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— 2 Vom Krieg hinter der Front. Die Bolksernährung. Unsere Nahrungsmittel werden bewertet nach ihrem Gehalt an Eiweiß, Fett und Kohlehydraten und nach dem Grad der Ausnutzungsfiihigkeit. Sehr wichtige Nährsub stanzen, nämlich die Nährsalze, werden in der Regel nicht in Ansatz gebracht. Sie sind sehr hoch in Milch, im Fleisch und in grünen Gemüsen und Salaten. Als die teuerste Nährsubstanz gilt gemeinhin das Ei weiß, weil wir gewöhnt sind, es in Form von Fleisch aufzu nehmen und demgemäß teuer zu bezahlen. Während aber gutes, mageres Ochsenfleisch auf 100 Gramm nur 21,0 Tramm Eiweiß enthält, bieten 100 Gramm Linsen 26 Gramm und 100 Gramm magerer Käse sogar 43 Gramm. Immerhin ist der höhere Preis des Eiweißes im Ochsenfleisch gegenüber den Linsen gerechtfertigt, wett in letzteren ca. 15 Prozent unverdaut bleiben, wie der Genuß der Hülsenfrüchts überhaupt eine stärkere Belastung des Organismus be deutet, die schwächlichen Menschen nicht bekommt. Anders liegt es aber beim Magerkäse; von diesem werden, wie bei aller Fleisch-, Eier- und Milchnahrung nur 1—3 Proz. des Eiweißes unverdaut ausgeschieden. Magerkäse stellt sonach die reichste und wohlfeilste Quelle für Ciweißnahrung dar. Nächst diesem haben wir in seinem Grundstoff, in sauber behandelter, abgerahmter Milch eine leistungsfähige Quelle billigen, leichtverdaulichen Eiweißes, die in viel höherem Maße als bisher der menschlichen Ernährung nutzbar ge macht werden kann, und zwar sowohl zum direkten Verzehr als auch in Zubereitung zu Milch- und Mehlspeisen. Be dingung ist, daß die Milch bei der Entrahmung und danach gut behandelt wird, also reinlich gehalten, nicht geschüttelt und möglichst auch nicht sterilisiert wird. Am vorteilhafte sten ist die Entrahmung mittels eines bewährten Hand separators. Wir haben zur Broterzeugung für das kommende Jahr einschließlich der Borräte aus dem Vorjahr und ohne das er forderliche Saatgetreide rund 160 Millionen Doppelzentner Getreide zur Verfügung, aus denen, abzüglich 15 Proz. Kleie rund 136 Millionen Doppelzentner Mehl ----- ca. 177 Doppelzentner Brot herzustellen sind. Unter Zugrunde legung von 205 Kilogramm Brotverbrauch für Kopf und Jahr verbrauchen die 68 Millionen Menschen in Deutschland 130,4 Millionen Doppelzentner Brot. Hierzu kommt unser Vorrat an Kartoffeln, der durchschnittlich 450 Millionen Dop pelzentner im Jahr beträgt. Davon wurden ca. 10 Proz. zur Alkoholgewinnung verwendet, von diesem Quantum wird in 1014/15 ein erheblicher Bruchteil für die Ernährung frei, so daß sich die für die Ernährung zur Verfügung stehende Menge von 130 Millionen Doppelzentnern auf ca 150 Millionen Doppelzentner erhöhen würde, so daß uns pro Kopf der Bevölkerung 2,2 Doppelzentner Kartoffeln zur Ber- fügung stehen. 274 Millionen Doppelzentner sind zur Vieh- fütterung frei. An Kohlehydraten haben wir also Ueberfluß. Wie steht es nun mit dem Fett? Auf Pflanzenfette können wir infolge des Krieges nicht rechnen. Wir sind fast ausschließlich auf tierische Fette angewiesen, zu deren Erzeu gung uns nur unser eigener Viehstapel zuverlässig zur Ver fügung steht. Wir hatten Ende 1013 einen Bestand von 20,0 Millionen Rindery, 25,6 Millionen Schweinen, 5,5 Millionen Schafen und 3,5 Millionen Ziegen. Diese Vieh menge übertrifft die der Vorjahre, sie reicht mindestens aus, um den gleichen Fleisch- und Fettdurchschnitt wie im Vor jahre zu erzeugen. Unser jährlicher Fleischverbrauch beträgt auf den Kopf ca. 25 Kilo. Diese können wir, was den Ei weißbedarf anbelangt, durch Mehrverwendung von Mager milch und Käs«, nötigenfalls auch von Hülsenfrüchten, ohne Gefahr für unsere Gesundheit leicht um '/^reduzieren, z. K. durch