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Der sächsische Erzähler : 02.10.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192510023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19251002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19251002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-10
- Tag 1925-10-02
-
Monat
1925-10
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 02.10.1925
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sprechung untergraben unv dadurch unendlich mehr Schaden al» Nutzen gestiftet. Die Stellung der Mieterbeisitzer kam in nach stehender Erklärung zum Ausdruck: Nachdem die Recht sprechung der Beschwerde-Instanz immer mehr zu einer Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen gekommen ist, die eine tatsächliche Nachprüfung der Fälle bedeutet, in denen Härten auszumerzen sind, und nachdem auch eine möglichst elastische Fassung der Gesetze als wünschenswert sestaestellt ist, soweit es sich um die Begriffe von Unbilligkeit, wichtigem Grund u. dergl. handelt, sind die höheren Instanzen in Wirk lichkeit allmählich zu Tatsachen — Instanzen — geworden: daraus folgt aber, daß auch in diesen Instanzen die Mitwir kung der Laienbesitzer unbedingt erforderlich ist. Die Forderung an die künftige Gesetzgebung geht also auf die Schaffung von M i e t g e r i ch t e n, Landes- Mietgerichten und eines Reichs mietgerichtes nach Art der vorgeschlagenen Arbeitsgerichtsbarkeit. Gegen stand dieser Gerichtsbarkeit sind nicht nur die Räumungs klagen, sondern auch die Reparatur- und sonstigen Hausstrei tigkeiten zwischen Vermieter und Mieter, sowie auch die Mietzinsklogen, da auf diesen Gebieten ein Bedürfnis nach brschlcuniger Erledigung der Streitigkeiten besteht. Die Versorgung der Kriegs beschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterbliebenen. Lo» der Kreisleitung Bautzen des Ncichsbundes der Kriegs- keschädigtcn, Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterbliebenen wird uns geschrieben: Kaum hatte der Reichstag die geringfügigen Aenderungen am Versorgungsgesetz vorgenommcn, so posaunte schon die Reichsregie rung in alle Welt hinaus, daß im Rcichshaushalt vor allen Dingen deshalb erneute Ebbe eintrcte, weil die Versorgung der Kriegsopfer so furchtbar viel Geld verschlingt. Nach der „Deutsche» Allgemeinen Zeitung" vom 8. August ds. Js. hat der Reichssinanzminister von Schlicken in der Aussprache zur dritten Lesung der Steuergesetze angeführt, daß allein die lausende Ausgabe für die Versorgung der Kriegerhinterbliebeuen und Kriegsbeschädigten ein Viertel des Etats betrage. Früher hat der Finanzminister gesagt, 40 Prozent der fortdauernden ordentlichen Ausgaben entfielen auf die Versor gung der Kriegsopfer. Aehnlichc Auslassungen ergingen im Jahre 1924. Damals hätten die Ausgaben für den genanntcu Zweck ein Achtel der fortdauernden cnHcntlichen Ausgaben des Reiches in Anspruch genommen. Wenn das der deutsche Staatsbürger in seinem Morgenblättchcn liest und außerdem nach steuerlichen Pressemeldungen aus dem Ministerium erfährt, daß die Grund rente für die Kriegsbeschädigten allgemein eine Aufbesserung von ä<l Prozent erfahren hätte, so darf es niemand wundernehmen, wenn tatsächlich der Glaube im deutschen Volke entsteht: die Ver sorgung der Kriegsopfer muß ja geradezu glänzend geworden sein. Das ist aber nicht der Fall. Die Ausgaben