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Der sächsische Erzähler : 18.06.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192606184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19260618
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19260618
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-06
- Tag 1926-06-18
-
Monat
1926-06
-
Jahr
1926
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 18.06.1926
- Autor
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verstehen und ersparen Sie unseren armen Steuerzahlern Hie hohen Druckkosten Ihrer ungereimten Phantastereien. ner 6. Achten Sie recht auf das, was unsere Landbund führer mit der Deutschnationalen Fraktion sagen und be schließen und stimmen Sie dem zu. 7. Wenn Sie überdies noch die Verhetzung politischer Schulkindergruppen und den niedrigen Kamp gegen alles was seit Urväterzciten uns Bauern in deutschem Kulturgut und deutschem Christentum hoch und heilig war, unterlassen könnten, so würde es der Bauer nicht mehr als Schande und Verleugnung seines Standes betrachten, sich gelegentlich an harmlosen kommunistischen Kindereien zu ergötzen. Ausgehend von dem alten Grundsatz, daß man im An fang nicht zuviel Neues von Severings politischen Kindern fordern soll, möchte ich heute meine 1. Lektion schließen in der bestimmten Hoffnung, daß Sie sowieso noch öfters das Bedürfnis haben werden, sich wieder hilfesuchend an mich zu wenden. Sie können versichert sein, daß ich Ihre Bitte mit dem größten Wohlwollen erfüllen werde. In der Ver heimlichung meines Namens brauchen Sie sich jedoch kei nerlei Zwang aufzuerlegen. Immer Mut, meine Herren! Und wenn ich auch weiß, daß die Kommunisten 1923 hinter der Front mächtig stark waren. Unzählige ins Elend und in die Gefängnisse jagten, um sich selber feige zu drücken, so hoffe ich, daß der Umgang mit deutschen Bauern auch in dieser Beziehung einen heilsamen Einfluß auf Sie ausüben wird. - Immer gern zu Ihren Diensten zeichne ich mit treudeutschem Gruß ergebenst gez.: Martin Beyer, Erbgerichtsbesitzer in Geißmannsdorf. Eine Antwort hat Herr Beyer bis heute nicht erhalten. * wirtschaftliche Not und Mangel an Uebersicht hatten den bis her unbescholtenen 35 Jahre alten Maurer und Wirtschoftsbesitzer Paul Scheibe aus B v d c w i tz auf die schiefe Bahn gebracht. Er hatte in der Zeit von Ende 1924 bis Ende 1925 als Ortssteuercin- nehmer von Wohla nach und noch 3896 Mark vereinnahmte Steuergelder unterschlagen. Die Gemeinde erleidet aber keinen dauernden Schaden. 2223 Mark hat der Angeklagte in bar ersetzt und für die Restschuld Hot er eine Hypothek auf sei» Grundstück elntragen lassen. Dom Schöffengericht Kamenz war er zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Seine Berufung und die der Staatsanwaltschaft wurden verworfen. Neues aus aller Welt. — Lin Sraßenüberfall auf ein Personenauto. Einen geradezu unglaublichen Vorfall berichten die „Leipziger Neuesten Nachr", denen wir die Verantwortung für die Richtigkeit überlassen müssen, aus Zeitz: Wie erst jetzt be kannt wird, wurde in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag in der Nähe von Bergisdorf auf der Geraer Landstraße ein Zeitzer Personenauto von 90 bis 100 Zeitzer Reichsbannerleuten überfallen. Trotzdem einer der Burschen mit einem