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sttnbtgm -nutzet »ti de« veraltetm Bvrgsystem wird «ff« platz-reifen müssen, soll der Kleinhandel nicht -inzlich ruiniert werden. Und diese Reform ist nicht so schwierig, st« licht stch ohne Inanspruchnahme de» gesetzgebenden Apparate« von den Detailliftrn selbst durchführen. Sache der Gesetzgebung wird et nur sein, -leichzritig den Hausierhandel bi» aus'» Arrcherste einzu schränken, und durch schärfere Besteuerung der Dersandt- aeschäst« den Bortheil, den diese durch stärkere Capitals- kraft vor de« .Kleinhandel haben, möglichst au»zugleichen. Politische Nachrichten. Deutschland. Berlin, den S. Januar. König Humbert und Kaiser Wilhelm haben am Neu jahrstage lurze Ansprachen an die Generäle gehalten. Kö nig Humbert erklärte, da- neue Zahr biete Aussicht auf «inen dauerhaften Frieden. Dir Beziehungen seren zu allen Mächten sehr herzliche. Kaiser Wilhelm sprach stch befriedigt über die Fortschritte de» deutschen Heerwesen» im letzten Jahre au». Da« Zeitungswesen kostet dem Bunde der Landwirte jährlich 170210 Mark. Di« Trauung der Prinzessin Elisabeth von Bayern mit dem Frh. von Seesried, deren Thatsache in den letzten Lagen wieder einmal bestritten «ar, hat nach authenli- schen Angaben wirklich stattgesunden, und zwar in der Schweiz. Der Name de» Orte» der ehrlichen Verbindung de» jungen Paare» ist bisher nicht bekannt gegeben. Infolge Eitgang« ist die Rheinschiffahrt eingestellt. Der Neckar ist völlig zugrsroren. In der Gewehrfabrik in Olberndorf sind von der tür kischen Regierung abermal» 200000 Gewehre bestellt wor den. Dir Zahl der bisher abgetieferten Gewehre beträgt rund «in« halbe Million Stück. Hierdurch ist einschließ lich der Kosten der Munittvnslieserung dem deutschen Na tionalvermögen eine Summe von etwa 80—70 Millio nen zugesührt worden. Ueber die Meuterei in Kamerun liegen jetzt Meldun gen au» englischer Quelle, au» Bonny vom 28. Dezem ber vor, die im Wesentlichen di« amtlichen deutschen Be richte, aber auch in sehr wichtigen Punkten ergänzen. Die Meuterer bemächtigten sich danach nicht nur des Re- girrungSgebäude» und verjagten die Beamten, griffen auch di« Faktoreien, darunter die der englischen Firmen in Kamerun, mit Erfolg an. Der Kreuzer „Hyäne" ope rierte mtt Unterstützung der Kaufleute gegen die Meuterer, die schließlich verjagt wurden, nachdem Kamerun neun Lage in ihrer Gewalt gewesen. Die Waren in den Fak toreien blieben unversehrt. Griechenland. Manchester ist von Neujahr ab Seestadt, obgleich es im tiefen Binnenland« Englands gelegen ist. Am ersten Lag« de» neuen Jahre» ist der Schiffahrtskanal, der die Stadt mit dem Meere verbindet, eröffnet und in seiner ganzen Ausdehnung dem Verkehr übergeben worben. Dieser neue Wasserweg gehört zu den großartigsten Bau werken de» Jahrhundert«. Die Gesamtlänge beträgt 60 Kw. Seine Breite gestattet, baß zwei Seeschiffe von sehr beträchtlicher Größe aneinander vorüderfahren können. Schon sind die ersten Dampfer unterwegs, die von Ame rika au« ihre aus vielen Tausenden von Ballen bestehen-1 den Baumwollensadungen aus geradem Wege an die Stadt s bringen sollen. Frankreich. Die französische Polizei veranstaltete aus Weisung de» Minister« de« Innern an den beiden ersten Tagen de« neuen Jahre« eine allgemein« Anarchiftenjagd. In zahl reichen Städten wurden insgesamt 2000 Haussuchungen bei allen Personen vorgenomme«, di« der Hinneigung zum Anarchi-mu» verdächtig sind. Papiere wurde» be schlagnahmt und soweit die Besitzer dadurch belastet wa ren, di« Letzteren festgenommen. Ein« größer« Zahl von Anarchisten ist bereit« über die Grenze geschafft worden. Italien. Da» revolutionär« Feuer greift auf Sizilien rasch um sich und schlägt an vielen Orten hell auf. Wegen Ein äscherung de» Hause» eine» Schiedrichtrr» bei einem