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i. «-uan, Der Sächsische Erzähler Aus de» SemetnbeparlMenten. Wilthen, 3. Juli. Gemeindeoerordnetensitzung. Der Vorsteher eröffnete um 8 Uhr die 9. öffeptliche Sitzung. Dor Eintritt in die Tagesordnung wurde auf ca. 1 Stunde die Oeffentlichteit ausgeschlossen, weil das Kollegium über den Antrag der SPD.-Fraktion, den Punkt »Beamtenbesoldung" öffentlich zu verhandeln, nach der Gemeindeordnung nicht öffentlich zu beraten hatte. Unter Mitteilungen gab dann Herr Bürgermeister Otto bekannt, daß verschiedene Inhaber von Kleinwohnungsbauten ein Gesuch um Erlab der Grund- steuer eingereicht haben. Da diese Sache demnächst gesetzlich geregelt wird, hat das Ministerium von einer Entscheidung abgesehen, und bleibt die Steuer bis auf weiteres gestundet. Weitere Stundungsanträge sind für Bauten 1925-26 im Ge meindeamt anzubringen. Punkt 2, Gaspreiserhöhung. Das Kollegium konnte sich nicht entschließen, dem Ersuchen der Gosag zuzustimmen. Man will vielmehr mit dieser Firma nochmals verhandeln, damit nach Möglichkeit von einer Gaspreiserhöhung überhaupt Abstand genommen wird. Punkt 3, Wegesache Thomas. Die Amtshauptmannschast hat darauf hingewiesen, daß der Weg G. F. (Tschötsch — Thoma») al» öffentlich anzusehen sei, da derselbe seit Geden ken von jedermann benutzt worden ist. — Die Brücke über den Dorfbach soll hergestellt bezw. verbreitert werden, und hatte der Bauausschutz vorgeschlagen, zweck» Verbreiterung und Ausbau de» Weges als Fahrweg mit den Besitzern zu verhandeln. Beschluß über diesen Punkt konnte noch nicht gefaßt werden, da diesbezügliche Verhandlungen noch schwe- Slbübergang der Reichswehr. Am 2. Juli sand bei Magdeburg in Anwesenheit de» Ehrs« der Heere»-, leltuna, General Heye, eine große Frldübung statt. - Die Radfahr- abtetluna Nr. 17 Kat die Fahrt in einem Schlauchboot an. ben. Dem Gutachten der Straßenbauers Wege» A. y. (Hohlweg), diesen als w sehen, schloß man sich an. Punkt 4, Best schufst». Da der Ort Jrgersdors aus dem WUthen-Jrgersdorf austreten will, wurde bes anstatt der zu zahlenden Abfindung «in« schenken. Ferner sind im Ort folgend« platze geschaffen worden: Niederdorf: Au den Wiese hinter Benack» Grundstück. L Sägewerk, nur Mittwochs geöffnet. Oberdorf: der Fischhausstraß« in die Dresdner Straß«. — serung der Brück« an der niederen Konsum wurde einstimmig gutgeheißen. — Der neu« Gemeindeamts anbau soll silbergrau abgeputzt werden, wie die letzten Sechs- familtenhäuser. Punkt 5, Verschiedene». Der Vorsitzende teilte mit, daß die Presse bis auf ein« Ausnahme di« Auf nahme der Berichte in der beschlossenen Form abgelehnt habe, so daß der in Rede stehende Beschluß nicht zur Aus führung gelangt. Im Anschluß hieran mußte Herr Rich ter (Soz.) ein« derbe Rüge von selten de« Herrn Liebscher (Lürgerl.) wegen seiner unberechtigten Angriffe gegen «men Zeitungsberichterstatter einstecken. — Die Urlaubsliste für di« Gemeindebeamten ist aufgestellt und fand Genehmigung- Herr Bürgermeister Otto wird ab 4. August auf ea. 4 Wo chen in Ferien gehen. Aus dem Schulausschuß ist Herr Nit- tergutspächter Gießner ausgeschieden, doch konnte die Wahl eines Ersatzmannes noch nicht stattfinden; Herr Hoffmann erhob dagegen Einspruch, weil dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung stand. Die Ersatzwahl erfolgt demnach in der nächsten Sitzung. Herr Liebscher stellt« noch eine kleine An frage, wie die Eingabe des Konsumvereins wegen lieber- gäbe der Konsumvereinsstraße gegen ein« Entschädigung von 5 für den