für die Versorgung der Kriegsopfer umfassen zunächst nicht nur die Reuten für die Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebeuen allein, sondern cs sind darin neben anderen Positionen auch noch die nicht unbeträcht lichen Gesamtausgaben für die Pensionen der früheren aktiven Offiziere und ihre Hinterbliebenen enthalten. Sodann aber ist zu beachten, daß die Gesamtausgaben des Reiches vor allem die Kriegslasten und den.außerordentlichen Haushalt einschlicßen. Erst nach Abzug dieser Summen kommt man auf die „fortdauernden ordentlichen Ausgaben" des Reiches, von denen die Gesamtvcrsar- gung der Kriegsopfer fetzt ein Viertel betragen soll. Das ist denn doch ein wesentlicher Unterschied gegenüber phantastischen Angaben im Rahmen der Gesamtausgaben. Was bedeutet denn die soeben beschlossene „Erhöhung" der Versargungsgebührnisse? Für den Einzelnen gewiß nur eine nach Zittern bemerkbare Veränderung. Ihrem Werte nach, jedoch ist diese Veränderung durch die Ablehnung aller von den Oppositions parteien, insbesondere unserem Kameraden Roßmann, «ingebrach- ten Aerbesserungsonträgen im Reichstag gleich Rull. Rur Leicht- beschädigte und kinderlose Witwen, denen die ergänzende Versor gung m den allerseltensten Fällen zur Seit« steht, erhalt«, diejeni gen Verbesserungen Ihrer Bezüge, von der in der Regel nach außen hin gesprochen wird. Wer aber infolge eine» äußerst gering be messenen Einkommens auf die ergänzende Versorgung angewiesen ist, dem wird diese soweit herabgesetzt, daß diese Gesamterhöhung der jetzigen monatlichen Bersoxgungsgebührnisse, um mit den Wor ten des Regierungsvertreters im Reichstag zu sprechen, in keinem Fall eine Minderung bedeutet. Eine nennenswerte „Erhöhung" kommt dabei jedoch nicht heraus. Einige Beispiele: Ein Vollerwerbsunsähiger 'in Ortsklasse L erhielt vor der Erhöhung 43,20 «A, jetzt 48,65 zieht man nun die um 3,50 gekürzte Zusatzrente bei der „Erhöhung" ab, so bleiben ganze 1,95 -4t für einen Erwerbsunfähigen von der Er- Höhung. Eine erwerbsunsähige Witwe erhielt vor der Erhöhung 26 -4t, jetzt 29,25 -4t; zieht man hiervon die um 2,40 -4t gekürzte Zusatz rente ab, so bleiben für eine Witwe ohne Kinder von der „Er- Höhung" ganze 2,40 Ul. Ein Elternpaar erhielt vor der „Erhöhung" an Rente 21 HO Mark und erhält jetzt 24F5 zieht man hiervon die um 2Z5 -4t gekürzte Zusatzrente ab, so bleiben ganze 0,40 Ut Rentenerhöhung. Es ist also nicht so rosig bestellt um die Lage der Kriegsbe schädigten und Kriegerhinterbliebenen im allgemeinen, insbeson dere aber um die, die nur auf Renten angewiesen sind; dies sind aber wohl ausnahmslos unsere Clternrentner. Sowie deren oft nur zu geringen Ncbeneinnahmen die gesetzlich sestgelegten Ein kommensgrenzen überschreiten, wird rücksichtslos zur Einstellung der Rente geschritten. Nun, die Kurzsichtigkeit der Regierungsparteien bei der Ver abschiedung des Abänderungsgesetzes wird sich bitter rächen. Den ken wir an die letzten weiteren Verhandlungen des Reichstages über die Zollvorlage, die sehr oft zu stürmischen Auseinander- setzungen führten, wie sie das Parlament noch nie erlebte und trotz verzweifelter Gegenwehr der Vertreter der minderbemittelten Kreise, wurde die Vorlage angenommen und die schon bisher ge stiegenen Preise werden lustig weiter nach oben klettern. Daneben hat der Reichstag noch weitere einschneidende Steuer vorlagen verabschiedet. Die