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Der Sächsische Erzähler Die Bahn ist eine amerikanische Konstruktion. Sie hat ihre Fahrt bis jetzt 65 OVO Kilometer zurückgeleat. Unser Bi! in New Nork begonnen, ist nach der Reise durch die Bereinigten schienenlose Eisenbahn vor dem Potsdamer Etadschloh. Die schienenlose Eisenbahn in Berlin. Die erste schienenlose Eisenbahn, die sich auf einer Reise um die Welt befindet, ist in Berlin eingetroffen. Es handelt sich um einen Zug, der aus giner Lokomotive, die auf Pneus läuft und einem Eisenbahnwagen besteht, der ebenfalls auf Gummirädern läuft. «retviatt zu Nummer 2S3 Staaten durch England, Schottland, Holland, Begien, nach land gefahren. Anfang September traf sie in Aachen «in, dann Köln, Düsseldorf, Essen, Bochum, Magdeburg, und tra in Potsdam ein. Dort erregte ihr Erscheinen große» t Von Potsdam fuhr der Zug zur Polizeiausstellung. Di« ß Texttl-Einzelhandelstag in Dresden. Der Landesoerein Sachsen im Reichskmnd des Textil- I Einzelhandels hielt am Sonntagvormittag im Plenar- I sitzungssaale des Landtaasgebäudes sein« reichbesuchte I Hauptversammlung ab, an der auch verschieden« Ehrengäste I ieilnahmen. Es waren u. a. erschienen Finanzminister Dr. 1Dehne, Geheimrat Florey vom Wirtschaftsministerium, t Kreishauptmann Buck, Oberbürgermeister Dr. Dlüher, l 9berfinanzrat Dr. Lindner (für die Finanzämter Dresden I und-Leipzig), Legationsrat v. d. Decken (für die Dresdner s Handelskammer), ferner die Vertreter der übrigen sächsischen Handelskammern und zahlreiche Vertreter befreundeter Verbände. Nach einer Reihe Begrüßungsansprachen hielt Prof. Dr. Kastner, der geschäftsführende Vorsitzende des Landes- Vereins, den ersten Hauptvortrag über: Tagesfragen des Textil-Einzclhaubels. Er führte etwa folgendes aus: Der Tiefstand der Wirt schaftskrise ist überwunden. Geringe Anzeichen der Besse rung sind bemerkbar. Man darf jedoch nicht übersehen, daß diese leise Besserung mit auf später wieder wegfallend« Ur sachen, zum Teil auch außenpolitischer Art, und zugleich auch auf ein außergwöhnliches Eingreifen des Staates zur Ankurbelung der Wirtschaft zurückzuführen ist, und daß in absehbarer Zeit verstärkte Lasten von uns zu tragen sind. Mehr denn je hat der Einzelhandel als verantwortliches Kontrollorgan von mehr als der Hälft« des auf SO bis SS Milliarden zu schätzenden Nationaleinkommens die Pflicht, den grundsätzlichsten Zusammenhängen Aufmerksamkeit zu- zuwendcn. Gerade der Textileinzelhandel, bei dem die Schwierigkeiten verringerter Kaufkraft durch Wetter, Mode und andere Komplikationen noch erhöht werden, wird in seiner Wirtschaftgestaltung maßgebend auch für den Eesami- einzelhandel sein. Wenn dieser der wirtschaftlichen Bedeu tung der Arbeitnehmer aller Schichten insbesondere der Be amtenschaft, in sachlicher Anerkennung und Würdigung ihrer Belange gegenüberstcht, darf er auch erwarten, daß alle diese Kreise mehr denn je von unrentabler Selbstversor gung, an der ihnen zumeist gar nichts liegt, Abstand nehmen und in dem Einzelhandel wieder ihren Vertrauensmann für sachgemäße Versorgung erblicken. Die Schwierigkeiten, die vor noch nicht ollzulanger Zeit der Kampf um die Ware zei tigte, sind verschwunden. Größere Schwierigkeiten bietet aber jetzt der Kampf um den Kunden. Mehr als je steht das Ringen um bestmöglichen Einkauf im Vordergrund; denn schärfste Konkurrenz zwingt zu billigster Preisgestaltung für ' :n Verbraucher. Voraussetzung dafür ist vernünftige Ra tionalisierung auch im Handel. In gewissem Umfange ist -uch eine Verminderung der Warensorten, der Kapitalin vestierung, des Lagerumfange« anzustreben. Bei Dettbe- Verbsauswüchsen Hot das Schiedsgericht der Standesgenos- sm im verband« wertvollste Arbeit geleistet. Di« endlich auch im Einzelhandel einsctzend« Statistik lehrt einen Um satzruckgang in den