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Der sächsische Erzähler : 09.11.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192811092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19281109
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19281109
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-11
- Tag 1928-11-09
-
Monat
1928-11
-
Jahr
1928
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 09.11.1928
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Sieger Hoover. , Z)er Wahlsieg der amerikanischen Republikaner ist viel größer, als man es noch vor kurzem vermuten konnte. Eoölidges Erstilg ist durch Hoovers Sieg um ein beträcht liches in den Schatten gestellt worden. Mehr als drei Viertel aller Wahlmänner werden im Januar für den bisherigen Handelsminister Hoover stimmen, während sein Gegenkan didat Smith sogar seinen bisherigen Gouverneursposten im Staate Neuyork einbüßte. Der Erfolg der Republikaner ist um so gründlicher, als sogar die bisherigen Hochburgen der Demokratie im Süden stark erschüttert wurden. Drei wich tige Staaten des Südens haben diesmal republikanische Mehrheiten auszuweisen, und demgegenüber bedeuten die denwkratischen Siege in zwei kleineren Staaten so gut wie nichts.' Auch in den gesetzgebenden Körperschaften, im Reprä- sentantenhause und im Senat wird die Mehrheit der Repu blikaner verstärkt werden. Sämtliche Vorwürfe der Kor ruption, mit denen die Demokraten ihre Wahlagitation hauptsächlich bestritten, haben nicht hindern können, daß Hpover heute der populärste Monn in Amerika ist. Er wird zunächst vier Jahre lang unbehindert durch irgendeine Op position im Innern sein Amt versehen und die Macht seiner Partei im Lande ausbauen können. ,, .Es wurde schon früher darauf aufmerksam gemacht, wo durch die Aussichten Hoovers sich so glänzend gestalteten: Die Parole: pros perftzc, das heißt Wohlstand, zieht in Amerika. Die Republikaner konnten darauf Hinweisen, daß unter ihrem Regime das Land einen unerhörten wirtschaft lichen Aufschwung hinter sich habe. Und sie machten weiter geltend, daß hierzu nicht zum wenigsten das Alkoholvcrboi beigetragen habe, dessen strikte Durchführung sie in ihr Pro gramm geschrieben hatten. Hierdurch war Hoover der Un terstützung der in Amerika so mächtigen christlichen Sekten und der nicht minder einflußreichen Frauenbewegung sicher. Smith hat seinen „nassen" Standpunkt mit dem Verlust niedrerer Südstaaten büßen müssen, denn bei aller traditio nellen Anhängerschaft an die Demokraten will man gerade in den Negerstaaten die Trockenlegung um keinen Fall preisFeben. Wahrscheinlich glauben die Amerikaner, daß die Weißen auch unter den Prohibitionsgesetzen Alkohol in Hülle und Fülle erhalten können, sofern sie ihn bezahlen. Außerdem standen die gesamten Wcststaaten mit ihrer star ken Farmerbevölkerung auf Hoovers Seite. Wohl gab es zu Beginn des Wahlkampfes einen kritischen Moment, wo es nicht ausgeschlossen schien, daß die Farmer wegen der Nichtberücksichtigung ihrer Forderungen massenhaft aus dem republikanischen Lager fliehen würden. Hoover hat es ver standen, diese Krise zu überwinden, und ebenso ist es ge lungen, die Neger bei der republikanischen Fahne zu halten, die ebenfalls aus alter Uebcrzeugung und aus den Erfah rungen des Bürgerkrieges heraus gegen die Demokraten eingestellt sind. Hoovers Präsidentschaft wird in Amerika zweifellos eine Periode weiterer Konsolidierung und weiteren Wohl standes einleiten. Man erwartet von dem neuen Präsiden ten, daß er im großen und ganzen die Politik Coolidges fort- fsihrt. Insbesondere glaubt