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Der sächsische Erzähler : 10.09.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192509109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19250910
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19250910
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-09
- Tag 1925-09-10
-
Monat
1925-09
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 10.09.1925
- Autor
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16jährige Schüler, die Angehörige de« Sahlhelm« bezw. der Brigade Ehrhardt waren, verhaftet, insgesamt 33 Mann. In der von den stanzösischen Kriminalbeamten geführten Voruntersuchung erging cs «ns schlecht. Als wir durch Ver sprechungen nicht zu bewegen waren, unsere Führer zu ver raten, griffen unsere Peiniger zum mittelalterlichen Ver- ianren. wir wurden geschlagen, mit Zuchthaus und Zwangsarbeit in Algier bedroht, und schließlich legte man mehreren Gefangenen, darunter auch mir, Da umschrau ben an, die solange angezogen wurden, bis das Blut aus den Fingern spritzt e." Nachdem Herr Bögelin seine Verurteilung zu drei Jah ren Gefängnis beschreibt, geht er auf die Behandlung der Gefangenen ein. Es ist gut, sich der viehischen Grausam' teilen, die an den wehrlosen Gefangenen ständig begangen wurden, zu erinnern: „In der ersten Zeit," heißt cs in dem ,.Stahlhelm"-Auf- satz, „wurden mir noch als gemeine Verbrecher behandelt. Mit dem Beginn der Nuhraktion begann dann aber unsere schlimmste Leidenszeit. Am 6. März 1923 erfolgte unsere üebersührung mit einer Anzahl verurteilter Bürgermeister, Polizei- und anderer Beamten nach Zweibrücken. Die Be handlung auf dem Transport dorthin, der zwei Tage und zwei Nächte dauerte, war eine menschenunwürdige. An Nahrungsmiltein hatten mir nur die uns vom Roten Kreuz mitgcgebenen Butterbrote, selbst Wasser murde ver weigert. Erst auf dem Bahnhof Mainz nach ISstündiger Fahrt erhielten mir ans erneutes dringendes Bitten nach weiteren Schwierigkeiten und unter Schlägen und Tritten Tnukwasser. Auf dem dunklen Bahnhof Zwei brücken mitten in der Nacht angekommen, wurden wir mit Peitschen aus de» Waggons h c r a u s g e s ch I a g e n und unter sehr startcr Bewachung von Gendarmen und Marokkanern zur Strafanstalt gebracht. Ohne Speise und Trank zu erhalten, wurden wir nach vorheriger sehr klein licher Leibesvisitation in die dunklen Zellen hineingestoßen. Mit den .Händen tastend, mußten wir unser Lager suchen. Ich stieß dabei an meinen Wasserkrug, der zerbrach. Dafür bekam ich am anderen Morgen vier Tage Arrest. Auf meine Beschwerde wurde diese Strafe in acht Tage umgewandelt, und außerdem erhielt ich noch weitere vier Tage wegen un begründeter Beschwerden. In Zweibrücken war die Behand lung erst recht unmenschlich und unerträglich, schwere Mißhandlungen waren an der Tagesord nung, das Essen murde in schmutzigen, verrosteten Ge schirren verabreicht und war fast ungenießbar." — Der 100. Geburtstag des Herzogs Georg ll. am 2. April 1926 sott in Meiningen durch eine groß angelegte künstlerische Feier, die sich über eine ganze Woche erstreckt, festlich begangen werden. Es ist die Aufstellung eines Denkmals am Theater geplant, ein Theater- museum soll eingeweiht werden, am Grabe des Verewig ten sott eine Traucrseier stattsinden, und das Theater selbst wird mit der Aufführung von „Julius Cäsar" in Alt- Meininger Ausstattung