Volltext Seite (XML)
DerSSHWeLrMer Ttzebklü MMsißosswerda Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Der Sächsische Erzähler ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekannt machungen der Amtshauptmannschaft, des Arbeitsgerichts und de» Haupt zollamts zu Bautzen, de» Amtsgericht», de» Finanzamt», der Schulinspektion und de» Stadtrat» zu Bischofswerda behördlicherseits bestimmte Blatt Ikukirch und Ilmgegend Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadtünd Land. Dicht verbreitet in allen Volksschichten. Beilagen: Illustriertes Sonntagsblatt / Heimatkundliche Beilage / Frau und Heim / Landwirtschaftliche Beilage / Iugendpost. Druck und Verlag von Friedrich May, G. m. b. H. in Bischofswerda. — Postscheckkonto Amt Dresden Nr. 1521. Gemeindeverbandsgirokasse Bischofswerda Konto Nk -4 Erscheinungsweise: Jeden Werktag abend» für den folgenden Tag. Bezugspreis für di« Zeit eines halben Monat»: Frei in» Haus Halbmonatlich Mk. 1.20, beim Abholen in der Geschäftsstelle wöchentlich VV Psg. Einzelnummer 10 Pfg. (Sonnabend- und Sonntag»nummer IS Psg ) Fernsprecher Amt Bischofswerda Nr. 444 und 44S. Im Fall« höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger Irgendwelcher Störung de» Betriebe» der Zeitung oder der Beforderungseinrich- tungen — hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung de» Bezugspreise». Anzelgenprei» (in Reichsmark): Die 44 ww breit» einspaltig« Millimeterzeile 10 Pfg , örtliche Anzeigen 8 Pfg., Sm TepUUl di« 00 ww breite Millimcterzell» SD Pfg. Für da» Erscheinen »an Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmten Plätze» kein« Gewähr. — Erfüllungsort Bischofswerda. Mr. 263 Freitag, den S. November 1S28. 83. Jahrgang Tagesschau. Der Reichspräsident hat am Mttwochnachmittag den wieder m» Amt zurückgekehrten Außenminister Dr. Stresemann zum Vortrag empfangen und hat dem Minister seine besten wünsche für weitere» Wohlergehen ausgesprochen. * Do» Reichskabinett beschäftigte sich am Mttwochnachmittag mit dem Reichsetat, der einen ungedeckten Betrog von 600 Mil lionen Mark aufweist. * Vie Aussperrung in der Eisenindustrie im Ruhrgebiet macht sich bereit» in anderen Industrien bemerkbar. Sollte die Aussper rung längere Zeit andauern, so werden noch zahlreiche weitere Betriebe stillgelegk werden müssen. Die Arbeitgeberverbände des rheinisch-westfälischen Industrie gebiet» haben die allgemeine Einstellungssperre für olle aus dem Aussperrungsgebiet kommenden Arbeiter verhängt. Der Junkerspilot kneer hat am Mittwoch mit 1000 Kilo gramm Nutzlast eine höhe von 6Z00 Meter erreicht und damit den Weltrekord um 328 Meter geschlagen. f"" - - *) Ausführliches an anderer Stelle. Zusammenbruch und Wiederaufbau. Der 9. November wird im offiziellen Deutschland durch Reden im Rundfunkmund bei den festlichen Peranstaltungen des Reichsbanners und ähnlicher parteirepublikanischer Or ganisationen gebührend gewürdigt werden. Außer dem Reichsinnenminister Severing werden sich zweifellos in Hülle und Fülle Redner finden, die es dem deutschen Volke so darzustellen suchen, als ob die Ereignisse der trüben No vembertage des Jahres 1918 ihm zum Segen seien und als ob diejenigen sich ein Verdienst erworben hätten, die aktiv oder passiv an ihrem Zustandekommen beteiligt waren. Es ist in der Tat notwendig, hier zwischen Schuld und Verdienst scharf zu scheiden. Denn die Verantwortungen, die damals Regierungen und Regierte auf sich geladen ha ben, sind grundverschiedener Art. Selbst wenn man in der historischen Betrachtung denjenigen Mächten des Geschehens einen breiten Raum zuweist, die wir gewöhnlich mit dem Wort „Schicksal" zu bezeichnen pflegen, bleibt doch noch jener große Rest übrig, der das Betätigungsgebiet für den freien Willen und für die Entschlüsse der Menschen ist. Denn ob sich das Schicksal eines Volkes so oder so erfüllt, hängt