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Der sächsische Erzähler : 10.09.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192509109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19250910
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19250910
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-09
- Tag 1925-09-10
-
Monat
1925-09
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 10.09.1925
- Autor
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große Autos, darunter ein SS sitziges, zur Verfügung hatte und zeitweilig Streifen durch die Stadt unternahm. Ver anlassung hierzu mar, daß die kommunistische Jugend Ost- fachsens ausgerechnet den Deutschen Tag des Wehrwolfs her- nusgcfunden hatte, um einen Iugendtag in Meißen abzuhal ten. Ein Eingreifen der Polizei machte sich doch nicht nötig. Leipzig, t>. Sept. Von einer Lustschaukel an den Kopf- getroffen wurde am Sonntag nachmittag ein 22 Jahre alter Arbeiter aus L.-Lindenau. Er war einer in L.-Stötteritz ausgestellten Luftschaukel, bei der er als Gehilse beschäftigt ist, nahe gekommen und von einem Schaukelkah» an den xopf getroffen worden. Der Verunglückte, der einen Schädel bruch erlitten hatte, wurde in das Krankenhaus St. Jakob gebracht. Freiberg, 9. Sept. Streik in den Staatlichen hüllen werken. In den staatlichen Hüttenwerken zu Mnldenhütten und Halsbrücke ist die gegen tausend Mann starke Beleg schaft in eine Lohnbewegung eingetreten. Als erster Streik tag wurde der 6. September angesctzt. Lhemnih, 9. Sept. Schlechte Ernlcaussichlcn im Erz gebirge. Nach Meldungen aus dem Erzgebirge haben sich durch das anhaltende schlechte Wetter die Ernleaussichtcn im oberen Erzgebirge im bedenklichen Maße verschlechtert. Infolge des Regens steht das Getreide noch teilweise auf den Feldern. Außerdem ist stellenweise Schaden durch Hagcl- tchkag entstanden. Auch die Obsternte wird als überaus schlecht bezeichnet. Lichtentanne, 9. Sept. Ein fahrendes Auto in Brand geraten. In der Nähe des Martcrholzes auf der Staats straße Zwickau—Reichenbach geriet aus unbekannter Ur sache ein von Reichenbach kommendes Personenauto in Brand. Die Insassen konnte» sich durch Abspringen vor Ber- Wyungcn bewahren. Der Kraftwagen brannte vollständig aus. Plauen, 9. Sept. Regimenlstag des Landwehr-Regi- menks kör'. Vom Sonnabend bis Montag weilten in Plauen Ne ehemalige» Angehörigen des Landw.-Jns.-Rcgt. 107 zu ckner Regiments- und Wiedersehensfeier. Die »leisten Fest teilnehmer waren bereits am Sonnabend cingetroffe» und nahmen an dem Begrüßungskcnmners im Großen Prater saale teil. Die Festrede hielt der einstige Kompagnieführcr Dr. Pollmer-Leipzig. Am Sonntag vormittag wurde eine Gedächtnisfeier zu Ehren der gefallenen Kameraden am Ehrenmal der 134er am Hindenburgring abgehalten, bei der Pfarrer Thomas die Gedächtnisrede hielt. Zwickau, 9. Sept. Schiedsspruch für das sächsische Stein kohlenrevier. Am Sonnabend fand im Arbcitsministerinm Dresden unter dem Vorsitz des Obcrrcgierungsrates Brand Schlichtungsverhandlungen über den Lohnstreit im sächsi schen Steinkohlengebiete statt. Es wurde folgender Schieds spruch gefällt: Für die Zeit vom 1. September 1923 bis mit 31. Januar 1926 sind die in der Lohnordnung — gültig ab 1. Mai 1925 vorgesehenen Grundlöhnc sowohl der mann lichen wie der weiblichen und jugendlichen Arbeiter um 10 Prozent zu