ersten Jahrssmonaten 1S2S gegen das Vorjahr, dagegen «in« we'entliche Steigerung der Unkosten gegm früher und zwar ihr verhältnismäßig stärkere» An wachsen bei größeren und größten Geschäften gegenüber den mittleren und kleineren. Töricht ist deshalb der Kampf zwi schen den großen und kleinen Geschäften. Beide haben Zu kunft bei hochwertiger Bstriebsführung. Voraussetzung dafür ist aber auch «im vernünftige Steuer- und Wirt schaftspolitik in Reich, Staat und Gemeinden, und «ine Ein schränkung der öffentlichen iZewalten auf die ihnen wirklich ovlieaenden Aufgaben. Das Ausspielen der einzelnen Stände untereinander muß aufhören. Alle Glieder unseres Vaterlandes haben nur ein Ziel, und dem soll auch die Ver bandsarbeit letztendlich dienen: ein neues Deutschland, wirt schaftlich gesund und stark! Im zweiten Hauptvortrag sprach Kaufmann Heinrich Hirschfeld (Dresden) auf Grund eigener Wahrnehmun gen über das Thema: Deutscher und amerikanischer Einzelhandel. de« 6. Oktober 1V2S Lu« dem reichen Inhalt des Vortrages sei folgende« herausgegrisfen: Eine schematisch« Uebertragung der ameri kanischen Wirtschaftsmethoden aus deutsche Verhältnisse ist zwar nicht angängig; dennoch können die deutschen Wirt- fchaftskreis« viele Anregungen aus der dortigen Arbeitsweise erhalten. Ungleich höher ist in Amerika die Kaufkraft der großen Menge. Aus instruktiven Tabellen war ersicht lich, daß der amerikanische Lohnempfänger an Reallohn heute SO Prozent mehr verdient, al« in der Vorkriegszeit. Eine andere Tabelle zeigte die Vereinigten Staaten als Zolleinheit, während das an Flächenraum etwa gleich große Europa mit einer etwa vierfachen Bevölkerungszifser in 27. Zollstaate gegliedert ist. Im übrigen wurde die eingehend« Erziehungsarbeit gewürdigt, die man dem ameri kanischen Kaufmann angedeihen läßt. Di« wissenschaftliche Arbeit auf Handelshochschulen ist viel mehr mit der Praxi« verknüpft, als in Deutschland. Auch die Erziehung de» Per sonals zu vollwertigen Mitarbeitern wird in Amerika viel intensiver gefördert. Besonders ausführlich wurde da» ame rikanische Typisierunge- und Rationalisie rungs-Problem erörtert. Leider sind bei uns die Be- triebseinrichtungen, die hier unter dem Namen Fließarbei ten bekannt sind, noch in den Anfangsstadien. Um für Mas- MMM2W0W»W»iaUI»i! III« W»«»W»MM»M»WW»^»WWWWWWW»WWW»WM LI r bat ich mit den liche den Der andere beugte sich vor. „Ich bin Färwcr, dem Sie Weib nahmen!" „Was wollen Sie von mir?" Seine Augen gleißten auf. „Helene ist Ihre Frau, ist nicht mehr — frei! Ich will Helene die Freiheit wieder geben!" Ich schielte nach dem Hebel der Notbremse. „Beunruhigen Sie sich nicht," höhnte Färwer, „der Bremshebel ist weit genug von Ihnen entfernt. Die Fesseln Ihrer Handgelenke aber sind mit den Eisenstangen des Sitzes verbunden, sie halten! — Ich will Sie auch nur so weit belästigen, als ich muß. Sie fanden den Weg zu Helene allein, Sie werben ihn auch allein von ihr finden müssen." — Ich erwartete, Färwer würde irgendeine Waffe ziehen, doch — er machte sich nur an seiner Westentasche zu schaffen, holte eine ziemlich große Taschenuhr heraus, die ein Gehäuse von mattiertem Stahl zeigte. „Eine nette Uhr", lachte er. „Jeder Mensch wird den ken, es sei nichts als eine Uhr. Aber sie ist mehr!" Wie im Selbstgespräch fuhr er fort. „Hassen Sie Uhren nicht auch, weil sie einem mit unumstößlicher Gewißheit sagen, daß jede klingende Sekunde einen Schritt zum Tode bedeutet? Diese Uhr macht aus Schritten Kilometer, nein, Meilen! In dem Gehäuse ist ein winziges Teilchen Knallquecksilber, das sich in genau 30 Minuten du-ch einen Stich einer ganz feinen Nadel entzündet, sich und einige Gramm Chlorstickstoff! — Gelt, Sie staunen, daß mir das gelungen ist, bieses Chemikal gegen Stoß unempfindlich zu machen. Chlorstickstoff ist aber auch der prächtigste Sprengstoff