einer Neueinstudierung des Shake- spearcschen Dramas „Toilus und Cressida", von Herzog Georg selbst in Szene aeseßk, «S MWk WM gvi an,gewähl ter musikalischer Darbietungen den Hauptanteil an dieser großzügig gedachten Ehrung tragen. Ein Ausschuß unter dem Vorsitz des Intendanten FrunzNuchbaur hat sich gebildet, der die nötigen Vorarbeiten leisten soll. Es ist zu erwarten, daß der demnächst an alle Sachsen-Meininger an alle Thüringer, an alle Theaterfreunde in aller Welt gehende Aufruf einen freudigen Widerhall findet. — Der Scheiterhaufen sür Brandstifter. Theorie und Praxis sind nicht immer leicht zu vereinigen und ungeachtet der allgemeinen prinzipiell humanen Einstellung zu Straf rechtsfragen, konnte man in den letzten Tagen von der em pörten und aufs äußerste beunrichigten Bevölkerung der von Brandstiftern helmgesuchten Berliner Stadtteile oft ge nug hören, daß die einzig richtige Strafe für die Brandstif ter der Tod in den von ihnen entzündeten Flammen sei. — Es überrascht, zu erfahren, daß tatsächlich noch im Jahre 1813 zum letzten Male Brandstifter mit dieser mittelalter lichen Strafe ihre Verbrechen haben sühnen müssen. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau, die überführt waren, gemeinschaftlich mehr als -15 Brandstiftungen in Preußen, Sachsen und Oesterreich begangen zu haben, in der Absicht, bei Gelegenheit des Brandes zu stehlen. Dabei hatten sie sechs Menschen ermordet und einen Schaden von dreihundert Talern angerichtet. Das Urteil lautete, „daß sie zur Richtstätte zu schleifen und allda mit dem Feuer vom Le ben zum Tode zu bringen seien". Die Deliquenten wurden im offenen Wagen von der Stadtvogtei am Molkenmarkt zur Richtstätte hinansgebracht. Dort wurden sie Rücken an Rücken auf eine auf den Boden ausgebreitete Kuhhaut ge setzt und so bis zu dem Holzstoß geschleift und an zwei über ihnen hinansragende Pfähle gebunden, nachdem man ihnen eine Kappe über das Gesicht gezogen hatte. Bald verschwan den sie in den angefachten Flannnenwirbel. Trotz der da mals politisch so bewegten Zeit hatte sich halb Berlin von den höchsten bis zu den niedersten Ständen eingesunden, mn Zeuge des Schauspiels zu sein. — Slurmunwetter auf der Nordsee. Der nun schon eine Woche lang anhaltende starke Sturm, der von Regen böen begleitet ist, macht der Schiffahrt auf der Ostsee schwer zu schaffen. Viele Dampfer haben bereits Nothäsen ange laufen. Dem im hiesigen Hafen eingelaufenen Hamburger Dampfer „Maron", der eine Ladung .Heringe in Fässern von Schottland brachte, sind von den überstürzenden Wogen 125 Faß Heringe der Decklast über Bord gespült worden. Der Stettiner Dampfer „Nordland," der mit Passagieren von Riga kam, hatte wegen des Sturmes neun Stunde» Ver spätung. Bei Bornholrg und Helga liegen viele Schiffe, mn besseres Wetter abznworten. Auch in Swinemünde liegen mehr als zwanzig Dampfer und Segler, die wegen -es Stur mes nicht anssahren können. — Im Streike erdrosselk. Der 41jährige seit längerer Zeit arbeitslose Tischler Bretzel in Berlin wurde gestern früh von seiner Frau im Verlaufe einer tätlichen Auseinander setzung erdrosselt. Die Frau gab der Polizei gegenüber an, ihr betrunkener Mann habe sie mit einem Schlächtermesser bedroht und bei dem sich entspinnenden Ringkampf habe sie ihrem zu Boden gefallenen Manne eine. Schnur mehrmals MN den Hat« geschlungen, MN ihn kampfunfähig zu machen. Di« Absicht, ihren