erhöhen. Die Parteien haben sich bis zum 12. September 1925 abends 6 Uhr über Annahme oder Ableh ¬ nung dieses Schiedsspruches dem Schlichter gegenüber zu er- klaren. Sommerfest -er Heil- u. Pflegeanstatt Arnsdorf. Aw Lti. August sollte nach zwölfjähriger Pause wieder ein An- stalts-Sonnnerscst für die Kranke» abgehalten werden. Lange schau vorher waren Vorbereitungen dazu getroffen worden. Das Fest sollte mittags mit einem Fcstzug beginnen, der allerlei Grup pen und Bilder zeigte. Die bunte Schar stand marschbereit, da öffnete der schmuggrauc Himmel seine Schleusen und zerstörte, jäh und unerwartet, nicht nur den Glanz und die Pracht langer, mühe voller Arbeit, sondern auch die Festesfreude der Teilnehmer. Aus dem geplanten Fest auf der Festwiese wurde ein Tanzsest im schnell dazu hergerichtsten Festsaal. — Eine Wiederholung des Festes wurde gemüuscht. Wann wird der Wettergott ein freundliches Gesicht machen? Km gewagtes Beginnen, etwa elshundcrt scst- frahe Menschen abermals einem kalten Regenschauer auszusetzen! Moniag, der 3l. August, schien in vieler Hinsicht günstig zu sein. Nach ivar man am Margen nicht schlüssig. Eine Anfrage bei der Landsswetlerwartc m Dresden behob den letzten Zweifel. Das Fest begann diesmal eine Stunde früher. Von 12 Uhr an ordnete sich daher der Fehzug, der sich dann auch kurz nach einhalb 1 Uhr in Bewegung >etzie. Da gab es lustige Tiergruppen, Zigeuner, Nototo- und Biedermeicrtnpen, Harletine, Spanierinnen, altdeut sche Bauern, Studenten, Mexikaner, Indianer, Trapper, 'Araber, Aesijnugfrauen mit Blumcubogen, L>chnilter und Schnitterinnen, Gutsherr n mit fleißigen Mägden, Postbote mit Postwagen, Wan derzirkus u. a. m. Mit besonderem Fleiß war die Dornröschen gruppe bargeftellt, ebenso das Knusperhäuschen mit Hänsel und Gretel und der große Bnbpivagen, der in buntgemusterten Betten ein Badh von erschreüenden Dimensionen barg. Auch Brau! und Bräutigam und Hvchzeitszug fehlten nicht. Ein wirklich schönes, abwechslungsreiches Bild! Ein Herold hoch zu Roß, in der allen Tracht der Walieustcincr, eröffnete den Zug. Hinter ihm schritt gravitätisch cm Büttel, der nut komischer Strenge auf Ordnung hielt. 'Nun. erfolgte unter frohen Klängen der Kapellen der Umzug durch den großen Anstaltsbercich. Die Fensier der Anstaltsge- bäude waren dicht belagert von den Kranken, deren Gesundheits zustand eine Beteiligung am Feste selbst nicht zulicß. Freude leuchtete beim 'Anblick der bunten Menge auch aus deren 'Augen. Der Festzug mündete schließlich aus der schön gelegenen Festwiese, die gegenüber der Ausraltskirche liegt. Bevor sich der Zug dort auflöste, ergriff der stellvertretende Leiter der Anhalt, Herr Medi zinalrat Dr. Stcnun ter, das Mort zu einer kurzen Begrüßung, die in den Liederworten nusklang: „Freut euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht, pflücket die Rose, eh' sic verblüht!" lieber prächtigen Ehrenpforten ist der sinnige Spruch: „Willst Du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück; denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück^" zu lesen. Ein überdachtes „Schaukzelt", das für 200 Personen Platz bietet, ist er richtet. lieber dem Zelt ist die originelle Aufforderung angebracht: „Hier stärke Dich, hier laß Dich nieder; denn solch ein Tag kehrt nicht wieder!" Hier werden im reichlichen Maße die leiblichen <, rgnickuugcn an die