Quadratmeter erledigt worden ist, da doch bis her für Landabtretungen bei Straßenbauten niemals Ent schädigungen verlangt bezw. bezahlt worden sind. Rach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Herrn Richter und Herrn Liebscher gab Herr Bürgermeister Otto bekannt, daß der Konsumverein den Antrag inzwischen zurückgezogen habe, und sei auch schon die Auflassung erfolgt. — Schluß der Sitzung Xll Uhr. Hierauf nichtöffentliche Beratung. ann lch nicht Oombaumelster sein, 4 Lehau ich als Steinmetz einen Stein, Fehlt mir auch dazu Geschick und Verstand, Trag ich Mörtel herbei und Gand. N. Saumbach. Lm /Vor-Lse-Zwmsn von Zlnny U/ok/re. /lmsrr/csnlscktss LdopriM /-,? br- U/osbs-Hlsbn Ls/os/cr- (22. gortzetzung.) (Nachdruck! verboten) „Nichts," gab sie gelassen zurück. „Ich gehe eben meinen Weg, den ich gehen soll. Wie fühlt sich übrigens unser Gast?" „Schläft wie ein Murmeltier. Das kalte Bad scheint ihm nichts geschadet zu haben, und Eike, hörte ich von Stine, geht es auch gut. Sie hat nur noch ein wenig Fieber, und das werden wir schon bannen." Wie Ows Augen leuchteten. Britta sah es voll Staunen. Schnell füllte sie ihm noch einen Teller der Morgen suppe auf, die er hastig aß, dann erhob sich Ow wieder. „Ich höre die Kinder schon trampeln," meinte er mit lei sem Lächeln, „da muß ich eilen." Er nickte der Schwester freundlich und dabei doch eigen zu, so daß Britta errötend den Blick senkte. „Deern," sagte er weich, „überleg's noch einen Tag." „Nein," entgegnete Britta hart. „Es soll und muß sein." Ow Erkel verließ zögernd die Stube, aber bei sich dachte er: er wolle das Aufgebot doch lieber erst morgen bestellen, man konnte doch schließlich etwas vergessen. Und der sonst so ehrliche Schulmeister lächelte über die List und plötzlich war ihm wieder das ganze Herz voll Sonne. / * Andern Tags kam Holm wieder zum Vorschein. Er hatte gründlich ausgeschlafen. Zwar waren ihm noch alle Glieder steif und sännerzten, aber dennoch stand ein frohes Leuchten in seinen blauen Augen. Durch Ow Erkel und Stine, die ihn versorgten, wußte er, daß es Eike verhältnismäßig gut erging. Sie hatte zwar noch etwas Fieber und mußte im Bett bleiben, doch machte es ihm das Herz leicht, daß es dem Kinde, das sich seinetwe gen — er wußte es jetzt genau — in Gefahr begeben, nicht ans Leben ging. Wie köstlich das Leben ist, hatte Holm in der langen Nacht auf der Kirchwerft erkannt. Eine neue Liebe zum Leben war da in ihm erwacht. Ein beglückender Gedanke war ihm auch die Erinnerung an Britta, wie sie sich in der Nacht, als er halbtot im Bett lag, über ihn gebeugt. Die Angst-und Qual in ihren Augen erfüllte seine Brust mit einem seltsamen Klingen. Freilich — nachher war Britta recht merkwürdig zu ihm gewesen — wahrscheinlich infolge der Angst und Erschöp- sung. Seltsam, wie er so im Halbschlaf in seiner Stube dahin dämmerte, da hatte er immer gedacht, Britta müßte eintre ten. Aber es war nur Stine, die ihm die Suppe brachte oder Ow, der kam, um nach ihm zu sehen. Wie Sehnsucht war es in Holm nach dem blonden stol zen Mädchen aufgestiegen, das sich so herb vor ihm verschloß und das eines anderen Weib werden sollte. Nein, er wollte ihr helfen, daß sie es nicht brauchte. Finster falteten sich seine Brauen. Er dachte an Jutta und daß er ihr hier auf dem kleinen Eiland*begegnen mußte, wenn sie nicht freiwillig ging. Es schien nicht so, denn er hörte, daß Pitt Lüder» ihre Sachen von Westerland geholt hatte. Dunkel erinnert« er sich auch, daß sie schluchzend mit aufgelöstem Haar um ihn gewesen, als man ihn und