Mann zu töten, bestreitet die Frau. — Lebendig verbrannt. In der Nacht zum Montag brannte bei Iauer eine Feldscheune mit etwa 15V Zentnern Stroh nieder, Bei den Aufräumungsarbeiten fand man die verkohlten Ueberreste einer männlichen Leiche. Der Ver brannte wurde als ein 68jähriger Arbeiter aus Iauer fest- gestellt. — Die Affaire Lampersbach aufgeklärt. Der mysteriöse Tod des Dienstmädchens Lampersbach, das aus dem D-Zu- ge Holland—Berlin stürzte, ist nun aufgeklärt. Einwand frei wurde Selbstmord festgestellt. Die holländische Krimi nalpolizei hat in Erfahrung gebracht, daß sich die Tote be reits zweimal einer Kopsoperation hatte unterziehen müssen. Das Mädchen mußte in einem Anfall von Versal» gungswahn aus dem Zuge gesprungen sein. — Blutrache in Bayern. Ein neunzehnjähriger sungee Mann in Steinberg in Niederbayern tütete seine Tante, weil diese mit der Ermordung seines Vaters in ursächlichem Zu sammenhang stand. Ein naher Verwandter der Ermordeten beschloß darauf, an dem Mörder gleichfalls Blutrache zu nehmen. Da dieser ihm aber nicht zugänglich war, weil er sofort in Haft genommen war, lauerte er einem Verwand ten des Mörders, der mit der Tat in gar keinem Zusammen hang stand, auf und erschlug ihn. Nun wäre nach dem Ge setz der Blutrache wieder die andere Seite an der Reihe. Man versteht es, daß die Blutrache in früheren Zeit« ganze Geschlechter ausgerottet hat. — Tragischer Ausgang eines ttebesverhSlttckff«. Die ser Tage wollte der ledige Hilfsarbeiter Joseph Krapfel in Ludwigsthal (Bayern) seiner Geliebten einen nächtlichen Besuch abstatten. Er wurde aber von 2 Grenzbeamten bei seinem Vorhaben gestört. Vermutlich, mn nicht erkannt zu werden, lief Krapfel davon. Da er den Haltrusen nicht Folge leistete, feuerte einer der Beamten einen Schuß ab. Am Morgen sand man Krapfel mit einem Lungrnschrch tot auf. — Eia Mädchen lebendig verbrannt. In Krinsito in Böhmen kam die 12jährige Schülerin Anna Tazlik mit ihrem aufgelösten, üppigem, aber angefettetem Haare dem Ofen feuer zu nahe. Im Nu stand ihr Oberkörper in Flammen gehüllt und bevor das Mädchen den Brunnen auf dem Dorf platz erreichte, dein es entsetzlich schreiend zueilend, brach es zusammen. Da auch die Kleider Feuer gefangen hatten, waren die Brandwunden des Kindes so furchtbar, daß dieses bald darauf verschied. — von Mädchenhändlern. Zu einem Mädchen, H>m> einige Wochen in Holland in Stellung war, kamen zwei holländische Herren, angeblich Apotheker, um das Mädchen wieder nach Holland zu holen. Eine 17jährige Nachbars tochter, die gerade in Leipzig einen Dienst antreten wollte, wußten sie in Merseburg abzufangeu und mit sich zu bube«. Die Eltern sind seit drei Wochen ohne Nachricht; die Unter suchung ist eingeleitet. — 37 Stück Vieh von der weide gestohlen! Nr dbr Nacht zum Montag wurde von einer Weide des RittergHktes Protzen im Kreise Nen-Ruppin 37 Stück Iungvi^ gestohlen. Pläne der Dresdner Staatsoper sür die Spielzeit 1N25 26. Für die Spielzeit 192.6/26 hat die künstlerische Leitung der Dresdner Staatsoper nunmehr !