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eine »/« Stund« andauernd« , Unterredung mit de» Fürsten. Dann »achte der Fürst der Kaiserin Friedrich »inen halbstündigen Besuch. Hierauf begab sich der Altreichskanzler in sein« Gemä- chrr, vor welchen ein Unterosfizier-Dvppelposten vom KL- rasster-Regiment v. Gehdlitz stand. Die Tausende vor dem Schlosse stimmten da» „Heil dir im Gtegerkranz," .Di« wacht am Rhein" und „Deutschland, Deutschland über alle« an. Der Kaiser, dir Kaiserin, die Prinzen, sowie Fürst Bi-marck zeigten sich wiederholt tankend und grüßend am Fenster. Gegen 3 Uhr gaben der Reichskanz ler Graf Caprivi, der Staatssekretär Frhr. von Marschall und die anderen ReichsstaatSsekretL« ihre Karten sür den Fürsten ab. Der Kaiser unternahm später mit großem Gefolge «inen Spazierritt, von de« Publikum wurde er mit brausendem Hurrah empfangen und von der Menge so umdrtngt, daß er nur mit Mühe seinen Ritt sortsetzen konnte. Nachdem Fürst Bismarck etwa« geruht hatte, empfing er den Besuch de« Königs Albert von Sachsen, der mittags «ingetroffen war und im Osfizierskasino de ll. Garde-Ulanen Regiment» gespeist hatte. Die Begrü ßung zwischen beiden war ein« sehr herzliche. Späterhin empfing der Fürst noch ein« Reihe von ihm nahestehen den Persönlichkeiten. Al» der Kaiser von seinem Spa zierritt zurückkchrte, machte er dem Fürsten ebenfalls noch mal» seinen Besuch. Di« Kundgebungen vor dem Schlöffe dauerten ununterbrochen fort. Die Ma jestäten und der Fürst zeigten sich wiederholt an den Fen stern. Eine Ovation hatte auch di« Berliner Studenten- schaft dem Fürsten Bismarck zugedacht. Diese Kundge bung ist jedoch vereitelt worden, weil die Polizeibehörde die ansang» zur Spalierbildung erteilte Genehmigung nachträglich zurückgezogen hatte. Weiterhin «ar noch rin Fackelzug in Aussicht genommen, der aber unterbleiben mußte, weil der Fürst schon am Abend nach FriedrichSruh zurückkehrte. Nachdem noch in der v. Stunde ein Diner stattgefun den hatte, an dem außer dem Kaiser und Bismarck nur Bismarcks Söhne teilnahmen, trat der Fürst nach 7 Uhr die Rückreise an. Um 7 Uhr 10 Min. fuhr Fürst Bismarck an der Sette de« Kaiser» vom Schlosse ab, die Straße Unter den Linden entlang, wie mittag« von einer Eskorte begleitet und überall brausend begrüßt, nach dem Bahnhofe. Un ter den Linden waren zahlreiche Häuser prächtig illumi niert. Kurz nach 7»/, Uhr erfolgte die Abreise auf dem Lehrter Bahnhof. Da» Hauptquartier und mehrere Gene rale waren anwesend. Der Kaiser schritt mit dem Für sten zum Salonwagen, drückte ersteren herzlich die Hand und küßt« ihn mehrmals beide Wangen. Nach dem Einsteigen des Fürsten wandte sich der Kaiser mit eini gen Worten an Graf Herbert Bismarck und sprach dann mit dem Fürsten, der bloßen Hauptes sich zum Wagen hinauSlehnte. Da» Publikum brachte dem Kaiser und Bismarck lebhafte Hochrufe und stimmte das Lied „Deutsch land, Deutschland über alles" an, worauf Bismarck freund lich lächelnd und dankend sich verneigte. In Begleitung de« Fürsten befanden sich dessen Söhne Herbert und Wil helm, sowie Professor Schweninger. Der Salonwagen «ar mit .reichen Blumenspenden angesüllt. Unter Hoch rufen verließ ver Kaiser nach der Abfahrt des Fürsten di« Bahnhofshalle. Da» Aussehen Bismarck» wird von denen, di« ihn sahen, al« wenig erfreulich ge schildert: „Seine Gestalt ist abgemagert und zusammen gesunken. Beim «u-steigen au» dem Zuge auf dm Lehr ter Bahnhof hat er sich mühsam fortbewegt, solaß Prinz Heinrich ihm seinen Arm anbot! Im Galawagen, dessen GlaSfenster bi» auf rin« geschloffen waren, saß Prinz Heinrich zur Rechten, Fürst Bismarck zur Linken. Erste rer ließ sich mehr in di« Kissen de» Wagen« zurückstnken, um den Fürsten dem