Volltext Seite (XML)
8 Fußbodens Nichtig, da war er. Botho begann mit Energie den Kopf in die Höhe zu heben. Nach der Haarfrisnr zn nrtheilen, mußte er einem weiblichen Wesen zugehörcn. Zur Hälfte hatte er die Verunglückte aufgerichtet; da versuchte sie selbst aufzustehen. Es wollte nicht glücken. Botho hatte dabei den Kopf verloren — selbst verständlich nicht seinen eigenen — und konnte ihn nun in der Dunkelheit nicht nuederfinden. „Diese ganz verdammte Finsterniß." Er sagte es natürlich nicht laut. Aber au welchem Ende sollte er nun anfangcn? Was er an Gliedmaßen durch Tasten auf dem Fußboden noch finden konnte, schien ihm zum festen Anfassen nicht recht geeignet. Die Dame befand sich offenbar in sitzender Stellung. Jetzt hatte er s „Strecken Sie, bitte, Ihre Anne nach vorne aus; ich werde dort herumkommcn," sagte er geschäftig und kletterte mit vieler Vorsicht einige Stufen wieder hinauf. Er versuchte, sich bis zu den Händen der Dame herab- zubeugen, nm die Gestürzte so emporziehen zu können. Wenn er nur nicht dabei das Gleichgewicht verlieren mochte! Es ging aber ganz gut. Da hatte er ihre Hände gefaßt; em kräftiger Ruck — und sie stand aufrecht. „Können Sie fest anstreten?" fragte Botho, indem er noch ihre Hand hielt. „O, das dürfte man wohl nicht so schnell verlernen," erwiderte sie lachend. „Nun, es scheint ja einigermaßen glücklich abgelausen zu sein^ Sie können noch scherzen. Gestatten Sie mir, haß ich Sie stütze und hinaufführ«." Sie legte stillschweigend ihren Arm in den seinen, ein nettes Studirlämpche» mit rothem Schirm war angezündct. . Botho wandte sich schnell wieder zu seiner Partnerin, die noch im Korridor an der Wand lehnte. Er führte sie ins Zimmer und blickte sie dabei verstohlen an. „Ach, gnädiges Fräulein," sagte er überrascht, „Fräulein Rosa Levius, wir sind ja alte Bekannte. Ich bin nämlich Professor Reuter. Jetzt war es an Rosa, verlegen zu werden, besonders als der Professor fortfuhr: „Das ist ja ein ganz außer ordentliches Glück in allem Unglück. Ich habe neulich Ihren Vortrag im Verein „Reform" mit Interesse gehört und hätte schon längst gern einmal eine Gelegenheit zur Aussprache über die von Ihnen behandelte Frage gesucht." „Das ist mir sehr schmeichelhaft," erwiderte sie etwas eingeschüchtert; „aber ich muß daraus schließen, daß Sie mein Gegner sind." „In der That, Sie haben es errathen." „Das Hütte ich von Ihnen, Herr Professor, der Sie so eifrig für die Frauen kämpfen, niemals erwartet. Unsere Verhandlungen werden nun jedenfalls um so längere Zeit in Anspruch nehmen, und ich bin, wie Sie ja sehen, doch vorläufig noch ganz invalide. Ich bitte Sie deshalb, Ihr wirthschaftliches Talent ein wenig zu er proben, Herr Professor. Das Dienstmädchen kanti ich um diese späte Stunde nicht mehr gut herausklingeln, es würde sich — wundern. — Also bitte, treffen Sie nach meinen Anordnungen die Vorbereitungen zu einigen Täßchett Thee. Botho zeigte recht anstellig. O, wie man Thee aufbrüht, da» kanfite er ja hmlänglich. Bald saßen sie ganz traulich zusammen am Tisch. Dieser sichere, kameradschaftliche Verkehr imponirte d«n Professor un- „Nowole Wremja" schweigt noch darüber, der,,Grashdanm , dessen Beziehungen zum Hof bekannt sind, meint, der Um- schwung in Sofia se» eine ausschließlich innereAngttegenheil Bulgariens, die „Nowofti" glauben, die bulgarische Nattonai- partei wolle nicht nur Stambulow, sondern auch dm Prinzen Ferdinand beseitigen. Im allgemeinen ist die Sprache der Blätter, die offenbar über dir Auffassung an oberster Stelle noch im Unklaren sind, sehr zurückhaltend. V.E'.ir. Sofia, 31. Mai, Nachts. Stoilowuvd Grochow erklärten heute Mittag bestimmt, in rin von Grekow zu bildende» Kabinrt nicht rtntreten zu können. Man glaubt daher, daß Grekow, welcher sich Vormittag in da» Palais begab, den Auftrag zur Kabinett bildung zuriickgeben werde. In Folge besten tritt der Ge danke eine» ausschließlich au» der bisherigen Opposition zu bildenden Kabinett in dm Vordergrund. und