Totfchläger die Scheibe neben dem Führersitz einschlug, verlor der Wagenführer, eine hoch- geschätzte Zeitzer Persönlichkeit, die Geistesgegenwart nicht, und verhinderte somit ein größeres Unglück. Der Führer der Bande, ein gewisser Fahrradhändler Littwitz aus Zeitz, schritt in keiner Weise hin, als von verschiedenen Seiten ge- rufen wurde: „Holt sie doch heraus." Die Oeffnung der vorderen Wagentür etsolgte gewaltsam. Die von ! dem Bandenüberfall betroffenen vier Herren sind Zeitzer ' Persönlichkeiten. Der Naumburger Staatsanwaltschaft ist Anzeige erstattet worden. — Tragischer Abschluß einer Sanitätsübung. Im An» > schluß an den Roten Kreuz-Tag veranstaltete am Dienstag , abend der Hauptverband des preußischen Landesvereins vom Roten Kreuz am Wannseeufer eine Geländeübung, bei deren Ausführung sich, wie die Morgenblätter melden, ein tragt- , scher Unglücksfall ereignete. Dor den Augen der etwa 1000 : Sanitäter und dem Publikum ertrank der etwa IS Jahre alte Schüler Wilhelm Iähnicke. Ein zweiter Schüler, der eben falls, wie vorgeschrieben war, mit mehreren anderen Schul kindern zu Rettungsausübungszwecken von eiy/em Dampfer ins Wasser sprang, konnte nach langen Bemühungen vom Reichswasserschutz geborgen und nach mehr als einstündigen Wiederbelebungsversuchen wieder zum Bewußtsein gebracht werden. Die Leiche des ertrunkenen Iähnicke konnte bisher nicht geborgen werden. — Ein blutiger Zusammenstoß zwischen Stahlhelmleuten und Roten Frontkämpfern hat sich m der Nacht zum Don nerstag in der Schillerstraße in Hamborn zugetragen. Ein Trupp Stahlhelmleute wollte dort Plakate gegen den Volks entscheid ankleben, als eine Anzahl Kommunisten aus der dort gelegenen Arbeiterkolonie erschien und gegen die Stahl helmleute vorging. Ein Stahlhelmmann und ein Kommu nist wurden durch Schüsse schwer verletzt und mußten sofort ins Krankenhaus übergeführt werden. Eine weitere Anzahl Personen wurde leichter verwundet. Es entwickelte sich ein regelrechtes Gefecht, in dessen Verlauf mehrere Dutzend Schüsse fielen. Die inzwischen benachrichtigte Polizei trieb die Kämpfenden auseinander, deren Zahl allmählich auf über 500 angewachsen war. Fünf der Streitenden wurden festgenommen. — Berliner Hoteliers bestechen die Polizei. In der letz ten Zeit mehrten sich die Anzeichen dafür, daß mehrere Lokale in der Berliner Friedrichstadt, so das Restaurant Schall und Rauch im Großen Schauspielhaus und das Cafö National, die Polizeistunde umgingen. Es entstand der Verdacht, daß Bestechungen von Polizeibeamten in größe rem Umfange vorgekommen waren. Wie die „Dossische Zeitung" mitteilt, hat sich dieser Verdacht als begründet her ausgestellt. Die Inhaber des Restaurants Schall und Rauch wurden verhaftet. In Len beschlagnahmten Büchern wurde ein täglicher Posten „Aufwendungen an die Polizei" festgestellt. Aehnliche Zustände wurden bei einer Kontrolle des Casv National aufgedeckt. Acht Ober- und acht Unter wachtmeister der Schutzpolizei wurden in Haft genommen. — Eine neue russische Polarexpedition. Eine hydro graphische Polarexpedition, mit dem Professor Matusse- witsch an der Spitze, hat sich von Leningrad nach Archan gelsk begeben. Von Archangelsk aus wird sie auf drei Schif fen nach Nowaja-Semlja und von dort nach dem Karischen Meer zur Erforschung der fast gänzlich