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Kolikische Mrbrrsichk. Ein Wolff' sche» Telegramm meldet, in London sei amtlich bekannt gegeben, daß Major Owen, der den Feldzug gegen den Kabarega von Unyoro siegreich beendete, in Wadelai die englisch« Flagge gehißt habe. Damit ist die egyptische Aequatorialprooinz, die so viele Jahre hindurch durch Emin Pascha mit unsagbaren Opfern allen Anstürmen der mahdistischen Fluth gegenüber ver teidigt wurde, der englischen Begehrlichkeit ver fallen. Der Unsegen, den Stanley» sogenannte „Be freiung" Emin» diesem Forscher gebracht hat, tritt erst letzt recht deutlich und greifbar in die Er scheinung. Hätte der amerikanisch - englische Ent deckung» « Spekulant den Kolonisator und zähen Ver teidiger ruhig in der Aequatorialprooinz gelassen, so wäre er wohl heute noch der Beherrscher von Wadelai; und daß Emin selbst dieser Ueberzeugung lebte, beweist der letzte unglückliche Zug nach Westen, auf dem er da» Leben verlor. Die Engländer waren ihm auf diesem Wege vorausgeeilt und körperliche Krankheit lähmte seine Bewegungsfreiheit. Dazu kam, daß der deutsch-englische Vertrag das fruchtbare und cntwickelungsfähige Uganda preiegab, obwohl Karl Peter» hier den deutschen Schutz in aller Form proklamirt hatte. Emin ist in seinem Berufe gestorben, verstimmt über die dureaukratische Hinderung seiner sachkundigen Ent schließungen, und die Engländer sind seine lachenden Erben ohne jede» Anrecht als das der schlaueren Benutzung der durch die nachgiebige Schwäche Deutschland» für sie ein getretenen günstigen „Konjunktur'. * Der nach Lissabon entsandte ärztliche Delegirte Spaniens hat, wie aus Madrid gemeldet wird, in seinem Bericht an die Regierung der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die Cholera sich weiter aus breiten würde, wenn die portugiesische Regierung nicht energische Maßregeln er greife. Die spanische Regierung hat verfügt, daß mit der Eisenbahn ankommende Reisende au» Portugal an der Grenze umsteigen müßen. Deutsches Reich. lieber di« bisher im Justizausschuß dei BundeSrath» ktatt- qesundenen Berathunqen de» Gejetzcntwurs» bctr. die Ab änderung der Strafvroz-ßordnuna erfährt der „Hannov. Kur.", daß von den größeren Staaten Bauern und Württemberg sich mir den wichtigsten Bestimmungen des Gesetz entwurfs inl Ganzen einverstanden erstarren, Sachsen und Baden aber verschiedene und zum Theil nicht unerhebliche Einwendungen zu machen hatten. Abänderungsanträge sind in Aussicht gestellt, bisher oder noch nicht fertig formulirt eingebracht worden. Di« Frag« einer größeren Berücksichtigung deS Laienelemenlt durch Heran ziehung vonSchöffen in der mittleren Instanz wurde allerdings in An regung gebracht und diskutirt, eS bat sich aber alsbald gezeigt, daß di« gegenwärtige Zeit nicht geeignet fei, den daraus bezüg lichen Bestrebungen, die bekanntlich auch den letzten Juristciitag beschäftigten, weitere Folgen zu geben. Nachdem die Mitglieder deS JustizauSschusseS sich der noch streitigen Fragen wegen nut ihren Regierungen von neuem inS Benehmen gesetzt baden, darf erwartet werden, daß nach Wiederaufnahme der Berathungcn Anfangs Juni verhältnißmäßig rasch ein Abschluß derselben eizielt werden könne. -r- Für die deutsche Hochseefischerei ist das Jabr 1894 ein Jubiläum sjadr insofern, als vor nunmebr 10 Jabren der erste für den Hochseesifchfang in der Nordsee bestimmte Fackerci- damvser in Geestemünde in Betrieb gesetzt worden ist, nachdem man bi» dahm blo» Segelschiffe zur Fischerei verwendet batte. Mit dieser zeitgemäßen Neuerung, deren Durchführung allerding» zuerst sogar von Seiten vieler Fachleute lebhaft bekämvfl wurde, brach für die deutsch« Hochseefischerei «in« Zeit ungeahnten Auf schwung«» an; si« gewann von nun ab