vorsichtig schob Botho sich mit ihr in die Höhe, indem er immer mit der Linken am Treppengeländer entlangfühlte. „Uebrigens glauben Sie ja nicht," unterbrach sie wieder das Schweigen, „daß der Fall gerade so sehr angenehm war. Ich habe mich am ganzen Körper, auch am Kopf recht kräftig geschlagen, mir offenbar auch einige Hautabschürfungen zugezogen, vielleicht den rechten Fuß verstaucht." Botho fühlte sich tief gedemüihigt «ud stammelte eine aufrichtige Bitte nur Entschuldigung seiner Unge schicklichkeit. Hätte er nur ein Streichholz bei sich gehabt; er Hütte seine Seligkeit darum gegeben, wenn er hätte feststcllen können, wem dieses selbstbewußte Sümmchen gehörte, das doch so einschmeichelnd bekannt an sein Ohr klang. „Hier sind wir an meiner Thür; bitte, nehmen Sie den Schlüssel und versuchen Sie, ob Sie das Schloß finden können," sagte die Unbekannte endlich. ES kostete ihm Mühe genug ; aber schließlich krönte der Erfolg das Suchen und Tasten. Botho blieb einen Augenblick unschlüssig stehen. „Sie werden noch weiter der Hilfe bedürfen," sagte er zögernd. „Bitte," erwiderte sie ruhig, „das Gehen wird mir jetzt noch schwerer, als vorher; Sie werden wohl oder übelJhrenSamariterdirnstnoch weiter auSdehnen müssen." Dieses „Bitte!" Welche Sicherheit darin lag! Nun im Zimmer mußte es doch Licht geben. Bothos Nerven waren bis aufs Aeußerste gespannt. „Hier, diese Thür rechts. Geradeaus auf dem Tisch werden Sie Streichhölzer finden." Botho gehorchte schweigend. Zwei Sekunden, und maten tbatsächlich «inen solchen Kalkül angestellt haben, dann dürften sie sich nach zwei Seiten hin arg verrechnet haben. Für den Zaren ist da» Verbleibm ober Nichtverbleiben Stambuloms im Amte etwa» ganz Nebensächliche» neben der Thatsache, daß in Bulgarien ein entgegen den Bestimmungen de» Berliner Vertrag» gewählte» Staatsoberhaupt vor handen ist, für ihn wird Prinz Ferdinand nach dem Sturze Stambulow» genau ebenso sehr ein Usurpator bleiben, wie bisher. Die russische Presse wird allerdings über den Sturz de» gehaßten „FürstcnmacherS" Genugthuung äußern, allein hauptsächlich darum, weil sie in der Beseitigung dieses Mannes de» Anfang vom Ende de» nach russischer Austastung revolutionäre» Zustande» in Bulgarien erblickt. Bei den Bulgaren selbst aber wird die Koburasche Dynastie mit einrin Versuch, sich in Petersburg in Gunst zu setzen, keinen guten Eindruck machen. In Bulgarien herrscht bis ins letzte Dorf hinein eine so tiefe Abneigung gegen die russischen „Befreier" und eine solche Abneigung dagegen, Rußland auch nur den min desten Einfluß auf die Gestaltung her bulgarischen Verhält nisse zu gewähren, daß die ohnehin geringe Noltüthümlichkeit der jungen Dynastie einen schweren Stoß erleiden würde, wenn sich eine Spekulation auf Rußland als die eigent liche Triebfeder der jetzigen Krise Herausstellen sollte. Daß diese Krise die internationale Lage unberührt laste, wie von Wien und London au» unter mancherlei Lobsprüchrn auf Stambulow versichert wird, ist eine jener Wahrheiten, die über Nacht Lügen gestraft werden können. Im gegenwärtigen Augen blick ist der „Fall Stambulow" eine rein bulgarische Ange legenheit, die weder Oesterreich - Ungarn noch Rußland Grund oder Vorwand zu einer Einmischung bietet. Allein die Frage ist nur, ob auch der Nachfolger Stambulow» es verstehen wird, wie dieser, die Interessen Bulgarien» ohne Störung der europäischen Gesammtlage zu wahren, ob er e» ebenso verstehen wird, Rußland jede Handhabe oder auch Nöthigung zur Aufrolluug der bulgarische» Frage vorznenthalten, die feindseligen Gesinnungen Serbien« unschädlich zn machen, die herzlichen Beziehungen zur Pforte ungemindert zu bewahren, die Freunde Bulgariens in keine Verlegenheiten zu bringen. In alledem war Stambulow ein Meister. Wird eS auch sein Nachfolger sein? Wohl war Grekow, der seine Erbschaft antreten soll, durch vier Jahre fein Minister des Aeußern, allein die Seele und der eigentliche Leiter der bulgarischen Gesammtpölitik, in der