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Der sächsische Erzähler : 10.02.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192602109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19260210
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19260210
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-02
- Tag 1926-02-10
-
Monat
1926-02
-
Jahr
1926
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 10.02.1926
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n» ».I»: wow»«« — Einschätzung des Gehabten und des Nichtgehabten ren Prüfungen einen Einfluß haben, stimmt nicht, heute dort genau noch so geprüft wie gehabt. Warum? »vwi Aus dem Gerichtssaal. * Verurteilung eines LandesverrSte». Das Oberlan- desgericht Dresden hat den Barker Weiser aus Delitzsch we gen versuchten Landesverrats zu drei Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Nach der Anklage hat Weiser im März 1923 während seines Aufenthalts im besetzten Gebiete den französischen Behörden völlig unzutref fende Angaben über den Flugplatz in Leipzig und die dort untergebrachten Flugzeuge sowie über die Vergrößerung der Leipziger Pplizeischule und der dort in Ausbildung befind lichen Pölizaikräfte gemacht. Die Angaben hatte der Ange klagte aber für wahr gehalten. Dröhnendes Gelächter im Prüfungssaal. Sogar der Rektor lachte mit. Der Schwick hatte wieder einmal die Kosten des Gelächters ernster Leute zu bestreiten. Der Aufsatzlahrer klopfte ihm begönnernd auf die Schul ter: „Gut nur, daß Sie die festgesetzte Mathematiknotc nicht noch mehr vermurksen können, nicht wahr, Herr Kom missar?" „Verschlechtern? Nein. Aber pielleicht verbessern, wenn die Herren damit einverstanden sind. Die Kugel wiegt gut zwanzig Zentner. Wenn sie durch den Prüfungssaal hier rollte — wir wären alle platt." Ich muß sagen die elf anderen Herren des Prüfungs körpers sahen plötzlich platt aus. Auch ohne eine über sie gerollte Kugel. ,Lork ist viermal leichter als Wasser", lächelte der Prüfungskomnnnissar, „jetzt die Formel, die gehabte, an die Tafel, Primus, ob das Richtgehabte stimmt . . * Es stimmte. Warum? Freilich, meine Meinung, diese Lehre würde auf die Einschätzung des Gehabte» und des Nichtgehabten bei spate- Es wird Gwlchwveimü« vorg sch«, Bank sein vermög«, hab, kein flüssig«» Seid, um dl« süx zu «laugen. Lr zeigte ein im Lml in dem « aufgefordert wurden dl« - Mark bet der Gertchwkasse zu hlni angelegt hab«. Er big« chitralaurkunde ne» Schriftstück vor, n tn -ob« von lvüü «» Schriftstück mar , .. . . , , vwv,bSndigt«>d«n zukünftigen Ehemann anstandeto» die benötigt«, öül» Mart aus. Einer zweiten Witwe hatte M. mck di« gleiche Art SOOO Mark ab- geschwindelt. In den übrigen Lnllageföllen war M. nach und nach zum Gesandtschaftvsekretör, Slrchnüngerat tm Krteavmtniftertu» und zum Geheimen Vberre„ieruna«rat avanciert. Auch dtchem Schwindler billigte da» Gericht mildernde Unsstiinde zu und oour- teiüe ihn zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis. In einem der vornehmsten Bäder lernte «ine vermögende jung« Dame eint« Kavalier kennen, der ihr -er, im Sturm gewann. Die Ettern waten vorsichtig^geyug, sich zu erkundigen. Die Auskünfte lauteten niederschmetternd. Die Verlobung sollte nicht stattfinden. Die junge Dame glaubte aber nur den Beteuerungen