man. daß er in der Abrüstungs frage vielleicht noch energischere Töne finden wird als sein Vorgänger. Wesentliche außenpolitische Aenderungen oder gar Sensationen sind auch in der Reparationspolitik nicht zu Die Kinder der Halde. Märchen von R. Menzel. Hl. Ottfried. lieber Friedels Grab strichen die Hcrbstwinde, als Rosemarie von ihrem Agenten die Aufforderung zu einer Konzertreise ins Aus land empfing. Sie konnte sich nicht entschließen, ohne Gottfrieds brüderlichen Schulz herumzuwandern, und lehnte ab. In der Groß stadt ließ sich Maria vom Walde, dies war ja ihr Künstlername, als Gesangslehrern! und Kirchensängcrin nieder. In ihrer Lehrtätig keit fand sic Befriedigung, in der Liebe ihrer Schülerinnen ihr Glück. Die, Jahre verstrichen so fast unmerklich. Maria, nun eine statt liche Erscheinung, entdeckte eines Morgens silberne Fäden im Haar und lachte darüber, weil sie in blühender Irische sich noch so jung fühlte. Sie stand nun allein. Die Eltern hatte sie begraben, auch Ottfrieds Eltern waren hcimgegangcn, und ihre Hütte verfiel. Aber Maria behielt ihr Haus auf der Halde, dort verbrachte sie ihre Er holungszeit. Oft saß sic sinnend am Wicscnrande, doch die holde Fee erschien nicht mehr. Aber aus Friedels Grab blühten selbst unterm Schnee stets seltene Blumen, die inan in der ganzen Gegend nicht kannte. Eine Silberweide neigte ihre glänzenden Zweige über das Marmorkrcuz, und die Vöglein sangen dort süße Weisen. Wo aber weilte Ottfried? Das Nebelmännlein hatte Wort gehalten: Der Knabe war nach ehrgeizigem Streben ein gelehrter und berühmter Mann gewor den, hatte fremde Länder und Völker studiert und viel Geld ver dient, aber auch viel vertan sür Dinge, die er seinem Stand und seiner Zukunft schuldig zu sein glaubte. Die Domenwelt fand ihn „interessant". Wir möchten ihn eingebildet, hochmütig und höhnisch nennen. Sein Herz blieb leer. Junge Mädchen schwärmten sür ihn, sie lauerten ihm nach glänzenden Borträgen aus, di« er vor er wähltem Hörerkreis hielt. Zu Geburtstag und Weihnachten regnete er gestickte Brieftaschen, Sosakissen und Hausschuhe, die er mit dem Fuße sortstieß und weiter verschenkt«. Mit den zahlreichen rosa Brieschen heizte er seinen Kamin, die kostbaren Blunnmgebinde, von ihm Kuhsraß genannt, mußte seine Waschfrau sortnehmen, da er ihren Duft nicht vertragen konnte. So führte die Aufdringlich keit der Damen zu nichts als zur Verachtung und Verspottung der Spender, und schließlich ward Ottfried ein grausamer Frauenver ächter. Ein häßlicher Zug grub sich um seine zusammengeknisfenen Lsppen, und seine Augen blickten kalt. Seine Freunde wünschten, daß er sich verheirate, um eine geordnete Häuslichkeit zu haben. Einige Male schien er ihnen nachzugeben, aber kurz vor der Hoch zeit trat er plötzlich zurück: er wolle sich nicht fesseln oder cinkerkcrn lassen, er wolle srei und allein bleiben, er pfeife aus di« Zweisam keit, der Mensch sei erwiesenermaßen doch immer einsam. Da lie ßen ihn die Freunde in Ruhe. Nach einiger Zeit ward Ottsried an die Universität der Stadt berufen, in der Maria lebt«. Der Gelehrte wurde an den Hof gc- zogen, spielte dort eine große Rolle, bekam Ordensstern« und Ket. ten, denen bald der Adel solche, so wie er einst sich nennen wallte: Profesior Dr. Ottfried Ott von Otterstein. War er jetzt, am Ziel feiner Wünsche, glücklich? Nein! Sein unsteter Sinn, seine Ruh- mesgier trieben ihn immer und immer wieder in die Ferne, wenn auch nur aus Monate. Maria begegnete ihm einst in Gesellschaft und erkannte ihn gleich. Er starrte sic lange an, ehe er geruhte, sich der Gespielin zu erinnern: „Ach jo, die Halde — hm, ja, die Waldwiese und un sere albernen Spiele! Hobe schon damals Frösche, Schlangen und Steine den Kindereien vorzogen. Erinnere mich! Trauriger Aufenthalt in der morschen Hütte. Also der langweilige Geiger ist tot? Tut mir leid! Na, wir beide also sind übrig geblieben. Da mals in Jugendlocken, jetzt guckt bei Ihnen wie bei mir schon der erwarten. Bislang haben die Republikaner stet« betont, daß sie die von Europa so sehnlich gewünschte Verknüpfung des interalliierten Schuldenproblems mit der Reparation»- frage ablehnen. Man hat vielfach angenommen, daß es sich hier um eine Parteitaktik vor der Präsidentenwahl han delt. Von der Haltung Hoovers wird für die künftige Ge- staltung der internationalen Finanzverhandlungen sehr viel abhängen, ja, der amerikanische Präsident hat es heute in der Hand, diese Verhandlungen ganz entscheidend zu beein flussen. Bekanntlich tritt Hoover nach der amerikanischen Verfassung erst im März des nächsten Jahres sein Amt an. Vorher wird man also grundlegende Meinungsäußerungen kaum erwarten dürfen, und deshalb ist auch nicht wahrschein lich, daß die schwebenden internationalen Verhandlungen vor diesem Termin in ein entscheidendes Stadium treten werden. Die Uew Uorker Körfe zur Mahl Koovers. New Jork, 7. November. Die Wahl Hoovers bewirkte in Wallstreet eine neue starke Haussebewegung. Aus allen Teilen der Welt lagen riesige Kaufaufträge vor, zu deren Bewälti gung die Börsenfirmen alle verfügbaren Kräfte heranziehen muß- len. Die Kurse stiegen bereits zu Beginn des Börsenverkehrs um bis zu 10 Dollar, dann erfolgte jedoch teilweise ein Rückschlag, weil angesichts der Unsicherheit, die dadurch hervorgerufen wurde, daß der Börsenticker um 40 Minuten in Rückstand geriet, Realisationen vorgcnommen wurden. Pertirrar über die franzvstfche Kabinettskrise. London, 8. Nov. Perlinax bezeichnet es im „Daily Te legraph" als wahrscheinlich, daß Poincarö die Fortführung seines Amtes ablehnen werde, aber selbst wenn er versuchen sollte, ein Kabinett zu bilden, würde es ihm sehr schwer fal len, mit Leuten wie Herriot zu einer Einigung zu kommen. Tatsächlich seien anscheinend die Tage der nationalen Union vorüber. Es bestehe Aussicht aus eine lange Dauer der Krlsis und Persönlichkeiten wie Vriand oder Steeg hätten fehl Aussicht, auf Grund eines Programms der republikanischen Eintracht Ministerpräsident zu werden. Arbeitszeit und Kohrrstreik in der Karrsttzer Tuchindustrie. Berlin, 7. November. Unter Hinweis auf die Wahrscheinlich keit einer Einigung halte das Reichsarbcitsministcrium zum 7. November die Parteien zu nachmaligen Nachvcrhandlungen über die Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruches vom 27. Septbr. betreffs Mehrarbeit in der Lausitzer Tuchindustrie gebeten. Die Verhandlungen scheiterten sofort, nachdem die Arbeitnehmer kate gorisch erklärt hatten, daß sie nicht gewillt seien, von Partei zu Partei über die Mehrarbeitszeit zu verhandeln, es sei denn, daß die Arbeitgeber sich sofort bereit erklärten, in Verhandlungen über die Lohnsätze cinzutreten. Wie wir weiter hören, ist aus die Kündigung des bis zum 5. Dezember laufenden Lohnabkommens durch die Ar beitgeber von den Gewerkschaften eine Forderung auf Lohn erhöhungen von 18 bis 24 Prozent eingegangen. Aus Sachsen. Dresden, 8. Nov. Neue Eingemeindungen in Dresden. Die zwischen der Stadt Dresden und der Gemeinde Gohlis seit einiger Zeit gesührten Eingemeindungsverhandlungen Esel heraus. — Reden wir von etwas anderem! Beschäftigen Sie sich außer mit der Kunst, die mich nicht im geringsten interessiert, auch