unbekannten Küsten strecke von der Bucht Chaibutyrska im Bezirk Petschora bis nach Jugorski Schar fahren. Ätz Arbeiten der Expedition sind auf drei Monate berechnet. — Drei Opfer eines betrunkenen Lhausseurs. In Star gard ist nachts ein Auto mit sechs Personen, die von einem Ball kamen, gegen einen Baum gefahren. Der Chauffeur blieb mit schweren Verletzungen besinnungslos liegen. Zwei weitere Insassen wurden mit schweren Knochcnbrüchen ins Krankenhaus geschasst. Ursache des Unglücks ist Trunken heit des Chauffeurs; er hatte die Fahrt ohne Wissen des Autobesitzers unternommen. — Ein IZjähriger an Schnapsgcnuß gestorben. In Buer i. Westfalen ist ein '13 Jahre alter Schüler an Alkoholvergif tung gestorben, nachdem er ein großes Quantum Schnaps zu sich genommen hatte. — ISO Mitglieder der sizilianischen Maffia verhaftet. Wie verlautet, wurden in Verfolg der seit einigen Mona ten im Gange befindlichen Ausmerzung der sizilianischen Maffia bei Palermo 160 Personen verhaftet. Diese hatten eine Bande gebildet, welche das Land terrorisierte und die mehrere Morde auf dem Gewissen hatte. Die meisten die ser Morde wurden aus Familicnrache begangen. — Mit dem Flugzeug zurückgeholt. Dieser Tage sauste ein Automobil auf den Flugplatz in Croydon, und eine in London bekannte Persönlichkeit verlangte sofort ein Flug zeug, um nach der Ostküste zu fliegen. Es konnte ein kleines Ireisitziges Flugzeug zur Verfügung gestellt werden, und fünf Minuten später befand sich der betreffende Herr unterwegs. Nachdem der Passagier sein Ziel erreicht hatte, eilte er zur Eisenbahnstation und wartete dort ungeduldig auf die An kunft eines Zuges aus London, der auch wenige Minuten päter eintraf. Dem Zug entstiegen ein Mädchen und ein Nann, die vom Flugpckssagier angehalten wurden. Cs am zu einem heftigen Auftritt, aber dem alten Herrn ge lang es schließlich, die Dame zu veranlassen, mit ihm nach London zurückzufliegen. So endete ein romantisches Liebes abenteuer in der Londoner Gesellschaft. — Mit dem Balkon auf die Straße gestürzt. Die Mor genblätter melden aus Neapel: Ein Balkon in der vierten Etage, auf dem sich Kapitän Padovani, ein bekannter faschi- tischer Organisator, und mehrere seiner Freunde aufhielten, kürzte plötzlich auf die Straße. Padovani und einige seiner Freunde starben auf dem Transport ins Krankenhaus. Die übrigen sind schwer verletzt. — Eine weitere Meldung be richtet: Die Opfer des Balkonabsturzes belaufen sich aui 8 Tote und 7 Verletzte, darunter 4 sehr schwer. — Flugzeuge durch Stiere zerstört. Bei Sevilla dran gen ausgebrochcne Kampfstiere in den Flugzeugpark Sevilla—Lissabon ein. Die Flugzeugwachen flohen und die Tiere zerstörten alle vorhandenen Flugzeuge. — Das Schwesterschiff der Borge verbrannt. Das B. T. meldet aus Rom: Auf dem Flugfeld Ciampino bei Rom ver brannt« dos für Japan bestimmte lenkbare Luftschiff Nr. 3 durch dos Ausströmen der Gase und deren Entzündung und wurde völlig zerstört. Das Luftschiff ist ein Schwesterballon der durch ihre Polarfahrt berühmten Norge. Mcnschenver- luste sind bei dem Brande nicht zu beklagen. — Die Weltausstellung unter dem Hammer. Das ge- amte Gelände nnd alle Gebäude der vorjährigen britischen Reichsausstellung in Wembley bei London einschließlich des Stadions für 100 000 Personen sollten Im