Einlegung einiger fleischloser Tage in jeder Woche; die 5,12 Proz. Fleisch unseres Gesamtbedarfes, die wir aus dem Auslande bezogen, sind also bequem zu entbehren. Aber woher bekommen wir Fett, von dem wir im Jahre 1013 2607 644 Doppelzentner einführten? Dies siud bei einem Bedarf, der sich aus 24 Kilo pro Kopf und Jcchr auf 16 320000 Doppelzentner errechnet, rund 16 Proz. des Ge samtkonsums. Davon sind in 1013 542 300 Lutter und But terschmalz gewesen, von denen 200200 Doppelzentner au» Rußland stammten, uns also endgültig verloren gehen. Die Einfuhren von Dänemark und den Niederlanden werden uns voraussichtlich erhalten bleiben, sich vielleicht auch etwas erhöhen. Immerhin, es bleibt ein großes Manko z»t decken. Unsere Milchproduktton wird auf jährlich 21000 Mil lionen Liter dem direkten Verzehr dienen, so daß 12 500 Millionen für die Entrahmung frei wären, wenn nicht viele Landwirte noch immer der Unsttte fröhnten, die wertvolle Vollmilch dem Jungvieh zu geben. Für diese Verschwen dung gibt es schon in Friedenszeiten keine stichhaltige Be gründung, jetzt im Kriege bedeutet sie eine schwere Versün digung an der Dolksernährung und angesichts der in Aus sicht stehenden hohen Preise für gute Butter eine enorme Geldvergeudung. Nehmen wir nun an, daß 10 pEt. aller zur Entrahmung freien Milch, in dieser Weise und durch das ebenso verschwenderische Entrahmen mittels Satten, der ra tionellen Zentrifugenentrahmung bisher vorenthalten wur den und ihr nun zugeführt würden, so entsteht folgende Rechnung: 1250 Millionen Liter Milch mit 3,2 pEt. Fett er geben 45)9 Millionen Kilogramm Butter, also sehr viel mehr als das russische Manko. Es erhellt aus dem bisher Gesagten, daß uns für die Kriegsführüng hinter der Front in gleicher Weise wie bei der Mobilisierung gegen unsere Feinde ungeahnte Kraft quellen zur Verfügung stehen, unsere Sache ist nur, sie eben so energisch und vollkommen auszunutzen, wie dies die Hee resleitung tut. Grund zur Sorge besteht jedenfalls nicht, und noch weniger haben unsere Feinde Veranlassung, ztt der Hoffnung, daß sie uns bei längerer Kriegsdauer aushungern könnten. So lange nicht, was Gott verhüten wird, große Teile unseres Landes vom Feinde verwüstet find, können wir dauernd auskömmlich leben, ohne daß sich die Lebens mittelpreise zu drückender Höhe erheben, wenn sie auch, wie es selbstverständlich ist, steigen werden. Aber wir dürfen nicht mehr aus dem Bollen wirtschaften, dürfen uns nicht auf den Zufall verlassen und dürfen weder in der Erzeugung noch im Verbrauch verschwenden. Bei der Landwirtsihaft mit ihren großen Produkttonsmengen geht jede Verschwen dung, und sei sie im einzelnen noch so unscheinbar, in die Millionen. Das wird am deutlichsten illustriert in einem Prospekt der bekannten Zentrifugenfabrik Alfa-Lapal-Se- parator, Berlin, in dem sie errechnet, daß, wenn der bei der Milchentrahmung benutzte Separator nur pEt. Fett mehr in der Milch läßt als unvermeidlich, dies für die But terproduktton Deutschlands einen Iahres-Schaden von 44 Millionen Mark ausmacht. Mit der Butter allein ist es aber nicht getan. D» feh len noch die anderen Fette, von denen vorher die Rede war. Auch für diese haben wir vollwertigen und ausreichenden Ersatz. Ihn bietet uns der Zucker, der chemisch das Fett voll kommen ersetzt. Deutschland ist bekanntlich das Hamtt-Pro duktions-Gebiet für Rübenzucker, von dem es alljSMtch be deutende. Mengen exportierte. Die Ausfuhr ruhkjetzt, sie war ebenso hoch wie der Inlandverbrauch, das für^Ben Kon sum zur Verfügung stehende Quantum hat sich also verdop pelt. Es kommt lediglich darauf an, den Zucker in mannig facher Weise zur Ernährung heranzuziehen, und dies hat keine Schwierigkeiten. ltdu.