frühe ren Tumult «ar dessen Amt-lokal in die früher« Kirche St. Agostino verlegt «erden. Ein Volkshaufe trug Hei ligenbilder herbei und hängte sie unter frommen Zermo- nien auf, ein anderer Haufe holte die veräußerte Kirchen glock« von dem 3 Kilometer entfernten Lbndgute de» ab gesetzten Bürgermeister« herbei und hängte sie jubelnd an der alten Stelle aus. Der Widerspruch sozialistischer Ar- beiterbündler wurde namentlich von den Frauen entschie den zurückgewiesen. In Palermo wurde am Montag abend Beunruhigung hervorgerusen, «eil die Drahlver- blndung mit mehreren Provinzorten plötzlich unterbrochen war. Militär, von Palermo nach Nezzvjuso gerufen, konnte da» gewaltsame Eindringen mehrerer Lausend Tu- multantrn au» dem benachbarten Belmonte Mezzagno nicht hindern, die mit fliegenden Fahnen den dorligen Aufständischen die Hand reichen wollten. In Eampobello de Licata wurden die Mauthhäuser verbrannt. In Ma- rineo mußte Militär die Bajonette gebrauchen und mehre re Personen verwunden. Au» Dutzenden von Landstäd ten und Dörfern werbeu lärmende Kundgebungen gegen Lokalverwaltung und Steuerdruck gemeldet. Die Ardei- terbünde beuten di« Gährung nach Kräften au«. Ver haftungen und militärische Maßregeln erhöhen dies« vieler Orten. E« mehren sich die Zusammenstöße zwischen Steuerpächtern urrv Bauern, welche die Verzehrungssteu ern verweigrrn. In Eamporeale wurde ein Schutzmann, der einen Revolver zog, mit dem Tode bedroht und nur durch den Vorsitzenden de» Arbeiterbunde» gerettet. Der Bürgermeister mußt« zu Pserde fliehen. In Mittel- und in Süditalien ist r» ungewöhnlich kalt. Die Eisenbahnlinie Solmona-Rom ist durch Schueeverwehun- gen unterbrochen. Bei Eantone liegt der Schnee 2 Meter hoch. Ein von Neapel kommender Zug blieb stecken. Auch in Calabrien sind fast alle Bahnlinien verweht. Die Ao- ruzzen sind durch die Schneestürme vollständig unpassierbar gemacht. Rutzlaud. In Petersburg herrscht gro^e Aufregung über eine Mas- senerkrankuag infolge des Genüsse» von Fastenspeise. Im Katharinen-Kräuleinstift erkra.,kteu nach dem Abendessen 100 Damen der Anstalt, die soso-t geschlossen wurde. Südamerika. Rio de Janeiro wurde in den letzten Tagen des alten Jahres von der Flotte deS Admirals Saldauha de Gama heftig beschossen. Die Forts erwiderten kräftig; viele Ein wohner sollen getötet worden sein und große Panik herrschen. Di« Bereinigten Staaten hegen Besorgnis wegen der Lage in Brasilien, weitere nordamerikanischc Kriegsschiffe sind nach Rio de Janeiro beordert. Im übrigen hofft Präsident Pei- xoto Milte Januar 10 Torpedoboote, b Kanonenboote und 2 Kreuzer bestammen zu Haden, um die Aufständischen zu einer Seeschlacht zu zwingen. Daß Peixolv Verstärkungen erwartet, wissen aber auch die Führer der Revolution und sie bemühen sich deshalb, Rio vor Eingang jener Verstärkun gen zur Kapitulation zu zwingen. Aus Sachsen und Umgegend. — Der Zwickauer Vieh- und Schlachihof wird am Dienstag, den S. Januar dem Betriebe übergeben. An die- sem Tage findet in genannter Anlage von früh 8 Uhr ab der erste Biehmarkt für Schlachtvieh statt. Nach dieser Zeit werden allwöchentlich, an jedem Montage und Donner-tage, Biehmärkt« daselbst abgrhalten. Eibenstock, 8. Januar. Dir vor einigen Wochen am hiesigen Magazingebäud« versuchte, aber ohne Folgen geblie- bene Brandlegung hat den Thäter nicht ruhen lassen, bi» er seinen Vorsatz ausgesührt. Gestern Abend gegen 10 Uhr er scholl Feuerruf in der Stadt und in demselben Augenblicke sah man aber auch schon das ganze Dach de» städtischen Magazingebäudes iu vollen Flammen. Trotzdem noch der zuerst versuchten Brandstiftung die Schlösser sämmtlicher Thü- reu und Thore verändert worden waren, hat der Verbrecher sich dennoch Eingang in das Gebäude zu verschaffen gewußt und wahrscheinlich mit Hilfe von Petroleum sein