der Welt! So werde Ich Ihr Herz von Helen« befreien. In Atome werden Sie zer- stieben!" Meine Augen irrten zu dem Fenster. „Keine Besorgnis", sagte er fast liebenswürdig, „die Türen sind abgeriegelt, einen Nachschlüssel besitze ich, und überdies hängt an jedem Fenster ein Schild: „Dienstabteil". Er erhob sich. „Und jetzt gestatten Sie, daß ich mich empfehle und Ihnen die Uhr überreiche." Ich bewegte meinen Oberkörper heftig. Doch er packte mich mit eisernen Fäusten und steckte die Uhr in die obere Westentasche. In diesem Augenblick knirschten die Bremsen. „Die Uhr sitzt gut, gerade über dem Herzen", sagte er i eigenartig dumpf, ging zur Tür und verschwand. Ich hörte noch, wie er das Abteil verriegelt«. Der Zug hielt. i Ich versuchte an meinen Fesseln zu rütteln, mit den Füßen auf den Boden zu stampfen, mit dem Hinterkopf gegen die Wand zu schlagen. Oh, es war noch «ine« von den , alten Abteilen, es war zu gut gepolstert. Der rote Plüsch i erstickt« jeden Laut. Ein« letzte Hoffnung glühte in mir auf, — es möchte sich jemand an ver Äbteiltür zu schaffen machen. - Der Riegel bewegte sich —.jedoch, man mochte draußen I sehen, daß hier «in Dienstaoteil sei. Di« Schritte verklangen wieder auf dem Bahnsteig. — , „Tick, — tick, - tick klang die Uhr leise. i Und jetzt setzte sich der Zug wieder in Bewemmg. Vis zum nächsten Haltepunkt waren es gut zwei Stunden Fahrt. Ich dachte an Helene, an di« kurze glückliche Ze« dar Ehe. .Tick, — tick, — tick, —' klang di« Uhr leise. Glück! -- Glück! — höhnte sie! Ich rüttelte an meinen Fesseln, bis di« Handgelenke schmerzten. Sie hielten «isenfsst. Da schoß ein Gedanke durch mein Hirn. War mein Kopf — war mein Genick nicht frei? Mit den Zähnen versuchte ich die Westentasche zu erreichen, in der ich die Uhr fühlte. Das gelang mir nach unendlichen Mühen, in denen die klingenden Sekunden in einem feurigen Chaos um mich zu kreisen schienen. Und mit den Zähnen zog ich die Uhr aus der Tasche. Dann beugte ich den Oberkörper weit vor, bi» ich meine Rechte erreichen konnte. Die Uhr jetzt aufziehen, bis die Feder platzt, dann muß das Werk steAnl Nein, da konnte jener Teufel irgendeine mechanische Auslösung angebracht haben, die den Sprengstoff dennoch entzündete. Aber dom, wenn das Werk stand, konnte der Stift das Quecksilber nicht treffen, der Chlorstickstoff konnte sich nicht entzünden. Die Zeit schien wie ein brausender Strudel zu rasen! Ich wußte kaum, wieviel Minuten verflossen da fand ich es! Ich drückte mit den Fingern der gesesfelten Rechten das Uhrglas entzwei, sah, daß die Zeiger gerade auf 8 Minuten nach 2 Uhr standen, und da gelang es mir, den großen Zei ger so umzubiegen, daß er sich wie eine Klammer vor den kleinen legte: so mußte das Werk stehenbleiben. „Tick, — tick, — tick," — tönt« die Uhr. Meine Lugen bohrten sich fast in das Zifferblatt, ich hielt dedn Atem an. meine Blicke verwirrten sich. Da, jetzt berührte der große Zeiger den kleinen. Noch immer tickte die Uhr! Nein jetzt schien es aufzuhören. Zitternd verfolgt« ich den Lauf des Sekundenzeigers. Das Ticken wurde schwächer. Ich atmete unermeßlich tief auf. Die Uhr standl Behutsam ließ ich sie aus dem Munde auf da« Polster des leeren Nebensitzes gleiten. Dann wußte ich nicht mehr, was geschah. Schwarze Wolken hüllten mich ein, und ich verlor das Bewußtsein. Als ich erwachte, hörte ich Stimmen um mich, fühlte einen scharfen, stechenden Geruch in der Nase, sah «ins« Be amte der Bahnhofspolizei, die Bruchstück« meiner Fesseln in der Hand hielten. „Was war denn mit Ihnen?" fragt« ein Inspektor. Ich erzählte olles. Ein Beamter nahm'» zu Protokoll. „Wir haben nackgeseben," sagte er, „es fehlt aber nichts, weder Geld noch Schmucksachenl" „Wo ist die Uhr?" fragte ich mühsam. „Die Uhr," lackte der Inspektor. „Was ist eigentlich mit dieser Uhr los?" „— Eine