de» Erwähl ten und war Überzeugt, daß man ihn schändlich verleumdet habe. Sie setzt« es auch durch, daß die Berlobungsfeier «folgte. D« Bräutigam erschien mit einem kostbaren Halsschmuck für seine Braut. Man war — auch di« Frau Mama — erstaunt und über zeugt, dem Kavalier sei Unrecht geschehen. Eine» Tages «scheint d« Vertret« einer Juwelierfirma und präsentiert die Rechnung über den Schmuck. Man Ist empört, sucht nach dem Bräutigam. Der ist aber zur Zeit verreist. Man will sich mit dem Juwelier eint- gen und stellt chm den Schmuck zur Verfügung. Dies« verweigert aber die Annahme, nachdem « festgestellt hat, daß di« von chm ge- lief«ten echten Steine durch falsche «fetzt worden sind. Ein bereits SO Jahre alter Schwindler machte seine Bekannt schaften auf dem Friedhof. Er näherte sich trauernden Witwen, denen « erzählte, daß ihm seine Frau gestorben sei, « ganz allein dastehe und nun nicht wisse, wie, « sein großes Gehöft mit Schmiedswerkstatt, das er noch vor dem Lod« feiner Frau in einem märkischen Städtchen erworben habe, allein bewirtschaften solle. Zufällig habe er Gelegenheit gefunden, eine Bohrmaschine, die « noch haben müsse, billig kaufen zu können, aber soviel Geld habe er nicht bei sich. In den meisten Fäll«, streckten die mitfühlende« Witwen dem Witwer das Geld zum Kauf vor. Glückte es ihm nicht, auf diese Weise Geld zu erhalten, so nutzte « die erste beste Ge- legenheit aus, die Schmucksochen der Frau oder ihres verstorbene« Mannes zu stehlen. Zahlreiche Witwen wurden so betrog«, und bestohlen. Der Polizei gelang es, den allen Betrüg« m dem Augenblick zu verhaften, als er mit einem neuen Opfer einen Fried hof verließ. Als einen der raffiniertesten Hochstapler bezeichnete d« Staatsanwall einen gewissen Max Sch., der sich als Musikdirektor und Schriftsteller bezeichnete und zahlreiche Schwindeleien verübt hatte, bei denen ihm die Leichtgläubigkeit d« Frauen zustatten kam. Einer Dame «zählte er, sein Vater besitze ein Rittergut von 12000 Morgen und er selbst habe ein Vermögen von 110000 Mark, das bei der „Ueberseeischen Bank" in Hamburg in guten Spekulations papieren angelegt sei. Er verstand es durch seine Erzählung«, nicht nur der jungen Dame größere Summen abzunehmen, sondern auch deren Mutter zur Hergabe ihr« Ersparnisse zu Spekulations zwecken zu bewegen. Auf die gleiche Art hatte » zahlreiche andere Frauen beschwindelt. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis ver urteilt. Dte MaLtruuHahrrrunfl durch Schmetterlinge. Vvn Professor Dr. Max W o l f f - Eberswalde. Ueber die biologische Bedeutung der Blattnachahmung durch Schmetterlinge, vor allem durch gewiße tropische Tagfallerarten, glaubte man bis vor kurzem völlig im kla ren zu sein. Die wirklich sehr weitgehende Nachahmung von Farben und Formen dürrer Blätter sollte die Faller gegen ihre Verfolger schützen. Mancher Zoologe stand freilich die ser Erklärung skeptisch gegenüber. Denn die hauptsächlich in Betracht kommenden Feinde — insektensressende Wirbel tiere, Raub- und Schmarotzer-Insekten — lassen sich bei der Jagd wenig oder gar nicht vom Gesichtssinn, sondern mehr oder weniger vom Geruchssinn leiten. Trotz dieser Ein wände finden wir heute fast in jeder besseren Unterrichts sammlung die ausfälligsten dieser Dlattnachahmer, meist Arten der Gattung