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Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle« Klösterlein, Meder' u. Oberpfannenstiel, Lauter, Bockau Bernsbach nnd bte umliegenden Ortschaften. Srscheln« r. »ittwochS, Areita,» u. «ouutag«. MbonnementSpretS incl. der 3 weribvollen Beilagen vierteljLhrlich mit Bringerlohn 1 Mk. LV Pf. durch die Post 1 M. Ai Pf. Wit 3 illustrirteu Beiblättern: Deutsches Jamttienötatt, Hute Heister, Jeitspiegel. Beranttdvrtltcher Redakteur: Vmil Hegemeister in Lue (Erzgebirge). Redaktion u. Expedition: Nve, Marktstraß«. Inserat« die einspaltige Eorpnszeile IV'Pf«, die volle Seite 30, S/20, >/« S«. S Mk. bei Wiederholungen hoher Rabatt. Alle Postanstalten und LandbrieftrLger nehmen Bestellungen an. Freitag, den 22. September 1893. 6. Jahrgang. No. 112. „Bruder unsriges." Die Tschechen dürfen nicht darauf rechnen daß der Ausnahmezustand bald vorübergehen wird. Er wird be stehen bleiben, bi- das Jungtschechentum gezähmt ist. ES «ar weit gekommen in Prag. Der Stadtrat lag im ewi gen Hader mit dem Statthalter, und an den Stadtvätern nahm sich da« Volk ein Vorbild. Während der Pöbel in Glacehandschuhen in öffentlichen Versammlungen den Kai ser beleidigte und den Zar in hochverräterischer Weise feierte, riß der Pöbel in der Bluse kaiserliche Aufschriften ab, beschmutzte die Wappen und teerte die Briefkästen. Sehnlich ging es in Pilsen zu. Auch dieses wird vom Rachestrahl getroffen werden. Die Begehrlichkeit der Tschechen hat sich ein hohes Ziel gesteckt. Zwar liegt eS noch in weiter Ferne. Aber trotz dem arbeiten die WenzelSsöhne darauf los. Wien soll enttrutscht, soll slavisiert, soll die Hauptstadt eines gr»ßen mitteleuropäischen SlavenreicheS werden, das sich von den Kämmen des Riesen-, des Erz- und des Fichtelberger bis zu den Buchten des adriatischen Meeres erstrecken soll. DaS ist kein Phantasiegebilde. Schon trägt die Physiog nomie der Donaustadt manche slavischen Gesicht-züge. Im Kronland Niederöstreich haben die Tschechen sich im letzten Jahrzehnt um 53 Prozent vermehrt; in Hellen Haufen strömen tschechische Arbeitskräfte nach Wien selbst zu, ganze Stadtteile Wiens sind bereits vertjchecht. Geht der Zuzug so «eiter, so wird im 20. Jahrhundert Wien da- Schicksal von Krakau und Prag teilen, die früher auch deutsche Städte waren. Mit der Vertrauensseligkeit deS gutmütigen WienertumS da« sich mit denkfaulen Re densarten „Wien bleibt Wien", „Der Wiener geht nöt unter" selbst belügt, staut man die slavische Hochflut gewiß nicht. Bereit- seit 5 Jahrhunderten ist die Slavenwelt an der Arbeit, Oestreich zu entdeutfchen. Zuerst in den Hussitenkriegen erhoben sich die auf ihre geschlossenen Sprachgebiete im Innern Böhmens zurückgedrängten Tsche chen, um die Deutschen aurzurotten und die höhere deutsche Kultur auf ihre nieder« slavische zurückzudrängen. Schritt für Schritt haben seitdem die Deutschen Oestreichs an Macht, Einfluß und Gebiet verloren l ihre Einbußen an nationalem Besitzstand waren bald größer, bald geringer, aber ununterbrochen. Fast alles vereinigte sich, um den Deutschen nicht bloß ihre politische Zukunft abzuschneiden, sondern auch ihre Stammexistenz, ihr Sprachgebiet, ihren Einfluß zu verkümmern: Allenfalls gesteht man dem Deutschtum noch den Wert eines „KuiturdüngerS" im Osten zu. Verlassen von ihrem Adel, preisgegeben von ihren eigenen Priestern, geschwächt durch einen zuchtlosen großstädtischen Radikalismus, außerdem noch in sich zer splittert durch unfruchtbares Parteigezänk, vertrauensselig und oft ohne politischen Scharfblick, so — erblicken wir die Deutschen in Oestreich, Reißend bergab geht e» mit ihnen. Ueber den Kampf mit der Maschine schreibt der Volk-Wirtschaftler Corvey: „Im Erzgebirge sind die Nagelschmiederei, Herstellung von Blechlöffeln, die Steckkammfabrikation, die einst al- blühende Hausgewerbe dort betrieben wurden, als solche nahezu ganz durch die Maschinenarbeit aufgerieben. Fast ebenfo ergeht e- der hausindustriellen erzgebirgischen Bür stenbinderei und der einst hvchberühmten sächsischen Spi tzenklöppelei. Auch die Wirkerei wandelt sich mehr und mehr vom Hausgewerbe zur Fabrikindustrie um. Im Jahre 1863 gab eS in Sachsen noch 27000 HandkuUer- stühle und 500 Handk-tter.stühle, jetzt find etwa 12 bis 13000 mechanische Stühle vorhanden und tue Zahl der allen Handstühle ist auf 2 bi« 3000 zurückgegangen. In zahlreichen früher rein hau-gewerblichen Dörfern erheben sich jetzt große Fabrikanlagen. In Chemnitz wurde kürz lich eine Maschine in Betrieb gesetzt, die täglich 4 bis 5 Dutzend Strümpfe herstellt. Eine Arbeiterin kann 15 solcher Maschinen bedienen, also täglich 75 Dutzend Strümpfe liefern. No-H vor kurzer Zeil wurden in den Trikottalllen Fabriken die Knopflöcher von Arbeiterinnen gefertigt. Ein flinke- Mädchen nähte den Tag 2—300 Knopflöcher. Jetzt gelangt, wenn auch vereinzelt, «ine au« Amerika stammende Maschine zur Einführung, nut welcher ein Mädchen täglich 4000 Knopflöcher sertigstellt. Für die Fabrikation von Kammgarnstoff sind in Greiz, Gera, Reichenbach und Umgegend jetzt 30000 mechanische, aber nur noch 5000 Hanbstühle thätig, in der Fabrikation von Streichgarnwaren und Flanellen sind die Hanbstühle in der Reichenbacher Gegend bis aus 2500 zurückgegangen und 1200 mechanische Stühle haben die Arbeit übernom men. Ein feines Baumwollgewebe, „Kongreßstoff" ge kannt, wurde in Planen zuerst aus Handstühlen herge stellt, jetzt sind zur Anfertigung dieses Stoffes bereit-260 ! mechanische Stühle beschäftigt. Ebenfalls in Plauen hat man seit einiger Zeit Schiffchenstickmaschinen neuer Kon struktion aufgestellt, die durchschnittlich in der Woche 180000 Stiche liefern, während in derselben Zeit eine dreireihige Handstickmaschine nur etwa 10000 Stiche macht. Diesen Ausführungen wollen wir aus den neue sten sächsischen Handelskammerberichten noch hinzufügen, daß man auch in den Steinbrnchen die mechanischen An lagen zur Beförderung von SLutt und fertiger Ware er weitert hat und „überhaupt in ocn letzt«» Jahren mehr bestrebt gewesen ist, wo es gebt, die Handarbeit durch maschinelle Erweiterung zu ersetzen." Hierzu ist zu vermerken: die Neigung, die Handarbeit durch maschinelle Einrichtungen zu ersetzen, ist von jeher dagewesen, in früheren Jahrhunderten ebensowohl, wie jetzt, nur daß die Entwickelung im Zeitalter des Dampfe- und der Elektrizität natürlich ein« ungleich raschere ist. Die Maschine und eine solche