Höllenmaschine," stöhnt« ich. „Unsinnl" lachte der Uniformierte, „eine ganz gewöhn- Zwiebel aus Großvater» Zeiten. Jemand scheint sich Scherz gemacht zu haben, die Zeiger zu verbiegen!" Ich zwang mich zur Besinnung und ging. „Uebrigens," horte ich den Inspektor von der Tüx au» zu einem Beamten sagen, „haben Sie den armen den wir im Zug« aufgegriffen haben, E» erfolgte ans meine Aussagen nb mir aus und erhielt sie auch. Sie lieg verbogenen Zeigern in meinem Schreib — es ging ebenfalls nicht! Irgend etwas hielt mich an den Handgelenken fest. Und jetzt ließ der Andere die Zeitung vollends sinken. Seine Züge verzerrten sich zu teuflischem Hohn. „Sie mach ten mir's leicht, Sie zu fesseln, denn — Sie schliefen!" „Herr, wer sind Sie?! das Angst. Skizze von Hanns Lerch-Dresden. Doktor Schmidt meinte, Angst sei reine Nervensache. — wrtmann streckte herausfordernd das Kinn vor: „Halten Eie mich für nervös, Doktor?" Die blonde Eva lachte klingend: „Wenn's nach den Nerven ginge, dann hätten Sie bestimmt keine Angst." Hartmann nickte. „Einmal in meinem Leben habe ich dennoch Todesangst bis zur Eiseskälte, bis zur Siedehitze ausgestanden ... Es war kurz nach meiner Hochzeit. Ich mußte verreisen. Nicht etwa, daß Helene, meine Frau, auf dem Bahnsteig den Namen Färwer erwähnte, beunruhigte mich, mißtrauisch war ich auch nicht, — das ist man in den ersten Wochen der Ehe nie, aber ich trat trotzdem mit recht, recht unsicheren Gefühlen die Reise an." „Wer war denn dieser Färwer?" fragte Eva. Hartmann zündete sich langsam eine Zigarre an: „Ein armer Unglücklicher, den ich nur nach einem Bilde kannte. Lange vor unserer Hochzeit, erzählten die Leute, habe sich ein Ingenieur Färwer sterblich in meine jetzige Frau verliebt. Ein eigenartiger Herr übrigens, der nur dem Studium des Atomzerfalls lebte. Er habe sich über arbeitet und wäre in einer Neroenanstalt, sagte: die einen; die anderen, er sei aus verschmähter Liebe tiefsinnig gewor den. Helene zeigte mir sein Bild. Die tiefliegenden, trüben Augen hatten etwas Krankhaftes. Aber noch etwas verzerrte sein Gesicht zur Teufelsfratze, — eine fingerbreite Narbe, die sich über die ganze Stirn zog. Als Helene in der Zeitung las, einige Insassen des nahen Irrenhauses hätten die Wär ter überwältigt und seien geflohen, stand es für sie bomben fest, Färwer müsse auch mit dabei gewesen sein. Sie bat mich, die Reise auszuschieben, zumal sie sich einbildete, sie habe in der Dunkelheit einen verdächtigen Menschen um unser Haus schleichen sehen. Die guten Tanten berichteten noch dazu, ein unbekann ter Herr habe bei dem Photographen Iertrum sehr lange vor dem Schaufenster gestanden, in dem unser Bild als Braut paar ausgestellt war. Trotz alledem benutzte ich den Nachteilzug und wählte ein leeres Abteil zweiter Klasse, um am Morgen frisch an zukommen. Es war ein alter Wagen mit völlig abgetrenn ten Abteilen. Helenes wehendes Tuch verschwand im Dunkel. Der Zug lärmte klappernd durch die Nacht. — Ich nahm eine Zeitung zur Hand und brannte mir ein« Zigarre an. Vor T. war kein Aufenthalt, eine Stunde also hatte ich mindestens Ruhe. Ich muß wohl eingeschlafcn sein. Kein Wunder, meine Freunde hatten es sich nichtnehmen lasten,mir amVorabend eine Abschiedsbowle abzunötigen. So wachte ich erst weit hinter T. auf. Ich war nicht mehr allein. Mir gegenüber saß ein Rei sender. Sein Gesicht konnte ich vorerst nicht sthen, da er ebenfalls die Zeitung las. Da fuhr der Zug durch «in« Kurve, so daß das Zeitungsblatt seine Stirn freigab, seine Stirn und eine schmale weiße Narbe! Das Blut stieg mir langsam in den Kopf, etwa« lief kalt über meinen Rücken; denn jekt sah ich ein kleines Loch In der Zeitung, hinter dem ein schwarzes Auge voll unendlichen Haffe» mich nnfunkelte. Mein« Sinn« waren mit einem Male wach. Ich wollte die Rechte bewegen — und es ging nicht, dann die Linke —