Kraulen, die sie glückstrahlend in Einpiang nehmen, verausgabt. Daneben sicht eine Schaubude. Ein bunt farbiges großes Schild erregt die Aufmerksamkeit. „Aga, die schwebende Dame". — der größte Schiagcr am Platze — zeigt sich einer schaulustig » Menge. Die Dame wird in den Traumzustand versetzt und bebt und senkt sich zum Erstaunen alter. Altes ist von Krauten ndachi und hergcrichtei. Ein Naritätcn-Kabinett nebenan bietet den Besuchern allerhand harmlose Späße und Ueberraschun- gen. In einer Ratz- und einer Würfelbude kann jeder sein Muck versuchen. Nieten gibt cs nicht. Ein Schießstand wird fleißig be nutzt. Eselreiten, Tauziehen und Hindernislaufen bereifen viel Vergnügen. Auch ein Kasperletheater fehlt nicht. Aus erhöhtem Podium spielt die Kapelle zum Tanz. auf. Jenseits des Mühlgra bens bietet den Männern Vogelschießen und den Frauen Stern schießen mit Armbrüsten reichliche Unterhaltung. Auch den Gästen und den Angehörigen der Kranken isr Gelegenheit zur Einkehr ge geben. Bei eintretender Dunkelheit wurde durch Trompetensignai die Menge zusammengerufen. Herr Anstaltslehrcr Schreyer nab'- Aelcgenhcit, allen denen, die an dem Zustandekommen des rin- staltsfestes Anteil hatten, zu danken. Insbesondere erstattete er den wärmsten Dank allen den hochherzigen Spendern, die durch Geld und andere Gaben das Fest wesentlich verschönten. Mit einem brausenden Hoch auf alle die Beteiligten schloß er seine Ansprache. Gegen 148 Uhr setzte sich der Fackelzug in Bewegung. Bnllbesrie- digt und dankerfüllt zogen dann die Teilnehmer in ihre Abteil»» gen. Lange wird ihnen das Fest in Erinnerung bleiben, „denn solch ein Tag kehrt nicht gleich wieder!" Aus dem Gerichtssaal. * Lin Spezialist in Sninmlnngsbetrrigercien -e-etz'! vrr er-- 19 Jahre alte Volontär Waller Nudoli M e y e r zu sein, wie eine Verhandlung vor dem Amtsgerichi Dresden ergab. Der Ange klagte ist aus Plauen (Vogtland) gebürtig, mit dem Elternhaus zerfallen und bereits mehrfach vorbestraft. Meyer fertigte Sam mellisten fälschlich an, trug eine Anzahl 'Namen und angeblich ge zeichnete Beträge ein und ging dann mit derartigen Listen von Haus zu Haus, erbat für den Iünglingsverein frenvillige Spenden und ließ die aus solch unehrliche Weise erlangten Gelder in seine Taschen wandern. Wegen derartiger vorgenannter Betrügereien wurde der falsche Sammler im Oktober und Dezember vorigen Jahres von den Gerichten in Plauen und Leipzig, und im Januar dieses Jahres vom Amtsgericht Ehcinnitz abgesiiaft. 'Am 12. März aus der Strafverbüßung entlassen, war Meyer zuletzt in Großen hain bezw. Radebeul aufhältlich, ohne feste Erwerbstätigkeit ver übte er wiederum derartige Betrügereien, er sammelte mit gesälsch- ten Listen für die Jünglingsvcreine und fristete von den Erträg nissen sein Leben. Unter der Beschuldigung, in Plauen, Chemnitz und Dresden erneut als Sammler ausgetreten zn sein, stand Meyer als rückfälliger Beirüger unter 'Anklage. Der Angeklagte war im allgemeinen geständig, er versuchte die Schuld, auf so schiefe Wege gekommen zu sein, auf das Elternhaus, insbesondere auf den Vater abzuwälzen, hotte aber damit kein Glück, sondern wurde ini Sinne des Eröffnungsbeschlusfes zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, worauf drei Wochen für die erlittene Untersuchungshaft in Anrech nung kommen. Neues aus aller Welt. 3 ? Monate in sxarrzöftschen