> Werke zur Uraufführung erwor- Ucu. Bon diesen kommen zunächst im Herbst dieses Jahres heraus: „Der Protagonist", ein Akt Oper von Georg Kaiser, Musik von Kurt Weill, unter musikalischer Leitung von Fritz Busch und Spiel leitung van Joses Gielen; danach .Hochzeit im Fasching" von Eduard Poldini (deutsche Uraufführung) unter musikalischer Lei tung von Hermann Kutzschbach und in der Inszenierung von Alois Mora. Es folgen im Lause der Spielzeit „Die Hochzeit des Mönchs", Dichtung von Arthur Ostermann, Musik v. Alfred Schatt mann: „Penthenfiiea", nach dem Drama von Kleist, von Othmar Schoeck; „Turandot" nach Gozzi, von Giacomo Puccini (deutsche Uraufführung). — Mit einer vollständigen Neuinszenierung und Neueinstudierung von „Figaros Hochzeit" wird der in der Vorbe reitung befindliche Mozart-Zyklus erweitert werden. In völliger musikalischer Neueinstudierimg unter Leitung von Fritz Busch wird ,Pohengrin" vorbereitet. Des 100. Todestages Webers im Ium 1926 wird in e^ier zykli schen Darbietung seiner Hauptwerke gedacht werden. Es werden hierbei ,F)beron" und „Euryanthe" in neuen musikalischen Neuein studierungen, sowie „Der Freischütz" in völliger Neuinszenierung und -Einstudierung herausgebracht werden; gleichzeitig mit „Abu Hassan" werden ebenfalls in neuer Einstudierung „Die drei Pin tos" wieder in den Spielplan eingestellt. Auch der 100. Geburtstag von Johann Strauß wird durch die Neueinstudierung einer in Dresden seit langem nicht gegebenen Operelle berücksichtigt werden. Die Staatsoper bereitet endlich sür die zweite Halste der Spiel zeit die deutsche Uraufführung einer heiteren Jugendoper Cheru- binis vor, deren Bedeutung Ludwig Schemann in seiner kürzlich erschienenen Eherubini-Biographie ausführlich erläutert. Die Oper betitelt sich; „Lo sposo di tre", wurde 1783 nur in Venedig gespielt und war danach verschollen. Das einzige von ihr erhaltene Ma- terial ist di« auf der Staatsbibliothek zu Berlin befindliche hand schriftliche Partitur Cherubtnis, di« in ihrem rezitutivischen Teil »och der Ergänzung bedars. Das Programm des Balletts der Dresdner Staatsoper um faßt folgende interessant« Uraufführungen; Jaap Kool: „Elixiere des Teufels", nach einer Textvorlage von Ellen o. Cleve-Petz: Alfredo Casella: „La Giera" (Der große Krug"), nach einer No- »elle von Pirandello; E. N. v. Reznicek: „Ballabile". Die Einfoniekonzerte der Dresdner Staotstapelle unter Lei tung von Fritz Busch bringen außer bekannten und seltener ge spielten Werken der klassischen und romantischen Musikliteratur Richard Strauß: „Parerga zur Symphonia domestica" für Klavier und Orchester (Urausführung), E. Korngold: Schauspielouverture; Sigmund v. Hausegger: Natursinsonie für Orchester und Chor, un ter Leitung des Komponisten; Georg Schumann: Variationen über ein Thema von Händel; Joses Tut: Lebensreife (sinfonische Dich tung): Donald F. Tooey: Sinfonie (Uraufführung), Kurt Striegler: 2 Balladen sür Bariton und Orchester (Uraufführung), Paul Brae- ner: Divertimento, Ottorino Respighi: Le Pini di Roma; Msmruce Ravel: Valse choreographioue. — In den Sinfoniekonzerten wir- ken folgende Solisten mit: Ilona Durigo, Adolf Busch, Josef Pcm- baur, Paul Wittgenstein, Meta Seinemeyer, Helene Jung, Tino Patticra, Friedrich Plaschke. Das letzte Menü. Das Kulturkuriosum der Henker»mahizeit. Henker und Hinrichtungsbräuche haben nicht nur den Nimbus des Schauerlichen an sich, sie sind auch Dokumente althergebrachter Rechte, die, nie oufgcgeben, sich geradezu als Grotesken der Kultur ausnehmen. Vor allem wohnt der Henkersmahlzeit eine ganz besonders ausgesprochen« Origi nalität inne, weil sie in krassem Gemisch fast tierische Grau samkeit mit höchster Gemütlichkeit vereinigt. Hebung und Ortsgebrauch