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Auerryal -Zeitung. Tageblatt für die Stabt Aue «nb «rsch.int täglich Nachmittags, außer an Svnn-». Feiertagen. — Preis pro Monat frei in« Hau« rv Pfg-, abgeholt 15 Pfg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" Bei der Post abgeholt »ro Vierteljahr 1 Ml. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Verantwortlicher Redakteur: Srvst Kirnte, Aue > Erzgebirge Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. llmgevun;;. Inserat« '»ie einspaltige Petitzeile 1v Pfa., au.tltche Inserate die Corpus-Zcile 25 Pfg., Reklamen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger Aufnahm. 25»/a Rabatt. — Bei größeren Inserat« u. mehrmaliger Aufnahme wird entspreä md höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstaltm und Landbricsträger nehmen Bestellungen an. Nr. 87 Mittwoch, den 18. April 1900. IS. Jahrgang: V e * n» i f etz t e Deutschland. 8 Berlin, 12. April. Die Polizei setzte aus die Ergreffung des Mörders der Lehrerin Johanna Mo denwald eine Belohnung von 1000 Mk. aus. Sehr verdächtig ist ein blasser, blonder Mann von 25 Jahren, schla nt, mit langem Halse, bekleidet mit einem grauen Jackeianzug. Derselbe war am Dienetag bet telnd im Mordhause angetrofsen worden. 8 Berlin, 12. April. Der Magistrat beschloß in gehermer Sitzung, au^ Anlaß des Beiuches des Kaisers Franz Joses bei den Stadtverordneten die Bewilligung von SO 000 Bit. zur Ausschmückung der Straßen zu beantragen. 8 Elberfeld, 12. Hpril. Gegen das Urtheil im Mtlttärbesreiungsprozeß haben i4 Verurtheilte, darun ter Dr. Ziel, Revision angemeldet. 8 Aus dem Thüringer Lande, 11. April. Bor wenig Jahren erst wurde in Gera die Einführung der Schulgeldfreiheit für die Bezirksschulen beschlossen. Der Schulvorstand har nun neuerdings beschlossen, das Schulgeld wieder wie vordem einzusühren. Der Stadtrath schloß sich dem Vorschläge des Schulvor standes an. S In Höhscheid bei Solingen (Rheinl.) ist in der Lindener Schule eine Krankheit ausgebrochen, die von den Aerzten als BeitStanz erkannt wurde und von der schon 20 Kinder, nur Mädchen, befallen worden sind. Die Krankheit macht sich durch Zittert und krampfhafte Erscheinungen, namentlich in den Armen, bemerkbar. tz Köln, 11. April. Die Mühle der hies. Garnison bäckerei ijt in vergangener Nacht bis auf den 1. Stock ausgebrannt. Die Maschinen und Transmissionen sind zerstört. Anscheinend liegt Selbstentzündung des Mehlstaubes vor. 8 Am 4. April 1898 sprang in Hamburg eine Frau aus dem Fenster eines Hauses im Großen Bäckergang und sand dabei ihren Tod. Der Arbeiter Johannes Bröhan kam damals in den Berdacht, die Frau aus dem Fenster geworfen zu haben, und wurde in Untersuchungshaft genommen. Da sich aber für diesen Berdacht keine .stichhaltigen Beweise ergaben, sv wurde Bröhan außer Verfolgung gesetzt. Vor eini gen Tagen kam Bröhan abends von der Ar. beit heim und klagte ssiner Frau, daß er sich nicht wohl fühle. Er legte sich ins Bett, begann heftig zu fiebern und führte irre Reden. In seinen Fieber phantasien kehrte immer das Bild der aus dem Fen- fier gesprungenen Frau wieder, filötzlich crhob er sich von seinem Lager, sprang aus dem Bett und eilte aus das Fenster zu. Ehe ihn jemand daran hindern konnte, hatte er das Fenster geöffnet und sich hinauS- gestürzt. Bei dem Aufprall auf das Straßenplaster erlitt er so schwere Verletzungen, daß der Tod auf der Stelle eintrat. 