volklwirthschafilich« Be deutung für ganz Deutschland, insofern sie einerseits nicht mehr blo» den Küstenstrichen, wie früher, sondern auch dem Binnen land ein werthvoll«» Nahrungsmittel zusührt, und insofern sie andererseits der heimischen Industrie lohnenden Der- dienst gewährt und sehr vielen Personen gewinnbringende Be- schästiguna ermöglicht. Die Fischercidampferflott« ist seit dem Jahre 1884 sehr schnell gewachsen. Fünf Jahre nach der In betriebsetzung jene» ersten Dampfer- in Beeftemünde gab «» bereit em Bierrelhundert solcher Dampfer, und jetzt, nach einem Jahr zehnt, beläuft sich die Zahl derselben auf 66, von denen 1 dem EmSgediet, 17 dem Eldegediet und die übrigen 44 dem Weser gebiet zugekSren. Diese 66 Fischereidampfer repräsentiren ein An- l-gekavital von 7 Millionen Mark und diese» Anlagekapital ver- zinst sich hoch, denn der Gesammtertrag der Fischereidanipserslott« kann aus jährlich etwa 4'/« Millionen Mark veranschlagt werden, vorausgesetzt natürlich guter Fang, zu dem jährlich etwa 400 000 Zentner Seefische gehören, und günstige Marktverhältnisfe. Um den Laudwirthen Elsnst-Lothrinaen«, welche infolge der vorjährigen Futt« rnotd ihre,, Bi« hNand zu vermindern gezwungen waren, dessen Wiederergänzung zu erleichtern, ist, wie di« „Straßburg. Korr." mitrheilt, die StaotSdepositenoerwaltung angewiesen worden, diS aus Weitere» den öffentlichen Vorschuß kaffen gegen -inen Zin» von 2 vom Hundert die Betriebsmittel, welch« zur Gewährung von Darlehen an kleinere Londwirthe für die Beschaffung von Rindvieh behuiS Ergänzung de» Biebbestandes erforderlich find, innerhalb de» durch daS EtalSgesetz festgestellten Gesammldetrage» zu verabfolgen. * — Die im Finanzministerium au»g,arbeitete AuSsüh- rungianweisuug sür d-S mit dem l. April 1803 in Kraft tretende Kommunaladgabengesetz untciliegt zur Zeit der Prüfung de» Ministerium» deS Innern. E» steht zu erwar ten, daß die Versendung an die Gemeinden in allernächster Zeit erfolgen wird. * . * W.'I.V. Köln, 8, Mai, Nachts. Wie die „Kölnische Zeitnng" aus Petersburg meldet, ist die Hochzeit der Großfürstin Len la auf Anfang August festgesetzt. Der Großsürst-Thronfolger begicbt sich demnächst nach Eng land zum Besuche seiner dort weilenden Brant, der Prinzessin Alix von Hegen. Ausland. Wien, 8. Mai. Die „'Neue Freie Presse" meldet aus Sofia, der von der Opposition gemachte Ver such, in Tabar-Bazardjik ein Meeting gegen die Regierung abzuhalten, führte zu einein Handgemenge, wobei 12 Personen verwundet wurden. Truppen und Polizei stellten die Ruhe wieder her. Die Druckerei des OppositionSblattcS „Progreß" wurde von Anhängern der Regierung gestürmt und zerstört. Militär nno Polizei schritten zu spät ein, um die Ausschreitungen verhindern zu können. IV.'I'.L. Lüttich, 7. Mai. Bei sämmtlichen bekannten Anarchisten des hiesigen Arrondissements wurden Haus suchungen vorgcuommcn, um etwa dort verborgene Bomben oder Schriftstücke mit Beschlag zu belegen. Wie cs scheint, werden gegen die Anarchisten Befehle zur gerichtlichen Ver folgung erlösten werden unter der Anklage, eine Vereinigung zu Angriffen ans das Leben und das Besitzthum ihrer Mit bürger gebildet zu haben. * 1V.7 v. Christiaui-, 7. Ma«. Da» Od«l»tbinq n^m beute den Geietzentwuri an. durch welchen di« ArbeitI, eik in den Bäckereien beschränkt und die Nachtarbeit fast gänzlich verboten wird. VV.r.v. Ediuburg, 7. Mai, 'Nachts. Anläßlich de» Besuches der deutschen Flotte, welche in zwei Abteilungen am 15. und 18. d. M. hier eintrifft, be schloß der Stadtrath, tausend Pfund Sterling zu bewilligen, um zu Ehren jeder Abtheilung «inen Ball zu veranstalten. V.D.V. Loudon, 8. Mai. Einige Arbeiterdeputnte reisen heut« nach Berlin ab, um an dem am 15. d. dort statlfiuden- dcn