verab. scheuungswürdige» Werk vollendet. Das schnelle Umsichgrei fen deS Feuer« verhmderie daher auch die verauSfchaffung aller in dem Gebäude »ntergevrachiea Spritz:», von denen drei außer dem dort ausbewahrlen verschiedenartigen Werk zeug mit verbrannt sind. Eine der Thal verdächtige Person wurde gestern Aveno noch von der Brandstätte weg ver haftet. (Erzg. Blkfd.) Zwickau, 2. Januar. Ein schreckliches Unglück ereig nete sich am 30. v. M. hierselbst. Schieferdeckermeister Ernst Brückner hier befand sich auf ocm Dache eines Neubaues iu der Marienthaler Straße bei der Dachdeckerarbeit, al« ec insolge des Reise» auSglitt uud vom Dache, etwa l S Meier hoch, auf einen auf der Straße stehenden Ziegelwagen her abstürzte. Beim Sturze überschlug er sich auf seine» eb:n- fall» aus dem Dache beschäftigten IS jährigen Sohn und riß diesen mit sich fort. Diesem »klang es aber, aas dem Gerüst der zweiten Etage sich zu erhalten, so daß seine wunderbare Rettung erfolgte. B-uckner jun., der etwa 3 Meier gestürzt war, hat nur unerhebliche Verletzungen, der Vater, 46 Jahre alt, ein allgemein geachteter Bürger, aber Schädel- und Rü ckenwirbel-, sowie doppelte Armbrüche erlitten. Gestern srüh erfolgte sein Tod. Er hinterläßt 6 Kinder. — Lhemuitz, 2. Januar. (Ein grauenhafter Mordver such). In der Neujahrsnacht gegen 3 Uhr wurden die im Gastzimmer des in der Hartmannstraße 40 von Herrn Ka- litzky bewirthschasteien Restaurants weilenden Gäste durch ein au- der Schlafstube lönendes lautes Geschrei erschreckt und unmittelbar darauf stürzie die ätiestc 12jähiige Tochter deS Wirthes nothdürstlg bekleidet ins Lokal mit dem angstvollen Ruse: „Vater, der Mann will mich stechen!" Die nach dem Schlafzimmer eilende Mutter sand das Fenster offen, von einem Mail ne jedoch keine Spur; als sie aber zitternd nach ihren Lieblingen sah, gewahrte sie ihr zweitälteües im b. Jahre flehendes Kino ( in Mädchen) blutend im Bette liegend, obiioyt es k-ineu Laut vou sich gab. Der surcht- ibare Aufschrei der Muller ries die anderen im Gastzimmer Anweienden herbei und diese sahen ein Bild, so grauenhaft und entsetzlich, daß dieie N.ujaycSnacht nicht so bald aus ihrem Gedächtnisse entichioinden wird. Dem Kinde war fast dec ganze Unterleib aufgihchsttzt worden, sodaß dir Einge weide im beträchtlichen Maße yervoigeueten waren. Bald war die Polizei zur Stelle und nun entwickelte sich eine fieberhafte Tyaiigkelt, sainmtiiche zur Verfügung stehenden Wachmannschaften, fowie ein großer Tqeu der Gäste vcgab sich auf die suche nach dem mutymaßlichen, vorher im Gast zimmer aufhältlich gewesenen Mörder; oecsctbe — «in Bru der des unglücklichen Vaters mir Namen Heimann, Frischer von Prosession — wurde in früher Morgengunde verhaslct. Die sofort eingeleitete Untersuchung ergab, daß die Hosthür wie immer auch diesen Aveno nur angelehnt war. Im men. Ich habe nun vorläufige Hastenlassung verfügt. Mir ist der Fall ein Rätsel. Ich habe versucht, die Be weggründe zu erfahren, umsonst. Sir weigerte stch ent schieden. Da» arme Ding gestand nur unter Thränen, sie habe daheim eine kranke Mutter, die jeder Pfleg« ent behre, und bat, sie nicht in Haft zu behalten. Ich ließ sie gehen, und wirklich, ich gäbe etwa» darum, wenn.icy diese Akten in» Feuer werfen könnte. So sieht keine Diebin au», die stiehlt, um zu stehlen." Der Assessor senkte sein Gesicht in das vor ihm liegen de Aktenstück. Aus seinen trockenen, starren Augen quoll langsam ein« heiße Thräne. . , Wie war e» nur möglich gewesen, wie nur möglich? Am Bette der kranken Frau Hartmann saß ihre Tochter Mathilde, die Braut de» Assessors Walther. E» herrschte etn Halbdunkel im Zimmer, sodaß die Kranke nicht da» gramburchsurchte Gesicht ihrer Tochter erkennen konnte, mit dem tief im Kopfe liegenden Augen, den sestzusavimrng'preßten