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Samson: Rächende Strafe ward mir dieses Leid; Denn mein nur ist die Schuld! Und darum scheucht Der Gram die Ruh’ von mir, und Fried’ und Rast. Doch bald end’ ich den Streit: nach meinem Fall Wagt Dagon kühn mit Gott sich auf die Bahn, Der seinen Trotz nicht dulden wird, der rasch Den Frevel zähmt und seine Macht bewährt; Dagon erliegt, entrissen wird ihm dann Der Sieg, des er sich rühmet über mich. Warum liegt Judas Gott im Schlaf? Steh’ auf mit Schreckenschall, In düstrer Wolken Schwall, Wie wenn die Heiden sonst dein Donner traf! Daß sturmgleich sich dein Ingrimm regt, Entfeßle deinen Groll, Gerechter Rache voll, Bis Schmach und Unheil all’ die Feinde schlägt! Chor der Israeliten: Dann sollt ihr sehn, daß Er, des Nam’ Jehovah ist, Allein der ganzen Erd’ gebeut, In ewig gleicher Macht und Herrlichkeit. Manoah: Weh’ mir, mein teurer Sohn, daß du nun hier Liegst so verworfen und in solcher Schmach! Samson: So muß es sein! — Was soll ich leben? Bald deckt dies Aug’ zwiefache Finsternis. Des Lebens Flamm’ erlischt, die Hoffnung flieht; Müd’ ihrer selbst ist die Natur in mir, Die Bahn des Ruhms vollbracht, und die der Schande, Oft rief ich den Tod herbei; er naht mir nun, Und bettet freundlich mich zu ew’ger Ruh’. Micha: Und lange Ewigkeit beglückt dich dort — — Chor der Israeliten: Dann wird zum goldnen Sternenzelt Des, der da herrscht im All der Welt, Die wonnetrunkne Seel’ entrückt: Wo sie, von Erdenlast befreit, Im Siegeskranz sich herrlich schmückt, Erhaben über Tod und Zeit In Ewigkeit! ZWEITER AKT Erste Szene (Samson, Micha und Israeliten) Micha: O komm, du Gott des Heils, und sieh Auf deines Dieners Pein! Der Leiden Last entzieh’, Daß nicht die Heiden sich erfreun. Chor: Sie treten deinen Knecht in Staub Und achten ihn, als wär er tot. Zweite Szene (Delila und Begleiterin kommen) Micha: Doch wer ist sie, die so geziert und schmuck, Eilend dahin fährt wie ein stattlich Schiff? ’s ist Delila, dein Weib! Samson: Mein Weib? O Himmel! Laßt sie ferne bleiben! Micha: Sie steht, sie blickt auf dich und senkt das Haupt; Sie weint; Das Wort, mit dem sie ringt, erstickt in Tränen, Netzend die Säume ihres Trauerkleids. Delila: Von Sorg’ erfüllt, komm ich mit bangen Schritten Zu dir, mein Samson! scheuend dein Mißfallen, Doch meine treue Liebe trieb mich an, Bezwingend meine Angst und zage Furcht. 3