugleich vertilgt er sie, und ward vertilgt; So, wenn die Sonn’, dem Meer enttaucht, Von leichtem Morgenlicht umhaucht, Lieblich ihr Haupt auf sanfter Welle wiegt: Entfliehn die nächt’gen Geister bleich Hinab ins finstre Schattenreich, Und schwinden leis geschmiegt ins dunkle Grab. Micha: Mit Kraft begabt hoch über Menschenart, Schnell wie des Blitzes Strahl vollziehe sein Gebot, Und gib seine Macht den frechen Heiden kund. Szene Manoah: Wie willig trägt mein Vaterherz Die süße Last der Kindespflicht Und teilt der Pflege Sorg’ und Schmerz! Ob Nacht auch deckt sein Angesicht, Weil ich noch seh’, braucht er kein Licht. Micha: Sei überzeugt: die Hoffnung, Samson zu befrein, Die teilt mit dir, dem Vater, die Freundesschar. Manoah: Ich kenn’ dein treues Herz und — Gott, welch Lärm, schrecklich und wüst! Kein Jauchzen wie zuvor! Chor der Philister: (in Dagons Säulenbau) Hör mich, o Gott! hör mein Geschrei! Tod! Grauen! Fall! o steh mir bei! O Gnade, Gott! mich faßt der Tod! Szene (vor dem Gefängnis von Gaza) Den Säulenbau, den Ort des Festgelages, Stürzt er auf sie — und auf das eigne Haupt! Manoah: So traf dein stärkster Schlag zuletzt dich selbst! O seltner Weg, den du zur Rache nahmst! Glorreich, doch grauenvoll. Micha: Erheb’, o Israel, Klaggesang! Dein Speer zerbrach, dein Schild zersprang. Dein Ruhm versiegt! Erschlagen liegt Held Samson dort, Auf ewig, ewig schied dein Hort. Chor der Israeliten: Klag’ Israel, klag in lautrem Lied; Samson dein Hort, dein Kampfheld, verschied! 6