in entscheidenden Augenblicken wieder davon ab, nach welcher Richtung eine im Fluß befindliche Entwicklung abgedrängt wird. Sicherlich war es im Herbst 1918 so weit gekommen, daß man nachträglich nicht mehr an dem einen oder dem anderen Punkte mit der Kritik einsetzen und sagen darf, olles hätte einen anderen Verlauf genommen, wenn dieser oder jener Mann überhaupt einen Entschluß oder einen an deren Entschluß gefaßt hätte. So berechtigt das schmerzliche Empfinden der Nachlebenden ist, die das Bedürfnis haben, sich Rechenschaft zu geben, über Schuld und Schicksal, so we nig ist hier wie bei anderen Entscheidungen des staatlichen Lebens der einzelne als solcher für eine ganze Entwicklung verantwortlich zu machen. Um so schwerer aber wiegt die Verantwortlichkeit des sen, was man ein System zu nennen beliebt. Die Schuld an dem Zusammenbruch liegt passiv darin beschlossen, daß die deutsche Mo'mrchie übrigens schon längst vorher den Glauben an sich selbst verloren hatte. Nicht die Tatsache, daß der Kaiser am 9. November angesichts einer unmöglich gewordenen Lage nach Holland übertrat, ist das Entschei dende, wohl aber der Umstand, daß der König von Preußen überhaupt in eine solche Lage gebracht werden konnte. Die ganze innerpolitische Entwicklung seit dem Juli 1917, seit der praktischen Einführung des parlamentarischen Regie rungssystems bedeutete eine fortdauernde Schwächung des deutschen Widerstandswillens und des staatlichen Machtwil lens im Inneren. Eine Funktion des Staates nach der an deren wurde in die Hände derer gelegt, die nach den alten Begriffen dazu nicht die Befugnis hatten, und deren Wille zuin nationalen Widerstand, wie sich sehr bald herausstellte, zum mindesten fragwürdig war. Aber es galt nun einmal schon damals als der politischen Weisheit letzter Schluß, daß man den innerpolitischen Gegntzr durch Nachgiebigkeit ver söhnen müsse. Die aktive Schuld der anderen Seite besteht in der so oft besprochene» Untergrabung des Widerstandswillens. Sicher lich ist die sogenannte Dolchstoßlegende in dem Sinne unbe rechtigt, ols nicht ganz« Klassen und Schichten der Bevölke rung sich dem Widerstande gegen de» äußere» Feind ver sagten. Wer die Tatsache bteibt in aller Geschichte bestehen, daß politische Kreise, die sehr bald die maßgebende Macht im Staate inne hatten, und sich selbst wegen ihres Hochverrates amnestierten, schon lange vorher gegen den Kampf nach außen wühlten. Nachträglich haben sie gegenüber dem alten Staat nur Hohn und Spott übrig gehabt, und es ist eine selbst bei uns ungewöhnliche politische Heuchelei, diesem Staat Schwäche vorzuwrrfen, wenn diese Schwäche nur darin bestanden hat, daß er es versäumte, die Hochverräter von damals vor das Standgericht zu stellen. Soweit der Zusammenbruch des Jahres 1918. Es ist kein Vergnügen, diesen Dingen heute nachzugehen. Wohl aber ist es notwendig, um zu verhindern, daß zur höheren Ehre gewisser Leute eine offizielle republikanische Partei legende entsteht. Es wäre für das deutsche Volk besser, wenn wir heute über diese Ding« nicht mehr zu hadern brauchten, sondern uns gemeinsam, unbeschadet aller weltanschaulichen Meinungsverschiedenheiten über die Staatsform dem Wiederaufbau des Vaterlandes wid men könnten. Denn auch darin haben die Lobredner d^es heutigen Systems unrecht, daß sie behaupten, den besten Teil der Arbeit schon geleistet zu haben. Die vielleicht größte Leistung der Nachkriegszeit, die Rettung der deutschen Wäh rung, ist das Werk von Männern wie Luther und Helfferich, die diese parteirepublikanischen Kreise gewiß nicht für sich in Anspruch nehmen dürfen, u. die kommenden innenpoliti schen Entscheidungen auf dem Gebiete der Staats- und Wirt schaftsreform werden sicher nicht von den Parteiklüngeln durchgeführt werden. Hierzu bedarf es schöpferischer Per sönlichkeiten und des Willens zu selbstloser Hingabe