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Fürsten Bismarck ist auf den 12. Juni zu einer Sitzung im neuen Reichatagsgebäudc eingeladen. Auf der Tagesordnung siebt: Beschlußfassung über die Konkurrenz bedingungen und Bildung der Jury. Griechenland. Au» Athen wird der „Köln. Zig." «e- fchneben: Ein Blatt in Zante, „Der Patriot", läßt kaut« Klaze «schalten über Mißbrauche in der Verwendung der Geldmittel, di« ,u Gunsten der durch da» Erdbeben heimaesuchten Insel seinerzeit gesammelt wurden. Man habe damit Geldspekulationen an der Börse getrieben, bade di« von der Regie rung unentgeltlich gesandten Brotooriäth« nachträglich Vorau» be zahlt, babe da» Barackendole au» Trieft kommen lassen, während man e» in Palra» unv im Piräu» für den Halden Drei» (?) hätte Haden können, habe daraus die Nomaichie von Zante geiveist, bade parteitüchtige Personen von einer seldst in der Levante be rüchtigten Habgier in den Ausschuß genommen, endlich hätten Minister, die aus griechischen Kriegsschiffen, also kostenfrei, nach Zante gefahren seien, sich nachher dis Reise aus jenen Geldern bezablen lassen. Ueber die Richtigkeit dieser schweren Anschuldi gungen baden wir Fremde natürlich kein llrtheil. ES fällt nur aus, vaß da» »akynthische Blatt erst jetzt damit hervortritt, nach dem es kurz zuvor darüber geklagt, daß man den Rest der Gelder für die jetzt in gleicher Weise Heimgesuchtci» Lokrer ver wenden wolle. * Indien. Das geheimnißvolle Beschmiert» der Bäume, da» in Nord-Bebar begann, dehnt sich jetzl über weite Gedieie, von Südbehar bis nach Allahabad auS. Neuerdings sind auch in Calcutta Maiden Bäum- in der nämlichen Weise beschmiert worden. Di« Polizei Kat den Sradltheil obpatrouillirt, aber di« Thäter nicht enidecki. In Calcutta glaubt man, daß «» sich um einen dummen Spaß handelt. Ans Bulgarien. Der Rücktritt Stambulows Hot gestern, am Namenstage des Prinzen Ferdinand, zu einem Straßen- kra >valt in Sosia geführt, der auch als vereinzelte Erscheinung deutlich genug erkennen läßt, in wie tiefe Er regung das bulgarische Volk durch den bevorstehenden Systemwechsel versetzt worden ist. Ain Vormittag hatte eine Parade stattgefnnden, an der von den Kabinetsmitgliedcrn nur der Kriegsminister Petrow thcilnahm und unter deren Zuschauern sich das gesammte diplomatische Korps be fand. Gegen 6 Uhr Abends versammelte sich die Re gierungspartei auf dem Kathedralplatz zu einer Kund gebung für Stambulow. Gleichzeitig begab sich eine Schaar von Anhängern der bisherige» Opposition vor das Rcgierungspaiais, dessen Thürc» indessen schnell geschlossen wurden. Beide Parteien stießen aufeinander, worauf eine heftige Schlägerei entstand. Die Oppositionellen gaben einige Rcvolvcrschüsse ab, wobei eine Person ver wundet wurde, und ergriffen hierauf die Flucht. Die An hänger des Kabinets hielten nun eine Versammlung aus dem Platz vor dem Rcgierungspaiais ad, zogen sodann vor die Wohnung Stambulow» und brachten diesem eine große Ovation dar. Stambulow hielt hierbei eine längere Rede. Jin Laufe des Abends nahm die allgemeine Aufregung zu, so daß die Umgebung des Palai» sowie das Wohnhaus istambulows von Truppen besetzt werden mußten- Als die Demonstranten sich gegen das Palais bewegten, wurden sie von Kavallerie-Abthcilun- gcn zerstreut. Der Kriegsminister Petrow erschien am Fenster und forderte die Menge im "Namen des Prinzen auf, Demonstrationen zu unterlassen. Später zerstreute die reitende Gendarmerie die sich wiederholt ansammclnde Menge. Der Polizeipräfekt wurde bei seinem Erscheinen auSgepfiffcn. Während so die Straße sich in den Gang der Dinge eimuischt, dauert die Krise selbst und die Er örterung ihrer Entstehungsgründe fort. Die Opposition gegen Stambulow ist sehr bunt zusammengesetzt, ihr einziges Bindeglied bildet der Haß gegen den bi«- DeutscheS