Volltext Seite (XML)
Auertyal -Zeitung. Tageblatt für -ie Stadt Aue und Umgebung Billigste Tageszeitung im Erzgebirge 12. Jahrgang Freitag, 1. Juni 1900 Nr. 124 veramumrNtchrr Redakteur: Gruft Auuk», Au« iTrzgeb-rm Rtdaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Ausland. 8 Line Braut, die nicht „Ja- sagen will. Aus Amstetten in Oesterreich wird folgender eigentümliche Fall berichtet: In der Stadtpsacrkirche sollte die Trau ung eine- Paares stattstnden. Al» die Zeremonie be ginnen sollte, ging wohl der Bräutigam zum Altar, aber tue Braut blieb in der Bant sitzen und konnie weder durch den Meßner noch durch die HochzeitSgäste be.vvr en werden, zum Altar zu treten, um das bindende .Ja" zu sagen. Da alle Versuche, die Braut an den Altar zn führen, vergeblich blieben, mußte die Trauung unterbleiben. Wie man erzählt, soll der bedeutend ältere und schon zweimal verwitwete Bräutigam se'ne ersten zwei Frauen nicht besonders gut behandelt haben.- 8 Petersburg, 29. Mai. Eine besondere Ausgabe de» „Regierung.'boten meldet: Der Geh.lse des Landes chef» des Kaukasus hat am 23. Mai über ein eptke- der Frauen zu, sich die Füße fest mit Leinen zu Uly- Wickeln, so daß sie gegen den Stich von Ungeziefer und der Ansteckung ans diesem Wege mehr geschützr sind als die Männer. Wie gewöhnlich Pest u. Ratten iminei zusammenhängen, so giebt eS auch in de. ge nannten chinesischen Stadt außerorcentlich viele und an Größe ungewöhnlihe Ratten, dagegen fehlen dort D e u t s ch l an d. § BreSlau, 28. Mai. Die Wagenkurscher am ober schlesischen Bahnhose, 50 an der Zahl, haben, wie der Breslauer General-Anzeiger meldet, heute früh die Arbeit eingestellt, nachdem ein Gesuch um Lohnerhöh ung, welches sie am letzten Freitag an die Verwaltung richteten und dessen Beantwortung sie bis heute früh erbeten hatten, erfolglos geblreben war. Der bisher gewährte Ansangslohn beträgt 1,70 Mk., der Maximal lohn 2,10 Mk. pro Lag. 8 Oberfeld i. T., 29. Mai. Am Sonntag Abend wurden in den nahen, zur hiesigen Stadt gehörigen „Heidenteichen" die Leichei' von vier Personen gefun- den Eine Frau, ca. 30 Jahre, drei Kinder, darunter zwei Knaben im Alter von etwa 2V, und ö'/, Jahren und ein Mädchen van vielleicht Jahren. Allem Anschein nach handelt eS sich um dreifachen Mord und Selbstmord. Die Frau ist zweifellos Mutter der Kin- der, die sie mir einem Band um den Leib befestigt hatte. — Die Persönlichkeit der Frau wurde als die der Postillonsgattin Herold, geborene Helbig aus Naumburg a. d. Saale, festgesteüt. Mit anderen Per sonen, welche dieselbe wieder erkannten, ist die Frau nebsr den drei Kindern am Sonnabend Vormittag von Zeitz mit dem Zuge gefahren, angeblich um ihr n Eltern in RamSdors einen Besuch zu machen. Ehe licher Zwist sollchaS Motiv zu der furchtbaren That sein. smtscheS Austreten von Lungenentzündung in dem zwölstausend Bewohner zählenden Orte Tschiasury be richtet. 8 DaS .CorpS de Ballet" vor Gericht. AuS Genf wird unter dem 15. Mai geschrieben: „Heute Morgen fällte das Gewerbegericht in Genf ein Urteil in einer eigenthümlichen Sache. 