8 Die „lex Heinze". Wie aus Verabredung nimmt die gesammte Centrumspresse wider den Kampf für die lex Heinze auf, ein Zeichen also dafür, daß der Ansturm der Bürgerschaft gegen die Absicht der Ver gewaltigung und Bevormundung der freien Kunst seitens der Männer des Rückschrittes noch zu keinen positiven Erfolg geführt hat Was wird nicht alles hervorgesucht, um die Berechtigung der Gesetzvorlage nachzuweisen!? Es geht geradezu eine Verdächtigung der großen Städte durch die Wehrufe reactionärer Unken. Da heißt es zum Beispiel, daß die schuld losen Lämmlein vom Lande, die zum Militär ausge- hoben werden, in den Städten in Grund und Boden verdorben werden. Was will das Wort „verdorben" auf Rekruten vom Lande angewandt eigentlich sagen. Ist die keusche Gesittung, ist die Moralität ein beson. derer Vorzug des Landlebens? Die Erfahrung lehrt etwas ganz Anderes. Und hat es mit der Kunst an sich etwas zu thun, wenn ein solch angeblich unver dorbener Jüngling vom Lande in der Copie der Ve nus von Milo nur den armlosen nackten Frauen körper steht? Aber im erneuten Kampfe „zur Wahrung der Unschuld der schuldbeladenen Kunst gegenüber" wird wieder ein besonderes Gewicht darauf gelegt, daß Künstler dem Staatssekretär Dr. Nieberding gegen über erklärten, daß sie zum Theil die Bestimmungen des Gesetzentwurfes gar nicht gelesen hätt.-n. So durchschlagend diese Thatsache erschein:, so viel Be weiSkrast hat sie auch gegen den Gesetzentwurf. Denn wenn die Künstler nur einen Theil der Angriffe ge lesen haben, die gegen dir Kunst geplant werden und ! schon entrüstet find, um wie viel mehr Beweiskraft liegt darin, daß es eben gar nicht nöihig ist, alle Paragraphen kennen zu lernen, wenn das Gesetz im Entwurf von einer Gruppe von Politikern ausgeht, von denen man sich des stärksten Widerstandes gegen jede wie immer geartete fortschrittliche Anschauung zu versehen hat. 8 Deutsche Mormonen. Die Propaganda der Mormonen in Berlin und im Reiche beginnt nach längerer Ruhepause sich wieder neu zu beleben, und zwar wird von den Mormonenaposteln die jetzige Zeit norOstern als die günstigste für Bekehrung» wecke gehalten. Letzthin sand zur Festsetzung eine» neuen Planes in Berlin eine Zusammenkunft von etwa einem Dutzend aus Utah, Idaho und Mexiko stammenden Mormonenmissionaren statt, die seit Jahren in Deutsch land thätig sind. 8 Berlin, 12. April. In einem Waffenladen in der Gollnowstraße erschoß sich ein junger Mann, der einen Revolver von bestimmtem Kaliber verlangte, Als sich die Verkäuferin einen Augenblick abwandte, lud er mit einer bereitgehaltenen Patrone schnell die Waffe und schoß sich in die rechte Schläfe. Au» vor gefundenen Papieren ergab sich, daß der Lebensmüde ein aus Dresden gebürtiger 21jähriger Handlungs gehilfe Namens Alfred Jahn war. 8 Leipzig, 17. April. Von Würmern zerfressen. Ein abschreckendes Bild menschlicher Verkommenheit auf der einen und unsagbaren Elends auf der andern Seite wurde beute vor dem Reichsgericht entrollt. Es handelte sich um ein Urtheil des Landgericht» Rudol stadt vom 11. Januar d. I., durch welche» dieLand- wirths-Wilwe Anna Voigt geb. Kühne in GarnSdvrf bei Saalfeld wegen fahrlässiger Tödtung ihres 60 Jahre alten Ehemannes zu 2^ Jahren Gefängniß verurthetlt worden ist. Der Ehemann Voigt