Reich. Die Berathungen über die anderweitige Organisation de» höher» Mädchenschulwesens, über welche bekanntlich zahlreiche Konferenzen stattgefunden haben, sind nunmehr zum Abschluß gekommen. Der Minister Dr. Bosse hat die diescrhalb zu erlassenden Verfügungen soeben voll zogen. Sie sollen, wie wir hören, in allernächster Zeit ver öffentlicht werden. Nach de» neuen Bestimmungen werden die wissenschaftlichen Lehrer an de» höheren Töchterschulen ihren Kollegen an den höheren Knabenschulen (Gym nasien x.) insofern gleichgestellt, als auch von ihnen ein be stimmter Prozentsatz den Professortitel und den Rang der Räthe 4. Klasse erhalten soll u. s. w. Die neuen Lehrpläne treten vom April 1895 in Wirksamkeit. Der geschäftsführende Ausschuß de» Zentralkomitees zur Errichtung eines N a ti on a ld cn km a l s für d e n Ausland. Italien. Die gelammte Pr«sf« bespricht ve» Besuch d«r englische« Escadre in sympathischster W-ise und mißt ihm politiich« Bedeutung bei. Die Eicadre, die «inen imposanten An blick bietet, besteht au» den vier Koloffal Panzerfregalten „Ra- millie»" al» Adnnralfchiff, „SanSpareil", „Howe" und „Nile", den Kreuzern „Edgar", „Haivke", „Barham" und „Scout", dem Tor- pedokreuzer „Skipjak" und dem Aviso „Surprise". ES find durch. wegS Schiffe modernster Konstruktion. Der Tonnengehalt dir EScadre beträgt 73 SOL Tonnen mit II! 454 Vservekräften. Die Escadre enthält 104 großkalibrige, 200 Schnellfeuer-Kanonen und 62 Torvedo-Schieuderer, Die Bemannung beläuft sich auf 4238 Mann und 350 Offiziere und steht — wie bereit- gemeldet wurde — unter Kommando des Admirals Seymour. Der Aufenthalt in Venedig wird bis Freitag dauern. — AuS Rom, 30. Mai, wird gemeldet: Heute Abend 10°/. Uhr exvlodirte mit starker Detonation «ine Bombe auf einer Fensterdrüstung im Erdgeschosse de» an der Gaffe Divino Amor« delegenen Seitenflügels der Justiz Ministe rium», ohne erheblichen Schaden anzurichten. Menschen find nicht verletzt. Die Behörden eilten sofort zur Stelle; ein« große Menschenmenge sammelte sich an dem Exulofionsorte. Etwa eine Stund« später, gegen II Uhr, explobirte eine zweite Bombe auf einer Fensterbrüstung im Erdgeschosse des in der Bia Firenze aelegenen KriegSmini st «riums, gleichfalls ohne erheblichen Schaden anzurichten oder Menschen zu verletzen. In diesem Dovvelattentat hat man wohl «ine Antwort der Anarchisten aut den gestrigen UrtheilSsvruch des Kriegsgerichts in Palermo gegen de Felice-Giuffrida unv Genossen zu erblicken. VV.P.V. Rom, 31. Mai. Die zur Centennar- feier für dcn Papst Pins IX. eingctroffcncn ita lienischen Wallfahrer sowie Vertreter der katholischen Ver eine in Nom und Delegirte fremdländischer Diözesen, darunter 20 Bischöfe, die sich an der Ausschmückung des Grabmals Pius IX. betheiligt hatten, wohnten der vom Papst Leo XIII. im Loggiensaale der St. Pctcrskirche gelesenen Messe bei. Der Papst, dessen Befinden sehr gut ist, wurde beim Er scheinen und bei Abgänge von den Anwesenden wann be grüßt. Nach der Messe empfing der Papst in der sogenann ten Maiitnanischen Loggia die Führer der zur Feier er schienenen Deputationen und betonte jir der Antwort auf eine ai» ihn gerichtete Ansprache, daß die Gedächtnißfeicr für Pius IX. zur Verherrlichung der. Kirche diene durch die Erinnerung an große Werke sowie dadurch, daß sie Achtung und Gehorsam für den päpstlichen Stuhl bethätige, den per fiden Kunstgriffen zum Trotz, welche die Gläubigen ab wendig macken wollen. Der Papst erneuerte schließlich den rühmenden Nachruf, den er in seiner ersten Konsistorial- Allokution im Jahre 1878 dem Wirken Piuv IX. gewidmet hatte und fügte hinzu, daß die seither verflossene Zeit seine Lobsprüche bestätigt hätte. Rußland. An der weiteren Heistellnng der sibirischen Eisenbahn wird mil fieberhafter Eike aeorbeitel. So «nährt