ist in einem gewissen Sinne auch schon jede- einigermaßen vollkommene Handwerkszeug ist nicht eine Feindin, sondern eine Freundin, der Mensch heit; sie macht den Me ischen als Arbeiter auch nicht überflüssig, sondern erleichtert ihm nur seine Arbeit und weist ihm höhere Ausgaben zu. Grade in Sachsen hat die Einführung der Maschinen die Arbeiter nicht in eine schlimmere, sondern nur in >inc bessere Lage gebracht, der Wohlstand des Landes ist dadurch nicht zurückgegange», fonvern nur gestiegen. DaS Alles läßt sich in unwidtr- I-g.icher Weise durch Zahlen Nachweise». Ein schwere Uebergangszeit mag für einzelne Personen und Gewerbe dadurch herbeigesuhct sein, aber Krisen hat eS auch früher gegeben, und sie waren im einzelnen Falle bedenklicher als jetzi, weil weniger leicht Ersatz und .Hilfe geschafft werden konnte. Politische Nachrichten. Deutschland. Berlin, den 18. September. — Der Kaiser ist, nachdem er nunmehr auch die Stel lung eines Chefs bei dem in Mannheim uns Heidelberg (Nachdruck verdoten.f Ileuill'eLon. Aus dem Leben Napoleons I. teilt Professor Sulzbach mit. Napoleon war kein Freund der Etikette, d. h. so weit er sie beobachten sollte; er fügte sich ihr, wenn er du.ch die Gegenwart legitimer Fürsten sich um feiner selbst willen dazu gezwungen sah, oder sie ihn in seiner Beschäftigung oder Zeiteinteilung nicht Weiter störte. Man wußte dies von ihm, und seine Umgebung war über Verstöße gegen die Etikette nicht erstaunt. Aber einmal warf er, durch sein heftige- Temperament und seine Ungeduld ge trieben, ein vorher sorgsam auegearbeitet und sestgestellte« Fest-Zeremoniell über den Haufen, wie e» sicherlich noch nie vorgekommen ist und außerhalb aller Berechnung selbst der- jenigen lag, die an die Rücksichtslosigkeiten de« Kaisers ge- wöhnt waren. Es handelte sich um die Einholung der Kaiserin Marie Luise, deren Heirat durch Prokuration zu Wien am 11. März 1810 vollzogen war. Da- Zeremoniell der Einholung und der ersten Begegnung Napoleon« mit seiner jungen Gemahlin wurde sorgfältig zwischen ihm und dem Fürsten Schwarzenberg vereinbart. Nach diesen Abmachungen sollte der Empfang zwischen Eompiegne und SoissonS, zwei Meilen von dieser Stadt entfernt, in dort eigen« errichteten Zelten stattfinden. Vor den Zelten war rin weiter Platz durch «ine Barriere abgestrckt, der für die Wagen der Gefolg schaft der Majestäten Raum hatte. Der Kaiser sollte mit 6 wagen, begleitet von den Prinzen und Prinzessinnen seiner Familie, von Groß-Osfizieren und den Offizieren seine« Hau se« von Eompiegne abfah.en. Die in den Wagen keinen Platz fanden, sollten zu Pferde folgen. Abteilungen der Garde sollten den Zug eröffnen und schließen. Der Kaiser sollte in dem nach Eompiegne zu gelegenen ersten Zelte ab steigen, die Kaisei in in dem nach SoissonS zu gelegenen. Die Gefolgschaften sollten in diesen beiden Zelten zurückblei- ben, während bestimmt war, daß die Majestäten im mittleren Zelte sich treffen würden; in dessen Mitte war ein Kiffen niedergelegt, vor dem die Kaiserin dann stehen bleibt, sich verneigt, woraus dann der Kaiser sie aufrichtet und umarmt. Hierauf sollten dann dir Majestäten nebst den Prinzessinnen einen sechssitzigen Wagen besteigen und, von beiden