mit Lektüre? Ja? Lesen Sie Philosophie? Nein? Das ist ein Mangel an Bildung. Lesen Sie Nietzsche! Das ist mein Mann. Jetzt habe ich keine Zeit, Ihnen einen Vortrag über ihn zu halten. Lesen Sie seine Werke und schreiben Sie mir Ihre Urteile darüber!" Maria ward traurig über diese Reden, die aus einem verhärteten Gemüt kamen. Wie sollte sie ihre Mission erfüllen und Liebe in ihm erwecken? Sie las die Bücher des Philosophen und sandte Ottfried regelmäßig Briefe, die anfangs streng wissenschaftlich waren, aber zuletzt doch Marins warme Liebe atmeten. Der Gelehrte antwor tete zuerst kurz und sachlich, dann kam nach langer Pause eine Karte, daß er keine Zeit zum Lesen hätte, und endlich schickte er ihr die zum größten Teil uneröfsneien Briefe wieder mit einem Zettel folgenden Inhalts: „Geehrtes Fräulein! Da ich nächstens verreise und nicht möchte, daß di« Proben Ihrer merkwürdigen Schriftstellern in fremde Hände fielen, schicke ich Ihnen diese hiermit zurück. Verzeihen Sie, daß ich nicht alle eröffnet habe, doch ist bei meiner kolossalen und interessanten Arbeit die Zeit wirklich zu knapp, um mich mit solchen Nichtigkei ten, die ich nur als Gcsasel eines verspäteten Backfisches bezeich nen kann, aufzuhaltcn. Nehmen Sie mir das nicht übel! Frohe Ferien, und auf gesundes Wiedersehen! v. Otterstein." Wo war ein treues Herz, an dem Maria ihren Schmerz aus weinen konnte? Wo war ihr Mut, auszuhalten, uni ihre Lebens aufgabe zu erfüllen? Als sie gegen Morgen über ihren Tränen einschlief, erschien ihr die Fee. Traurig stand sie an ihrem Lager und sprach: „Armes Kind! Laß nicht ab! Nur durch Liebe ist ein kaltes Herz zu gewinnen!" Ottsried reiste noch den Ausgrabungsfeldern Italiens, und merkwürdig! In der Ferne erschien ihm seine Tat nicht einwand frei, nicht ganz seines Ranges würdig. Maria erhielt in ihrem Waidhaus eine nichtssagende Ansichtskarte, aus der ihr liebendes Herz mehr herauslas, als beabsichtigt war. Sie freute sich darüber und war versöhnt. Den folgenden Winter zeichnete Ottfried Maria aus, wo er konnte. Sie trafen sich in Konzerten u. Vorlesungen, sogar einmal in der Kirche, obwohl der berühmte Kanzelredner Ottfried nur höh- Nische Bemerkungen abzwang. Doch begleitete er sie nie nach Hause und betrat ihr Heim nie, wennschon er nur eine Viertelstunde von ihr wohnte. Wiederholt forderte er sie auf, ihm ihre Gedanken schriftlich mitzuteilen: sie war gewarnt und tat dies nur zweimal. Als der Frühling kam. ward der Wandertrieb in Ottfried mächtig. Wie alljährlich ordnete er vor der Reise seine Papiere und fand die zwei uneröffneten Briese Marias. „Die reine Iugendeselei! Hier inuß ein Ende gemacht werden," meinte er, schrieb einen Bries da zu, siegelte alles zusammen ein und hatte die größte Eile, es im nächsten Briefkasten zu versenken. Mario ahnt«, daß der Brief in ihrer Hand ihr Schicksal bedeu tete. Lange zögerte sie, ihn zu öffnen. Ihre beiden Briefe sielen ihr in den Schoß, und zitternd las sic dos Begleitschreiben: „Mein Fräulein! Wir wollen die Korrespondenz und unsere Bekanntschaft als zwecklos aufgeben. Es ist nur eine unnütze gegenseitige Quälerei auf Grund sentimentaler Anwandlungen, die zu gar nichts füh ren. Schreiben Sie mir also nicht wieder! Täten Sie es den noch, so würde ich die Annahme verweigern und im Wiederho lungsfälle die Briefe -- vorläufig ohne Namensnennung — ver öffentlichen. Hochachtungsvoll O. v. O." „Zwei Schläge ins Gesicht, einen aufs Herz!" stöhnte Maria und brach zusammen. Eie verfiel in eine schwere Krankheit und haben nunmehr zu einem gewissen Abschluß geführt. Die Eingemeindung