Kerkern. Unter dieser Ueberschrift schreibt in der Wochenschrift „Der Stahlheini" Herr Vügetin-Düsscldorf über seine Erleb nisse in französischen Gefängnissen im besetzten Gebiet. Herr Vögelin wurde, wie erinnerlich, mit einer Reihe von jungen Leuten 1921 in Düsseldorf von den Franzosen verhaftet. Hierzu schreibt er u. a.: „Am Abend des 30. November 1921 und den folgenden Togen wurden wir, eine Anzahl junger Leute, zum Teil Arühlingsglaube. Eine Begebenheit aus Lorizings Lebrn. Von Paul Bülow. (Nachdruck verboten.) „Da bin ich wieder, mein Nosinchen, und bringe einen großen Erfolg mit . . . kann dir sagen, die „Undine" hat gefallen in Hamburg, bin selber noch ganz berauscht von den Melodien . . . aber was schwatz' ich da" vergesse ja die Haupt sache — das Herzbübel . . ."" Hand in Hand ging das Lortzingschc Ehepaar an die Wiege des Knäbchens. „Das .stc . . . Golt,erhalt' cs uns", betete es flehend in des Vaters Herzen. Da schlummert's sorglos in lieblichen Kinderträumcn, ein Bild des Friedens und zarter Innigkeit, wie es heilige Schöpferkraft ins Mcnschenland zaubert. Die kleinen weißen Hündchen liegen zum Ohre hin gestreckt, ruhig geht der schnelle Atem des Kindleins, dessen freundliches Gesichtchen die dunklen, vom Vater ererbten Locken umschimmern. „Weißt du noch, wie der Bub ankam, früh morgens um sechs! War das eine Extrapost, gar so eilig hat er's ge habt, aus die böse Welt zu kommen. Ohne Arzt und Heb amme haben wir's schaffen müssen, na, hab' mich dabei doch als ein ganz vernünftiges Mannsbild erwiesen . . . Weh mutter, Komponist, Mime und was nicht noch alles gleich in einer Person", plauderte Meister Lortzing heiter, indem er mit dankleuchtendem Blick Weib und Wiege umfing. Durch das geöffnete Fenster drang ein köstliches Duf ten aus dem lenzprächtigcn Garten. „Ach, Albert, ich weiß nicht, hab' seit deiner Reise ein so beklemmendes Gefühl in der Brust, als ob uns ein Böses bcvorstnndc. Man hört vom Theater so wenig Erfreuliches . . . der Doktor Schmidt mit seiner Knauserei beim Personal hat's auf dich abgesehen! Wenn bloß der morgige Tag vor über märe . . da sollen die Kündigungen regnen . . ." „Aber nicht doch, Hcrzenswcib, fort mit solchen Grillen an diesem frohen Lenztage; nach dem Erfolg in Hamburg wird keiner hier daran denken, mich hinauszuwerfen . . ." Wortlos verließ Frau Rosina den Gatten. Der Meister schwankte dem Klavier zu . . . griff ein paar Akkorde und leitete dann über zu „Ilndincns" wunder samer Melodie . . . „Ach nein, es kann, es dars ja nicht sein! Der Himmel kann dieses Glück nicht grausam zerstören wollen ... die .lieben, lieben Kinder . . . dos Bübchen in der Wiege . . . o du mein Weib! lind ich ? Endlich aus Höhe schwer errunge nen Künstlerruhms . . . und doch wieder am Rande eines Abgrundes?" Am andern Tage um die neunte Morgenstunde brachte der Ratsdiener einen dickversicgellen Brief ins Gartcnhäus- chcn an der Funkcnburg. Mil bebenden Händen entfaltete Lortzing das Papier. „Also doch ... er hat's gewagt . . . brotlos mit Weib und Kinder..." Draußen jauchzten jrohe Kinder um die Mutter. „Gott im Himmel, du Allbarml-erziger, laß mir dieses Glück, laß mich nicht zerschellen in der Brandung des Lebens . . . hob doch Weib und Kinder — das jüngste liegt so sonnig umsricdet in der Wiege . . ." Dem Meister kamen die Tränen; der Brief entglitt sei nen Händen und