spielten dabei eine große Rolle, denn entweder hatte der Delinquent alle lukullischen Wünsche frei, oder aber die letzte Mahlzeit war streng satzungsgeniäß festgelegt. So reichte eine Stadt allen ihren Delinquenten gebra tene Fische mit Spinat, gleich viel zu welcher Jahreszeit. Andere wieder setzten ihre Delinquenten nach dem Todes urteil nur noch auf Wasser und Brot. Im allgemeinen aber ließ das letzte Mertti im Mittelalter an Reichhaltigkeit nichts zu wünschen übrig, denn man war ganz allgemein einer heute fast unverständlichen Voller« ergeben und machte auch anläßlich der Hinrichtung keine Ausnahme davon. Kam es doch nicht selten vor, daß der Scharfrichter betrunken aufs Schaffst kam; manchmal sogar auch der Delinquent. Geradezu phänomenal war die Bewirtung des Delin quenten, des armen Sünders in Nürnberg, die ihm zwei einhalb Tage lang zuteil wurde. Die gereichten. Speisen stehen im grausen Gegensatz zu den Strafen, mit denen der Malefikant bedacht wurde, Strafen, die ihm den Appetit im voraus nehmen konnten: Köpfen, Nädern, Henken, Sachen, Verbrennen mtt vorherigem Hand-, Ohren- «nd Rasenab hauen und Reißen mit glühenden Zangen. Kaum einer der Verurteilten mag die Quantitäten mit der Perspektive auf den Rabenstein je bewältigt haben und auch die Tatsache, daß die gesamte Bürgerschaft, Freunde und Verwandte auch zu dem Leichenschmaus als Zuschauer gelassen wurden, mag weniger den Magen des Malefikan ten, wie die Nase der Neugierigen gekitzelt haben. Die Nürnberger ließen sich nicht lumpen! Dao AVspre- chen des Lebens pflegte in Nürnberg am Sonnabend, die Hinrichtung gegen Mittag des darauffolgenden Dienstags zu erfolgen. Inzwischen hatte der Lochwirt (Gefangenen wart) das rituell genau bestimmte Essen und Trinken nach folgendem Schema zu liefern, und zwar jeder „Malefi-wer- son". Man» oder Weib, am Sonntag. Tinen käldernen Rük- ken, -1 Pfund schwer, samt dem Cinmachen 28 Kr., 6 Pfurch Schweinsbraten 36 Kr., eine Schüssel Salat mit Eiern 6 Kr., 6 Semmeln 6 Kr., IfHMaß (gleich 2,25 Liter- Wein 48 Kr.; am Montag S gebratene Tauben oder zwei Hühner 30 Kr., 6 Semmeln 6 Kr., IfH Liter Wein 46 Kr.; am Dienstag früh vor der Hinrichtung: Eierschmalz, Bratwurst, Weinsupp« und Semmel 45 Kr.. Außerdem noch pro Tag einige Krüge Bier. Mit leerem Magen mußte bei den Nürnbergern keiner zum Talgen, und selbst auf dem Weg zur Richtstätte trug man ihm noch eine Kanne Wein zur Stärkung voraus. Den Geistlichen bewilligte man für den Zuspruch an den armen Sünder täglich 1 Maß Wein zu 20 Kr. — also wett weniger guten, als man dem Galgenvogel vorfchrieb — und dazu für 26 Kr. Zitronen. Ob die Zitronen und der etwas mindere Wein die Gesichter der Seelentröster möglichst sauer machen oder ihnen die Tränen entlocken sollte, wird nicht gesagt. Den Wächtern — der Malefikant wurde Tag und Nächt von 2—3 Wächtern in der Armsünderzelle bewacht — gestand man nur 15 Kr. für Essen und 15 Kr. Lohn pro Tao zu, während der Sonntagsschmaus des Armfünders allein schon 124 Kr. kostete. Daß das Zeremoniell für di« Henkersmahlzeit, wie anderswo üblich, so gehandhabt wurde, daß man dem Delin quenten den Wein über die Hand in den Becher goß und ihm das Brot nur mit abgeschnittenem Kopf servierte, be» richtet man nicht; lvohl nur deshalb nicht, weil diese, «»item alten Aberglauben und Henkerzeremoniell entspringenden Bräuche zu allgemein im Volksbewußtfein