14 Tänzerinnen unseres „Cur- saaleS" hatten den Tanzmeister Banarara vor Gericht gezogen, weil er ihnen zu spät gekündigt hotte. Der Tanzmeister, ein gewandter Redner, erschien und die 14 Damen auch. Als Zeuginnen waren die anderen Damen vom Ballet geladen worden, so daß der Saal einen eigenartigen Anblick bot. Die Tänzerinnen, meistens in hochelegante» Toiletten mit Juwelen und Diamanten und arg parsümirt, machten zusammen einen höllischen Lärm, aber die beiden dienstthuenden Landjäger scheuten sict«, gegen eine so seine Gesellschaft barsch vorzugehen. Der Balletmeister tänzelte vor den Rihtern und las seine Vcrtheidigungsrede vor; seine Damen unterbrachen ihn, lachten ihn aus oder Ars»«»«« HUtgluh Nachmittags, außer an S u" n Feiertagen. — Preis pro Monat frei in« Hau» 20 Pfg-, abgeholt 15 Psg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" Bei der Post abgeholt pr» Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briestrüger 1.40 Mark. stdent bittet um Ruhe. Zu guterletzt wird der Re- gisseur gerufen. Der Tanzmeister triumphirt. „Jetzt werdet Ihr hören, — das ist ein aufrichtiger Mensch, der wird schon sagen, was ich mit dem Balletcorps zu leiden hatte." Der Regisseur wird vorgelassen. Er ist stark angehcitert; seine Aeugl in blinzeln boshaft, denn er hat dem Direktor einen argen Streich gespielt. „Jagen Sie die Wahrheit", herrscht ihn der Tanz meister an. — „Ich sage nichts", antwortet der kleine Regisseur und kreuzt vergnüit die Arme, ich habe Sie ja selbst verklagt!" — „Auch Du, Brutus!" ruft der Tanzmeister. — „Ja wohl Cäsar, ich will mein Geld haben." Im Saale ertönt schallendes Gelächter, die beiden Landjäger „wieh rn" vor Vergnügen, der Prä- sindent lächelt, und die 30 Balletdamen klatschen scha denfroh in die Hände. Die Tänzerinnen hatten zu- sammen etwa 9600 Mk verlangt, es werden ihnen aber nur 1040 M zugesprochen. ß Die Stadt der Witwen. Die Beulenpest, die sich jetzt wieder in sv viele Lunder eingeschlichen hat, wo sie sonst nicht zu Hause ist, hat doch verschiedene Plätze auf der Erde, wo sie dauernd als VolkSkcänkhett zu finden ist. Einer dieser Pestherde ist die chinesische Provinz Jünnau. In diesem Gebiet liegt die Stadt Mengiize mit einer Einwohnenzahl > on etwa 12 000 Seelen, und hier tritt die Pest mit großer Regel mäßigkeit jährlich auf und dauert vom Juni bis in den September hinein. Nach d m „Journal ok l'ro- xioul Llsäicüns" sterben dori seit einigen Jahren jähr- lich 300 bis 1400 Manschen aa der Pest. Die» ist also ein Beispiel, wie eine mittlere Stadt innerhalb verhältnißmäßig kurzer Zeit durch den Pestbacillu» geradezu bis auf den letzten Einwohner verödet, wer den kann. Allerdings werden die Leute schließlich wohl lieber den Ort räumen, und eher auSwandern nach einem anderen Landeste.l wennsie innerhalb kurzer Zett dem sicheren Tode verfallen müssen. Ein merkwürdigst Umstand ist, daß die Pest dort die Frauen viel weniger angreift, als die Männer, und t arum hat Mrngisze ungeheurer Preis gezahlt; und die Chinesen behaupten, daß dort kerne Katze lange am Leben zu bleiben ver möchte, wett die Ratten die Lest auf sie übertrügen. 8 Päpstlicher Segen im Automaten. Daß man Chokolade und Zündhölzchen, GulyaS und Unfallver sicherungen durch oen Automaten kaufen ^kann^ ist bekannt Daß aber auch der Segen des Papste» auf demselben Wege zu beziehen ist, wikd wohl Jeder»,ann verblüffen. In o«r Wiener Rothenthurmstraße ist vor kurzer Zeit, wre die Zeitschris t „Die Fackel" meldet, eine Aul stellung von Mütoskopen eröffnet worden, die gegen Einwurf von 10 Kreu.ern — '-ei der Drehung einer kleinen Kurbel die verschiedensten „lebenden Bilder" zeigen. Je nach Wunsch kann man dort die B we- gungen eines „Modells für Mieder", „Dumme Streiche tu Mädchens