Publikum sichtbarer zu machen. — Ein anderer Augenzeuge behauptet dagegen: Soviel wir sahen, ist da- Aussehen de» Fürsten durchaus nicht so schlecht, wie oben geschildert, obwohl sein Gesicht «ine weiße Farbe trug. Man muß eben bedenken, daß sür einen Achtzigjährigen eine Eisenbahnsahrt durch»»» kein Vergnü gen ist. In einem „Berlin-Friedrich-ruh" überschriebenen Ar tikel der „Zukunft" wird mitgeteilt, daß seit der Günser Depesche der Verkehr zwischen dem Berliner Hof und FriedrichSruh eigentlich nie ausgehört hat, e» sind Briefe und Grüß« ge wechselt worden und in angemessenen Zwischenräumen hat Prof. Schweninger Berichte über da- Befinden de« Für sten an den Kaiser erstattet. Der Kaiser hat dem Fürsten Bismarck di« Halberstädter Kürasstrrr (v. Seydlitz) vkrliehen, drrrn Uniform der Fürst schon trug und bei denen er bisher L la »nits stand. Da» Osfizierkorp» de» Regiment» ist vom Fürsten am Freitag empfangen worden. Politische Nachrichten. Deutsch!«»-. Berlin, den 80. Januar. — Prof. Bega» hat dir seither flott betriebenen Borar- briten zum Kaiser Wilhelm-Denkmal nach einer Unterredung mit dem Kaiser eingestellt, da Se. Maj. erklärte, Abänderungen de» Denkmal- nicht abgeneigt zu sein. Hof fentlich werden diese Abänderungen in Ersetzung der sagen hasten Götter durch deutsche VolkSgeftalten bestehen. — E» heißt, daS „Kaiser Wilhelm-Denkmal" werde auf den KönigSplatz zu stehen kommen und nach einem anderen Entwurf auSgeführt werden. — Es ist gut, daß e- Zeitungen ziebt. AuS ihnen er fahren */» unserer ReichStag-abgeordneten wenigstens, was im Reichstage geredet und getrieben wird. Alltäglich herrscht gähnende Leer« im Saale, an manchem Tage irren kaum bO Abgeordnete in ihm herum. — Rechtsanwalt Hertwig, der Verteidiger Ehrrn- Ahlwardt's ist vom Ehrengericht au» dem OsfizierSstande ausgeschlossen worden. Hertwig war Rcservelrutnant. — Dem sozialdemokratischen Schriftsteller E. Wendlaudt in Berlin wurde das Recht, als Einjährig-Freiwilliger zu dienen, aberkannt, da er «in« zweijährige Gefängnisstrafe hinter sich hat. — I» Nieder sch testen suchen Sendlinge der Mor monen Anhänger. Und nicht vergeblich. Besonderer Gunst erfreuen sie sich bei den weiblichen Personen. Ja Schön- Walde hat sich ein Bauergutbesitzer bereit finden lasten, einem Mormonen-Apostel zu gestatten, daß er in seiner Behausung öffentliche Versammlungen abhält. Hauptzweck der Sendling» ist der, arbeitsame Leute zur Auswanderung nach Utah in Nordamerika zu bewegen, wo e» an Frauen «ud billigen Arbeitskräften mangelt. Bor einiger Zeit verschwand wieder ein Gastwirt eines ländlichen Ortes, der ebenfalls, wie nach träglich sestgestellt, nach Utah auSgewandert ist. Eine groß« Feierlichkeit mit allen Zeremoniell geht solcher Auswanderung, die zumeist ein Sprung ins Elend ist, voraus. — Nicht nur Wißmann klagt über die Deutschostafrikanische Gesellschaft, auch der Afrikareisend« Eugen Wolf berichtet, daß die genannt« Gesellschaft sich überaus anmaßend benehme. Wolf schreibt u. a.r „Die Deutsch Oftasrikanische Gesellschaft beansprucht für alle» und jede» Geschäft in Deutsch-Oftaftika da» Monopol. Da« Monopol auf Bergbau, da» Monopol auf die Waldungen, da» Monopol sür den Handel, da» Monopol für die Träger, und ebenso wie sie da- Monopol für die Prägung der Münzen besitzt, so will sie »S partout durchsetzen, daß jeder einzelne Hektar Lande» durch ihre Bücher geht, und daß niemand, der den Mut hat nach Ost afrika zu ziehen, um daselbst «ine Pflanzung auzulrgeu, in den Stand gesetzt sein soll, auch nur einen Baum zu pflanzen, wenn er der Deutsch-Oftasrikanischen Gesellschaft nicht vorher da» bare Geld für da- bischen Land, da« er braucht, aus den Lisch gelegt hat. Doch halt! — Damit ich