bösartigste aller bisherigen indirekten Steuern, die Umsatzsteuer, die oftmals vom Einzelläufer auf ein und denselben Gegenstand mehrfach entrichtet werden muß, ist fast unverünikert stehen geblieben. Auch das Lohnsteuerabzugsversah- rcn hat ab 1. Oktober eine Aenderung erfahren, die für einen Teil der Lohn- und Gehaltsempfänger eine erneute Belastung bedeu tet. Die Kriegsopfer denken mit Schrecken daran, in welcher Weise noch an den Bezügen gespart werden soll, um alle die steigenden Ausgaben zu decken. Dabei ist noch unberücksichtigt gebliebe», daß auch das Wohae» mehr und inehr zum Luxus gestempelt wird. Soll nun dadurch vielleicht die Beruhigung unter den Verso» gvngsbcrcchtigten eintreten, die die Regierung mit der Verabschie dung der Novelle erhoffte? In zahlreiche» Zuschriften aus dem ganzen Reiche gehen jetzt schon den Zentralen der Kriegsopferverbände entrüstete Protest rufe zu. Aus allen Zuschriften aber tönt der Ruf heraus: Nun erst recht und mit unverminderter Kraft unverrückbar weiter ge kämpft um das hohe Ziel der Erreichung einer ausreichenden, den Tcucrunasverhältnissen angepaßten Versorgung! Meißner, früherer Syndikus de« verband«» Sächsischer Industrieller, verhaftet und dem Untersuchungigefänani, zugeführt worden. Beide Herren bekleideten eine Eyrenstell» Innerhalb der Verwaltung de» „Sächsischen Bolksopfer» > einer Organisation zur Betreuung der Kriegshinterbliebe nen. Bei einer plötzlichen Revision des Kassenbestandes des „Sächsischen Voltsopfers" soll ein Fehlbetrag von 80 000 «4t entdeckt worden sein. Dresden. 30. Sept. (Drahtb.) Zu den Veröffentlichun gen über angebliche Unterschlagungen beim Sächsischen Dolksopfer erfährt der tsä. von unterrichteter Seite, daß zwar ein Verfahren gegen Major a. D. LSffler und Dr. Meißner «ingeleitet worden ist. Nach dem jetzigen Stand der Untersuchung läßt sich über die Schuldsrage nur soviel sagen, daß Dr. Meißner es lediglich an der ihm obliegenden Kontrolle hat fehlen lassen und daß er sich vergeblich bemüht hat, vorhandene reiche Vermögenswerte zur Deckung des Defizits zu realisieren. Das Volksopfer dürfte volle Deckung erhalten und eine Schädigung Dritter ausgeschlossen sein. Zu den an den Vorfall geknüpften Vermutungen und Er- örterungen Stellung zu nehmen, ist müßig, da die Unter suchung mit peinlicher Sorgfalt geführt und bald volle Klar heit schaffen wird. Don einem flotten, die Verhältnisse über steigenden Leben der in Hast Befindlichen kann keineswegs gesprochen werden. Eine schulpolitische Schrift von grundlegender Bedeutung. Dresden, 1. Oktober. Eine schulpoltttsche Schrift von grund legender Bedeutung hat der als Schulpolitiker bekannte Dresdner Stadtschulrat Dr. W. Hartnacke in diesen Tagen unter dem Titel „Organische Schulgestaltung" als Manuskript gedruckt erscheinen lassen. Sie ist entstanden aus einem Vortrag, den der Verfasser im Juni ds. Js. auf der Tagung der Schulvereinigung. Deutscher Städte in Danzig gehalten hat und der schon von den Teilnehmern dieser Tagung als eine Tat begrüßt wurde. Hart- nacke prüft die Fragen der Schulorganisation und der Erneuerung des höheren Schulwesens klar und folgerichtig an den Ergebnissen der Völkerbiologie und der Begabtensorschung. Er räumt scho- nungslos mit allerlei Schlagworten und falschen Grundanschauun gen auf, die namentlich während der letzten Jahre die deutsche Schulpolitik