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Der sächsische Erzähler : 22.07.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192507224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19250722
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19250722
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-07
- Tag 1925-07-22
-
Monat
1925-07
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 22.07.1925
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der rlufwerttw-»stM auch -«stellt «erd«, bevor der Gläubt- -er die Auswertung geltend gemacht hat. Die Versäumnis de» bezeichneten Termin» 11. April 1VL6) wird daher nicht dadurch ent- schuldigt, daß ein Auswertung»antrag noch nicht gestellt ist. Da» Datum de» 1^ April 1VSS ist daher wohl zu merken. Sehr bedeutsam ist, daß ein« Aufwertung auch für solch« Hypo- theken eintreten kann, die bereit» zurückgezahlt sind. Eine solche Auswertung ist stet» möglich, sofern sich der Gläubiger bei der Annahme der Leistung, d. h. bei Empfangnahme de» zu- rückgezahlten Hypolhekengeldes — seine Rechte Vorbehalten hat Wieder ist hier — ebenso wie überall sonst bet der Hypothek — zu unterscheiden zwischen persönlicher Forderung und der diese sichernden dinglichen Belastung. Maßgebend für die Möglichkeit einer Aufwertung bereits zurückgezahlter Hypotheken ist die Stel lungnahme, di» der Gläubiger der persönlichen Forderung gegen» über eingenommen hat. Hat er erklärt, daß er in der Zurückzah. lung des Geldes eine Abgeltung der Schuld nicht zu erblicken ver möge, so kann Auswertung der persönlichen Forderung — nach den vorstehend dargelegten Regeln — erfolgen, und außerdem tritt di« SSprozentige Aufwertung der Hypothek ein. Letzteres unter bleibt jedoch, wenn der Gläubiger gleichzeitig mit der unter Protest erfolgten Annahme des Geldes auf eine künftige dingliche Siche- rung seiner Mehransprüche verzichtet hat. Sofern jedoch der Gläubig die Rückzahlung ohne Vorbehalt angenommen hot, findet auch keine Auswertung der Hypothek statt, dir Argeleaenbeit ist also (mit anderen Worten gesagt) durch die vorbehaltlose Annahme des Geldes endgültig erledigt (ogl. aber die folgende Ausnahme!) — Rückzahlungen von Hypotheken, die in der Zeit zwischen dem 15. Juni 1922 und dem 14. Februar 1924 erfolgt sind, können unter allen Umständen ebenso aufgewertc! werden wie Hypotheken, deren Rückzahlung unter Protest des Gläubigers erfolgt ist. Es kommt also bei den nach dem 15. Juni 1922 zurückgezahlten Hypotheken nicht daraus an, ob die Annahnie des Geldes seitens des Gläubigers vorbehalt los oder unter Vorbehalt erfolgt ist. Hierin liegt ein weites Ent gegenkommen für die Rechte des Schuldners, denen gewisse Son- dererlelchterungev für bedürftige Schuldner gegenüberstehen. Die Auswertungshypothek behält grundsätzlich den Rang im Grundb u ch, den die ursprüngliche Hypothek hätte. Der Eigen tümer des Grundstücks ist berechtigt, nach geschehener Aufwertung für sich selbst einen angemessenen Betrag zwischen die aufgewertete Hypothek und das nachfolgende Recht als Hypothek eintragen zu lassen. Hierdurch soll verhindert werden, daß sogenannte „Schorn- steinhypotheten" plötzlich eine Bedeutung infolge der Auswertung erlangen, die ihnen ursprünglich nicht zukam und nach dem Willen des Gesetzgebers natürlich auch nicht grundlos gewährt werden soll. Es sind zu diesem Punkt zahlreiche Einzelvorschriften gegeben, die hier nicht aufgezählt werden können, deren praktische künftige Auswirkung sich aber auch zur Zeit wohl noch nicht übersehen läßt. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs soll dadurch gewahrt werden, daß Hypothekenwirrwarrs, die im Vertrauen auf ' die Wertbeständigkeit der Gesetzgebung erfolgt sind, in ihrem Rang ; durch die Aufwertung nicht geschädigt werden dürfen. Trotz allem sollen aber wohl Zeiten bevorstehen, in denen ein Grundbuch an lebersichtlichkeit etwa der deutschen Steuergesetzgebung gleich, «mmt. Ueberhaupt muß man leider der Tatsache ins Auge sehen, vß infolge der Aufwertungsbestimmungen die Rechtssicher heit in unserem Lande einen Stoß erlitten hat, «r noch lange im gesamten Wirtschaftsleben unliebsam nachzittern oird. 8. AndvstrrO-GbLt-attvrrierr. Hier ist e» lm wesentlich«» bet der durch dl« Dritte Steueruot- verordnuna bestimmten löprozemttaen Luf««rtung oerblieb «n Da dt« Obligationen — die von den großen Un ternehmen bereit» zum überwiegenden Teil entrichtet sind — tn Vie Aufwertungsfrage mit hinetnspielt, war es natürlich schlechthin ausgeschlossen, grundlegende Äenderungen vorzunehmen. Immer- hin hat man auch bet den Industrie-Obligationen die Trennung zwischen Alt- und Neubesitz eingeführt. Man gibt den Altb«. iitzernGenußscheine, auf Grund deren sie am Reingewinn de» Unternehmens teilnehmen. Wie weit der Genuß diese» Rechtes problematisch ist, wird sich bei den künftigen bilanzmäßi gen Ausweisen über den Reingewinn unserer bedeutendsten Unter nehmen zeigen. Als Altbesitzer gelten solche Personen, die Indu strie-Obligationen vor dem 1. Juni 1920 erworben, diese Schuld verschreibungen ununterbrochen im Besitz gehabt und am 1. Juli 1925 noch besessen haben. Die Inhaber der Genußscheine nehmen auch an einen, etwaigen Reinerlös im Falle der Liquidation des Unternehmens teil. Sind Industrie-Obligationen nach dem 13. Februar 1924 zurückgezahlt worden, so haben diejenigen Per- sonen, die als Atlbesitzer gelten müssen, Anspruch auf Erteilung des vorbezeichneten Genußscheines. Im Falle einer Rückzahlung nach dem 13. Februar 1924 entscheidet sich die Frage, wer Altbesitzer ist nach Maßgabe der vorstehend bezeichneten Gesichtspunkte, nur mit dem Unterschiede, daß an Stelle des 1. Juli 1925 der Tag der Rückzahlung tritt (hat also z. B. jemand Industrie-Obligationen im April 1920 erworben, diese ununterbrochen bis zum 1. Mai 1924 besessen und dann — wenn auch vorbehaltlos — die Rückzah lung in Höhe von 15 Prozent nach Maßgabe der Dritten Steuer notverordnung angenommen, so kann er verlangen, nunmehr noch einen Genußfchein zu erhalten). 4. Vermögensanlage. Zn diesen, gehören grundsätzlich nicht — wie schon vorstehend gesagt — Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen. Damit ist einer der wesentlich st en Rechtsbeziehungskomplcxe aus der gesetzlichen Auswertung ausgeschieden. Vermögensan lagen werden gleichfalls mit 25 Prozent aufgewertet. Das Aüf- wertungsgesctz versteht unter Vermögensanlagen im wesentlichsten diejenigen Ansprüche und Forderungen, die vorstehend bei Bespre chung der Hypothek als für die Aufwertung der Geldforderung be vorrechtigt angemerkt worden sind. V. Ansprüche aus dem Konlo-Korrenl-Verkehr und gegen Danken werden grundsätzlich nicht aufge wertet. VI. Die Auswertung von Sparkassengulhaben erfolgt aus der Teilungsmasse, sofern es sich um öffentliche Sparkassen handelt. Staatliche Beaufsichtigung der Ausstellung des Tcilungsplanes ist vorgesehen. Hier ist kein fester Aufwertungssatz gegeben, jedoch soll die Auswertung mindestens 12 Prozent desjenigen Betrages ausmachen, den das Sparguthaben — in Gold umgerechnet — zur Zeit der Einzahlung hat. Hier liegt eine Belastung, die sich vielfach gegen die Gemeinden auswirten wird. VII. Die Aufwertung der Pfandbriefe erfolgt im wesentlichen nach den — wohlbekannten — Vorschriften der Dritten Steuer notverordnung. VIII. Die Aufwertung von Versicherungsansprüchen — insbesondere aus Lebensversicherungen — erfolgt unter Bildung eines sogenannten Aufwertungsstockes. Die Durchführung der Aufwertung wird staatlich beaufsichtigt, die Reichsregierung ist zum Erlaß näherer Bestimmungen berechtigt, ein fester Aufwer tungssatz ist nicht vorgesehen. IX- Aufwerfung von Guthaben bei Fabrik- und Werkspar kassen, sowie von Ansprüchen an Velriebs-Pensionskassen wird -l«l-fall» auf Grund näherer Bestimmungen der »«lchsee-l« rung ohne Bindung an «tngn festen Satz eyelaen. X. Aufwertung-ansprüche sind an die