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Am Hal -Zeitung. Tageblatt für die Gtadt Aue uua «rschetut täglich Nachmittag», außer an Sonn n Feiertagen. — Preis pro Moua! srei ins pau» 22 Psg., abgeholi 17 Psg. - Mil v-r Sonntagsbeilage: „Ter Zcitspiegel" Bei der Post abgeholt t.o Bierteljah» I Mk. — Durch de» BrieslrLger l.4V Marl. Billigste Tageszeitung i,n Erzgebirge. verantwortlicher Stedaltem Eruft Aunkr, Aue lErzge rg». Redaktion n. Expedition: «tue, Marktstraße. Nr. 143 Sonntag, 24. Juni 1900 Umgebung -ne einspaltige Pctitzeile tv Pfa., au.tNche Inserate die Corpu» ^eil» 2b Psg., Rtklaipen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger «usnahm. »b»/a Rabatt. — Bei größeren Lnstrater n. mehrmaliger Aufnahme wird entspreö ent höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbriefträger nehmen Bestellungen an. 12. Jahrgai^ D e u l s ch i n n d. Z Eine aufregende Szene spl->ltc sich jüngst in den prächtigen, zum königlichen Wilhelma-Thcater in Cann statt (Wttbg.) gehörigen Ganenanlagln ab. Während der drei Sommermonate spielt dorr nicht das Per sonal des Stuttgarter Hosrheaters, sondern die Bühne ist an einen Privatdirektor verpachtet, der mir eigener Gesellschaft Operetten usrv. aufführt, außerdem auch das Recht hat, auf der im Garten befindlichen zwei ten Bühne, oeren Zuschauerraum nur mit einem Zelt dach überdeckt ist, kleine Singspiele darzustellen und auch Speziantäten vorzusühren, ferner darf er Feuer- werke usw. veranstalten — es itt damit ein wirklich großstädtisches Unternehmen geschaffen. Auf d«r Lpe- zialttätenbühne sollte nun vom 15. d. M. ab sich «ine Löwenbändigerin produziren, uno um dem Publi kum zu zeigen, bis zu welchem Grade die Zähmung der Bestie gelungen sei, ließ sie sie, nur von einem Wärter begleitet, sonst aber ganz ungefesselt, im Gar ten deS Wilhelma-TheaterS herumspazieren. Kürzlich Vormittags bereits bewegte sich das noch ziemlich junge, aber vollständig ausgewachsene Thier mit großem An stand im Restaurationsgarten, und die Kellner be wiesen ihren besonderen Ruth, indem sie sich ihm näher ten und es mit Wurst- und Lchinkenabfällen fütter ten. Als gegen Abend das Publikum zum Konzert erschien, nahte sich auch wieder der seltsame gelbe Wüstengast; ihn kümimrt^n nicht die besorgten Blicke der Gartenbesucher, das ängstliche Ausweichen der Damen — er trottete behaglich neben seinem Wärter dahin. Plötzlich trennte er sich aber von ihm, näherte sich einem Kinde — es war das des dortigen franz ösischen Consuls, der mit seiner Familie anwesend war — dies lies ängstlich weg, stolperte dabei, und nun legte ihm der Löwe, vielleicht wirklich zum harmlosen Spiel, die Pranke auf das zarte Gesicht: Selbstver ständlich floß das Blut aus mehreren Wunden; nun warf sich der Großvater des Kindes auf die Bestie, die sich von Neuem aufrichtete und dem alten Herrn «inen sanften Hieb mit der Tatze gab, so daß auch er eine Wunde davontrug. Im nächsten Augenblickschon halte der Wärter seinen ungesügen Zögling in feste Bande gethan und führte lhn in seinen Käfig ab. Zum Glück erwiesen sich die Wunden der beiden Be troffenen, die von einem anwesenden Arzt so ort ver bunden wurden, als nicht gesährlich, und die Erregung rm Publikum, 'ne uw ein Haar sich zu ein.