verhängnisvoll beherrscht haben. Hohe Begabungen ind auf die verschiedenen Schichten des Volkes nicht gleichmäßig verteilt. Sie finden sich unter den Kindern der geistig füh renden Schichten (darunter auch der Volksschullehrer) unver hältnismäßig häufiger — nach amerikanischen Forschern 400 mal o häufig — als unter den Kindern etwa der ungelernten oder angelernten Arbeiterschaft. Die Höchstbegabungen sind für die Volkszukunst der wichtigste und entscheidende Volksteil, auch» weil ie Träger der wertvollsten geistigen Vererbungsmassen für ihre Nachkommenschaften sind. Sie mit allen Mitteln zu fördern, ist eine Hauptaufgabe der Schulpolitik. Das steht im Gegensatz zu den auf diesen» Gebiet nicht selten wirksam gewordenen Bestrebungen, die in der Hauptsache auf eine Niederhaltung des Nachwuchses der beneideten Schichten hinauslaufen. Dies ist zugleich im höchsten Sinne unsozial, denn sozial ist, was dem Ganzen frommt. Das GaiM aber steht und fällt mit dem, was die geistig Führenden geben können. Aus Sachsen. Unterschlagungen beim „Sächsischen Bolksopfer". Dresden, 1. Oktober. Wegen Verdachts der Unterschla gung und groben Vertrauensbruchs sind, wie die „Sächsische Stacitszeitung" mitteilt, der Major a. D. Löffler und Dr. Dresden, 1. Oktober. Reichs wirtschafisminifier Dr. Neuhaus ist mit seiner Gemahlin zu längerem Aufenthalt in Lahmanns Sanatorium in Dresden-Weißer Hirsch einge troffen. x Dresden, 1. Oktober. 10jährige» Jubiläum des Ober bürgermeifiers Dr. Dlüher. Vor Eintritt in die Tagesord nung der letzten Gesamtratssitzung gedachte Bürgermeister Dr. Külz des Umstandes, daß mit dieser Sitzung 10 Jahre Das Verschmähte Gemälde. Skizze non Hildegard Diel. Maler Torwald saß vergnügt vor einem eben vollende ten Gemälde. Die unverkauften Bilder in seinem Atelier hatten sich in letzter Zeit gehäuft und init ihnen seine mate riellen Sorgen. Aber nun lachte endlich einmal wieder eine olle Sorgen überstrahlende Hoffnungsfonne von der Staf felei. Zwar hatte der Eisenhändler Scheinwert, seiner Ge schäftstüchtigkeit gemäß, den Ankauf des Bildes nur in Aussicht gestellt: aber die in leisein Licht gehaltene „Abend- itimmung" war ja so meisterhaft gelungen, daß sie noch ein viel intensiveres .Kunstverständnis als das des Herrn Scheinwert befriedigen konnte. Der Ankauf für tausend Mark war also so gut wie sicher. Tausend Mark! Was für herrliche Luftschlösser ließen sich damit bauen! — Dreihundert Mark sollte die um ihr ganzes Vermögen gekommene Mutter daheim iin Schwarz wald haben — er sah schon, wie ihr die Freudenträncn unter der Brille hervor auf den Postabschnitt tropften — und die übrigen siebenhundert würde man selbst schon unterbringen — viel zu leicht nur . . . Ein schrilles Hupen riß jäh seine Luftschlösser nieder. Ein paar Minuten später stampfte Fainilie Scheinwert laut und gewichtig ins Atelier herein. Voran die Gattin des Eisenhändlers, eine hochelegant beschneiderte Walküren gestalt. dann der Hausherr breit und gedrungen, gefolgt van einem ihm figürlich nacheifernden Backfisch, dann noch ein kleines, etwa sechsjähriges Herrchen in Hellem Seiden mäntelchen und gleichfarbigen Lederhandschuhen, die sofort auf das nom feuchte Gemälde griffen — und endlich, sehr schlicht, eine 'chlanke, leichte Erscheinung: die Erzieherin. Frau Scheinwert stellte sich sofort, den Gatten zur Seite schiebend und dir Bitte des