b) Gretchen am Spinnrad Meine Ruh’ ist hin, mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmer mehr! Wo ich ihn nicht hab’, ist mir das Grab, Die ganze Welt ist mir vergällt, Mein armer Kopf ist mir verrückt, Mein armer Sinn ist mir zerstückt. Nach ihm nur schau’ ich zum'Fenster hinaus, Nach ihm nur geh’ ich aus dem Haus. Sein hoher Gang, sein’ edle 'Gestalt, Seines Mundes Lächeln, seiner Augen Gewalt, Und seiner Rede Zauberfluß, sein Hände- Und ach, sein Kuß! [druck, Mein Busen drängt sich nach ihm hin, Ach dürft’ ich fassen und halten ihn, Und küssen ihn, so wie ich wollt’, An seinen Küssen vergehen sollt’. Meine Ruh’ ist hin, mein Herz ist schwer. Goethe. c) Der Blumenbrief Euch Blümlein will ich senden Zur schönen Jungfrau dort, Fleht sie, mein Leid zu enden Mit einem guten Wort. Du, Rose, kannst ihr sagen, Wie ich in Lieb’ erglüh’, Wie ich um sie muß klagen Und weinen spät und früh. Du, Myrte, flüst’re leise Ihr meine Hoffnung zu, Sag’: auf des Lebens Reise Glänzt ihm kein Stern als du. Du, Ringelblume, deute Ihr der Verzweiflung Schmerz, Sag’ ihr: des Grabes Beute Wird ohne dich dein Herz. Schreiber. d) Auf dem Wasser zu singen Mitten im Schimmer der spiegelnden Wellen Gleitet, wie Schwäne, der wankende Kahn; Ach, auf der Freude sanft schimmernden Wellen Gleitet die Seele dahin wie der Kahn; Denn von dem Himmel herab auf die Wellen Tanzet das Abendrot rings um den Kahn. Über den Wipfeln des westlichen Haines Winket uns freundlich der rötliche Schein; Unter den Zweigen des östlichen Haines Säuselt der Kalmus im rötlichen Schein; Freude des Himmels und Ruhe des Haines Atmet die Seel’ im errötenden Schein. Ach, es entschwindet mit tauigem Flügel Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit; Morgen entschwindet mit schimmerndem Flügel Wieder wie gestern und heute die Zeit, Bis ich auf höherem, strahlendem Flügel Selber entschwinde der wechselnden Zeit. Graf von Stolberg. III. Camille Saint-Saens (1835—1922) a) Thema und Variationen Myrtil, mit deinem Singen Lockst du zärtlich und fein, Willst mich zur Liebe zwingen Und möchtest glücklich sein. Fort! Laß dein banges Flehen! Mein Herz bleibt still und kalt. Wie kühle Wasser gehen, Drin der Himmel sich malt. Mit deinen Liebesfäden Spinnst du mich niemals ein, Ich kann mich dir nicht geben, Mußt anders glücklich sein. (Ins Deutsche übertragen von Maria Ivogün.'} b) Lied der Nachtigall