yt für dem 1. April 1S2S in Aussicht ge- nommen. Wie der „Dresdner Anz." weiter hört, schweben auch Eingemeindungsverhandlungen mit Hosterwitz und anderen im Osten gelegenen rechtselbischen Gemeinden. kesselhain, 8. Nov. Motorrad gegen Pferdefuhrwerk. Am Ortseingang fuhr ein mit zwei Personen besetztes Mo- torrad gegen die Deichsel eines mit zwei Pferden bespannten Wagens. Der Handlungsgehilfe Pappermann aus Böhlitz. Ehrenberg zog sich eine schwere Kopfverletzung zu, an deren Folgen er im Krankenhaus gestorben ist. Der auf dem So ziussitz mitfahrende Handlungsgehilfe Kaiser wurde in hohem Bogen 15 Meter weit fortgeschleudert. Er kam jedoch mit leichteren Verletzungen davon. Leipzig, 8. Nov. Die Wohnungsnot in Leipzig. Die Stadtqemeinde Leipzig hat in den Jahren 1924/28 insgesamt 5122 "Ahnungen erstellt; mit Unterstützung aus Aufwer- tuntz rmitteln sind von privater Seite in der gleichen Zeis Wohnungen erstellt worden. Trotz dieser an sich gewiß bemerkenswerten Förderung des Wohnungsbaues herrscht in Leipzig auch heute noch eine unerträgliche Woh nungsnot; nach einer Mitteilung des Ratsreferenten haben 26 060 Familien in Leipzig Anspruch aus eine selbständige Wohnung, der bis heute noch nicht befriedigt werden konnte. Leipzig, 8. Nov. Verurteilter DahnrSuber. Im Juni d. I. waren die Bahnpostwagen zwischen Leipzig und Halle wiederholt beraubt worden. Es gelang schließlich, den Täter, der aus den fahrenden Zug aufgesprungen war, in Schkeuditz in der Person des 31 Jahre alten Gärtners Karl Spieß festzunehmen. Das Schöffengericht Halle verurteilte gestern den Posträuber zu drei Jahren Zuchthaus, fünf Jähren Ehrenrechtsverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Leipzig, 8. Nov. Leschwerdeverfahren der Stadtverord neten gegen den Leipziger Oberbürgermeister. Der Ober- bürgermeister der Stadt Leipzig, Dr. Rothe, hat vor einiger Zeit im Leipziger Hausbesitzerverein als Vertreter des Rates eine Rede gehalten, in der er die Not der Hausbesitzer mit darauf zurückführte, daß das Bürgertum nicht die notwen dige Einigkeit wahre, um in den staatlichen und kommuna len Parlamenten entsprechend vertreten zu sein. Es wäre wünschenswert, daß bei der nächsten Stadtverordnetenwahl in Leipzig ein geschloßenes Bürgertum die jetzt den Inter essen des Bürgertums abträgliche marxistische Mehrheit be seitige. Im Verfolg dieser Rede haben die Stadtverordneten den Rat um eine Aeußerung ersucht, ob er diese Stellung nahme des Oberbürgermeisters billige. Der Rat hat den Stadtverordneten geantwortet, dem Oberbürgermeister könne nicht verwehrt werden, auch wenn er als Vertreter des Rates spreche, seine Weltanschauung rundzutun. Im übri gen werde kein Mitglied des Rates auf den Inhalt seiner Rede festgelegt, die es bei derartigen Gelegenheften zu hal ten gedenke. In ihrer Mittwochsitzung haben die Stadtver ordneten diese Antwort besprochen. Sie wurde namens des Rates vom zweiten Bürgermeister Dr. Hoffmann vertreten. Er erklärte u. a., wenn der Oberbürgermeister einer Stadt wie Leipzig sich Sorgen mache über die wirtschaftlichen und kulturellen Folgen einer marxistischen Mehrheit, so könne ihm niemand verwehren, von diesen Sorgen zu sprechen. Das habe er übrigens nicht getan, um für «ine Partei einzu treten, er habe lediglich von den beiden weltanschaulichen Gegensätzen Bürgertum und Marxismus gesprochen und habe das Bürgertum zur Sammlung aufgerufen. Die Rede sei parteipolitisch vollständig neutral gewesen und das ledig- rang mit Gott um Seelenfrieden. Wodurch hatte sie solchen Hoß ' verdient? Wie keujch war ihre große Liebe gcwesenl „O Mutter, o Friedel, wäre ich doch bei euch!" — War es ein Fluch, der auf ihr lastete? War es eine Vergeltung sür die Abweisung ihrer Freier, unter denen sich gewiß manch treues Herz befand? Als die Krisis eintrat, fühlte sie einen kühlen Hauch wie von Tannendust und Wiesenblumen. Dann trat die Fee zu ihr und legte ihre weiße Hand auf die fiebernde Stirn. Und sie sah: Weit, weit in der Wüste saß Ottsried schmachtend in einem vergitterten Käfig, und Rosmariele im Kinderröckchen lief barfuß über den glühenden Sand, meilenweit, tagelang, um ihm Brot und Wasser der Heimat zuzutragen. Die Fee zog ihre Hand fort, da verschwand das Bild. Sie aber sprach: „Für treue Liebe bot er dir Haß, für Brot Steine. Er erkannte deinen Wert nicht, deshalb bleibt ihr nun auf Erden getrennt. Du darfst für ihn beten, daß er die Liebe noch finde, um selig zu sterben. Ucbergib ihn Gott, da du ihn lassen mußt. Ziehe in die Heimat, dort bin ich dir nahe! Einmal noch siehst du mich, Rosemarie, in deiner Todesstunde erscheine ich dm, um dich Heimzu bringen." Maria genas langsam, doch ein Herzübcl blieb zurück. Sie mußte sich sehr schonen. Bald erfuhr sie, daß der Gelehrte in der Nähe von Karthago von einein wilden Volksstamm überfallen und ins Innere der Wüste verschleppt worden war, kein Mensch wußte, wohin. Sie betete und rvartete. Sechs lange Jahre schmachtete Ottsried in Sklaverei, bis es ihm gelang, zu entfliehen. Das Un- glück hatte ihn weicher gestimmt. Heimat, Jugend, Rosemarie er schienen ihm als großes Glück. Er wollt« gleich in den Wald eilen, doch eine schwere Krankheit hielt ihn nach seiner Rückkehr in die Stadt wochenlang auf. Reisezeit ist's. Nun, Herr Professor, schnüren Sie Ihr Bündel, um in die Ferne zu zieh'»? Nein — der genesene, aber sehr ge alterte Mann wandert zum Haus auf der Halde. Weich weht di« Sommerlust um seine Schläfe. Duftete der Wald denn früher so schön? Wo aber sind die Waldvögelein, sie sind doch noch nicht fortgezogen? — Jetzt lichten sich die Bäume, jetzt schrecket er aus die Wiese. Horch I Feierliche Glockentöne hallen, und vom Dorf kirchlein drüben bewegt sich ein langer, langer Zug. Er eckt hckuu: „Im offenen, blumengeschmückten Sarge liegt Rosemarie mit gefal- teten Händen. Das weiße Haar umrahmt das immer noch schone Antlitz mit dem Leidenszug um den Mund. „Sie starb am Herzen mit einem Segenswort für Ottfried", hört er ein« Bäuerin flüstern. Jetzt setzen di« Träger den Sora nieder, jetzt schließen sie den Deckel, jetzt senken sie di« sterbliche Hüll« in die Gruft, setzt zwit schern die tausend Waldvögelein ihren Abschiedsgruß; da springt der starre Panzer von Ottfrieds Herz. „Rosmariele, ruft er und sinkt weinend in die Knie. Noch lange, lange Jahre lebt im Haus auf der Hawe der alt« Herr Profesior. Er hat gelernt, freundlich und giftig zu sein. Die Kinder des Dorfes kommen gern zu ihm, well er ihnen von seinen Reisen so schön zu erzählen weiß und sie die Natur kennen lehrt. Er wird nur böse, wenn di« Kleinen sich nicht vertragen, und mahnt: „Seid lieb und gut zueinander, sonst wird es leicht zu spät dazu!" Eine» Tage» lag er allein altersmatt aus der Waldwtes«, er war so lebensmüde, der Greis im Silberhaarl Da schwebten drei Lichtgestalten auf ihn zu. Cs war die Fee mit den Engeln Gott- fried ud Rosemarie; sie sprach: „Du hast die groß« Schuld gebüßt und Liebe durch Leid ge lernt. So bist du teilhaftig geworden der ewigen Seligkeck, zu der du nun eingehen sollst." Da nahmen die beiden Enael die Seel« Ottfrieds und flogen mit ihr in» Parodie».
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