-r wilden Panik gesteigert hätte, legte sich allmählich, besonders als bekannt wurde, daß die Direktion dem vierbeinigen Artisten und seinem Mentor nach diesem verunglückten Debüt gleich den Laufpaß gab. 8 Der .Köln. Ztg." wird aus Teheran von Ende Mal gemeldet: Das deutsche Waisenhaus in Urmioh- Dilauschau wurde in der Nacht zum 2. Mai von Kur den überfallen. Diese schossen, ohne zu treffen, auf eine der Lehrerinnen und aus den Wächter, mißhan delten eine armenische Frau und stahlen eine Anzahl Teppich«, Kleider usw. Dagegen gelang es Rabbi Schlimm, einem jungen Lehrer des Waisenhauses, die Räuber daran zu verhindern, in das obere Geschoß zu dringen, in dem die Vorsteherin, die deutschen Lehrerinnen und die armenischen Kinder wohnen. 8 Ein Wirbelwind, eine sog. Windhose, richtete in einem Teil des Elsaß, besonders in Maxenhausen, große Verheerungen an. 8 Das Eiserne Kreuz ist nunmehr in der preuß ischen Armee aus dem Dienstgrade der Hauptleute und Rittmeister verschwunden, nachdem der letzte Ritt meister, der diesen im Kriege 1870/71 erworbenen Orden hatte, Major geworden ist 8 München, 21. Juni. Aus Berchtesgaden wird gemeldet, daß die beiden Münchener Studenten Georg Klette und Otto Scheer aus Dresden gestern Nach mittag von mehreren Bergführern am Watzmann tot ausgefunden wurden. Beide Leichen tragen bereits starke Verwesungszeichen. Der Tod muß nach den Verletzungen zu schließen, sofort eingetreten sein. 8 Posen, 21. Juni. Wie verlautet, ist dre Er- nchrung einer Anstalt für Maschinenbau in Posen nunmehr gesichert. Aufgabe der Anstatt wird in erster Reihe die Heranbildung von Bettiebsingenieuren sein. 8 Frankfurt a. Main, 20. Juni. Ueber die in Ma. xenhausen stattgesundene Windhose wird noch mitge- teilt: Der Bahnhof wurde fast gänzlich zerstört, außer dem wurden zahlreiche Häuser abgedeckt und Hunderte von Bäumen entwurzelt. Z Bodenteich, 19. Juni. Der Bürgergermeister a. D. F. Brammer verübte heule Morgen Selbstmord, indem er sich in seinem Schlafzimmer erhängte. Bram mer war hier 25 Jahre Bürgermeister und erfreute sich großen Ansehens. Man nimmt an, daß der Un glückliche infolge seiner nicht e:folgten Wiederwahl zum Bürgermeister den Entschttlß, aus dem Leben zu lcheiden, gefaßt hat. 8 Ein Mordanschlag gegen die Gräfin Hartenau, die ll-ilwe des Fürste:'. Alexander von Bulgarien, ist in Graz entdeckt worden. Um einen Raub auSzufüh- rn«, hatte der frühere gräfliche Kutscher Friedrich und ein gewisser Back die Ermordung der Grästy geplant. Die Ausführung wurde verhindert, da beide inzwischen wegen anderer Verbrechen verhaktet wurden. Ausland. » Innsbruck, 17. 6. Trotz dem von 46 klerikalen Gemeinden der Umgebung ausgegangenen Verbot der Sonnwendfeier ist die Bergb-leuchtung heute Abeyd glänzend, zum Teil viel großartiger als in früheren Jahren ausgefallen. Sie erstreckte sich diesmal fast ausschließlich auf die höchsten Bergregionen, wo eben die Gemeinden nichts zu sagen haben. Um halb 9 Uhr wurde von dem an 2600 Meter hohemzur Syl- steinkctte gehörigen Brandjoch, einer stolzen Pyramide im Norden der Stadr, das Feuerzeichen gegeben, und nun begann eS allenthalben aufzulodern längs des ganzen Kammes im Norden der Stadt und auf dem Gebirge im Süden. 8 Eine Feuersbiunst zerstörte «ine chemffch« Färbe rei bei Pari». E n Kessel mit Benzin eßptooierte. 20 Personen wurden verletzt. 8 Wie man aus Warschau meldet, ist der schänd liche Handel mit lebender Menschenware in letzter Zeit stark im Gange. Zahlreiche Agenten durchziehen nicht allein Warschau und die Umgebung, sondern auch da flache Land, um junge hübsche Mädchen anzuwerben, um sie nach Paris zu verschleppen Sie sollen angeb lich in der Pariser Weltausstellung angestellt wrHtzrp. und zwar vor allem im Schalte.dienst zum Brkaus der Eintritlsbillets, des Katalogs, des Führers stiir die Bahnverbindung der Wettausstellung und dergletHgfl. In Wirklichkeit hat man natürlich den Mädchen eine andere Bestimmung zugedacht. Daß rS sich hier um einen förmlichen Verkauf handelt, geht daraus hervor daß für besonoerS hübsche Mädchen lOOO Rubel und mehr an tue Eltern bezahlt werden. 