ganzen versteigert werden. Die Versteigerung wurde jedoch aufgehoben, da das höchste Angebot von sechs Millionen als zu niedrig ab gelehnt wurde. — Troß gebrochenen Genick» noch am Leben. In Bal- imore ereignete sich jüngst der Fall, daß jemand durch Sturz ras Genick und die Wirbelsäule brach und trotzdem noch am Leben blieb. Der Fall ist nach Erklärung der Serzte einzig Aus dem Gerrchtssaal. Landgericht in Bautzen. - Fortgesetzter Unterschlagungen zum Schaden der Firma Ge brüder Reuter in Königsbrück und deren Angestellten hatte sich der noch unbescholtene 21 Jahre alte Buchhalter Hermann Walther Pretzsch aus Heidenau schuldig gemacht. Er hatte in der Zeit non Mitte April 1924 bis 22. September 1925 als Derwalter der Vctricbskrankenkasse der Firma Beträge von zusammen 1300 bis ! 160 Mark, die ihm zum Ankauf von Jnvalidenvcrsicherungsmor- len ausgchändigt worden waren, für sich verbraucht. Vom Schöf fengericht Königsbrück hatte er wegen dieser Unterschlagungen zwei Monate Gefängnis ohne Bewährungsfrist erhalten. Die Berufung der Staatsanwaltschaft, die drei Monate Gefängnis beantragte, nnirdc verworfen. Dem Verurteilten wurde eine Bewährungsfrist von drei Jahren bewilligt. * wegen Unterschlagung war der Landwirt Nikolaus Pe in sch aus Radibor von, Amtsgericht Bautzen freigesprochen morden. Petosch hatte von dem Viehhändler Richter In Wittiche nau eine Kuh gegen einen Wechsel von 627 Mark gekauft. Richter batte sich bis zur Einlösung des Wechsels das Eigentumsrecht an den, Rind Vorbehalten. Pctasch hatte am Fälligkeitstage den Wcch- icl nicht cingclöst und mar aus den Betrag verklagt und gepfändet morden. Als Richter später seine Kuh, die nicht gepfändet worden mar, abholen wollte, war sie nicht mehr da. An ihrer Stelle stand eine andere Kuh im Stalle, die Pctasch von einem gewissen Jaku- baich in Dahlowitz eingctauscht halte. Nach seiner Behauptung hatte Pctasch vor den. Tausch die aus Kredit gekaufte Kuh Richter zur Zuri'cknakme angcbolen. Richter sollte abgelehnt haben. Dann mill sich Pctasch zum Tausch für berechtigt gehalten haben. Gegen den Freispruch hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die -der verworfen wurde. Verteidiger war Referendar Kretzschmar. Wie die Kommunisten auf -en Bauernfang gehen. Vor einigen Wochen sind an viele kleinere und mittlere Landwirte Schreiben der kommunistischen Landtagsfraktion zugegangen, in welchen diese sich in besorgter und liebevoller Weise erbietet, für da» Wohl der Landwirte eintreten zu wollen. Es entbehrt nicht eines gewissen Humors, daß die selben Leute, die im Herbst 1923 die Bauern ausgeplündert und schwer geschädigt haben, jetzt plötzlich — natürlich für die bevorstehenden Landtagswahlen — ihr Herz für die Bauernschaft entdeckt haben. Es wird wohl kaum einen Landwirt geben, der den plumpen Schwindel nicht erkannt hätte. Herr Erbgerichtsbesitzer Beyer aus Geiß mannsdorf, der ebenfalls mit einem Schreiben der kommunistischen Fraktion beehrt worden ist, hat dieser die Ehre einer Antwort zuteil werden lassen und diese Antwort ist so köstlich und kernig ausgefallen, daß wir sie unseren Lesern ikicht vorenthalten wollen. Der kommunistische Mässe nb rief an die Landwirte, den wir ooranstellen wollen, hatte folgenden Wortlaut: Herrn Gutsbesitzer . Sehr geehrter Herr! Im