internationalen Bergarbeiterkon-reß theil- zunehmcn. ^V.1.8. London, 8. Mai. Unterhaus. Der Par« lamentsuntcrsekretär de» Auswärtigen Grey theilte mit, daß nach einer heute eingetroffenen telegraphischen Meldung Owen am 4. Februar Wade la» erreicht und die britische Flagge daselbst gehißt hat und daß der Krieg in Unyoro beendet ist. 1V.D.8 London, 8. Mai. Wie das „Reutersche Bureau" aus Kairo meldet, beabsichtigt der Khedive eine Reise nach Europa voraussichtlich im Juli an zutreten und Oesterreich, Frankreich, England und vielleicht auch auf der Rückfahrt Konstantinopel zu besuchen. Eine amtliche Mittheilung über die Reiseroute ist noch nicht erfolgt. * Rußland. Die Londoner „Westminster Gazette" schreibt: „Die Mittheilung der Variier Blätter, daß di« Königin Viktoria von England der Trauung de» Zarewitsch und der Prinzessin Alix von Heilen in St. Petersburg persönlich beiwohnen wird, ist «ine lächerliche Erfindung. Da» englische KönigsbauS wird vielmehr durch den Prinzen und di« Prinzessin von Wales, den Herzog und die Herzogin »an Koburg und den Herzog und die Herzogin von Connaught vertreten sein. Die Hochzeit deS Zarewitsch wird srühesteiiS im November stat!» finden. Dasselbe Blatt meldet ferner: „Weder der Zar, noch der Kaiser Wilhelm werden dersjlbernen Hochzeit de» Kronprinzen und der Kronprinzessin von Dänemark am, 20. Juli beiwohnen. Der Zarewiisch wird jein« Eitern vertreten, welch« erst Ende August nach Kopenhagen «eisen werden. * Bulgarien. Der Ministerpräsident Stambulow hat ein« Depesche an den Sultan gerichtet, in welcher k» beißt, da» ganze bulgarische Volk habe in Meeting» seine Dankbarkeit «egen den Sultan sür seine Entscheidung in der makedonischen Echulfrage au-gesvrochen und die bulgarische Regierung gebeten, dem Sultan diese Gefühl« zu wtterbreiten. Di- Depesche schließt, der Sultan möge auch künftig seine huldvolle Unterstützung und seinen hohen Schutz der treuen bulgarischen Nation nicht entziehen, einer Nation, di« immer bereit sei, den Wünschen deS Sultan» sür daS Gemeinwohl und die Vertheidiaung de» gemeinsamen Baterlande» zu gehorchen. Der erste Sekretär des Sultans, Sureqa Pascha, antwortete, wie wir einem Telegramm der „Nat.-Ztg." au» Sofia entnehmen, im 'Namen de« Sultans, Vie neue Kundgebung der Treue habe ben Sultan -ußeroidentlich befriedigt. So lauge die Bulgaren ihre Pflichten al» Uitterlbanen erfüllrou. werde ihnen der Sultan den gleichen Schutz und da» gleiche Wohlwollen gewähren, von dem er gegen all- seine Unter- ihanen erfüllt sei. Dem Sultan lägen da» Glück und die Fort schritte der getreuen bulgarischen Unterthanen am Herzen. Die Bulgaren, seines Wohlwollen» und Vertrauen» sicher, mögen unter allen Umständen den Thron deS Sultan» al» ihren einzigen Zu fluchtsort betrachten. Koloniales. Di- ostafrikanische Missionsgesellschaft bat einen iebr ichwereu V-rhstt zu beklagen. 'Nach einer soeben au» Aie heilige Wiebe. Eine Psiugstgcschicht« von Steinhold Lrtman». tSIüchd,»,« «»beten.) ES ist ein Maimorgen, aber die Sonne brennt heiß wie im Juli. Der weiße Sand der Chaussee, die lang und schattenlos vom Bahnhöfe nach dem Waisenhause führt, wirft blendend die grellen Lichtstrahlen zurück, und in der unbewegten Luft ist ein Flimmern, das fast die Augen schmerzen macht. Eine ärmlich gekleidete Fran schreitet einsam aus der Chaussee dahin. Sic ist noch jung, aber ihr Gesicht ist verhärmt, und gramvolle Linien haben sich tief um Mund und Nase eingezcichnct. Sie ist vielleicht noch vor wenig Jahren recht hübsch gewesen, aber die Thränen haben Alles hinweg gewaschen: Schön- bcit, Jugend und Frohsinn; nur ein müdes, trauriges Alltagsgesicht haben sie übrig gelassen, ein Gesicht, nach dein sich in den Straßen der Hauptstadt gewiß kein crobcrungslustiger