Schiastammer", „Mädchens Bocksprünge und Aehnliches sehen. Auch der Frage, „Warum Marie das Licht ausblies", können hier weltabgewandte klatschten, wenn eine Collegin eine recht boshafte Aus-! sHo" den Beinamen „die Stadt der Witwen" erhal- sage machte. Vanara klagte, er sei von Agenten be-^en. Man schreibt diesen Umstand der Gewohnheit trogen worden, man habe ihm prächtige Photographien von Tänzerinnen geschickt, aber die Person sehe dem Bilde nur selten ähnlich. So habe man ihm ein Fräulein mi! einem Glasauge auf gehalst, eine and re Dame habe krumme Beine nach Genf gebracht, eine Dritte sei gar buckelig gewesen, — kurz man habe ihm nur alten Ladenhüter geschickt. „DaS ist nicht wahr, ue einspaltige Petitzeile tv Pfg», »n.tlichc Inserate die EorpuS-Zeile 25 Psg., Reklamen pro Zelle 20 Pfg. Bei 4 maliger klusuah». tti'/o Rabatt. — «ei größeren Jtiserat« mehrmaliger Ausnahme wird entfpreo tn» höherer Rabatt gewahrt. Alle Postanstalten nnd LandbriestrLger nehmen Bestellungen an. „Ich fordere nicht» Andere» von Dir, al» daß Du mit eigenen Augen siehst, begleite mich in den Salon Dietoff!" „Dit weißt, >vie ungern ich mit Menschen verkehre, welche Ueberwindnng e» mir kostet, Fremde» entgegenzu treten! Aber, wa» thäte ich nicht um Deinetwillen? Gut, e» sei! Einige Tage laß mir Zeit, denn Du begreifst, daß ich meinen äußeren Meirichen noch immer in keine salon fähige Form gezwängt, sobald die» aber geschehen, bege ben wir un» zusammen nach dem Hause, in welchem je ne» Wesen weilt, da» meinen sonst so ruhigen, besonnenen Freund um da» beneidenswerte Gleichgeivicht der Seele gebracht, und ich verspreche Dir, daß, wenn ich mit dein wachsamen Auge hingehender Freundschaft, mit dem kla ren Blicke de» unparteiischen Beobachter» nicht» an der Dame zu tadeln finde, ich alle», wa» in ineinen schwachen Kräften steht, dazu beitragen will. Dir zur Erreichung Del- ne» Ziele» behilflich zu sein; danke mir nicht zu früh," fügte er lebhaft hinzu, al» Oskar ihn herzhaft umarmen wollte, „ich bürge Dir dafür, daß ich «in kritischer Rich- ter sein will, und zwar au» Liebe zu Dir und der Mensch heit, an die Ich wieder glauben würde, wenn Du Recht hättest." Im Hause Dietoff herrschte ungewöhnlich rege» Trei ben. Der alte Dietoff hatte di« Kunde erhalten, daß ein kleiner abgedankter Fürst, der sonst nicht gerade zu den höchsten Zierden der Gesellschaft zählte, seinen Spielabend besuchen wolle, und « war stolz auf diese zweifelhafte Er rungenschaft. Er benutzte dieselbe al» Köder und wagte sich abend» bei der Theatervorstellung an Leute heran, die er sonst nur flüchtig kannte, um sie aufzufordern, ihm doch gerade heute die Ehre ihre» Besuche» zu schenken: st« würden auch den Fürsten L. unter seinen Gästen treffen. Clara war auf Nadeln ; sie schämt« sich rechtschaffen der Rolle, welche der alte Mann spielte, der scheinbaren Beihilfe, di« ihm von ihrer Seite ward, und sie hoffte im stillen nicht» inniger, gl» daß 0»kar von Hochseld heut» Geächtet. Roman von Max von Weißenthurm »4 „Wenn Du sagst, sie sei nicht frei, so mag da» wahr sein, aber wa» kehrt eine solche Person Freiheit oder Gebun densein? Sie sehnt sich einfach nach andern Abenteurern, und da hält sie Dich für gut genug, Dich zu den, Zwecke zu rupfen. Ich hätte Dich für einen besseren Menschenken ner gehalten!" O»kar wollte ihm in» Wort fällen, er aber fuhr, ohne darauf zn achten.fort: „Wer ist denn der Graf Dietoff, wer