keine Un wahrheit sage, will ich gleich hinzufügeu, daß ste statt de» baren Geld«» auch bereit ist, sich mit „Anteilscheinen" zu begnügen. Soll e» wirklich so sein, daß die Gesellschaft auf alle» ihre Hand legen darf, und daß jede» neue, sich zum Zwecke de» PantagenbaueS gründende Konsortium, jeder Gärtner oder Pflanzer, jeder Handwerker oder Kaufmann, der sich in Deutsch-Oftasrika eine Heimstätte läng» der Eisen bahn gründen will, von dem sehr variablen Land-PreiSkourant der Deutsch-Oftasrikanischen Gesellschaft abhängen soll, so wäre es viel bester, man würde Herrn von Schele und die kaiserliche Schutztruppe mit dem nächsten Dampfer zurück beordern, den Direktor der Deutsch-Oftasrikanischen Gesellschaft in Berlin zum General-Pascha über das Deutsch-ostafrikanische Reich einsetzeo, bi» sie sich so adgewirt;chastet hat, daß sie vernünftig wird nnd ihren Standpunkt de» Alleinherrschen» verläßt." — Krupp in Esten beschäftigt IS 000 Arbeiter, die mit ihren Familien 60 000 Menschen bedeuten. Bi- jetzt hat Krupp S7S0 Arbeiterwohnuugen in der Nähe seiner Werke erbaut. Eine besteht in der Regel au» Stube, S Kammern und Küche; zwischen den Häuserreihen liegen weite Alleen und große Plätze mit Wasteranlagen; aus der Rück seite der Häuser befindet sich eia Gärtchen und eia Stall für Kleinvieh. Die französische AuSsuhr nach der Schweiz hat im Vor jahre infolge de» Handelskrieges um 77 Millionen abge nommen; die, deutsche Ausfuhr nach dem Auslande ist im Vorjahre um über 133 Millionen gewachsen. Ein neuer Zollkrieg droht zwischen Frankreich und Oep.eich'Ungarn. Kraukreich. Streit zwischen Regierung und Kammer steht bevor. Der neugewählte Marine-Ausschuß der Kammer will die vom Abg. Clemencean behaupteten Unregelmäßigkeiten in der französischen Marine-Verwaltung untersuchen, ohne sich um die ordnungsmäßigen Behörden zu kümmern Davon will aber da« Ministerium nicht» wissen, und so wird denn der neue Streit in einer der nächsten Kammer sitzungen auSgesochten werden müssen. Der französische Oberst Bonnier hat das wichtige Tim buktu in Nordafrika besetzt. Die Pariser Regierung ist jedoch damit nicht einverstanden. Grieche»!««-. Die Kronprinzessin von Griechenland soll sich in miß lichem Gesundheitszustände befinden. Die Kaiserin Fried- rich wird daher ihre Tochter demnächst besuchen. glatte«. ZtalienS Studenten betragen sich wieder einmal flegel haft. Weil den Durchgesallenen außerordentliche Prüfun gen verweigert worben waren, zertrümmerten die Studen ten von Pavia die Fensterscheiben.der Universität mittel» Schneebällen und stießen die Thür de» großen Umversi- tütSsaaleS ein. Man glaubt, sie werden nun streiken. Triumph nicht ginnte, daß von besten Werk gesprochen wurde. „Als ich hierher kam," ließ sich jetzt der Stadtschreiber Sauer vernehmen, „sah ich den jungen Herrn Bernau in da- Hau» des Posthalter» treten. Man spricht davon, daß der jung« Herr ein Auge auf Fräulein Gretchen geworfen habe und beabsichtige, um deren Hand anzuhalten." Der junge Mann, der wieder zur Zeitung gegriffen hatte, horchte gespannt auf. „Wer ist Herr Bernau?" fragte er anscheinend unbe fangen. „Herr Bernau ist der Sohn eine- benachbarten, sehr reichen Gutsbesitzer«," erwiderte der Schreiber. „Aha, da kommt ja der Posthalter," rief der Kaufmann Lrockenmüller. „Ob er wohl wieder etwa» Neue» bringen wird?" Di« Thür öffnete sich und ein langer, hagerer Herr trat ein. Er war mit peinlicher Sorgfalt gekleidet, da« glattrastrtr, längliche Gesicht sah au», al» ob sein Besitzer sich die größte Mühe gäbe, ein außerordentlich wichtige« Geheimniß für sich zu behalten. In der That stand der Posthalter Schröder in dem Rufe eine» gewiegten Politt- rr«, und wenn di« Zeitungen eine Nachricht