Gefolg schaften, die sich zu einer zu vereinigen hatten, begleitet, nach Eompiegne fahren. Das war also alle« sein und hübsch geregelt, sogar Zeit und Ort de« ersten Kusses war vorge schrieben. AlS Napoleon nun erfahren hatte — eS war am 28. März — daß die Kaiserin Bitry verlassen, um nach SoissonS zu fahren, bestieg er mit dem König von Neapel eine Kalesche und fuhr inkognito und ohne Gefolge fort. Bei EourcelleS traf er den Zug der Kaiserin, unerkannt nähert sich ihm sein Wagen, der Leibjäger öffnet die Portiere, läßt da« Trittbrett herab und ruft; „Der Kaiser!" Dieser fällt Marie Luis«, die aus solche Galanterie nicht vorbereitet war, stürmisch um den Hals und befiehlt, sogleich im Galopp nach Eompiegne zu fahren. Was müssen die Herren Fest ordner an den Festzelten für Augen gemocht haben, als sie den Wagen an sich vorbei rollen und da« wohl vorbereitete Programm in- Wasser fallen sahen l Um 10 Uhr abends kam man in Eompiegne au; während der Tafel bemerkte man, daß der Kaiser seiner 17jährigen Semahltn einige Worte, dir von eine« bittenden Blicke begleitet waren, zu flüsterte, worauf dies« errötete und vor Erstaunen verstummte. E< war nämlich bestimmt, daß bi« zu« 1. April, dem Tage der kirchlichen Trauung, der Kaiser seine Wohnung außerhalb de» Schlöffe» nehmen sollte; abrr dieser war angeficht« der jungen blühenden Gattin mit dies« Bestimmung nicht zu ¬ frieden und wendete sich in seiner Bedrängnis an den ay» wesenden Kardinal Fesch, der ihm ja auch bei seiner Schei dung von Josephine so wesentliche Dienste geleistet hatte. So fragte er ihn jetzt in Gegenwart der Kaiserin: „Ist e- nicht so, daß wir jetzt schon al« verheiratet zu gellen haben?" „Gewiß, Sire," antwortete ter gefällige Onkel, der recht gut auf die Wünsche seines Neffen einzugehen verstand, aber um sich zu sichern, hinzusetzte: „Nach dem bürgerlichen Ge setze". Um diesen Zusatz kümmerte sich Napoleon herzlich wenig. Und er blieb in dem Schlosse. — Jüngst abends saß in Altona ein etwa 12jährigtS Schulmädchen nicht- ahnend, vor der Thür der elterlichen Wohnung, als ein vorübergehender Knabe plötzlich vor dem Gesichte des Kinde- einen Feuerwerkskörper entzündete. Der Schreck des Mädchens war ein so nachhaltiger, daß die Kleine von dem Augenblicke an die Sehkraft beider Augen saft ganz verlor. Trotz ärztlicher Hilfe ist sie noch nicht zu normaler Stärke zurückgekehrt. — Von einer „Familientragödie" giebt folgende« In serat in einer Berliner Vorortzeitung Kunde: „Ich er kläre hiermit, daß die Verlobung meiner Tochter Marie mit dem Kaufmann Herrn L. 5 Minuten vor der amt lichen Trauung ausgehoben wurde, indem der ehrenwert« Stiefvater des Herrn L. zu mir herantrat mit der Be merkung, daß es jetzt Zeit sei, daß ich mich darüber er kläre, welche Mitgift ich meiner Tochter grbe . . . Wenn mir die Daumschraube de- sehr ehrenwerten Herr» Stief vater« nicht paßte, und ich dem ehrenwerten Herrn Stief vater die Thür wie«, so glaube ich als Ehrenmann gehan delt zu haben." Da- Inserat ist mit der genauen Adresse de« Einsender« unterzeichnet. — Eheliche Zärtlichkeit. Artemist-, Königin vom Ka rten, berühmt durch da- al« Weltwunder de» Altertum« geltende, ihrem Gatten Mausvlu« zu Halikarnassos g«.