Eik« gerettet auf das klein« Eiland brachte. Holm lächelte spöttisch. Er kannte Juttas Wesen genau, und er beurteilt« ihr« Ttänen richtig. Dennoch war ihm dieser Gefühlsausbruch unangenehm und peinlich und um sonst sann er darüber nach, wie.er dieser Frau, die so ver hängnisvoll für sein Leben geworden, die Hallig so bald als möglich verleiden könnte. An Eike dachte er voll weicher Zärtlichkeit. Immer noch überfiel ihn ein Zittern im Gedanken an die Kirchwerft, wo sie an seiner Brust lag und die Wellen über sie hinrollten. Todesangst hatte ihn da geschüttelt, nicht um sein, son dern um Eikes junges Leben, und ein Jauchzen hatte seine Brust geschwellt, als er am Ende seiner Kräfte wie durch ein Wunder gerettet wurde. Daß Britta weit hinaus gefah ren in Nacht und Graus, ließ sein Herz aufjubeln voll Selig keit, daß aber Britta ihn jetzt mied, machte ihn unruhig. Das Vesperbrot hatte er mit Ow Erkel allein eingenom men. Es baute die Sonne schon goldene Tore im Westen. Wie eine Gralsburg grüßte es von dorther. Da schritt Holm von Thümen um den Feding herum, da» ist der kleine Süß wasserteich, um den sich die Wersten scharen mit ihren grü nen Moosdächern und blankgeputzten Fenstern. Aus dem Feding holten die Halligleute, wenn es gereg net hatte, ihr Trinkwasser, kein Genuß für verwöhnte Gau men, auch der Tee daraus schmeckte nicht besonders, aber Brunnen gab es hier nicht. Auch sind die Einheimischen ge nügsam und glücklich ist der, dem einmal ein Schiffer ein Tönnchen Süßwasser mit über das Watt bringt. Pitt Lüders hatte das heute getan und Holm genoß die Vorfreude auf einen köstlichen Trunk frischen Wassers, der seiner wartete. Er ging auf die grüne Flur hinter den Werften. Noch nie war ihm das Feld so lichtgrün und maienschön erschie nen. Die Strandnelke war zwar verblüht, aber goldgelber Hahnenfuß und der Strandwermut in seinem matten Grau breiteten sich wie ein Teppich zu seinen Füßen. Märchenhaft still war es ringsumher. Nur die Wellen raunten ihr altes, urewiges Lied. Möven flatterten auf und tauchten ihr Schneegefieder in die rosenrot schillernde Flut. Algen und Lummen trugen ihr schönstes Kleid und Holm fühlte sich versucht, weit die Arme auszubreiten unü selig die ganze Welt an sein Herz zu drücken. Und immer dachte er dabei: „Kleine süße Eike, wie will ich es dir lohnen, daß du mir dieses beglückende Sein neu geschenkt hast. Wie will ich trachten, dein armes junges Leben licht und hell zu ma- chen." Die Queller am Strande, die dürren armseligen Gräser, die doch die wichtige Aufgabe haben, die von der Flut her- vorgespülten Schlickmassen festzuhalten, daß sie sich lagern und festen Grund geben, nickten sie ihm nicht freundlich zu? Wie sie im leichten Südwinde sich wiegten und schmiegten! In Schnee und Perlen leuchten die Wogen dazu, rosig überhaucht vom sinkenden Abendlicht. Und ganz am Ende des kleinen Eilands, da, wo die schlanken Seegräser und Muscheln sich im breiten Saum um den Sand zogen, entdeckte er Britta wieder so unbe weglich wie damals in der Mondnacht auf dem Steg«, der ins Meer lief. Heute schmückte «in weißer Helgoländer das blonde Haupt. Er konnte Brittas Gesicht nicht sehen, aber voll Entzücken umfing sein Blick die Hohe, Stolz« in ihrer herben Haltung, die doch so weiche, anmutige Bewegungen haben konnte, daß es Holm eine Wonne ohnegleichen dünkt«, diese köstliche Gestalt nur ein einziges Mal im Arm zu halten. Britta hatte ihn kommen sehen. Einen Augenblick schien es, als wollte sie von dannen schreiten» dann aber stand sie pnd wartete. Seltsam