an den Staat, der zumeist in dem engen Gesichtskreise unserer Par teipolitik nicht gut gedeiht. Der Reichsetat in Röten. Es ist wahrlich keine beneidenswerte Aufgabe, vor der das Reichskabinett gegenwärtig steht. Am Mittwochnach- mittaa hat es sich zum ersten Mal mit dem Etat für 1929 beschäftigt, der bekanntlich dank der Erhöhung der Repa rationsleistungen, dank abermals gestiegener Verwaltungs kosten und auch dank des Fortfalls einiger nicht unbeträcht licher Einnahmequellen wie des Münzgewinns ein 600-Mil- lionen-Defizit aufweist. Nun versichert man zwar im Reichs finanzministerium, daß man schon bei den Vorarbeiten auf stärkste Sparsamkeit das allergrößte Gewicht gelegt habe. Aber das ist eine Selbstverständlichkeit. Wie sind 600 Mil lionen aufzubringen? Die Reichseinnahmen entsprechend zu erhöhen, ohne die deutsche Wirtschaft vor geradezu un tragbare Lasten zu stellen, kann wohl von vornherein als unmöglich bezeichnet werden. Bleibt also, wenigstens im wesentlichen, nur eine starke Einschränkung der Ausgaben. Mit Abstrichen an einzelnen Positionen wird da nicht viel zu gewinnen sein, und es ist schon zu verstehen, daß man an maßgebender Stelle sich sehr ernsthaft mit dem Gedan ken trügt, die Steuerüberweisungen an die Länder ganz er heblich zu beschneiden. Es soll hier einmal abgesehen wer den von der Frage, ob Reichstag und besonders Reichsrat der Regierung auf diesem Wege folgen werden. Selbst wenn die Absicht Wirklichkeit wird, so werden, wie die Dinge heute nun einmal bei der Verteilung der Zuständig keiten zwischen Reich und Ländern siegen, die Länder ein fach gezwungen sein, den rund 20prozentigen Ausfall ihrer Einnahmen auf anderem Wege, nämlich durch neue Steuer- erhebungen wieder einzubrinaen. Dem Steuerzahler ist da mit nicht gedient. Und an Vie Wurzel des Uebels kommt man mit solchem Herumdottern an Symptomen nicht heran. Wir werden auf die Dauer um eine grundsätzliche Lösung nicht herumkommen, die das Problem Reich und Länder be- reinigt und es gestattet, jeden Pfennig nur da auszugeben, wo er am zweckmäßigsten verwendet werden kann. Seeckt über Deutschlands Derteidigurrgsrecht. Im Städtischen Parkhaus in Bochum sprach auf Ein ladung der Westfälischen Verwoltungsakademie General oberst a. D. von Seeckt über Rüstungsfragen. Er führte u. o. aus: „Halten wir die Absätze des Versailler Friedens über den Völkerbund und die Entwaffnung zusammen, so ent hüllt sich uns sofort ein Doppelgesicht. Das eine zeigt die Züge der Weltfriedensgöttin, dos andere die des weltbekann ten Mars. Aue diesem Frieden stammen die ungelösten und vielleicht nie lösbaren Abrüstungs- und Rüstungsfra- gen, stammen die Unruhe und Unsicherheit in der Welt, stammt das Verlangen nach einem wirklichen Frieden und die Angst vor einem noch wirklichen Kriege. Und das wird bleibe», so lange neben den Entwaffneten der stark gerüitut« Sieger von gestern steht. Vie Grundlage aller Rüstungen und ihr stärkste» Ele ment ist der Wehrwille und damit die geistige Wehrhaftig keit eines Volke». Dieser Wehrwille ist in jedem gesunden Volke vorhanden. Den Wehrwillen durch Gewaltmatznah- men von außen zu unterbinden, heißt Sklavenschaft mit allen ihren Folgen. Sein Absterben von iunea ist da» Zeichen einer Volkserkrankung." Nachdem der Redner von dem Wehrwillen der fremde« Staaten gesprochen, kam er auch auf Deutschland zu sprechen. Er erklärte: „Die Frage nach dem deutschen Wehrwillen kann ich nicht beantworten. Die Furcfst vor den Schrecken eines neuen Krieges wird nicht ausrei chen, den Frieden zu erhallen. Ich glaube, man wird von den gefühlsmäßigen Friedensbestrehungen nicht allzu viel zu erwarten haben. Garantieverträge, wie der von Locarno, wären an sich geeignet, das Sicherheitsgefühl zu Erhöhen, und damit eine Herabsetzung der Rüstungen zu erlauben. Wie jedoch Frankreich diese durch Locarno gebotene