8 Der originelle Begründer des Londoner „Clubs der Dreizehn", der Journalist William Harnelt Blanch, ist, wie aus Gravesenv gemeldet wird, gestorben. Schon seine Geburt geschah unter seltsamen Umstän den: er kam zur Welt, gerade „als der Aequntor pas- - stri wurde', er wurde sogleich von Neptun empfangen und machte die Formalitäten durch, die alle die ken nen, die den Aequator schon einmal passtrl yaben. Jahrelang schrieb er für die „South London Preß" und andere Zeitungen, aber das We«.k, durch das er am meisten zur Erheiterung der Welt bettrug, wa.i Aetohnter Hd-tmut. Kriminalroman von William Michelson. 7 Da» war der erste schwere Kummer, der Alex Roger getroffen hatte, und er schien wie betäubt von diesen, Schicksalsschlag. Er schloß sich in sein Zimmer ein und weigerte sich, mit irgend jemand zu sprechen, selbst mit seiner Tochter, und bei dem Leichenbegängnis sah er so bleich und verstört «US, daß niemand unerschüttert blieb. Als alle» vorüber und die Tote mit dem Prunk und den Feierlichkeiten, die für Geld zu erlangen waren, zur ewi gen Ruhe bestattet war, kehrte der seine» Teuersten be raubte Gatte thränenlo» in seine Wohnung zurück und nahm seine alte Lebensweise wieder auf, aber er war nie wieder derselbe wie zuvor. Sein Gesicht, da» sonst so hei ter und freundlich gewesen war, zeigte fortan einen ern- sten, strengen Ausdruck. Er lächelte selten, und wenn er eS that, war e» ein so nackte», schmerzliche» Lächeln, daß e» wie mechanisch den schwermütigen Mund umspielte. Sein ganze» Herz schien jetzt der Tochter zu gehören. Sie wurde die Herrin oe» fürstlichen Heim» in St. Kilda, und ihr Va ter vergötterte sie. Albertine war da» einzige Wesen, da» ihm noch Interesse am Leben einflößte, und wäre sie nicht beständig um ihn gewesen, so würde er sich gewünscht haben, auf dem stillen Friedhof, neben seiner verstorbenen Frau, jedem Erdenleid entrückt, in die Ewigkeit htnüberzuschlum- mern Nachdem mehrere Monate verstrichen waren, ent schloß Theodor Tarvll sich wieder, Roger um di« Hand seiner Tochter zu bitten, al» da» Schicksal ihn zum zwei- tenwal daran hinderte. Diesmal war e» ein anderer Be werber, der unvermutet erschienen war und Earyll» hei- ße» irische» Bütt in ungestüme Wallung versetzte. Der neue Bewerber war Otmar Widson, der vor wenigen Monaten au» England herübergekommen war, einen Empfehlungs brief an Roger mitgebracht und von diesem, wie «» seine Gewohnheit war, so gastfreundlich empfangen worden, daß er sich in bestem Hause bald ganz heimisch gemacht hatte. Theodor Earyll faßt« gegen den neuen Ankömmling «I gleich bei der ersten Begegnung «ine entschiedene Abneig- ung. Ein Anhänger Lavator», war der junge Ire stolz auf sein« Fähigkeit, einen Charakter zu durchschauen. Seine Meinung von Widson war nichts weniger als schmeichel- haft für den jungen Mann, denn trotz seines hübschen Ge sicht» und seiner glatten Manieren fühlten Earyll undAlber- tine denselben Abscheu vor ihm, wie vor einer Schlange. Mit diplomatischer Schlauheit gab er sich den Anschein, nicht zu bemerken, mit welcher Kälte Albertine ihn em- pfing, und zu Earyll» größter Entrüstung begann er sich in ausgesprochener Weise um sie zu bewerben. Endlich