Kallima, in Glaskästen auf Zweig« mtt dürren Blättern gesteckt. Bei flüchtigem Hinsehen sind die Falter dann tatsächlich leicht nüt den Blättern zu verwech» Der große englische Naturforscher Wallace hatte als selbstverständlich angenommen, daß alle die verschiedenen Kallima-Arten, dte dürre Blätter nachahmen, auch wirklich zwischen dürrem Laub sitzen. Der javanische Zoologe Teiso Esaki hat nun aber kürzlich nachgewiesen daß gerade die be kannteste Art, der auf Formosa und den Philippinen hei mische Ls,UiiüL inLekus, immer dichtes grünes Laubwerk oder Baumrinde zum Ruheplatz wählt. Orte also wo dürre Blätter nicht Vorkommen. Wir müssen also gestehen, daß wir nicht angeben kön nen, welchen biologischen Vorteil den genannten Blattnach ahmen, die dem ungeübten Auge des Menschen Blattähn- lichkeit vortäuschende Form und Färbung der Flügel bringen könnte. Die übliche Deutung ist jedenfalls unrichtig. Es gibt, auch unter unser» einheimische» Faltern, manche Art, die noch vollkommener ein dürres Blattstückchen, den Flech tenüberzug von Baumrinde und anderen natürlichen Unter lagen nachahmt. Aber gerade bei solchen Fall«» können wir leicht feststellen, daß sie von ihrer Schutzfärbung gar nicht den richtigen Gebrauch machen. Bei der geringsten Beunruhigung fliegen sie auf, verzichten also auf den Mas kierungsschutz, und ihre Feinde stellen ihnen hauptsächlich in der Dämmerung nach (Fledermäuse), oder wissen sie mit sicheren Sinnesorganen aufzufinden, oder es sind überhaupt nicht die Falter, sondern die Raupen und Puppen, die von Insektenfressern bedroht und in Massen vernichtet werden. Darüber, wie solche merkwürdige „nachahmende" Far ben und Zeichnungen entstehen, wissen wir noch so gut wie nichts. Daß sie ihren Trägern nicht die bislang vermuteten Vorteile bringen, kann als feststehend angesehen werden: ms aelnde .. - '»« rufen. In ihre* Hinterlassenschaft befindet sich auch ein Böfenbor- fer-Klcwi« au» den vierzig« Jahren des vergangenen Jahrhun derts. Bis vor drei Wochen setzte sich Paula Geiring«, in Lumpen gehüllt, mtt vor Kölle schwieligen Händen oft an den allen Flügel, der fast drei Meter lang ist, um shmdenlang alte Lieder zu spielen. Meistens ab« war es die „Fischerin, du kleine . . . ." deren Melo dien aus der Wohnung d« allen Frau heroordrangen. Da» war ihre einzige Unterhaltung. Vor drei Wochen erkrantte sie und war gezwungen, nach vielen Jahren wieder fremde Leute in ihre Woh- nung einzulassen. Medizinalrat Dr. Morgenstern, der zu ihr be rufen wurde, stellte sofort fest, daß ihr Zustand hoffnungslos sei und ließ sie in di« Kuranstalt Cllsqbethina bringen. Ihr bis zum Skelett obgemagerl« Körper verriet Spuren von grauenvoller Verwahrlosung. Run hat der Tod der krankhaft veranlagten Frau das erlösende Ende gebracht. Kork. Don Fritz Müller- Partenkrrchen. Ich weiß noch gut, wie wir zu dritt ans Messer kamen. Ans Messer der Mathematik in der „Mündlichen". Unser aller Lehrer pruste. So konnte nichts passieren. Trotzdem der Albert Schwick dabei war. Der Albert Schwick war hoff nungslos in matdsmakieis. Ich glaube, er kann heule noch nicht, trotzdem er doch schon über fünfzig sein muß, die Differenz zweier zweiter Potenzen in ein Produkt verwan deln. Lieber Leser, meinst Du, ich sah' Dich setzt nicht Dei nen Mund verziehen: „Kannst denn