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druck. Nimmt da» Tischgespräch eine heiter« Wendung, so bleibt die vornehme Dienerschaft gleichwohl uner schütterlich ernst. Die Wein« werden halblaut dem Gaste bet der Lasel genannt, di« Stühle sind nach dem Aufheben der Lasel zurückzuschieben. Mn gut geschulter Diener zeichnet sich durch seine vollkommene Geräuschlosigkeit au», er versteht Blick und Miene seine» Herrn. Nie stürzt er plötzlich in» Zimmer, er schreckend, hastig, nicht einmal btt ttnerFeuermeldung. Wie die persönliche Bedienung de» Herrn zu besorgen stt, darüber wird gleichfall» Ausschluß gegeben, wie ttn Eylinder gebürstet, eine Hose zusammengelegt, wre ein Koffer ordentlich gepackt werden mutz. Uniformen aufzubewahren erfordert eigene Sorgfalt. Setdenpa. pter ist gefährlich, sein Ehlorgrhalt schwärzt jede» Me tall an den ost kostbaren, gestickten Kleidungsstücken. Eblorfrttr» Mypackpapter diene zur inneren Verpackung, über die nochi etne Hülle von Stantolpapter zum Schutze vor Feuchtigkeit kommt. — Prinz Heinrich XLVIIl. Neuß j. L., Durchlaucht, ist 41 Jahre alt, Ntttmttster a la suite der Armee und vor zwei Jahren au» besonderem königlichen Vertrauen auf Lebenszeit in da» preußische Herrenhaus berufen worden. tz Gera, 11. Juni. Der Gefangenaufseher Müller im hiesigen Landgertchtsgesängntß wurde plötzlich ent- lassen, weil er sich gegen den Gefängnißinspektor Luft Ungehörigkeiten hatte zu Schulden kommen lassen. Infolgedessen denuncirteMüllerdenGefängnißinspektor Luft btt der vorgesetzten Behörde, weil er häufig Nachts im trunkenen Zustande mit Freunden in» Gefängntß kam, um diesen die Gefangenen vorstellen und ander- wtttigen Unfug zu treiben. Gegen Müller und Luft ist das Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Gleich zeitig ist der Gefängnißwärter WeidhaaS entlassen worden, weil er sich Ungehörigkeiten im Verkehr mir Gefangenen hat zu Schulden kommen lassen. — Dem Umbau des preußischen Staatsbahnhofe» ist man neuer dings ernstlich näher getreten, weil die Unzulänglichkeit desselben schon seit Jahren Ursache zu allgemeinen Klagen gegeben hat. Nach dem jetzt auSgearbetteten Projekt soll der Bahnhof vollständig umgebaut und ttn Eentralbahnhof, wie in Halle, geschaffen werden. Die Kosten de» Umbaue» find auf 11 Millionen ver anschlagt worden. 8 Berlin, 12. Juni. Heute Vormittag um 8 Uhr mietet« ttn junger Mann, der sich in Begleitung eines Mädchen» befand, am Kaisergarten in Grünau ein Boot und ruderte mit seiner Begleiterin auf die Duhme hinau». Al» sie die Mitte de» Flusse» erreicht hatten, löste der junge Mann den am Steuer befindlichen Strick, und benutzte denselben, um sich mit dem Mäd chen zusammenzubtnden, dann sprangen beide ins Wasser. Maurer, die am User beschäftigt waren, be merkten zwar den Vorgang, konnten aber nicht» zur Bettung der Lebensmüden unternehmen. Die Leichen de» Liebespaare» — daß es sich um ein solches han delt, ergab sich au» einer später in dem Boote sorge- fundenen Karte — waren heute Mittag noch nicht gelandet. Die Karte trug den Namen „Paul Diller, Rostocker Straße". ß Berlin, 18. Juni. Die Morgenblätter melden: Gln« »0» etwa 200s Bäckergesellen besuchte Versamm lung hat gestern mit großer Mehrheit beschlossen: er folgt am Mittwoch vor dem Gewerbegericht der Frte- benSschluß nicht, so beschließt die Gesellschaft am Donnerstag den Generalstreik." 8 Berlin, 13. Juni. In der verflossenen Nacht hat imZtrku» Schumann eine von über 4000 Angestell t«n der Straßenbahngesellschaft besuchte Versammlung stattgesunden. Es wurde beschlossen, e» von der Halt- ung der Direktion in der Stretkfrage und der Wieder anstellung der Gemaßregelten abhängig zu machen, ob eine neue Versammlung anberaumt und in dieser der abermalige Ausstand beschlossen werden so!'