siel in einen Sonnensleck am Boden. Da wurde rasch die Tür aufgerissen. „Was ist, Albert . . . ein Bries vom Rat ... die Kün digung?" s Frau Rosina tank fassungslos an den Knien ihres Man nes nieder. „Ich crirags' nicht, Weib, ich ertrag's nicht, die Schande, grundlos gekündigt, zum ersten Mol in meinem Leben, bei meinem Namen . . . trotz der „Undine!" Und das nur wegen der paar hundert Taler — aber er not klare Rechnung ge macht, der Doktor Schmidt: ich kriege tausend Taler, mein olles gutes Mütterchen hundcrtsünszig Taler . . . nun enga giert er sich einen Kapellmeister für sechshundert oder acht hundert Taler... da spart er also einige hundert Taler bei mir und dazu noch die Gage von Mutter! Das ist ein Schlag, wie ich ihn nicht erwartete. Hörst du die Kinder im Garten tollen? Die lachen in den Frühling hinein heut am ersten sonnengoldenen Maientag. Vertrau mit mir: Kinder sind Hinnnelssegen, gelt Rose? Wollens tapfer tragen, wer weiß, was der Herrgott mit uns vorhat! Ganz wird das liebe deutsche Vaterland den Lortzing nicht verhungern lassen! Komm, wollen jetzt auch ein wenig durch den Garten wan deln und uns der Kinder freuen!" „Bist doch immer wieder tapfer, Albert! Wenn so anschau' mit deinen guten, treuen Augen . . . wie ich cs kenne', dein gutes treues Musikantenherz, das soviel Liebe und Güte trägt.... da kann ich's freilich auch nicht glau ben, daß der Herrgott uns zuschanden werden läßt. Deine Lieder gelten doch was im deutscl-en Volk! Es wird ganz gewiß nicht zum Schlimmsten kommen!" So gingen leidvergessend zwei glückliche Menschen durch den im Früblingssegcn schimmernden Garten. „Oh, guten Morgen, Freunde . . ." „Der Berthold, welche Usberroschungl" „Na, teures Bruderherz, hast auch den Wisch bekom men? Armes Luderä)cn, gichtgeplagter Kapellmeister, ja, siehst du, so wird man an die frische Luft befördert!" Der erste Baßbuffo am Leipziger Theater war in den Garten getreten und hatte das Lortzingschc Ehepaar mit viel Artigkeit begrüßt, lind dann wußte er sich mit Freundlichkeit der heranstürmendcn Kinderschar zu erwehren. „Da habt ihr Süßes zu lutschen, ihr Rangen! Laßt uns hier allein, gibt Ernsthaftes zu reden . . . Also, mein lieber Lortzing, ich sag' dir nur: Nicht den Kops hängen las sen,vierzehn Kollegen hat's Schicksal gepackt wie uns. Die Stadt ist außer Rand und Band, wirst was erleben heut abend! Man wird ihn anspfeifen, den sauberen Herrn Di rektor, diesen Knauser und wenn du als Kapellmeister nach Wien gehst, gelt, da nimmst du uns alle mit . . ." „Ach, Berthold, nur nicht zu stolz träumen! Einstweilen bin ich ein armer, verschuldeter, brotloser deutscher Komö diant und Musikant . . . der Herr Pokovny vom Theater an der Wien hat mir freilich Hoffnungen gemacht, aber — wic's eben bei uns Bühnenleuten ist. . . heute so, morgen wieder anders." „Entschuldigen die Herren mich bitte für ein Weilck)en. Es gibt in der Küche zu schaffen ... der Herr Berthold bleiben doch zu Mittag da!" Und damit eilte Frau Rosina rasch ins Haus hinein. „Lieber Berthold, der da kann ich's doch nicht so sagen, wie mir ums Herz ist . . . Ach, wie mir's graut vor dem ersten Gang in die Stadt. Am Theater gehe ich nun schon garnicht vorüber . . . Gegenstand feilen Mitleids vor den Leuten und hämischen Spottes der Kollegen — nimmermehr! Zwölf Jahre ist man frei und unbehindert durch die Tore unseres