Künstlers, etwas zurück zu tre ten, unbeachtet lastend, dicht vor das Bild, prüfte cs bald von der einen, bald von der anderen Seite, kniff ein Auge zu und blinzelte gleichzeitig mit dem andern durch die zu einem Fernrohr gerundete Hand, zog die Stirn in immer tiefere Fairen und verkündete endlich als Ergebnis ihrer vielfachen Betrachtung:,, An sich ja ein ganz nettes Bild. Aber für unfern blauen Salon scheint es mir doch nicht ge eignet. Ist mir zu mott. Eine sehr kunstverständige Be kannte sagte mir erst gestern wieder, in ein blaues Zimmer dürfte man nur Bilder in lebhaften Farben hängen. Es tut mir ja leid um Ihre Mühe: aber vielleicht werden Sie das Bild noch anderweitig las. Wir hatten uns ja noch nicht verpflichtet, es unbedingt obzunehmen. Nein, es paßt wirklich nicht. Meinst du nicht auch, Emil?" Emil Scheinwert, zu ehelichem Gehorsam erzogen, meinte das natürlich auch und jüglc noch höflich hinzu: „Sie werden verstehen, daß man sich einen Wertgegenstand von tausend Mark nur kaust, wenn er einem unbedingt gefällt." Freilich verstand das der Künstler. Aber die Ent täuschung lähmte doch derart, daß er nicht einmal den Versuch machte, das Kunstverständnis und damit die Kauf lust der Familie Scheinwert durch die Erklärung zu heben, daß gerade die gedämpften Töne den künstlerischen Reiz des Bildes ousmachten und in einem blau gehaltenen Zim mer ganz besonders stimmungsvoll wirken mußten. Es kam ihm auch nicht der Gedanke, der nach lebhaften Far ben verlangenden Frau Scheinwert ein wunderbar leuch tendes Herbstbild zu zeigen. Er dachte überhaupt nichts mehr, starrte nur stumm und finster auf die fremden, ver ständnislosen Menschen. Da traf sein Kllnstlerauge plötzlich ein lebendes Bild von so wunderbarer Lieblichkeit, daß er ein paar Minuten lang selbst die finstere Enttäuschung darüber vergaß. Die lichte Erscheinung der im Schatten des Hintergrunds stehen den Erzieherin, deren klare blaugraue Augen so andachts voll auf der Abendstimmung ruhten, als beteten sie. Un willkürlich hob er die Hand, als wollte er die feinen Ge sichtszüge nachzeichnen, die beseelten Augen festhalten — aber da wendete sie gerade den Kopf und schaute ihn an. Und in diesen Augenblicken redeten ihre Blicke zueinander. „Du großer Künstler," sagten die ihren. Und die seinen antworteten leuchtend: „Ich danke dir ..." In der Dämmerstunde desselben Tages schwankten Maler Torwalds Gedanken unablässig zwischen dem ver schmähten Bilde und der lichten Frauengestalt, deren Blick so andächtig darauf geruht. Und dann stand sie auf eininal in Wirklichkeit vor ihm und ihre klaren Augen leuchteten diesmal wie frohe Dcr- heißungssternc. „Ich heiße Gertrud Echt und komme, um Ihnen einen Vorschlag zu machen. Eiligst, denn ich habe nicht viel Zeit. Sie haben sich gewiß gewundert, daß ich Scheinwerts heute morgen nicht zum Ankauf dieses wun derbaren Gemäldes geraten habe. Aber ich wollte nicht, daß sie es zu einem so entwürdigenden Preise bekämen. Sie solle»» cs kaufen, aber mindestens zehnmal so viel da für bezahlen. Denn es ist es wert. Sie brauchen mir das Bild nur eil» paar Tage zu überlassen, dann will ich die Sache schon machen." Werner Torwald starrte ungläubig lächelnd auf das liebliche Gesicht, in dessen Augen jetzt eine straffe Energie stand. „Ja, aber wie iir aller Welt wollen Sie das anstellen, gnädiges Fräulein?" „Klug wie die Schlangen," erwiderte