Sicherheit bewertet hat, sehen wir daran, daß es gleichzeitig seine militärischen Rü st ungen ausbaut und nicht auf die Sicherung durch die Rheinlandbesetzung ver zichtet und neue Garantien wünscht. Der russische Vorschlag zur Abrüstung ist ungeheuerinteressant. Interessant deswegen, well er in voller Schärfe der These „Erst Sicherheit, dann Entwaffnung" die umgekehrte gegen überstellt „Nur durch Entwaffnug zur Sicherheit". Der Kelloggpakt ist für Deutschland in einem Punkt von hoher Bedeutung, und zwar dadurch, daß er ausdrücklich in den dem Abschluß vorausgehenden Feststellungen das Recht aus Selbstverteidigung anerkennt. Dieses Recht ist Deutschland durch den Versailler Vertrag verwehrt. Der R«hr-Arbettskampf. Wenn der Vertreter des preußischen Handelsministers im preußischen Landtag die Erklärung abgegeben bat, daß er sich aus Unzuständigkeitsgründen mcht zu den Anträgen und zur Debatte über den schweren Konflikt in der west deutschen Eisenindustrie äußern könne, so ist sein Stand punkt zweifellos unanfechtbar. Aber man muß sich einmal klarmachen, wie grotesk eigentlich der Zustand ist, der eine solche Unzuständigkeit der Regierung des Landes ermög licht, das allein unmittelbar von dem Konflikt betroffen ist. Da werden also stundenlange Reden von allen Parteien de« Landtags gehalten, ohne daß ihnen praktisch irgendwelcher Wert innewohnte, lediglich zum Fenster heraus; denn eben sowenig wie di« preußische Regierung ist der preußische Landtag in der Lage, in die weitere Entwicklung der Dinge elnzugreifen. Es ist das eine Folge jenes unglücklichen Nebeneinander von zwei Regierungen und zwei Parlamen ten in der Reichshauptstadt, jenes Dualismus zwischen Reich und Preußen, der als der Krebsschaden unserer staatlichen Gestaltung nur langsam wohl von allen Verständigen er kannt wird. Aber nicht nur dies« Seite des Problems stimmt nachdenklich. Wer ist denn eigentlich zuständig? Für die Derbindsichkeitserklärung des Schiedsspruchs war es allein der Reichsarbeitsminister, der seine Entscheidung ab gegeben hat, ohne die Zustimmung, ja im Gegensatz zu der verantwortlichen Leitung des Reiches, nämlich dem Kabi nett. Will man tatsächlich abwarten, bis di« leidige Rechts frage geklärt ist? Erst Mitte des Monats beschäftigt sich di« erste arbeitsgerichtliche Instanz mit dem Konflikt und es werden mindestens Wochen, vielleicht gar Monat« vergehen, bis auch die höchste Instanz die Rechtslage endgültig geklärt hat. Und währenddessen feiern Hunderttausende von Arbei tern, liegen Betriebe still, die in der deutschen Tesamtwirt- schast eine besonders wichtige Rolle zu spielen haben. Und das alles um der Zuständigkeit wMen? Wettere Auswirkung der Giferr- Korrfltttte. vriisburg. 7. November. Die la Esten abg«hallen« Bezirks konferenz für die Gaue Rheinland und Westfalen de» Zenlrolver- baade, christlicher Fabrik- und Tran»porkarbeiter hat ergeben, daß die Aussperrung der Metallindustrie in Rordwefl bereit» einen größeren Umfang angenommen hat. Besonder» belichtete der Ver treter au» dem Sauer- und dem Siegerlaad, daß durch di- Lin- chränkung der Aufträge bei den Salkwerken bereit» größere Kün digungen vorgenommen worden sind. Sollt« die Au»sp«rruvg längere Zeit andauern, so ist damit zu rechnen, daß der größte Teil der Salkfieinbetriebe. da der gebrannte Kalk nicht gelagert»«», den kann, zum Erliegen komme. In der feuerfesten Industrie haben sich ebenfall» ähnliche Anzeichen in dem ganzen Gebiet be reit» bemerkbar gemacht. Richt zuletzt ist in den Städten zu ver zeichnen, daß da» Iran»portgewerbe in Mitleidenschaft gezogen ist. Ebenso berichtete der Vertreter au» Dortmund, daß der Hasenbe- trieb»verein Dortmund bereit» größere Kündigungen von Hafen arbeitern im Kohle- und Lrzhafen in Erwägung gezogen habe. In diesem Falle wird auch in Vui»burg mit Süntst-mngea gerechnet werden mi»>en.