sogenannt« tzlnsto«- luumstell« — über di^ Nähere» nach bekanntaegeben wird — zu richten. Dies« St«ll« entscheidet in erster Imtanz. Li« tzü- schwerdeverfahren, tn dem hohe bürgerlich« Gerichte gegen die Entscheidungen der Auswertungsstelle angerufen «erden können, ist vorgesehen. Die au» anderen Ansprüchen al» den au» Hypotheken folgen den vorgesehenen «uswertungsmöglichkeiten find im Aufwertung,- gesetze verhältnismäßig kurz behandelt. Künftig wird di« Auf- Wertung wohl zu elfter Gonderwifsenfchäft «erden» über deren Fortschritt noch manche» zu sogen sein wird. Neues aus aller Welt. Immer wieder da» Reichsbanner. Luckenwalde, 20. Juli. Am Sonnabend abend feierte die Reichsbanner-Ortsgruppe Luckenwalde ein „Stiftungs fest", welches sich bis in die Morgenstunden des Sonntags ausdehnte. Als nun acht Angehörige des Jungdeutschen Ordens am Sonntag früh etwa um )48 Uhr, von einem Frühmarsch zurückkehrend, an dem Lokal, in dem die Reichsbannerleute saßen, vorbeikamen, wurden sie von etwa 100 Angehörigen des Reichsbanners überfallen und nieder geschlagen. Ein Angehöriger des Jungdeutschen Ordens er litt Rippenbrüche, einem anderen wurden die Zähne aus geschlagen, wie auch die meisten leichtere Verletzungen da- oontrugen. Als besonderer Roheitsakt ist anzuseheri. daß die Frauen, welche an der Reichsbanners«» teilnahmen, sich an der Schlägerei beteiligten und die am Boden liegen den Verletzten mit Füßen traten. Die polizeilichen Ermitt lungen sind eingeleitet, und das Reichsbanner (Ortsgruppe Luckenwalde), das sich hier sowieso schon wegen eines Ueber- falles auf den Werwolf zu verantworten hat, wird dem nächst vor dem Gericht zu erscheinen haben, um sich in die ser zweiten Landfriedensbruchangelegenheit zu verantwor ten. Das Urteil lm Lüneburger Reichsbanner-Prozeß. Am 13. und 14. September 1V24 ist es in Lüneburg ge legentlich des Republikanischen Tages des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold zu verhängnisvollen Unruhen gekom men, über die wir damals berichtet haben. Am Sonnabend wurde nach mehrtägigen Verhandlungen das Urteil ge sprochen. Von den 18 Angeklagten wurden 13 wegen ein- achen und schweren L a n d f r i e d e n s b r u ch s zu Gefängnisstrafen von 3 Monaten bis zu 1 Jahr verurteilt, drei andere wurden wegen Beleidigung, gemeinschaftlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu Geldstrafen von 200 bis 400 Reichsmark verurteilt. Ein Angeklagter wurde freigesprochen und gegen einen das Verfahren eingestellt. — Tödlicher Fliegerabsturz iu Prenzlau. Der Flieger Rieseler führte Montag nachmittag in Prenzlau Schauflüge aus. Als sich das Flugzeug in ungefähr 30 Meker Höl)e befand, fing es plötzlich Feuer und stürzte ab. Rieseler konnte nur noch als Leiche geborgen werden. Der kleine Dogen. Bon M. A. o. Lütgendorss-München. „Hör' Max, wenn du mir noch einmal mit der Cilly wm Kaufmann Müller liebäugelst, dann kratz' ich dir die ilugen ausl — Das schwör' ich dir!" Und die Frau Registrator Viertem stellte mit einem testigen Ruck ihre lederne Einkaufstasche, die sie soeben mit jeimgebracht hatte, auf den Tisch. Dann sah sie scharf nach hrem Mann hin. — „Jetzt wird es mir nämlich wirklich m dumm! — Also, da begegnet mir gerade die Minni Röß ler, und wir plaudern ein paar Worte miteinander. Da ngt sie auf einmal, sie hätte dir gestern einen Gruß an mich zufgetragen, weil sie dich beim Kaufmann Müller, wo sie -den einkaufte, gesehen habe. Aber du hättest sie nicht be merkt, weil du gerade so angelegentlich mit Fräulein Cilly (praMt. Und dabei lächelte sie so boshaft, als wüßte sie, Gott weih, was. — Da hört sich doch alles auf!" Der Herr Registrator saß am Fenster. Er hatte bis (etzt in seiner Zeitung gelesen und dabei ab und zu in den rämmernden Frühlingsabend hineingeschaut, über die knos- oengrünen Bäume und ihre weißen Blütenschleier hinweg m das duftige Blaurosa des Abendhimmels und es war ihm ,ehr wohl gewesen. Damit war's nun freilich