hatte vor etwa 2ö Jcchren die Angeklagte als zweite Frau geheirather. Obwohl er ein Baarvermügen von 18000 Mark und Liegenschaften in gleichem Werthe besaß, geitattete ihm seine Frau nicht die harmlosesten Genüsse und tyannisirle ihn im Laufe der Jahr« im mer mehr. Voigt hatte vor einer Reihe von Jahren ein Frostleiden an einem Beine gehabt. Dieses trat im vorigen Jahre in Form von Entzündungen und Eiterungen wieder aus. Jetzt nun zeigte sich die Lieblosigkeit der Frau Voigt in einem außergewöhn lichen Maße, sie brachte ihren Mann in eine Boden kammer, welche nur ein kleines Fenster hatte DaS Fenster selbst war entfernt und die Oeffnung mit einem Brette vernagelt, welches Licht und Luft in nur ganz geringem Maße Zutritt gestattete. Im Dorfe war es bekannt geworden, daß Frau Voigt ihren Mann trotz seines leidenden Zustande- sehr schlecht behandele und schmachten lasse. Auf Veran lassung des Gemeindevorstehers ging deshalb am Auf falschem Weg». Roman von Oswald Reicher. SS Kurz, London war in Aufruhr und in allen Kreisen unterhielt man sich nur von dem Verschwinden Dianas und de» Knaben. Diana, welche sich seit der Auseinandersetzung mit Elly wunderbar erhvlt hatte, war ein sehr häufiger und stets gern gesehener Gast in dem Jrvingschen Hause. Das gräf liche Paar liebte sie, und der kleine Oskar vergötterte seine junge Freundin, die niemals müde wurde, mit ihm zu spielen und ihn zu unterhalten. Der Knabe hatte mit den ersten Widerwärtigkeiten seine» Lebens, mit dem Al phabet, zu kämpfen. Oft warf er sein schöne» Bilderbuch ungeduldig in die Ecke, mit Entschiedenheit erklärend, er wolle nicht» lernen, aber ein Blick, ein Lächeln, ein Wort von Diana bewog ihn, da» Buch wiederzuholen, e» auf ihre Knie zu legen und mit ernster Miene sein Studium auf» neue zu beginnen. Wenn er ungewöhnlich aufmerksam und artig gewesen war, nahm Diana mit Erlaubnis der Gräfin ihren kleinen Schüler zu einem Spaziergang mit in den umfriedigten Garten des St J-imeS-Square». Kein Geter bewachte und umkreiste seine Beute mit größerer Beharrlichkeit, wie Rudolf Spanner seine Opfer. Täglich durchstreifte er den Square, zuweilen betrat er den Garten, an Diana und den Knaben mit ehrerbietigem Grub vorübergehend, und sich ihnen immer wieder in den Weg stellend, bi» sich beide an seine Anwesenheit gewöhnt hatten Diana fürchtete den Menschen um so weniger, al» st« ihn häufig im Gespräch mit Lady Garrick gesehen hatte. „Jetzt muß mir das Wetter nur uvch günstig jein," mur melte Spanner dem jungen Mädchen nachblickend, „ein tüchtiger Regen, und mein Spiel ist gewonnen." Und er kani endlich. Einer jener schweren Regenschauer, Wie fl« tm Frühjahr die englische Hauptstadt so oft über fluten, prasselte plötzlich nieder. Die kleinen Spürougen Ppamwr» blitzt«» thriumphirrend, al» er durch di« halb geschlossenen Jalousien eines Mietwagens, der dicht bis an da» Gitter des Sqnare» herangefahren war, da» au» den Wvlken strömende Wasser beobachtete. Er war nicht allein im Wagen, Gnrta, seine neue Hanshältcrin, saß ihm gegenüber. Eine Mcnge von Mänteln und Tüchern war neben ihr auSgebreitet. „Geben Sie mir diese Sachen," rief er, den Schlag öffnend und zu Bvden springend. „Und passen Sie gut aus." „Ja, ja, ich weiß schon, was ich zu thnn habe " Diana und der kleine Oskar hatten unter dem Vor- dach des GärtuerhäuschenS, das