verankert waren. Das einzige, was dem Malefikanten nicht bewilligt wurde und was sie sich bis in die neueste Zeit hinein immer wieder wünschten (wie wir auch den Memoiren des letzten Wiener Scharfrichters entnehmen konnten), war — die Frau oder ein« Frau. Das ganze Bild ist grotesk-schauerlich: Bor übervollen Schüsseln, Veck)ern und Krügen fitzt der arme Schelm einer paradiesischen Fülle gegenüber, wie er sie nie zuvor in sei nem Leben zusammengesehen. Im wahrsten Sinne fliegen ihm die gebratenen Tauben ins Maul — und am nächsten Nachmittag — flattert er selbst im Winde, der durch die Bal ken-des Rabensteins fegt. — Allerlei. Eine malhemalische Formel der Liebe. Den berühmten Philo sophen Rousseau fragte einmal eine junge Dame, welche Eigen schaften nach seiner Meinung eine junge Frau haben müsse, um ihren Mann glücklich zu machen. Der Philosoph nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf: Schönheit ist 0, Häuslichkeit ist 0, Ml- dung ist 0, größeres Vermögen ist 0, Herzensgute ist 1. „Ist das wirtlich Ihr Ernst?" fragte die Dame. „Jawohl", versicherte Rous seau nickend. „Wenn ein junges Mädchen nichts anderes hat, al» em gutes Herz: so gilt sie dennoch für 1. Ist sie gleichzeitig hübsch und reich, so gilt sie für 1 »nd 0, macht 10, hat sie noch andere gute Eigenschaften, so kann sie auf 100, MO usw. geschätzt wer den, ohne das gute Herz 1 davor dlekben die anderen Eigenschaften aber immer nur Stullen." Eine schlagfertige Antwort. Friedrich Schlegel war ein Freund von Wortwitzen, die er bei jeder passenden Gelegenheit anbrachte. Als er eines Tages, etwas animiert, aus dem Weinkeller von Lut ter und Wegener kam, begegnete ihm ein Bekannter, ein Syndikus Gries. „(Suten Tag, t-err Grindikus Süß", begriißte er seinen Be kannten. Der zog gleichfalls höflich den Hut und erwiderte: „Guten Tag, Herr Schiedrich Flegel!" Die Sitteapolizei und dle modernen Malbr. Das Ereignis der Pariser Kunstwelt ist das Erscheinen der Sittenpolizei im Pari ser Herbstsalon. Die große Ausstellung brachte diesmal unange iwhme Zwischenfälle. Die Polizei beanstandete zwei Gemälde, weil di« fraglichen Bilder angeblich die Sitten verletzten. Das Sekre tariat trat sofort zusammen und konstatierte, daß das «ine der frag würdigen «BiLer— eine Aktstudie — von einer Dame herrührt, einer jungen Dame noch dazu, und um den Nus dieser Künstlerin nicht zu schädigen, drückte das Sekretariat je ein Auge zu. Da- gegen wurde das Werk des Malers Ghy-Lemon unbarncherzig ton- fisziett, denn dieser hatte sich den Spaß erlaubt, auf seinem Ge- mÄde einen nackten Maler zu zeigen, der, vor seiner Staffelei stehend, eine bis zmu Hol» -zugeknöpft« Dame malt. Humor. Der „Freiberger". Zum Sekretär eines Theaters kam eine der üblichen Frettartenkundschaften. „Aber ich möchte", sagte er, „zwei Karlen ohne jede Gebühr." Der Sekretär gestand auch das zu. „4ia ja, wenn die Garberobe nicht wäre! Zwei Mäntel, meine Frau und ich, das kostet . . ." Der Sekretär gab ihn, fünfzig Pfennige. * „Einen Theaterzettel könnten Sie mir aber gratis spendieren." Es gesck>ah. „Und so weil wohne» wir! Die Straßenbahn hin und zurück, das sind Spesen!" Der Sekretär nahm noch fünfzig Psennig« aus der Tasche. Darauf srngte der andere teilnehmend: „Sagen Sie, Herr «elretär, gehen die Theater wirklich so schlecht." («. d. Simplizissimu»4
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