brachten, wo rüber die übrigen Stammgäste de- „weisen Salomon" in da» größte Erstaunen geriethen, dann lächelte er nur ganz geheimnißvoll vor sich hin und sagt«: „Pah, meine Her ren, e« wird noch bester kommen." Der Herr Posthalter kam also mit hocherhobenem Haupt« hereingeschritten, warf «inen Seitenblick auf den wieder mit ZettungSlesen beschäftigten jungen Mann und setzte sich an den Tisch. „Na, nur heraus mit der Sprache," rief der dick« Lro- ckenmüller dem Posthalter zu; „ich seh« Ihnen ja an, -aß Gis wieder eine Neuigkeit auf de» Herzen haben." Der hagere Posthalter sah den ungehobelten Kaufmann mit einem Blicke an, der etwa sagen zu wollen schien: „Allerdings weiß ich eine Neuigkeit, aber Du wärest zu wenig Diplomat, um mir mein Geheimniß zu entlocken, wenn ich'« nicht freiwillig zum Besten geben wollte." Dann sprach er laut: „Meine Herren, haben Sie schon die heutige „Abend post" gelesen?" Man bejahte. „Ich habe nichts Wichtige« darin gefunden," bemerkte der Bürgermeister. . , „Das glaube ich? Sie werden auch nicht» Wichtige» in derselben finden. Meine Herren, ich habe e» noch immer gesagt und wiederhole nochmals: Sie werden nie eher eine wichtige Nachricht in einer Zeitung finden, bi» ste bereit» allenthalben bekannt ist." „Na, lasten Sie doch die lange Vorrede," fiel Trocken müller ein, „und erzählen Sie." Der Postverwalter warf einen verächtlichen Blick auf den vorlauten Schwätzer und sagte: „Mein Herr, «er sagt Ihnen, daß ich erzählen will? Wer sagt Ihnen überhaupt, daß ich etwa« zu erzählen habe? — Sie vermuthen da», «eil Sie wissen, daß ich in politischen Dingen stet- gut unterrichtet bin! — Nun, ich will Ihnen gestehen, daß Sie richtig vermuthet haben. Ja, mein« Herren, mein Correspondent in der Residenz theilt mir eine Nachricht mit, die Sie alle — unsere ganz« Stadt interessiren wird." Der Politiker machte eine lange Kunstpause. „So rücken Ste doch endlich mit der Sprache 'rau»!" ries der Bürgermeister, dem e» doch zu arg wurde, „wenn St« etwa» nisten, wa» die Stadt angeht, so ist et Ihre Pflicht, mir, dem Bürgermeister, Mittheilung davon zu machen." „Nun, ich «erde erzählen, obgleich e« nicht meine Pflicht ist. — Sie werden sich alle noch eri, nern, meine Herren, daß vor einigen Monaten viel von der bevorstehenden Verbindung de» Prinzen Georg gesprochen wurde; man sprach alle möglichen Vermuthungen darüber au», welche deutsche Prinzessin der Thronfolger heimsühren werde ; nie mand traf da» Richtige. „Auch Sie, meine Herren, haben sich mit der Frage lebhaft beschäftigt, ohne zu ahnen, daß unsere zukünftige Fürstin ganz iu unsere Nähe weilt." Alle horchten geipanut auf. Der Bürgermeister rückte näher an den Sprecher heran und zupfte ihn am Aermel. „Mann, sprechen Sie doch!" rief er unwillig au», al» der Posihalter wieder «in« Paus« machte. „Also weiter, meine Herren!" fuhr dieser fort. „Sie kennen alle da» eine Stunde von hier entfernte Schloß Hohenau; e» ist Ihnen auch bekannt, daß die verwiltwet« Fürstin W. mit ihrer anmulhiqen Tochter dort Sommer aufenthalt genommen hat. Bringen Ste diese» nun mit dem vorhin Gesagten in Verbindung, so «erden Sie die erlauchte Braut de« Prinzen kennen." Der Bürgermeister «ar ganz roth geworden vor Auf regung. „Ist da« Alle» wahr, wa» Sie da erzählen?" fragte er ungestüm. „Mann, flunkern Ste nicht? Die Tochter der Fürstin auf Schloß Hohenau ist wirklich die Braut de» Prinzen?" Der Posthalter sah den Bürgermeister mit einem zufrie denen Lächeln an und erwidrrte: „So ist «»!" — Sie «erden begreifen, meine Herren daß bet dieser Sachlage unser« Stadt eine bedeutende — ich sag« eine bedeutende — Rolle spielen wird. Der Na me Althei« wird die Rvnde durch all« Zeitungen machen. (Fortsetzung folgt.)