seit dem Tode der alten Martha leer stand, Zuflucht gesucht, und schauten schwei gend auf die regennasse Landstraße und den schwarz um zogenen Himmel. Im eiligen Laufe kam jetzt Spanner, die Arme mit Mänteln und Tüchern vollgepackt aus sie zu. Sein Erscheinen beunruhigte sie nicht, da sie daran gewöhnt waren, ihm häufig an diesem Orte zu begegnen. „Welch ein Regenguß!" rief er. „Die Frau Gräfin von Irving schickt mich, die jungen Herrschaften abznhvlen. Der Wagen wartet draußen vor dein Gitter. Bitte, hüllen Sie sich in diese Tücher, Fräulein, ich werde das Kind tragen." Arglo» und die Wahrheit feiner Angaben nicht im ge- ringsten bezweifelnd, wickelte Diana sich in den Shawl, den Spanner ihr überreichte, während dieser den Knaben in ein dickes Tuch eiuhüllte. Schnellen Schritte» kreuzten sie den Garten. Sobald der Schurke Diana und da» Kind in den Wagen geschoben hatte, schwang er sich auf den Bock und trieb die Pferde vorwärts Alle» da» war so schnell geschehen, baß Diana kaum Zeit fand, ihre Gedanken zu sammeln. Da» erste, wa» ihren Blick fesselte, war die Erscheinung der alten Frau, deren ste sich recht gut entsann, und die halbgeschlvsfenen Jalousien de» schmutzigen Wagen», in dem sie fuhren. „Da» ist nicht die Equipage de» Grafen Irving," be merkte Diana. „Nein," erwiderte Gurta mit einem breiten Grinsen um thr» wulstige« Lippe«, „der wagen gehört feinem Gra ¬ fen, aber vielleicht jemand, der Ihnen ebenso wohl Will, wie der vornehme Herr." ,,Wa» bedeutet da»," fragte Diana, die sich zn ängsti gen begann. „Das ist nicht der Weg nach Haus«. Mein Gott, wir fahren durch den Park! Lassen Sie mich au»- steigen! Ich will hinaus! Sagen Sie dem Kutscher, « solle anhalten oder ich rufe um Hilfe!" Gurta beantwortete diese Aufforderung damit, datz ste dem Mädchen ein dicke» Tuch über den Kopf warf und ihre nervigen Arme um die zitternde Gestalt schlang,«« jede» Geschrei zu unterdrücken. Der kleine Oskar weinte laut. „Schweig, Schlingel," schalt die Alte, dem Knaben einen Schlag gebend, daß er schluchzend auf seinen SitzzurücksaHk, Der Wagen rollte unaufhaltsam durch den fast Men schenleeren Park, und lange, ehe der Regen aufgehört hatte, war Spanner mit seinen Opfern über Kensington und Hammersmith auf dem einsamen Gutshof angelanat. Und so war ein schöne», junge» Mädchen und der Erbe eine» der edelsten und ältesten Häuser England» am Hellen Tage durch die vornehmsten Stadtteile London» entführt wor den. Die unerhört« Kühnheit dieser Gewaltthätigkeit sicherte ihren Erfolg. Der Jammer der Gräfin Irving war herzzerreißiknd, der Graf, gewöhnlich so kühl und leidenschastlo», jagt« wie ein Wahnsinniger von Polizeistation zu Polizetsta- tion und bot ungeheure Belohnungen für die Wiederher- beischaffung seine» Kinde» an. In wenigen Stunde« war ganz London mit Anschlagzetteln überschwemmt. Di« Be hörden entwickelten eine rastlose Thätigkeit. 68,1« Manfred Verdi und Arthur saßen in de» letzteren Stube und ergingen sich tn Erinnerungen an die Vergangenheit, manche» düstere Bild heraufbeschwörend, bei manchem p»n« nigen Erlebnt» dankbar verweilend, und mit neugierige« Blick in die Zukunft spähend, al» Max von Rokland ihn«» die Nachricht brachte, die ganz London in Bewegung setzte. Zum höchsten Erstaunen de» geängstigten Verehrer» der ß»> rauhte« Liana, blieb der junge Italien«« ziemlich ruhig.