Du's?" Wenn Du zweifeln solltest, laß ich Dich die fünf Werte in Gleichung 5 ---- 1 berechnen. Aha, Du zweifelst nicht. Der zweite von den dreien war zum Ausgleich unser Mathematik-Erster. Zwischendrin stand ich. Mr kmnen also durch. Auch der Albert Schwick. Frei lich, nicht mtt Gottes Hilfe. Die Wissenden verstehen. Wir hotten also unsere Note weg — eine eins der Pri mus. eine drei und vier der Schwick, dazwischen ich — und traten ab. .Linen Augenblick noch", sagte der Prüfungskommissar, ,HUm Privatvergnügen noch was außerhalb der Formeln, die ja doch nur Eselsbrücken für den Geist sind. Schätzen Sn mal, Primus, das Gewicht einer Äugel, durch und durch au Kork. Sie haben sicher schon mal einen Flaschenkork fort geschnalzt, wissen also, ob er schwer ist oder leicht. Die Kugel Hobe einen Meter Radius, also Durchmesser?" „Zwei Meter", lächelte der Primus. „Schön, mein Lieber, wieviel wiegt die Kugel?" „Da das Volumen vier Drittel r hoch drei —" „Nichts da, schätzen, schätzen, schätzen!" Der Primus zog die Stirne kraus: „Das haben wir noch nicht -7-" gehabt, gewiß, ich weiß. Eben darum. Das Nicht gehabte ist das Schätzen eines Wesen. Dars ich bitten, etwas fix — Schnelligkeit ist einer Schätzung andres Wesen. Also?" „Ein — ein halbes Pfund", haspelte der Primus. „Gut, und Sie?" „Zehn — nein, zehn — nein, fünfzehn Pfund", sagte ich. „Hm, das wäre also dreißigmal so viel, als der Primus meinte." Ich schämte mich. Der Primus strahlte. „Letzt der dritte, bitte?" Albert Schwick wieste Wen Kopf, wie ihn Handwerks- leuie, nicht wi, ihn Gelehrte wissen: „So an di« «in — zwei Zwttn« oder mchr.« ». Lnm. vr»»«»», ' — Weed: » » «: vi>»nr. »» N »«»»-». « Vr. Mlde«: »»« V«».' e», o-»»»» »e e« i , . . zu und ... Kanzlist Otto W. holl» sich U^v-Ejchuna-u l^iprixer kmiäkunk DdWU NM-. — l0: NIN»diN«»«dN»U», »z M IS.l»—10.1»! « ww». rd-rut»». « ie>«: M«« »» Die Leichtgläubigkeit -er Frauen. Von Max Rose. Der flotte Iorstassessor. — Ja ougeabltckltcher Verlegenheit. — Die fehlende helrolskauliou. — Die verlallschteu Brillanten. — D« Lrb« mtt dem Uebersee-Soolo. Es ist geradezu unglaublich, mit welch« Vertrauensseligkeit mitunter Frauen den Männern, die sie kaum dem Namen nach kennengelernt haben, begegnen und mit welcher — Selbstoerständ- lichkeit sie auf den plumpsten Schwindel hereinfallen. Gauner, die berufsmäßig von der Leichtgläubigkeit der Frauen leben, sinh über- aus zahlreich und ihre Bilder füllen dickleibige Alben im Berliner Polizeipräsidium. Ein junger flotter Forstkandidat, der mit Vorliebe als Forst assessor von B. oder Oberleutnant a. D. auftrat, mehrfach vorbe straft ist, machte in Seebädern, in größeren Städten, so Hamburg und Berlin, wo er erste Hotels aufsuchte, Damenbekanntschaften, und zwar nur zu dem Zweck, ihnen Geld oder Geldwerte abzuneh- wen. Kürzlich stand er vor Gericht, um sich wegen zahlreicher Schwindeleren zu verontrvortcn. Der geschiedenen Frau eines frühe ren Hauptmanns, mit der er ein Stelldichein gehabt hatte, redete er ein, sie seien beobachtet worden und seine Wissenschaft nutze dec Beobachter jetzt erpresserisch aus. Der Erpresser verlange 4000 er, oost B., habe ab« im Augenblick nur 2000 zur Verfügung, und so blieb der Frau nichts weiter übrig, als 2000 zuzukegen. Natürlich war die Erpressungsgeschichte erlogen. Aber