innere und äußere Angelegenheiten so merkwürdig mit ein ander verknüpft sind, wie vielleicht in keinem zweiten euro päischen Staatswesen, war doch immer Stambulow und Grekow nur sein Gehilfe—gewiß ein gelehriger und geschickter aber doch nur rin Gehilfe, der seine gleichwerthige Meisterschaft erst noch zu erweisen hat. So fern uns eine pessimistlfche Betrachtung der bulgarischen Dinge liegt, so möchten wir doch auch vor einer leichtherzigen Auffassung nach der Schablone der „Times" warnen, die sich heute also vernehmen läßt: „Stambulow habe den größten Triumph gefeiert, der das Loos eines Staatsmannes werden könne; er habe sich während eines Zeitraumes, in welchem er unentbehrlich war, so betragen, datz sein Land in den Stand gesetzt sei, seine Dienste ohne merkliche Erschütterung zu entbehren. Er habe sein Werk so gründlich vollbracht, baß er die Leitung der Geschäfte ohne Schwierigkeit anderen „Händen" über geben könne." Man weiß gerade bei uns zn Lande nur zu aut, was man von derlei Rühmungen zu halten hat. „Wir kennen die Weise, wir kenneir den Text." — Die Petersburger Blätter Haden sich bisher nur vereinzelt über die Vorgänge in Bulgarien geäußert. Die herigen Minister - Präsidenten. Konservative, Radikal« und einige liberale Dissidenten Haven sich in ihr zusaminenaefunden. Zu ihren Häuptern zählen die Kouser- vativen Stollow, Natschcwitsch und Jwantschew, der Rumeliotenführrrunb ehemalige Kabinettgenosse Stambulow», Dr. Ttransky, die Radikalen Radoslawow und Tonischem, die Zankowisten Geschow und Balabanow. In ihren Vor würfen gegeit da» System Stambulym waren sie einig; sie beschuldiget, den Ministerpräsidenten, sich zwischen Fürst und Volk zu drängen, eine verfassungswidrige Gewaltherrschaft auSzuübeN, den Prinzen Ferdinand zu emer Marionette in seiner Hand machen zu wollen, Finanzen und Kredit des Lande» zu schädigen, sich in militärische Angelegenheiten, die ausschließlich den Prinzen Ferdinand angingen, rin- zumischen u. a. m. Jetzt, da es positive Arbeit zu leisten und Stambulow zu ersetzen gilt, offenbart sich die unzu reichende Leistungsfähigkeit der Opposition. Bon Stollow, der bereits zweimal im Palais war, bezweifelt man in Sofia bereits, daß ihm die Kabinettbildung gelingen werde, und es scheint, daß man nun an Ziivkow denkt, der telegraphisch aus Dresden nach Sofia berufen wurde. Von einem Kabinrt Grekow, das gestern trotz der anfänglichen Weigerung de» bisherigen Minister» de» Aeußern doch als die wahrscheinlichste Lösung der Krise be zeichnet wurde, ist e» augenblicklich wieder still geworden, was freilich nicht ansschtteßt, daß es zu guterletzt doch aus der Bildfläche erscheint, wenn alle anderen Versuche einer Kabinetsbildung gescheitert sind. Es wäre die», wie schon bemerkt, noch der beste Ausweg mi» den jetzigen Wirrnissen, da Grekow trotz seiner konser vativen Gesinnungen doch der geeignetste Mann märe, die Politik GtambulvivS, insbesondere die äußere, fvrtzusctzen. Die Ansprache Stamvulow» an seine An hänger, deren Inhalt die offiziöse Berichterstattung aus Sofia verschwiegen hat und dei, mir nur au» Privat- mittheilnngen österreichischer Blätter kennen, beweist, daß er seine Rolle noch durchaus nicht für ausgespielt betrachtet, vielmehr die Zuversicht hegt, wem» nicht schon in aller nächster, so doch tu absehbarer Zett wieder zur Macht zu gelangen. Es ist nicht recht klar, was er mit der Aeußerung meinte, er sei zurückgctrcle», um die Rechte des Volks und das Ansehen der Regierung zu wahren; das deutet auf Vo.gängr hin, die sich di» zur Stunde der öffentlichen Kennlntß völlig entziehen, zweifellos aber bald bekannt werden dürften, falls Prinz Ferdinand sich nicht dazu ent schließt, seinen Frieden mit Stambulow zn machen. An eine solche Möglichkeit scheint Stambulow gedacht zu haben, indem er die Hoffnung aussprach, c» werde seinen Feinden nicht gelingen, ein Kabinrt zn bilden. Einen Theil der Macht haben diese freilich schon an sich gerissen, den» trotz dem gestern