der Et. Peteisb. Herold, daß ein russisches Syndikat schon jetzt Dampfer in de» Bereinigten Staaten von "Nordamerika bestellt, um, sobald die große sibirische Enenbahn entsprechende Fortschritte gemacht bat, m Berdindung mit dieser einen Dampterdicnst zwischen Wladiwostok und einigen Häse» der amerikanischen West küste einzvrichien. Der Ostafiatische Lk. meldet, daß über 1700 chinesische Kulis von Ljchifu aus per englischen Dampfer, der von der riMrben Regierung gechartert worden ist, nach Wladiwostok gesendet worden sind, uni dort bei dem Bau der sibirischen Eisenbahn verwcndct werden. — Am Donnerstag hat sich da» neue Kabinet Dupuy den» französischen Parlament« vorgestellt. Im Senat und in der Kammer wurde die Programmerklärung de» Ministeriums verlesen. Zn derselben wird die Beihilfe des Parlament» zur Lösung der bestehenden Schwierigkeiten an gerufen und erklärt, die Regierung werde die öffentliche Ordnung gegen alle Aufreizungen entschlossen aufrechterhalten, jederzeit die genaue Befolgung der republikanischen Gesetze sicherstellen und den demokratischen Werken, die der gegenwärtigen Gesetzgebung ihren Charakter aufprägen müßten, ihre thätige Mitwirkung leihen. Es sei nicht dre Zeit für die großen Programme, die Regierung werde jedoch bestrebt sein, die dem Parlamente zur Zeit vor liegenden zahlreichen Entwürfe, insbesondere diejenigen zu Gunsten der Arbeiter, zum gedeihlichen Abschluß zu bringen. Der Hauptgcgcnstand der parlamentarischen "Ausgaben sei aber das finanzielle Problem, und die Kammern würden fiskalische Reformen votiren müssen. Wen» die bereits weit vorgerückte Jahreszeit zu einer Aenderung der budget mäßigen Anträge in mehreren Punkte» nöthigc, so werde die Regierung solche Aenderuugen in loyaler Weise er leichtern. Bezüglich der auswärtigen Politik heißt e» in der Erklärung: „Wir werde» uns ange legen sein lassen, jene Stetigkeit der Ansichten und der Beziehungen, weiche es Frankreich trotz des Wider streite» der politischen Meinungen möglich machte, den seines Namens und seiner Geschichte würdigen Platz unter den Nationen wieder einzunehmen, aufrecht zu halten. Start durch Ihre Unterstützung und durchdrungen wie Sie von nationalen! Geiste, werden wir in allen Lagen aufmerksame Hüter der Jutereffen Frankreichs, entschlossene Verthcidiger seiner Rechte sein. In Sachen der Volksivirthschast endlich werden wir der nationalen Produktion, besonders den Inter essen deü Weinbaues unsere Sorgfalt widmen." Die Er klärung entspricht in ihren Grundgedanken ganz dem Pro gramm, da» Dupuy im November 1893 in der Kammer entwickelt und Casimir>P»rier,eingehaltcn hat. Aus Madrid wird heute telegraphisch gemeldet: „Dem Vernehmen nach hat dieS en a t s k o inm is s i o n sich trotz bestimmter Aufforderung der Negierung definitiv ge weigert, in dieser Session über die Handelsverträge mit Deutschland, Oester- reich-Unaarn und Italien Bericht zu er statten." Air Frauenfrage. Novcllctc von Bruno Wolff-Beckh. (Nachdruck verboten.) Botho ging schon längst nicht mehr aus kleine Abenteuer aus. Sümmtliche Mütter seiner Bekanntschaft zählten ihn bereits seit Jahren zu den unverbesserlichen Junggesellen. Und das wohl mit Recht. Mochte er zwar die Vierzig noch nicht erreicht haben, so schlug er doch jede Ein ladung aus, die ihn in dcn Kreis hcirathssühigcr Wciblcin zu führen drohte. Er saß dann, allen liebenswürdigen Angriffen aus seine stattliche Person glücklich entronnen, daheim auf feinem Sopha, brütete über einem Essai oder über sonstigen Dingen, mit denen er seine lieben Mitmenschen zu überraschen gedachte, und — trank dazu unaufhörlich Thce und rauchte eine Eigarre nach der anderen. Eilt Weiberfeind war Botho deshalb keineswegs. "Nein, nein! Wer das behaupten wollte, der hätte ihm schweres Unrecht gcthan. Denn während einer