starr und hart sahen ihn die grauen Mädchen augen an. Er erschrak vor diesem Blick. Etwa» Fremde«, Kalte», Unnahbares lag darin. „Fräulein Britta," rief er ihr schon von weitem zu, „endlich finde ich Sie. Ich habe Sie vorhin bei der Vesper schmerzlich vermißt und möchte Ihnen herzlich danken für den großen Liebesdienst, den Sie Eike und mir in der Schreckensnacht erwiesen. Wie aber soll ich meinen Dank in arme Worte kleiden, den ich so tief im innersten Htrzen fühle." Kalt lagen ihre Hände, die er ergriffen, in den seinen. „Eike und mir," hatte er gesagt und «in tief bittere« und schmerzliches Gefühl war wieder in Britta empor ge wallt. „Sie haben mir nichts zu danken, Herr von Thümen. Mein Weniges hätte ich für jeden gern getan, der dessen be durfte. Ich steue mich aber. Sie wieder wohlauf zu sehen. Eike wird hoffentlich morgen auch aufftehen können." Wie jetzt seine blauen Augen sonnig aufleuchteten! „Ist es nicht sonnig, dieses Kind?" fragte er. „Wie froh bin ich, daß ihm nichts geschehen ist. Nie hätte ich es ver wunden, wenn Eike meinetwegen ihr junge» Leben hätte opfern müssen." Britta schwieg. Was sollte sie auch zu seinem Entzücken über Etk« so gen? Sie empfand ja selbst eine leidenschaftliche Zuneigung zu dem eigenartigen Kinde, doch jetzt, wo ihr Eike so viel nahm, da war plötzlich etwas Fremde» und Harte» in ihrer Brust. „Warum starren Sie so entgeistert über da» Meer, Fräulein Britta?" fragte Holm verstimmt. „Warum sehen Sie mich nicht ein einziges Mal an?" Britta wandte den Blick nicht zurück. Im Gegenteil, sie lugte noch schärfer aus und hielt di« Hand beschattend über die Augen. „Ich schau aus nach Peelworm, Herr, ob kein Schiff zu sehen ist." „So sehnend wie Tristan von der Schelde nach Isolden über das Meer spähte," spottete er, aber plötzlich wurde sein Blick eigentümlich forschend und wie Erschrecken stlsird e» in seinen Augen. „Nach Peelworm?" fragte er mit schwerer Stimme. „Ja," gab sie reglos zurück, „Marne Rickmers muß nahe sein." » Glühend drängte sich ihm das Blut in die Stirn. Britta stand hier und hielt Ausschau nach dem Mann, dem sie ja, wie sie ihm selbst bekannt, entfliehen wollte? „Ja," gab sie zurück, „ich möchte nicht mehr länger warten." Verständnislos starrte Holm das Mädchen an. Wie wunderbar das Abendlicht ihre emste Schönheit verklärte! Das blühende Gesicht, «inen Schein blasser wie sonst, sah unter dem breiten Rand des Helgoländers so merkwürdig verschlossen und seltsam hervor. „Sie hatten doch erst keine Eil«, Britta Erkel, Marne Rickmers wieder zu sehen?" „Die Zeiten ändern sich, Herr von Thümen. Ein Tag und eine Nacht können vieles umgestalten." Gespannt horchte er auf. Was hatte das Mädchen nur? Warum wehte es ihm plötzlich wie Eiseskälte aus ihren Worten entgegen? „Ich verstehe Sie nicht, Britta," sagte er erschrocken. „Sie baten mich doch, Ihnen beizustehen, daß Sie nicht Marne Rickmers Frau zu werden brauchen und nun warten Sie hier und schauen sehnsüchtig nach ihm aus?" „Es ist so, Herr von Thümen. Ich habe mich ander» besonnen. Bereits aestern beauftragte ich meinen Bruder, das Aufgebot zu bestellen, wie Marn« Rickmer» «» wollt«. Ich meine, daß es Ow bereits getan hat, und ich harre nun des Schiffes, das Marne zu uns herbrtngt." „Britta," schrie Holm wie entsetzt auf. Britta lauschte einen Augenblick aus diesen hervorbre chenden Herzenston, dann aber wurde ihr Auge wieder hart und kalt, als sie zu Holm sprach: „So wird da» Schicksal des Menschen ost ohne sein Zu tun geschmiedet, Herr von Thümen." Forffe-'mg folgt.)