Stutzer mehr umwcnden wird. Die weiten Wiescnstächen zu beiden Seilen der C haussee schimmern im saftigsten Grün: blühende Linden bäume hauchen ihren süßen Duft in die klare Morgen luft, und unsichtbar schmettern aus blauen Höhen die Lerchen ihre jubelnden Lieder. Aber die Frau sieht nichts uon all' der prangenden LenzeSherrlichkeit uni sie her. Sie wandert eilig vorwärts, und das langgestreckte, kascrnenartige, grcllweiß getünchte Waisenhaus ist ihr Ziel. Die zahlreichen Fenster, in denen die Morgen sonne funkelt, winken ihr schon von Weitem entgegen, und ihre müden, geblendeten Augen können sich »licht von den blinkenden Fenstern losreißcn, als müßten sic hinter einem von ihnen doch endlich erspähen, was sic so lange schon nicht mehr gesehen. lind nun hat sic auch das verschlossene eiserne Gittcrthvr erreicht. Ihre Schuhe sind bestäubt und ihre Stirn ist feucht geworden von der Anstrengung des raschen Weges. Der verdrießlich drcinschanendc Wärter betrachtet sie mit einem geringschätzigen Blick. „Es ist jetzt keine Besuchszeit. Sie müssen am Nachmittag ivicdcrkoninicn," fährt er sie unfreundlich an. Aber die Frau möchte den Direktor sprechen, und der bärtige Thorhntcr weist sic zurecht. Zaghaft klopft sic an die bezeichnete Thnr und tritt ans das sonore „Herein!" das ihr von drinnen cntgcgenschallt, über die Schwelle. Der Direktor sitzt vor einem großen Schreib tisch inmitten seines behaglichen Arbcitsgcmaches. Auch hier strömt süßer Lindcndnst durch die geöffneten Fenster, und inan verninnnt deutlich das melodische Flöten einer Drossel, die draußen irgendwo im dichten Laubwerk verborgen ist. Sonst aber ist's feierlich still, und die Frau glaubt den Schlag ihres eigenen Herzens zu hören, als sie nun die Augen des Gewaltigen fragend aus sich gerichtet sicht. Es sind große, klare, milde Augen, und sic leuchten aus einem sanften, wohlgenährten, rosigen Gesicht. In der ganzen ehrwürdigen Erscheinung des Waisenhausdireklors ist durchaus nichts, das Furcht entflößen könnte. Und doch furchtet sich die Frau. „Ich bin die Witttve Heilbach," sagte sie leise, „und ich komme zu Ihnen mit einer großen, einer sehr großen Bitte —" „Sprechen Eie lauter, liebe Frau," nnterbncht sie des Direktors wohlklingende Stimme in freundlich herab lassendem Ton. „Heilbach also heißen Sie' — Und Sic sind die Mittler des Knaben Willi Hellbach, der sich seit drei Monaten in unserer Anstalt befindet?" „Ja, das ist mein Sohn — mein einziges Kind, Herr Direktor — und ich möchte Sie um die Älaubniß bitten, ihn noch einmal ans eine kurze Zeit — aus acht Tage oder so ungefähr — mit mir nach Hause nehmen zu dürfen." „Solche Gesuche, meine beste Fran, können in der Regel nur ans schriftlichen Antrag bewilligt werden. — Und das Kuratorium des Waisenhauses pflegt darüber zu entscheiden." Ihre unscheinbare Gestalt sinkt noch dcmüthigcr in sich zusammen. „Ich bin achtzehn Meilen weit hcrgekonimen, um ihn mir zn holen, Herr Direktor — und es ist mir so schwer geworden, das Reisegeld zu erschwingen." „Nun, so läßt sich in Ihrem Fall vielleicht eine Ausnahme machen. Sie haben ja ohne Zweifel sehr triftige Gründe." „Er hat so furchtbares Heimweh, mein kleiner Willi — und so große Sehnsucht nach seiner Mutter." „Ist das Alles, was Sic zur Begründung Ihres Gesuches anzusnhren wissen?" „Ja, Herr Direktor! — Ist das denn nicht Grund genug?" „Nein, meine gute Frau! — Und ich glaube, eS ist besser, wenn Sie aus freien Stücken aus die Erfüllung Ihres Wunsches verzichten. Mit dem Heimweh Ihre» Knaben hat eS soviel nicht ans sich. Er wird das schon überwinden." Die Frau sucht in der Tasche Ihres Kleides und reicht dem Gewaltigen mit zitternder Hand ein znsammen» gefaltelcS Papier. ES ist ein Blatt ans einem Schreib»