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Sturm abgestaut, wenn er auch immer noch stark genug blies, um manchen beherzten Meyer den Ausstieg zu ver leiben. Mt der Hand am Rode kam seine Zuversicht zurück. Er fühlte sich mit der Maschine, deren.Konstruktion nicht zuletzt sein eigenes Werk war, wie verwachsen. „Durch!" E>s jubelte es tn die Lüste hinaus, wahrend der Doppeldecket' mit ihnen pfeilschnell hochstietz. Ei« fast belustigtes Lächeln umspielte seinen Mund, als er die joh lende Horde tief unten gewahrte. Beide Tragflächen waren von zahlreichen Geschossen dunhllichert. Unten schoß der Trupp noch immer und knallte Löcher in die Lust. Mochten fiel Mit dankerfülltem Herzen lenkte Hugo fein Flugzeug wieder östlich und passierte die nächsten Hügelrücken. Nun flogen sie über einem langegestreckten Abhange dahin, der sich bis zu einem weiten, vom Silberbande eines Flusses durchschlängelten Tale hinabzog. Seine Gefährtin hatte mit erstaunlicher Ruhe die Landkarte entfallet und preßte sie derartig an die Schutzschsibe vpr ihnen, daß der Sturm sie nicht zersetzen konnte, nun wies sie mit der Hand auf einzelne Punkte. Er nickte ihr dankbar zu. Nur noch reichlich sechzig Kilometer trennten ihn von dem wahrscheinlichen Sitz des Hauptquartiers. Natürlich tkaf er schon weit früher auf die Vorhut der Armee. In etwa zwei Stunden konnte er sein Ziel erreicht haben! Wenn alles gut ging, und es ihm unge fährdet gelang, jene dräuend himmelan ragende Bergkette ^Werfliegen» die das Talbecken in östlicher Richtung ab- Minuten verstrichen. Der Motor arbeitete tadellos. Durch geschicktes Lavieren zwang der Flieger selbst den wi derspenstigen* Wind in seinen Dienst. Nrm er Elsie neben sich wußte, konnte er ihr den Ausguck überlassen und seine Aufmerksamkeit bei: Maschine zuwenden. Zuweilen schaute er das Mädchen von der Seite an. Die kalte Lust hatte ihre Wangen längst gerötet. Begeiste rung strahlte aus ihren zärtlich auf ihm gerichteten Augen. Sie lächelte und schien ihm irgend ein liebes Wort zuzu rufen. Das verschlang der ungeheuere Lärm, aber ihre ge faßte Zuversicht übertrug sich auch auf ihn und machte ihn immer mehr an einen glücklichen Erfolg seiner Fahrt glauben. (Fortsetzung folgt.) Brief eines Offiziers aus dem Felde an seine Tochter. ' Im Felde 19. 8. 18. .... Während Du durch die schöne Heimat fuhrst, die unberührt im tiefsten Frieden daliegt, und wo eine reiche, gottgesegnete Ernte nur auf die Schnitter wartet und auf die nötigen fleißigem Hände, um sie vor dem nicht ganz gün stigen Wetter zu bergen — und,wo deshalb und wegen der aiworen Sorgen unsere „Deutschen", deren viele sich so oft herrlich blinkten, schon murren und die Köpfe hängen lassen und auf Gott schimpfen gleich einem verzogenen Kinde, das die Mutter oder der Vater endlich mol die strafende, bes sernde Hand fühlen läßt und ihm den. Spiegel vor die Nase rückt — da hatte ich «in anderes Bild und wohl gewünscht, man könnte es mal all den mißvergnügten, den Undank baren und Kleinmütigen, daheim in all seiner grauenhaften Wirklichkeit vor Augen halten! Vielleicht würden sie selbst mit hungrigem Magen zerknirscht auf die Knie sinken und beten: „Herr Gott, verzeih meine Undankbarkeit, mein fre velhaftes Tun und Denken! Laß die Mauer, die Du um uns gebaut, nicht fallen, laß den Feind nicht siegen und hereinbrechen über uns!" Nordfrankreich! das reichste und fruchtbarste Gebiet dieses gepriesenen Landes ist eine totale Wüste. Nur Disteln und Dornen wachsen aus den öden Fel dern — die Wälder, Gärten, die Parks, ja alle Chaussee bäume sind längst niedergeschlagen' und abrasiert — wo Dörfer standen, sind nur noch niedrige Schutthaufen unter Brennesseln sichtbar — und die Städte und Städtchen sind nichts als Trümmerstätten: Novon, Roye, Nesle, Ham, Pe- ronne, Craonne, Bapaume, Arras, Armentieres, Montdi- dier, Laon, St. Quentin, Cambrai, Lille usw. — Was zu ¬ rückkommt, ob aufs Land ob« in die Stadt, es findet dir Stätte nicht mehr, die ihn einst behmberM, sein Glück einst ausmachte. Di« Fabriken, Molkereien, d»e Kirchen pp. sind nur noch kenntlich an dem Rest der hohen Schornstein» und -er Türme — die Schlösser und Gutshauser! Ja — such» sie — ihre Steine sind verbaut in