Reihe der letzten Jahre gerade hatte er seine schönste Zeit für das Wohl des zarten Geschlechts eingesetzt. Er wollte die Frauen frei wissen, unabhängig von ihm und von seinesgleichen; — die böse Welt erklärte das freilich für Selbstsucht; — deshalb arbeitete er mit aller Geistes schärfe an der Lösung der' — Frauenfragc. Beleidigend, ja lächerlich hätte er — und alle seine Freunde mit ihm — denjenigen finden müssen, der von ihm behauptet hätte, daß er gelegentlich aus kleine liebens würdige Abenteuer ausgingc. CS war Wiltter, und draußen richt ungemüthlich; ein tüchtiges Schneetreiben erschwerte da- Vonvärts- schreiten. Etwas Wichtiges mußte cs also schon gewesen sein, das Botho ans seinem warmen Studirstübchen in die aufgeregte Anßenwelt hinausgctricben. Aber das ivar cs auch in der Thal. Der Unglücksmensch hatte soeben einen Nohrpostbiief erhalten: „Liebster Herr Professor, Sie müssen Ihren Vor trag über dcn Stand der Fraucnfrage auf der Insel Lesbos nm 600 vor Ehr. schon morgen halten. Herr Ur. Sendler ist plötzlich krank geworden. — Nicht wahr, Sic willigen ein!" — Was war da weiter zu ihuu? Er konnte wirklich den „Verein zur Unterstützung überstudirter Jungfrauen", der so recht eigentlich sein Kind war, in seinen Nöthen nicht im Stiche lassen. Es hieß also, sich auf den Vor trag, der erst für die folgende Woche bestimmt gewesen war, schon für morgen vorbereitcii, und dazu gehörte vor allem — rin tadellos sauberes Oberhemd. Er durchmusterte seine Wäsche dreimal; aber durch aus wollte sich das Gesuchte nicht finden. So eilte er nun hinaus in die feindliche Welt, die ihm allerlei Fallstricke legen wollte, zuerst denjenigen, daß er mit vieler Mühe erst die Schilder des ihm gänzlich fremden Hauses beleuchten mußte. Wenn er seine Wäscherin heute nicht mehr spräche! O, cs läßt sich gar nicht aus denken! Der ganze Verein für überstudirtc Jungfrauen würde morgen voll Spannung auf ihn und seinen Vor trag warten! Entsetzlich! — Vergebens! Es glückte ihm nun aber noch. Die Wäscherin sagte ihm alles zu, waü er verlangte. Und was diese Frau verspricht das hält sie auch; Botho hätte einen Eid darauf leisten können. Er stieg getröstet die vier Treppen herab und be gann, sich die zahllosen neuen Gedanken, mit denen er morgen wieder seine Schützlinge in Staunen setzen wollte, einigermaßen zurechlznlegen. Da schlug cS zehn Uhr, und der pslichtgctreuc Haus diener drehte im selbigen Augenblick dcn Goshahn zu. Die Treppenlampen begannen zn verlöschen. Botho eilte, um nicht etwa gar iu den» srcmdcu Hause ein gesperrt zu werden. Da — er hatte noch wenige Stufen vor sich — lief er in der bereits vollkommenen Finsternis; gegen Etwas an. Gleich daraus ein Heller Schrei, und ein dumpfer Fall. Botho setzte an, um eine Entschuldigung zu stammeln. Aber er verschluckte sic wieder; denn — was galt in diesem Augenblick eine nichtssagende Redensart! Welch entsetzliches Unglück mochte er da ungerichtet haben. Nicht im geringsten war er im stände, die Finstcrniß zu durchdringen. Hastig durchwühlte er säinintlichc Taschen nach Streichhölzern. Sie fanden sich nicht. Schweigend tappte er — noch immer sand er kein passendes Wort für diese unglückselige Lage — die wenigen Stufen herunter, bis dahin, wo der Körper liegen mußte. — Nun mochte er dort angclangt sein; er schloß cü auS dein nahen Stöhnen. Aber unschlüssig stand er, ans welche Weise er mit seiner Rcttungsarbcit beginnen sollte. „Wo haben Sic Ihren Kopf?" brach er endlich das Schweigen. Das dunkle Wesen lacht«: „Nun, ganz fort ist er ja Gott sei Lank nicht; er sitzt noch fest und liegt hier nach der Wand zu." — Diese Stimme mußte er schon einmal gehört haben! — Botho tappte weiter, um dcn Körper herum. Hier mußte wohl der Kopf liegen. Botho bückte sich und griff vorsichtig mit beiden HLndcn nach dem