Sächsischen Landtag stehen zur Zeit sehr wichtige Gesetzes vorlagen zur Beratung, die zweifelsohne neue große Belastungen sür die gesamte arbeitende Bevölkerung im allgemeinen, für die Klein- und Mittelbauernschaft im besonderen, bringen werden. Die Deutschnationale Partei, die Volkspartei, die Demokraten und die 23 Sozialdemokraten haben einer Notverordnung zuge stimmt, welche eine Steigerung der Mietzinssteuer vpn 27 auf 40 Vorsicht« Die kommunistische Partei hat dagegen Stellung genommen und dieselbe abgelehnt. In den nächsten Wochen beschäftigt sich der Landtag mit dem Gesetz über die Grundsteuer. Die Gesetzesvorlage sicht eine Staffe lung von 3,5 bis 5 pro Tausend vor. Bei der ersten Beratung im Landtag hat sogar der Vertreter der deutschnationalen Partei die Erklärung abgegeben, daß sie für diese Grundsteuer eintreten werde, wenn ein einheitlicher Satz fest gelegt wird. Die Kommunisten können einem solchen Vorschlag nicht zustim- mcn: denn das würde bedeuten, daß die Klein- und Mittelbauern den Ausfall decken müßten, der durch die Herabsetzung des Steuer satzes sür die Großgrundbesitzer entsteht. Die kommunistische Par tei wird dafür eintreten, daß eine Wirtschaft bis zu einem Wert von 25 000 -.tl steuerfrei bleibt; erst über 25 000 setzt die Steuer ein und wird gestaffelt. Je höher der Wert, desto höher der Prozentsatz der Steuer, so daß der Großgrundbesitz stärker zur Steuer heran gezogen wird, als der Kleinbesitz. Im Gegensatz zur Vorlage fordern die Kommunisten, daß bei ollen Einschätzungen usm. die Stcuerausschüsse Mitwirken müssen. Wir glauben damit im Interesse der Klein- und Mittelbauernschaft zu handeln, ersuchen Sic aber dringend, uns umgehend Ihre An sicht mitzutcilcn, ob Sic mit diesen Vorschlägen einverstanden sind. Wir bitten vor ollen Dingen um Abänderungsvorschläge und Mit teilung Ihrer Wunsche und Forderungen zu dieser Gesetzesvorlage. Außerdem ersuchen wir Sic, uns eine Schilderung Ihrer wirtschaft lichen Lage und die Ihrer Freunde zu geben. — Diese Mitteilun gen sind notwendig, um den Herren, die immer von dem unge heueren Verdienst der Landwirte sprechen, zu zeigen, wie es in Wirklichkeit aussicht. Es ist selbstverständlich, daß wir Ihren Namen nicht bekannt geben werden. Für jede Anregung, die Sic uns geben, sür jede Mitteilung sind wir'dankbar. - Hochachtungsvoll Kommunistische L a n d ta g s f r o k t i o v. gez. Renner. gez. Siewert. Die Antwort des Herrn Beyer. Sehr geehrte Herren Abgeordnete Ren und Siewert! Es geschehen Zeichen und Wunder. Böse Zungen be haupten immer, daß an den Kommunisten Hopfen und Malz verloren, daß sic unbelehrbare und daher un verbesserliche Söldlinge Moskaus seien. Mit Ge nugtuung kann ich seststellen, daß ich demgegenüber immer den Stundpunkt des im Kampfe gegen die gefährliche Reak tion in Putschgcrüchten so erfinderischen Herrn Scoering ge standen und die Kommunisten als große politische Kinder betrachtet habe, behaftet mit allen Launen eines kniefreien Hosenmatzes mit Bubikopf. Daß aller dings die Rückkehr zur Vernunft so bald kommen würde, hätte wohl selbst der stärkste Optimist nicht erwarten können. Wie an viele andere meiner Freunde wenden Sie sich in einem Schreiben auch an mich, als treues Mitglied des uiclgeschmähten Landbundes und der Deutschnationalen Partei