Schützengräben und zü kleinen „Hütten", in denen der deutsche Soldat haust wie das Tier auf dem Felde! Jeder Besitz ist auf Menschenalter hinaus von Grund aus entwertet. Hunderte, Lausende von tiefen Gräben durchziehen wie ein Netz, das man darüber gebreitet, all die einstigen Weizen- Rüben- und Roggenfel der — wo die Wälder standen, sind dichtes Brombeerge strüpp, Kaiferkerzen und über iMnnshohe, armdick« Disteln zu einer unentwirrbaren Wildnis zusammenaeballt. Das »st das Land! Und die Einwohner — die Menschen alle, die dahinein alle ihre Wünsche, ihre- Hoffnungen, ihre ganze Lebedidarbeit setzten — niemand ist mehr da. Sie leben von Almosen in der Fremde, und wo sie weiter rückwärts noch sich finden, da hungern sie mehr ad die „Deutschen" über dem Rhein — da müssen sie arbeiten für den Eroberer, den gehaßten Feind, ihre Kinder wachsen wild und zuchtlos auf inmitten tiefsten Elends, tiefster Erniedrigung, mancher Härte und m namenlosem Schmutz! Wer schasst ihnen Kleider, Schuhe, Wäsche, Seife, wer pflegt sie iN> der Krank heit, wer unterrichtet sie, wer bringt ihnen Nachricht von Angehörigen Freunden usw.? Wer schützt sie vor den wü sten Bombenwürfen der eigenen Landsleute? — Vas ist Elend, dos ist vielleicht Grund genug, an seinem Gott zu verzweifeln und zu murren. Aber Deutschland? Es ist knapp da, sehr kmq>p — die Arbeitskräfte mangeLn an allen Orten und Enden — gewiß! Die köstliche Ernte steht drau ßen und kann nicht schnell, vielleicht nur halb geborgen werden — aber sie steht doch im Sonnenglonz auf den un berührten Feldern, die Scheuern stehen doch und sind bereit, sie zu empfangen, die Wagen sind nicht verbrannt und die Ackergeräte nicht zertrümmert. Die Menschen wissen doch wo sie ihr Haupt niederlegen wofür sie arbeiten, worüber sie sich noch freuen, noch sorgen können — das Leben geht einen schilpenden Gang, aber es geht doch ruhig und fried lich weiter! In Frankreich aber denkt noch niemand daran, mutlos und feige Waffen niederzulegen — in Deutschland wühlt dagegen der Kleinmut uns, der Armee, den Boden unter den Füßen wog! Pfui Teufel! , Und die Armee! Wie wars cm dem Tage, als Du durch die friedlich stillen und glücklichen Auen und Städte Deutschlands auf fröhlichen Befuch fuhrst? Wir hatten 6 Wochen lang in schwerster Lage und Stellung gestanden — kein Auge konnte des Nachts sich schließen draußen im Schützengraben, weil gerade des Nachts der Feind seine Überfälle mit Artillerie, Gasminen, Bombengeschwadern machte, um uns zu zermürben — und so schwach waren unsere Linien geworden, daß wir alle Leute im Dienst hal ten muhten —. Wir hatten nicht die Möglichkeit, Reserven in Ruhequartier zu legen, damit sie -ort sich erholten bis zur Zeit der Ablösung ihrer abgemüdeten Kameraden vorn. Da endlich kam die Stunde, wo man uns herauszog. Tod müde, nur den einzigen Wunsch aus den Lippen, „endlich mal Ruh«, endlich mal schliffen, endlich mal nichts hören, nichts schen!" Das war am 6. 8. Am 8. 8. kam der große, übermächtige Ansturm der Engländer und Franzosen — sie wollten es zwingen mit Hunderten von Tanks, mit weit überlegener Artillerie — sie kamen im Nebel und überra schend heran — ist hatten einen großen Erfolg, doch nur anfangs, das Resultat ihrer Tanks, ihrer Artillerie und der Überraschung. Jedenfalls wankte unsere Front auf einer langen Strecke. — Wir wollten schlafen, endlich mal schlafen seit 6 langen Wochen. Da klingelte um 4 Uhr mor gens am 8. 8. (also am zweiten Tag^ dieser Ruhe) der Fern- sprechen „Marschbereitschaft" und um 8 Uhrvormittags „Ge fechtsbereitschaft" — um 10 Uhr sausten die Autos -er Stä- be schon voraus zur Front, zu einer ganz fremden, und hin terdrein auf Lastautos unsere dünnen Bataillone. Am Abend waren sie da. Ein großes Loch, ein wichtigster Punkt war zu stopfen, der siegreiche Feind drang ein! — Der Kampf begann am 9. früh — wir warfen ihn zurück — wir standen und hielten, wurden zurückgedrängt und spran gen wieder an und schmissen ihn zurück und standen und hielten bis zum 12., — wo Du, mein Herzenskind, durch die friedlich schöne, aber ach so undankbare Heimat auf Besuch fuhrst. — Manch heißes, tapferes Herz war füll geworden — still aber auch -er Feind — er sich, es ist umsonst . . .