. Tie Direktion der Straßenbahngesellschaft hatte bekanntlich im Widerspruch zu ihrer Abmachung mit den Au»- ständischen eine Anzahl der letzeren entlassen. tz In der Sprottauer Haide hinter Zirkau ist ein großer Waldbrand au»g«brochen. Zur Hilfeleistung ist Militär herangezogen worden. 8 Hamburg, 12. Juni. In einem Anfalle von Schwermut erschoß die in der Marktstraße 111 wohn, hafte Schneiderin Witwe Martha Januschek erst ihre achtjährige Tochter und dann sich selbst. Ausland. 8 Am Sonntag ist beim Abstieg vom Felsblock der Frauhitt in Tirol der 2vjährtge Spengler Frz Ortner au» Innsbruck etwa ISO Meter abgestürzt. Er wurde furchtbar zerschmettert und blieb sofort tot. 8 St. Louis (Senegambien), 11. Juni. In Dakar ist da» gelbe Fieber auSqebrochen. Gestern sind zwei Europäer gestorben. Quarantänemaßregeln sind gegen Dakar ergriffen worden. 8 Englische Aristokratinnen al» Balleteusen. Im Winter noch begnügten sich die vornehmen Damen der Londoner Gesellschaft mit dem harmlosen Vergnügen des „Buch-TheeS", bei dem jede der Teilnehmerinnen den Titel eine- LieblingSbuche», der dann erraten wurde, versinnbildlichen mußte. Da» wurde aus die Dauer langweilig und man begann nach einer neuen GesellfchaftSmode zu suchen. Jetzt sind die Londoner Schönen aus eine zum mindesten» originelle Idee ge kommen. Du PairSköchter und die Löchte, der eng lischen Millionäre beschlossen nämlich, aufs Brettl zu gehen. Gesagt, gethan! Sie stellten sich bei der Di rektion des Emptre-TheaterS, einer Singspielhalle, vor und baten, am Ballet in ihren neuesten „smarten" Sommerkleidern teilnehmen zu dürfen. Der Direktor de» Empire war dem nicht abgeneigt und äußerte sich darüber folgendermaßen: „Ich habe da» Projekt schon in Erwägung gezogen; rS ist sicher, daß die Damen nicht ,n den üblichen Tricot» und Balletkletdern auf treten werden. St« werden ihre eleganten Kostüme, Promenadenkleidec, Thee-Gown» rc. tragen uns in unserm neuen Stück debütieren, da« „On the Beach' (Am Strande) heißen soll. Wenn die Sache in Ord nung ist, wiro die Direktion daraus bestehen, sie nicht nur zu bezahlen, sondern sie auch für bestimmte Zett- abschnitte zu engagieren. Wir können die Jnszente- rung eines Stückes nicht jeden Abend um dieser Damen willen ändern, die nur hinkommen, wenn sie Lust haben. Wir werden ungefähr ein Dutzend von ihnen gebrauchen können-. Unter den Bewerberinnen befinden sich einige PairSdamen und bekannte Schön heiten aus der Gesellschaft Wem aber das Glück zu teil werden wird, am Empiretheater engagiert zu werden, ist vorläufig noch tiefes Geheimnis. In zwei bis drei Wochen steht aber die Premiere des neuen Ballet- bevor, de» größten, das das Emptrethearer seit Jahren zur Aufführung gebracht hat, und dann wird London die Sensation genießen, zwölf seiner vornehmsten Mitbürgerinnen auf den Brettern zu be wundern. 8 Bei den militärischen Uebungen im Lager von Aldershot (England) erkrankten am Montag infolge der großen Hitze 300 Mann und mußten nach dem Hospital gebracht werden, wo vier Mann starben. Ambulanzen waren die ganze Nacht noch auf der Suche nach Vermißten. 8 Aus Kiew wird gemeldet: DaS lange AuSblei- bleiben von Regen läßt in Rußland starke Befürch ¬ tungen für die bevorstehende Ernteaustommen. Da» GraSsutter ist auSgedorrt und der Wind trockne» auch alle» übrige au». Die Landwirte geben alle Hoff nung aus. 8 Bet dem Streik der Straßenbahnangestellten in St. Louis (Ber. St.) haben sich nacht» mehrer« Schreckensszenen ereignet. Drei Streiker und ein Bür ger wurden getötet, Dutzende wurden verletzt und vier Wagen mittel» Dynamit vom Geleise geworden. 