alten Mnsentempels geschritten ... da sollte einem das Herz nicht bluten . . ." Der Bassist blickte dem Freunde fest in die Augen, ergriff seine Rechte und schüttelte sic wuchtig nach derber Männer art. „Freund Lortzing, der deutschen Kunst dienen heißt lei den und entbehren. Dich vor allem haben die Parzen dazu auscrsehen! Aber glaub' mir, vergessen wird man dich nicht. Daß ich einst zuerst deinen Bürgermeister gesungen, wird der Nachwelt gleichgültig sein, aber deine Töne werden leben, solange deutsche Herzen schlagen . . . Und nun weg mit den Kummerfalten, komm herauf und erzähle mir von der „Un dine" in Hamburg." Hochausgerichtet gingen beide Männer in Schweigen dem Hause zu. Jeder trug ein Schicksal, doch es mar be zwungen. — — Erst ein Jahr war vergangen. Es waren bitterböse Monate im Häuschen an der Funkenburg. Da saß Lortzing Tag und Nacht an seinem Schreibpult bei schäbiger Kopisten arbeit. Ein von ihm veranstaltetes Konzert hatte einen klei nen Ueberschuß gebracht . . . man lebte und darbte! Und doch besiegte der Genius die drückende Alltagsnot: im ver borgenen Fache seines Schrankes lagen die beschriebenen Pariiturblätter seiner neuesten Oper „Der Wildschütz." Diese Frucht sorgenschwerer Arbeit sollte ihn an die neue Lebens wende führen Ein leuchtender Iulitag übergoldete das kleine Haus wesen der Lortzings. Der Meister saß in seiner Stube und schrieb glnckfrcudig seinem Freund Düringer die frohe Botschaft: „So ist denn endlich der Augenblick gekommen, wo ich das gute Leipzig verlassen muß . . ." Er hielt inne, dankbar die Augen gen Himmel richtend. Der Frühlingsglaube hatte nicht getrogen. Dann setzte er die Feder mit festen Strichen wieder an: . . und kann ich mit dem Tausche wohl zufrieden sein, denn ich gehe nach dem Orte, wohin die Blätter mich schon seit einem Jahre versetzt — nach dem schönen Wien . . ." Nach Wien! — so jubelte cs in des Meisters Herzen. Zwei Jahre fest engagiert! Und im September werden Frau und Kinder Nachkommen. Frau Rosina war l-erangetreten und beugte sich über die Schulter ihres Mannes. „O du einzig großes Glück, nach dem herrlichen Wien! Du mein liebster Maui!, dein Werk, deine Arbeit ist's gewesen nächst Gottes Güte, Gc uns dahin geführt . Nimm diesen Rosenstrauch, von ähr' ihn wo bl auf deiner Fahrt, soll dir ein Erinnern sein ans Weib da heim . . . Und nun spiel' mir mal aus dem „Waffenschmied," was do die Marie so licbinnig singt. „Reichtum allein tut's nicht auf Erden . . ." Und wunderbar beseligt klangen die Töne durch den Raum. Als der Meister geendet, führte er sein Weib an den Schreibtisch und holte ein weißes Blatt ans demselben hervor. „Sieh, was ich hier einmal in bitterer Lcidcnszeit ge schrieben: „Der Mensch muß sich an alles gewöhnen, und das hat auch sein Gutes. Wenn kein Entbehren märe, so gäbe es ja auch kein Genießen" — dem hab' ich gelebt. Das Leiden hat geendet, mm hoffentlich auf eine glückfrohe Zeit dort im schönen Wien!" — Am nächsten Morgen schritt Meister Lortzing mit großer Reisetasche u.dorPartiturtur seines „Waffenschmieds unterm Arm aus dem sommerlichen Garten seines Häuschens. Frau Rosina stand am Fenster, und auf ihren Armen winkte das Hänschen dem scheidenden Vater ein rührendes Abschiedshändchen. I» der treuen Mutter Augen glänzten Tränen der Freude und des Dantes.
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