sie mit schalkhaf tem Lächeln. „Im übrigen überlassen Sie das mir. Ich habe einen amerikanischen Vetter. Der hat zwar nicht viel Geld, aber es wird ihm Spaß machen, mir mal bei einem Streich zum Besten der Kunst zu Helsen. Außerdem Freunde, die ich schon verständigt habe. Die großen Künst ler haben ja meist kein Handeltalent. Sollten sich darum immer mit einem kaufmännischen Freund associieren." Bei den letzten Worten hatte sie das Gemälde bereits ergriffen, hüllte es in ein erspähtes Tuch, klemmte es unter den Arm und ging mit einem „Aus frohes Wiedersehen" davon. Und ließ ein Leuchten in Werner Torwalds Seele zurück. An eine»» Erfolg ihres Handelsunternehmens ver mochte er jedoch nicht zu glauben. — Ein paar Tage später las Emil Scheinwert seiner Gattin folgendes Schreiben vor: Sehr geehrter Herr, wie ich hörte, haben Sie das letzte Torwald'sche Gemälde „Abendstimmung" gekauft. Da ich größten Wert darauf lege, das wunderbare Bild des kürz lich so berühmt gewordenen Künstlers für meine Samm lung zu erwerben, erlaube ich mir die unverbindliche An frage, ob Sie es mir eventuell für fünfzehntausend Mark überlassen würden. Hochachtungsvoll M. Marsen, z. Zt. Starnberg. Frau Scheinwert wurde blaß vor Reue. „Hätten wir's doch gekauft — ! Da hättest du mal ein feines Geschäft machen können. — Aber du hast dich jo absolut nicht dafür interessiert. —" Emil Scheinwert lachte schallend: „Um so mehr bin ichs jetzt — wird in den paar Tagen nicht verkauft sein." Und die gerade eintretende Erzieherin erhielt sofort den Auftrag, augenblicklich in das Torwald'sche Atelier zu fahren und das Bild zu holen. Aber Gertrud Echt schüttelte den Kopf. Das Bild haben bereits Bekannte von mir ge kauft. Es soll übrigens sehr wertvoll sein. Ein Kunsthänd ler hat ihnen bereits schon achttausend Mark dafür geboten. Aber unter zehntausend wollen sie es ihm nicht hergeben." , Emil Scheinwerts Gesicht zog sich verdutzt in die Länge. Gleichzeitig kalkulierte seine Geschäftsseele: zehn tausend — und der Kunftnarr Marsen will fünfzehntausend dafür geben — macht fünftausend Verdienst ohne Arbeit — wird gemacht. Gertrud Echt wurde in den nächsten Stunden mit Lie benswürdigkeiten überschüttet und brachte noch am selbigen Abend die Einwilligung ihrer Bekannten, dos Bild für zehntausend Mark zu verkaufen. Tags darauf hielt sie Werner Torwald die Summe vor die freudeerschrockenen Augen. Er starrte sie an wie eine Engelserscheinung. „Sie sind ja eine Zauberfee!" Und dann riß er Plötzlich jubelnd Vie Scheine an sich. „Zehntausend Mark! Donnerwetter nochmal, darauf kann man ja heiraten — " Und do Gertrud Echt auch der Meinung war, daß die Summe, wenn man die Torwald'sche Künstlerhand und die eigene geschäftliche Begabung dazurechnete, zu einem sol chen Unternehmen reichen würde, haben sich die Beiden ein paar Monate später eheossociiert. Dem zum ersten Male im Leben überlisteten Herrn Scheinwert aber hat Herr Marsen auf di« sofortige Bereit- Willigkeitserklärung, das Bild zu verkaufen, geantwortet, daß er infolge plötzlicher geschäftlicher Verluste leider nicht mehr in der Lage sei, das Gemälde zu erwerben. Und al» der erschrockene Herr Scheinwert ihn empört dazu nötigen wollte, schrieb er kurz zurück: „Ich hatte den Ankauf zwa» in Aussicht gestellt, mich aber durch«» atcht dog« ne» pflichtet."
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