Lippen. Wenig« Stunden hatten aus der anmutigen Rose eine welkende, vorzeitig gebrochene Knospe gemacht. Alle«, alle» «a» von Liebe-traum, Liebesglück und Lie- betlust st« je gehofft, da« lag zerschmettert, zerschlagen da. Alle», alle» «ar au», nicht» blieb übrig, nicht», gar nicht», al« Sterben! Di« Krank« ahnte nicht, «a« vorgefallrn, sie verwun derte sich nur, daß der Assessor Walther, welcher sonst Lag für Tag, um diese Stunde zum Besuch kam, heute «»blieb. „Er hat wohl viel zu arbeiten!" sagte Mathilde leise. Ach, st« wußte genau, er «ar von allem unterrichtet. Sie hatte gefürchtet, ihm selbst gegenüber»««» zu müssen. Nun war da» durch einen Zufall verhindert. Aber Wal-! er arbeitet« i« Bureau de» Untersuchung«richter» Heim-" roth, und nun wußte auch er bereit- von der Schmach und Schande, die sie über alle gebracht. Wie war sie da zu gekommen, sich so zu vergessen? Ein langes, langes Lied war e» von Leid und Lie be Lustig Prasselte da« Feuer in dem Ofen, draußen klatschte kalter Regen gegen die Fensterscheiben. Die kranke Frau Hartmann sank in Schlummer. Mathilde brach neben dem Bette in die Kniee, da- Ant litz in den Bettklssen verbergend, und ein qualvolle» Schluch zen, da» sie immer wieder zu unterdrücken bemüht, um den Schlummer der Mutter nicht zu stören, entrang sich der gepreßten Brust. Sie hatte >hn geliebt, so heiß, so innig, und die Liebe hatte auch ihre Hand geführt, al« sie an fremdem Eigen tum sich vergriff. D>e Liebe! Nein! Es war etwa» Furchtbai e», Ent setzliche« gewesen. Ach, sie wußte es selbst nicht. Der Kopf, der arme Kops, der arme, arm« Kopf l Stunde auf Stunde verging, und noch immer lag da- Mädchen auf dem Erdboden. Da» Feuer im Ofen war erloschen. Mitternacht schlug e»! Plötzlich schreckte Mathilde empor. Die Hand der Mut ter, die sich langsam, tm Schlafe wohl, auf ihr Haupt geschoben, lastete immer schwerer und schwerer. Aber da hätte da« Mädchen ertragen. Doch wie Getstesodem, wie ein leiser Ruf war r« durch den Raum und an ihr Ohr geklungen: „Leb' wohl! Leb' wohl!" Sie Kürzte zur Lampe, schraubt« den Docht Heller empor uud neigte sich über die Mutter. Ihr Antlitz zeigt« noch da» liebe, freundliche Lächeln, aber kein Atemzug hob mehr die Brust, so still lag die Gut« da Die Mutter war tot! Mathilde erkannt« eie traurige Wahrheit nur zu bald. Sie preßte einen langen Kuß auf die bleichen Lippen. Sie weinte nicht mehr. Sanft war die Mutter entschlafen, eine Seligkeit «ar e« für Sre, nun vernahm sie doch nicht mehr der Tochter Schande. . . Lange, lange kniete das Mädchen noch vor dem Toten lager. Dann erhob es sich mit raschem Entschlüsse. Sie rückte aus dem Tische Papier und Tinte zurecht, und eilig flog bald die Feder über den weißen Bogen . . . Run «ar «s geschrieben. Doch al- oie Zeder der klei nen Hand entfiel, da war es auch mit der Selbstbeherr schung zu Ende. Mathilde weinte bitterlich. M't überströmenden Gefühlen la- Assessor Georg Wal ther am kommenden Morgen die nachstehenden Zeilen: Mein Geliebter! Laß mich zum letzten Male so dich nennen, verwehr« der armen, verzweifelnden Maihilde nicht die letzte Gunst. Am Sterbelager der Mutter, die nun den ewigen Schlaf schläft schreibe ich dir zum letzten Male. Du sollst die Wahr heit hören, die ich dir nicht zu gestehe» wagte. Du wtrst dann milder über mich urteilen . Du wußtest, daß wir kein Vermögen besaßen, ich ge stand e- dir, al» du mich fragtest, ob ich dein Weib wer den wollte. Ich wagte dir nicht alle» zu sagen, Geliebter au» Furcht, dich» zu verlieren, an dem meine ganze Seel hing. Wir waren arm, bettelarm. Nun weißt du e». fslDer Vater starb piötzlich ohne un» auch nur eine be« fchtidrne Summe zu.hinterlassen. Auf fremd« Unteriiüa tzung konnten wi> nicht »echnen. Und damit ou erimißk, «>r schämten uns, zu gestehe», daß wir so arm waren. (Fs)