nicht genug damit, eines Tages erschien der junge Man» bei der Dame und klagte ihr, im Spie! eine Riesensumme verloren und eine Ehren schuld von 5000 kontrahiert zu haben. Die verblendete Frau hob von ihrem Bankguthaben die 5000 ob und gab sie dem Schwindler, der damit in Begleitung einer neuen Freundin eine Vergnügungsreise nach der Sächsischen Schweiz machte. Ein Handelsmann Hermann B. suchte mit Vorliebe Frauen von Beanuen auf, van t^nen er annahm, daß sie im Dienste waren. Er stellte sich als Kollege des Mannes vor, den er bei seinem zu fälligen Aufenthalt in Berlin besuchen und sprechen wolle. Die Frauen bedauerten, daß der Mann no^> im Dienst sei, unterließen cs aber nur ke"rn. den Oeb-n - Kolleaen ihres Mannes zu rin« Tasse Kaffee zu nötigen. Im Verlaufe des Plauderstündchens '» achte er de" >»n hei. das er für. leine „liebe Frau" eine Be sorgung zu machen, zu seinem Schrecken aber entdeckt habe, daß seine Barschast, die er auf die Reise mitgenommen, nicht ausreiche. Die Frau«, halfen alle gern mit dem gewünschten Betrage aus, wie der Mann mit ein«» gewissen Stolz vor Gericht erzählte. Ja, netz, ^yre Muner war ms »cinoc gepvrvcn uno zxiu.n evciringer in vielen Fällen borgten sie sich das Geld, nur um dem .Kollegen" war von dem einzigen Gedanken erfüllt, ihr ganzes erspartes Geld ' ihres Mannes aus der Verlegenheit zu helfen. Das Gericht billigte der Elistwtthina-Kurvnftatt in Wien ist die drechnd- flckg« Privat» Paulin, Äeiringer aeboren« Först« nach er Krankheit gestorben Ihre Krankheit war, wrr fest- n konnte, die Folge mehrjähriger Unterernährung. Magen der Greisin, die seit ungefähr zwanzig Jahren keine normale Speise zu sich genommen Hatto, war so zusammen««, schrumpft, daß die Unglückliche in den letzten Tagen ihres Lebens die thr verabreichten Lebensmittel nicht mehr schlucken konnte. Schließlich hörte ihr Herz, das ohne Triebkraft geblieben war, ein fach zu schlagen auf. Dies war der Tod der Frau Pauline Geiringer, ein« der reichsten Erbinnen Wien», d»e in ihrem Testament Werte in Höhe von nahezu vier Milliarden Kraneci, -grünt« da» imposante zweistöckige Zinshaus Ecke Aspern- hrtickengasse und Praterstraße, wohltätigen Zwecken hinterließ. Frau Geiringer war eine in der Lvopoldstadt wohlbekannte Erschei nung. Sie bewohnte !m dritten Stockwerk ihres eigenen Hauses eine au» vier Zimmern bestehende große Wohnung, die mtt kost bar»», von ihrem Uraroßvater stammenden Möbeln vollgepfropft »ar, vollkommen allein, hielt sich trotz ihres großen Reichtums keinen Dienstboten, d > es ihr leid tat um das Geld, und schlenderte, in Lumpen gehüllt, ärger als eine Bettlerin gekleidet, durch die Straßen Wiens. Da» Haus, das sie bewohnte, war ehemals ein Jagdschloß der Kaiserin Maria Theresia und gelangte später in den Besitz des Grafen Nadasdy. Don diesem kaufte es der Later der nun Ver blichene», der eb-mal'ge Mene- Mautpächter Moritz Förster. Er hatte von der Gemeinde die Maut auf der Mariahilferstraße ge- pachtet und sich dadurch ein großes Vermögen erworben, das er sei- n«i beiden Kindern, einem Sohne und der Tochter, hinterließ Der Sohn war ein kle>-r B-"Mt<"- der ebemolmen Kaiier-Ferdinands- Rardbahn, die Tochter eine viel gefeierte Wiener Schönheit. Um dl« Hand der reichen Erbin hielt damals eine Anzahl junger Leute «m, ihre Wahl aber traf einen Kaufmann namens Geiring«. Die Hochzeit, die im Tempel in der Seitenstettcngasse vor sich ging, ver- twfachte wegen der großen Prochtentfaltung geradezu Aussehen. Das eheliche Glück dauerte jedoch nicht lange. Aus unbekannten Gründen hatte die junge Frau ihren Gatten vierundzwanzig Stunden noch der Hochzeit verlassen, um nie mehr zu ihm zurückzukehren. Bald strengte sie die Schei dungsklage an, der auch stattgegeben wurde. Einige Jahre später ist ihr geschiedener Gatte gestorben. Vaurne Geirui-,ei-Forster aber hätte sich in die Wohnung ihrer Eltern zurückgezogen und lebte dort bis zu ihrem Lebensende. Von einer neuerlichen Heirat wollte ste nichts hören. Sie verkehrte mit keinem Menschen, außer mit ihrem Rechtsanwall und Jugendfreund Dr. Moritz Friedrich, zit dem sie unbedingtes Vertrauen hatte, und mtt ihrem Bruder, d« erst vor fünf Jahren starb. Außer ihm hatte sie keinerlei Ver wandte. auch keine Freunde oder Bekannte. Sie ging nur selten aup, und dann nur, wenn sie durch den Hunger dazu genötigt war, sich aus einem benachbarten Laden etwas zu holen. Dann besorgte sie ihre Einläufe eilig, um wieder möglichst rasch in ihr Heim zu- rnckkhren zu können, wv sie weltfremd und allein ihre Zell durch du» Lesen verblichener Romane aus uralten Zeiten zu verbringen süchte. So wurde sie von Jahr zu Jahr wunderlicher. Die Spuren ihrer ehemalige«: Schvheit waren längst verloschen. Da sie nicht die Ab sicht hatte, st-b norb einmal ü" ""-heiraten, fand ste auch kein Inter esse daran, sich besonders zu kleiden. Sie trug jahraus, jahrein die gleichen kleid«, die Ueberreste jener Ausstattung, die sie vor sünfundfünszig Jahren zu ihrer Hochzeit erhalten hatte. Die halbhundertjährigen Fetzen waren fettfleckig und zerrissen, ihre Schuhe wiesen Risse aus, so daß sie mehr auf den nackten Fußsohlen ging als auf dem morschen Le- der der Fußbekleidung. Doch kümmerte sie dies nicht. Sie hatte sich» in den Kopf gesetzt, für wohlkölige Zwecke möglichst viel Geld zusammenzuspareu, und im Banne dieser Idee gönnte sie sich selbst auch nicht die klein, ste Kleinigkeit. Wenn sie auf der Straße für eine Bettlerin gehak te« und mit Almosen beschenkt wurde, so nahm sie fie an und lächelte schlau, während sie diese in rhrc Taschen gleiten ließ. Ihre Mutter war als Blinde gestorben und Paula Geiringer und idrBermög« an Aktten noch chrem Tode i 1 hfttwrwssen -GA KMgWWst, So kam e» auch. Nach )hrem Klebest wurde jetzt ihr Testa ment eröffnet. Da» Hau», da» »in« Weck von mehr al« zwei «ft- Norden repräsentiert, hinter»« sie zur Hälft« der Gemeind« Wien, zur Hälfte d« israelitischen Kullusaemeind« mit der eigmackiaen Klausel, daß da» alle Gebäude, da» ehemals ihren Evern gekört hat, nicht niedergerissen und auch nicht veräußert werden dürfe. Li« Einnahmen au» d«n Mietzinsen müßt« jährlich an arm« Bürger d« Stadt Wien »«teilt werden. Ihr bewegliches Beni en, «in beträchtliches Bankdepot bei der Kreditanstalt, Schmucks y und Silber tm Werte von nahezu ein« Milliarde und ihre samt der Einrichtung vermochie sie der israelitischen K ' mit d« Bestimmung, daraus eine Blindenstiftung rufen. In ihrnz Hinterlassenschaft befindet sich auch deck». Bis vor drei Wochen setzte sich Paula Geiring«, in Lumpen
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