ist seine Nichte? Wo sind sie hergeschneit? Er spielt den Mäcen, um die Portemonnaies der spiellustigen Genußwelt zu plündern, sie heuchelt die Spröde, Unnahbare, uin die Aureole der Wvhlanständigkeit überdaS Ganze zu breiten, außerdem soll sie der Lockvogel für alle sein; im selben Augenblicke, wo sie mit einem anbändelte, wäre der Hau sen ihrer Bewunderer zerstoben." Mit aller Macht widerstritt Oskar diese Ansicht und hielt seine hohe Meinung von Clara aufrecht, in der er nimmer die Schauspielerin, sondern nur die wahrhaft Un glücklich«, der Rettung Würdige sehen könne. Dann fuhr er fort: „Glaube mir, liebe« Freund, vornehme Gesinn ung und Opfermut sind nicht für all« Frauen chimären- hafte Begriffe; steh Dir Clara selbst an, blicke in ihr kla re» Auge, und dann gestehe beschämt, daß Du Dich ge täuscht, wenn Du eine räukelustige Abenteurerin in ihr ver mutest; ich will ja selbst zugeben, daß der Rahmen, au» welchem st« bervortritt, die Umgebung, in der sie sich be findet, nicht dazu geeignet ist, den Kurzsichtigen an ihre Tugend und Reinheit glauben zu lassen, aber wenn man einmal sehend geworden, dann kann auch da» Vertrauen, welch«» man ihr entgegenbringt, nur ein felsenfeste» sein» welche» selbst di« pessimistischen Verdächtigungen de» treue sten Freunde» nicht in» Schwanken zu bringen vermögen." ,C» kommt nur darauf an, wer hi« he» Hellsehend« ist, "meinte Kurt kopfschüttelnd. »«»>!!»»»!_'.». > .MU!'»»»»»WÜW» nicht kommen, nicht Zeuge sein werde der servile» Höflich keit, mit welcher, da» wußte sie genau, ihr Vater den Für sten empfangen werde. ZurStunde, in der sie mit dein alten Maune iiach Hause fuhr ustd e» zu ihrer Pflicht gehörte, eine letzte ord nende Hand an alle» zu legen; bevor die Gäste eiinrafeu, saß Oskar allerdings mich rüit seinem Freunde Wels in dessen schlichter Wohnstube. Bald daraus aber verließen die beiden Männer das Haus, nachdem vorher die Die nerin sich eingefuttden, die heute ausnahnlttveisc die Nacht im Hause zubriugen sollte, damit Nosa, wenn sie erwache, die Abwesenheit de» Väter» nicht schmerzlich vermisse. Nachdem Kurt von Wels unter diesem und jenem Vor wande den Besuch bei Dietoff immer noch hinanSgescho- ben hatte, mußte er schließlich doch dem srenndschaftliche» Drängen Hochseld» uachgeben und mit diesem da» Heim der Frau besuchen. Vie sein Freund zu retten sich vvrge- nommen hatfe. Der Entschluß, sich wieder einmal im ge sellschaftlichen Lehen, unter Menschen zu zeige», war für ihn schöfi schwer, um so schwerer noch, al« er fürchten mußte, dem einen oder den» andern Bekannten zu beaeg- n«n, «er durch eile indiskret« Frage ihn in die größte Ver- legenheit dringen mußte. E» war somit begreiflich, daß er die böse Stund« so lauge hinautzschvb, al» dies unr ir gend anging, ohne" seinen Freund ahnen zu lassen, welch schwere» Opfer W«l» ihm bring«, in dem er au» seist« AbgeschiedenhLithervortrat. Arm in Arm schritten die beiden Männer durch die Straßen de« Hauptstadt ; beide aufgeregt, wen» auch in grundverschiedener Weise; jeder mit seinen eigenen «e- danken beschäftigt; jeder ausnahmsweise bestrebt, sie dem Freund« vvrzuenthalten. Endlich standen sie vor dem Ziele ihxe» nächtlichen Spazierganges,einem palastartigen Haus, a.u'Schottenring. Oskar drückte äuf die Klingel, deren Hellen Klang man deutlich vernahm. Ein livrierter Por- tter öffnete; di« Herren traten in da» taghell erleuchtete Bestibul, 77,ig,