mit der flehenden Bitte um Rat und Hilfe, das grausige Dunkel Ihrer bolschewistischen verwirr ten Wirtschaftsbegriffc zu erleuchten. Nach Ihrem Rein fall bei der Zustimmung zum Rinderzuchtgeseh mag Ihnen dieses Bedürfnis endlich gekommen sein. Hocherfreut über reuige Sünder, die Buße tun, bin ich außerordentlich gern bereit, Ihnen in Ihrer Not zu helfe« und aus meiner Landbundeinstellung heraus einige kräftige Lichtstrahlen in das phrasenhafte Dunkel Ihrer bolschewistischen Wirtschaftsvorstellungen zu werfen. Also unsere Wünsche an die Kommunisten sind folgende: 1. Nehmen Sie es mit der Wahrheit viel genauer, als bisher. Zu meinem Bedauern muß ich feststellen, daß trotz des geknickten Tones in Ihrem Schreiben zwei üble Rück fälle in Ihr altes Laster zu verzeichnen sind, denn die Land- agsakten weisen aus, daß die veutschnallonalen nicht für, andern gegen die Mietzinssteuernotverordnung gestimmt haben und daß die angezogene Bemerkung unseres ver ehrten Führers Pagenstecher (von dem Sie sehr viel lernen können, wenn Sie aufpassen) über die angebliche Zustim mung zur Grundsteuer unwahr ist. Aber ich gebe zu, diese Rückfälle werden noch manchmal kommen. Lassen Sie nur den Mut nicht sinken im Kampfe gegen diese Gelüste des Fleisches. Also nicht wahr: Mehr Wahrheitsliebe, meine Herren! 2. Ziehen Sie unverzüglich Ihre politischen Kniehosen aus! Solche Vorstellungen, daß ein Volk, wie das deutsche, mit ungeheuren Verpflichtungen und Lasten grundsätzlich alle Betriebe bis 25 000 Mark Wert steuerfrei lassen konnte, sind Fantasiegebilde politischer Hosenmatze. Der ehrliche deutsche Bauer will teilnehmen am Unglück des Vaterlandes und die Not tragen helfen nach Maßgabe seiner Kraft, allerdings nach den bewährten Grundsätzen: Steuern können vom Einkommen und nicht von der Substanz bezahlt werden, wie es leider heute durch Ihre tatkräftige Mitwir kung der Fall ist. 3. Um ein richtiges Bild von der wirtschaftlichen Lage des kleinen und mittleren Bauern zu erhalten, würde es sich empfehlen, die Landtagsferien auf dem Lande als Erntearbeiter zuzubringen, um am eigenen Leibe zu erfahren, wie bei der riesigen Leutenot, trotz unge heurer Erwerbslosigkeit, der Bauer sich mit Weib und Kind von früh bis in die Nacht oft 16 Stunden schinden muß, meist umsonst. 4. Auf der lobenswerten Suche nach den Herren, die immer von dem ungeheuren Verdienst der Landwirte spre chen, kann ich Ihnen einige wertvolle Winke geben. Ich bitte Sie, den „Kämpfer", ein kommunistisches Blatt, für das ein gewisser Herr Renner, Abgeordneter der kommu nistischen Landtagsfraktion zeichnet, aus den Jahren 1922/23 zur Hand zu nehmen und nachzulesen, in welch gehässi ger, verleumderischer Weise die Landwirte über Bausch und Bogen als Wucherer und Schieber be schimpft wurden, besonders bei jeder geringfügigen Milch preiserhöhung, obgleich der Liter Milch oft nur 2—5 Psg. kostete. Sie entsinnen sich ,daß diese unverantwortliche Hetze zu , zahllosen Vergewaltigungen und Veraubüngen auch vieler kleiner Landwirte im Jahre 1923 führte. Ich wünsche Ihnen bei ihren leiblichen Bekehrungsoersuchen aufrichtig recht guten andauernden Erfolg. 5. Meine Herren, reden Sie viel weniger im Landtage, besonders über Sachen, von denen Sie nichts
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