8 Durch ein Erdbeben wurde in Venezuela die Stadt Eariaco schwer geschädigt. 2trr» -e* Hvelt. Deutschland. * Deutscher Reichstag. 20S. Sitzung vom 12. Juni. Ohne Debatte wird die Vorlage betr. da» HandelSpro- visortum mit England endgiltig in der Fassung 2. Lesung (Vollmacht bi» 30. Juri 1901) angenommen. E» folgt die 3. Lesung de» Reichsseuchengesetzes und die 3. Lesung des Stempelgesetze-, daun die dritte Lesung der Zolltarisnooelle. Bei allen dreien erfolgt Annahme ohne jede Debatte. — Endlich erfolgt noch die 3. Lesung de» Floltengesetze». In namentlicher Abstimmung wird 8 1 mit 199 gegen 107 Stimmen und das ganze Floltengesetz mit 201 gegen 103 Stim men angenommen. — Das HauS erledigt dann noch Wahlprüsungen; die Mandate werden sämtlich für gilttg erklärt. — Reichskanzler Fürst Hohenlohe ver liest jetzt die kaiserliche Botschaft, durch welche die Ses sion des Reichstages geschloffen wird. Unter Hoch rufen aus den Kaiser geht das HauS auseinander. Schluß « Uhr. Ausland. * Eine neue Gefahr droht den Engländern im Sudan zu erstehen: es gährt unter den Somali». * Masern, 11. Juni. Ein Deserteur berichtet, im Bezirke Bethlehem ständen 7000 Buren. Bet dem letzten Gefechte bei Rootkranz sei Kommandant Olivier gefallen und Kommandant de Billiers rötlich verwun det worden. Präsident Steijn habe vorige Woche das Burenlager bet Bethlehem besucht; er sei gegenwärtig in Vrede. Heute haben sich 1500 Buren dem General Brabant ergeben? * Abermals werden — allerdings aus Burenquelle — zwei empfindliche Niederlagen der Engländer ge meldet. Die eine bei Vredefort, wo die Briten mit einem Verlust von 750 Toten und Verwundeten, so wie 150 Gefangenen zurückgeschtagen worden sein sol len. — Der andere Zusammenstoß sand bei Donker- poort statt, da» im äußersten Südwesten des Frei staats, zehn englische Meilen nördlich von NoroalS- pont liegt. Hier hat man seit langem kaum noch Buren vermutet und deshalb kommt die Nachricht von einem Kanrpf in dieser, hart an die Kapkolonie grenzen den Gegend, völlig unerwartet. Aus Aue und Umgebung. Aue, den 14. Juni 1900. — Die Kampfgenoffen versammeln sich heute Don nerstag, den 14. ds. MtS. abends halb 9 Uhr bet Kamerad Martin. — Die Turnerschaft unternimmt ber günstiger Witterung Sonnabend, den 16.Juni Partie nachdem Fichtelberg. Abmarsch vom Schützenhauv dreioiertel 8 Uhr. Gäste willkommen. — Vorgestern zog sich ein am Güterbahnhof be- Ps» Mlsels Lösung - Kriminalroman von Fr. Ferd. Tamborini. IS Der Kommissar fragte: „Glauben Sie denn, daß der Mann- der die Lärwaldsche Wirtschaft betrat, Seipel ge- »vefen ist?" „Da» steht btt mir fest Der Wirt Bärwald und auch her Kellner vom „Sieb" sind vernommen." „verzeihen Sie, Herr Amtsgerichtsrat, «ine Frage: chimn sich die beiden kennen, Seipel und da» Mädchen, . h«Mn begreife ich nicht, weshalb er dem Fräulein au». ' chich; auch würde sie doch den Umstand nicht erzählt ha- hw>!" . ' -Wer weiß, ob hier die Wahrheit gesagt wurde, viel- Dicht steckt eine List dahinter. Da» Verschwinden Seipels stader Kneip« kann Komödie gewesen sein, verabredete Sache; «mb erzählt hat st« d«n Punkt, um von sich den Verdacht abzuwälzen.' halt« da» Mädchen für unschuldig, trotz der Thai- > bedenken Si«, die plötzliche Rückkehr, der Brief hi« Ermordete, der Haß de» Mädchen», und sollte e» Zufall sein, daß beide vom Ausland« kommend an Wwr Stell« zusammentrasen." „Allerdina» ttn srltener Zufall. Konfrontieren Eie doch Wo verdächtigen." Der Arzt, welcher die Leiche besichtigte und der alte Naujok», der nochmals vorgeladen war, wurden eben ge- »wldtt. „Auch -esb», Seipel soll hergesührt werden," befahl Sttptt stand wieder vor dem Untersuchungsrichter zeig»« dem Arzt da» fraglich« Messer „Herr Seipel behauptet, diese» Messer nie gesehen zu sthheu." «GH läßt stch," «ntgrgntt« tzrr Arzt, «nicht mit Sicher heit sagen, daß gerade mit diesem die Tkiat auSgesührt wurde; aber e» steht fest: die Wunde rührt vo» einem ähnlichen Instrument her .Die Klinge könnte wohl in die Wunde passen." In stummer Resignation hörte Seipel zu. Der Arzt fuhr fort: „Auch die Blutspur reicht hin und deckt sich mit der Tiefe der Wunde " „Beharren Sie bei Ihrer Aussage," fragte Bauer, „da» Messer nie gesehen zu haben?" Seipel betrachtete das Ding genau, dann sagte er: „Ich habe mir vor meiner Abreise nach Frankreich allerdings zwei Messer gekauft, diese» ist eine» davon. Daß ich das selbe neulich in der Aufregung nicht gekannt habe, ist be- greiflich. Aber unbegreiflich bleibt mir, wie e» btt dem Morde Verwendung finden konnte." „Sie müssen da» doch wissen," meinte Bauer. „Ich rate Ihnen, die Wahrheit zu sagen; die Sache mit dem Mester beweist, daß Ihren Angaben wenig Glauben geschenkt wer- den kann." Jetzt nahm Bauer dir Uhr. „Behaupten Sie auch diese Uhr nebst Kette nicht zu kennen?" „ES ist die Uhr meiner Mutter." „Können Sie angeben, ob die Ermordete an jenem Lage diese Gegenstände getragen hat?" wandte sich Bauer an Naulvk». „ES ist nur so," sagte ber Alte bedächtig, al» ob Frau Seipel diese Sachen trug, ob an jenem Lage, ich weiß ei» nicht." Bauer wandte sich wieder za Seipel. „Ei» ist erwiesen, daß Sie am Mordabend noch in der Bärwaldschen Witt- ichaft waren. Sie streiten die» ab, aber der blutbefleckte Hundertmarkschein hat Sie verraeea." „Ich war nicht in dem Wirtshaus«!' rief Seipel hoch- rot vor Zorn. „Lasten Sie sich nicht hinreiben," meint« 1« fpötti- schein Tone der Richter. „Hinsichtlich der Mordwaffe," fuhr Seipel sott, „wer ¬ ben Si« sich doch sagen Niüffen, baß ich da» Mester nicht «SMS»Mn.« so anfbewahrt hätte, wenn ich der Tlmter gewesen wäre. Solche Dinge wird man doch nicht ansheben." „Ich nehme auch nicht an. daß Sie die That mit Bor- bedacht begangen haben, im Zorn in der Uebereilnug viel- leicht.« „Ich hatte da» Mester gar nicht bei mir, wußte gar nicht, daß e» im Koffer lag." „Wer kann da» glauben! Sie haben e» selbst verschul det, daß man an Ihren Worten zweifelt." Seipel sah seine Niederlage ein. Da» war also da» , Ende Der Sohn braver Eltern, der knapp sein Studium beenden konnte, der nun mit Fleiß seinem Beruf nach- strebte, er stand al» Mörder vor den Gerichtsschrankeu, überhäuft mit Schuldbeweisen. Er schüttelte sich wie im s Fieber. „Rufen Sie die Sophie Rap»," befahl jetzt der Richter. Mit gesenkten Blicken und schwankenden Schritt» trat da» Mädchen ein. Selbst die Männer de» Gerichts konn ten stch einer Reguim nicht erwehren. Aber da waren die Beweise, und da» Gefühl mußte unterdrückt werden. Nur der junge Gerichtsarzt trat einen Schritt näher, denn diese unschuldige Erscheinung fesselte ihn. Seipel sah nach der Richtung, woher sie kam; er zuckte zusammen. Ihr Gesicht hatte er noch nicht gesehen, aber, „nicht möglich!" rief e« in ihm. Der Richter beobachtete ihn scharf. Jetzt erhob da» Mädchen den Kopf, beider Blicke trafen sich. „Unbarmherziger!" rief da» Mädchen. Seipel wankte einen Schritt zurück. „Du? Du? Welch' ttn Wiedersehen!" rief der junge Mann. „Hier, au die sem Ort, 0, Sophie! Welch'entsetzliche» Schicksal. So fin den wir un» nach Jahren wieder. Warum die» Leid? Wa» that ich Dir? Ich habe Dich lange Zeit gesucht, wie ein verzweifelter. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wo mit ich Dich gekränkt habe. Da ging ich endlich in die weite Welt um zu vergessen .. und nun?" Da» Mädchen hörte diesen Ausbruch großen Schmer- >«»; jede» Wort wa» ein Dolchstich für sie. 76,18"