Stambulow noch nicht entlassen und daher faktisch noch das Haupt der Regierung mar, wurden bei den Straßenkrawallen die Truppen ohne Verlangen oder auch nur Einverständniß de» Ministeriums in Aktion gebracht, allein Anschein nach weniger gegen die Stambulow feindselig gesinnten Tumultuanten als gegen dessen Anhänger, von denen man sich in der übertriebenen Angst des bösen Gewissens vielleicht eines Gewaltstreichs gegen den Prinzen Ferdinand versah! Ob sich dieser vollbewußt ist, ein wie, gefährliches Spiel er spielt, entzieht sich der Beurtheilung, Loch muß ihm, der so wenig heldenhaft veranlagt lst, in diesen Tagen sehr unbehaglich zu Mathe sein. Man be hauptet vielfach, die Beseitigung Stambulow» solle zu dem Zwecke erfolgen, einer Aussöhnung des Zaren mit der gegen wärtigen Ordnung der Dinge in Bulgarien die Wege zu bereiten. Sollten die Orleanöschen HcmS- und Familiendivlo- rkolottialeS. "Deutsch-SüdwrN-Afetka. Dir kapstädtischen Blätter enthalten wieder «In« Menge interessanter Nachrichten au« dem deutsch-iüdwestafrikanlschen Schutzgebiete. In den letzten Tagen dei April hielten di« Antdeildefltzet der „Great Namaqualanv Ervloralion Company" ihre Jahresversammlung in Kimberley ab, über welche die „Cape Time»" auSsübrlich berichtet. Der Direktor theilte mit, man bade von der deutschen Regierung die Be» stätlgung der, Konzessionen nicht erlangen können, ohne bi» Ge nehmigung der Deutschen könne man aber nicht an ein« Ver» werthung gehen. Nun habe vor kurzem da» Regierungsblatt in Windhoek einen Aufruf erlassen, dab alle Konzessions-Inhaber sich zum 15. Avril vor einem Gerichtshöfe dort zu einem PrüfungStermin tbr«r Landanspeüche «inzufinden Hütten. Danach babe die Kompagnie ordnungsmäßig die Herren Mc. Kimm i e und Robert I. Duncan oiS ihre Vertreter abgeordNkt und mit den nöthiaen Papieren versehen. Di« Reise war lang und anstrengend. AIS die Deputaten nur noch mehrere Meilen von ihrem Be» stimmungsorie entfernt waren, wurde Mc. Kimmie von deutschen Beamten festgenommen, und Duncan erhielt den Befehl, sofort daS deutsche Schutzgebiet zu verlassen. Dann wurde eS Mc. Kimmie allerdings erlaubt, nach Windhoek zu gehen. Al» er dort ankam, wurde ihm aeiagt, dab der Termin in Warm bad, einige hundert (englische) Meilen davon, adgehalten würde. (Dort dielt, wie schon bekannt, im März der Regierungs-Assessor Kühler Veit längst angekündigten Termin ab.) Der Direktor der Exploration Company bneichnete noch den Termin olS einen „larcieul", der nur zum Scheine abgrhalten worden sei u. s. w., und erklärte schließlich, man habe sich schon an den Gouverneur und Ober-Kommissar in Kapstadt gewandt, um die Rechte der Company zn schützen; es sei ein Schreiben an die englisch« Re gierung ringegangen, und dies« habe den britischen Botschafter in Berlin unterrichtet. Eine Fülle von Nachrichten aui Großnamaland enthält dl« „Südafrikanische Zeitung" au» Lüderitzducht und Walsischbai. DarauS daS Folgende: Major Lentwein, der neue Landes- bauptmann, legt sich tüchtig ins Zeug und genießt, wie von allen Seilen berichtet wird, allgemeines Vertrauen im Lande. Auch Herr Hermann sieht wieder hoffnungisreudig in di« Zukunfr. Während eS früher im ganzen Lande giihrte nud »ine allgemeine Erhebung tn Aussicht stand, habe Major Leutwein durch sein kraft« und taktvolles Auftreten alle Unebenheiten beseitigt und als einziger Gegner bliebe Witbooi übrig, der seinem Schicksale auch nicht mehr lange entgehen könne. — Aus Lüderitz » Bucht wird geschrieben: Am 15. April kam Lieutenant v. Ziethen, EtationSches von Bethanien, mit einem Unter offizier, 2 Eingeborenen und 5 Pferden hier an. Sie machten den Ritt von Bethanien nach Kubud und von dort nach Angra« Peauena in der unglaublich kurzen Zeit von 28 Stunden. Bon da begaben sie sich nach der Wasserstation U'Kama, da in Angra- Pequena nur mit großen Schwierigkeiten Walser zu beschaffen war. Lieutenant v. Zietden erkundigte sich über Vie donigen Zustände und nahm alle» mit Ausmerksamkeit in