bat er Albertine, seine Frau zu werden, und trotz ihrer bestimmten Abweisung trug er Roger die Bitte um die Hand de» jungen Mädchens vor. Zu Albertine» Er- staunen gab ihr Vater dem Engländer die Erlaubnis sich um die Gunst seiner Tochter zu bemühen, und ihr sagte er, er wünsche, daß sie den Antrag de» jungen Manne» tn freundliche Erwägung ziehe. Trotz aller Vorstellungen und Einwendungen, die Al bertine gegen diese Bewerbung in« Treffen führte, lehnte ihr Vater «» ab, den ihr so unwillkommenen Freier ab zuweisen, und Widson, der sich jetzt ganz sicher fühlte, be gann Earyll mit einer Anmaßung zu behandeln die des- en stolzen Sinn aufs tiefst« erbitterte Er fuchte Widson in seiner Wohnung auf, und nach einem heftigen Streit mit ihm, verließ er da» Hau» mit der Drohung, er werde ihn tüten, wenn er sich unterfangen sollte, Albertine Ro ger zu heiraten. Noch an demselben Abend begab er sich zu Roger und hatte eine Unterredung mit ihm. Er gestand ihm, daß er Albertine liebe und seine Lieb» erwidert werde» und al» die Tochter ihre Bitten mit denen de» jungen Manne» vereinigte, fand e» Roger unmöglich, den vereinten Kräften zu widerstehen und gab seine Ein willigung zu ihrer Verlobung. Widson war nach seine« stürmischen Unterredung mit Earyll für einige Tage auf da» Land gegangen, und erst bet seiner Rückkehr erfuhr er, daß Albertine mit seinen« Nebenbuhler verlobt sei. Er sprach mit Roger über dies« Angelegeuhrit, und al» er au» besten eigenem Munde die Bestätigung erhielt, es handle sich um «ine nicht mehr rückgängig zu machende TTat sache, verließ er unverweilt da» Haus und schwur, es nie wieder zu betreten. Er ahnte nicht, wie prophetisch seine Worte waren, denn «och an demselben Abend wurde er in der Droschke ermordet. Er war aus dem Leben der bri- den Verlobten verschwunden, undfroh, von ihm nicht melw belästigt zu werden, ahnten sie nicht, daß die Leiche de» Unbekannten, die in Right» Droschke gesunüenttvordcn, die Otmar Widson» war. Ungefähr zwei Wochen nach Widson» Ermordung gab Roger zu Ehren de» Geburtstage» seiner Tochter eine Ge sellschaft. L» war ein entzückender Abend; die nach der Veranda führenden Fenster standen osten, und vom Meere weht« etn frischer, salzdurchwürzter Lufthauch in di« Zim- mer Gruppen tropischer Pflanzen bildeten eine schützende Wand, durch deren Lücken die bei Tisch sitzenden Gäste da ferne Master wie flüssige- Silber im Mondschein sehen tonnten. Larvll saß Albertine gegenüber und ab und zn erblickte er ihr glückverklärte» Gesicht hinter dem mit Bln- meu und Früchten gefüllten, silbernen Aussatz, welcher in der Mitte de» Tische» stand Alex Roger schien in sehr guter Laune, denn seine stren gen Züg« hatten einen etwa» milderen Ausdruck ange nommen ynd er trank mehr Wein al» sonst seine Gewohn heit war. Die Suppe war gerade abzeträgen worden, al - jemand, der sich verspätet hatte, mit Entschuldigungen ein trat und sich auf seinen Sitz niederließ Der Nachzügler wur Ewald Rugby, einer der bekanntesten jungen Leute der Stadt. Er besaß ei« nicht unbedeutende» Vermöge», schrieb hier und da sür eine Zeitung, wurde in jedem zu der guten Gesellschaft gehörenden Hanse gesehen, und war immer vergnügt, glücklich und voll Neuigkeiten. Er wußte alle-, wa» in der Heiniat und tn der Fremde vorging. Wenn irgend eine Aussehen erregende Geschichte vorge- . fallen, war Rugby zweifellos davon zuerst unterrichtet und tonnte nähere Auskunft darüber geben, at» icber andere, und seine Unterhaltung war stet» pikant und witzig. 71.1S