vorbei, denn was zuviel ist, ist zuviel! — Mit blutrotem Kopf ballte er die Zeitung zusammen. Dann sprano er auf. „Da hört sich allerdings alles auf! — Also, so eine Verleumdung, so eine abscheuliche! Gewiß war ich gestern beim Kaufmann Müller, aber daß ich bei Fräulein Cilly stand, hatte auch seinen Grund. Ich war mit dem Aermel !an einer Wand gestreift und hatte einen weißen Fleck. Und den bürstete sie mir weg, weil ich ihn nicht gesehen hatte!" Die Frau Registrator schwieg. Dann blickte auch sie aus das liebliche Frühlingsgrün hinaus in den abenddäm mernden Himmel und wurde nachdenklich. Hoch oben aus einem blütenvollen Baum jubelte eine Amsel ihr Liebeslied in die Welt hinaus. Es klang süß und herzbeklemmend. Da seufzte die Frau Registrator und sagte ernst: „Nichts für ungyt Max. Aber bei dem, was ich gesagt habe, bleibts doch." Zwei Tage später wa es, als der Registrator langsam -und gemütlich vom Büro heimging. Noch stand die Sonne hoch am Himmel und überglänzte mit ihrem srühlingsfreu- digenGesicht die junggrüne Natur, warfin jede graueMauer- '«cke ein Stückchen leuchtenden Goldes und ließ die Ziegel- dächer der alten Stadtmauer wie feuriges Kupfer ausglühen. In friedlichem Wohlbehagen ging der Registrator dahin, die Lichtfülle genießend, mit der der lachende Sonnenschein di« Welt so bunt särbte und vergoldete. Da, auf einmal, er traute seinen Augen kaum — kam es gegen ihn zugeschrit ten: schlank, frisch und slott und mit lachenden Augen ihm entgegenblickend. Die Cilly vom Kaufmann Müller! Das Blut schoß ihm zum Kopse! „Fräulein Cilly! Ja, was ist denn das! Wo kommen denn Sie her?" Das frische, hübsche Ding reichte ihm zutraulich die Hand. — „Eine Besorgung muß ich machen für den Herrn Müller. — Heut' ist's aber arg schön, gelt? — Man möcht' gar nimmer heimgehrn bei dem Prachtwetter!" Und ihre blauen Augen glänzten sehnsüchtig über die roten Dächer in den Frühlingshimmel hinaus. Dem Registrator wurde wunderlich zumute. Dis Estty, ja die Cilly war seiWe schwache Seite, da» ließ sich nicht leugnen. Was hatte er dem Kaufmann Müller nicht schon für Geld ins Geschäft getragen, nur um einen lieben Blick aus diesen jungglitzernden Blauaugen zu erhaschen! Blitzschnell kamen ihm ein paar andere Augen in den Sinry die ihn vor zwei Tagen scharf und ernst betrachtet hatten, als wollten sie jeden seiner heimlichen Cilly-Gedanken lesen. Aber das war nur einen Augenblick lang. Dann sah er das blonde Mädel freundlich an und sagte so recht harmlos: „Kommen Sie doch ein paar Schritte mit! Wir machen den kleinen Bogen an der Stadtmauer entlang. Es ist ja wirk lich ein Wetter ohnegleichen!" Damit war Cilly denn einverstanden, und nun schlen derten sie zur nahen Stadtmauer hinaus, die das alte Städt chen heute noch umgab, wie einst vor Jahrhunderten. Drau ßen lachte ihnen erst recht der Frühling entgegen. Blüten baum stand an Blütenbaum, und sogar an die alten Mauer türme, die ihre spitzen, roten Dächer lustig in den hellblauen Himmel leuchten ließen, schmiegten sich blütenübersäte Sträucher. Dazu summte es von ungezählten Insekten in der Blütenfülle, und ein Fink sang einen fröhlichen Zwie- gesang mit einem Nebenbuhler. Die Cilly atmete tief auf und sog all die jubelnde Früh lingsschönheit in die junge Brust. Aber auch der Registra tor hatte das Gefühl, als wäre er auf einmal ein anderer. Und in der Anwandlung einer lustigen Kühnheit blieb er plötzlich stehen, hob das weiße, weiche Kinn der Cilly ein wenig in die Höhe und sah ihr verliebt in die Augen. Und sagte halblaut: „Gelt, es ist doch hübsch, so zu Zweien in den Frühling hinauszuwandern?" Die Cilly nickte errötend. Sie nahm es auch nicht übel, daß er jetzt ein bißchen näher an sie gedrängt weiterging und ihr allerhand verliebtes Zeug daherschwatzte. So wie es einem eben in den Sinn kommt, wenn ringsumher der Frühling blüht und jubelt. Es dauerte ohnehin nicht lange, denn der kleine Bogen war leider nur kurz und führte nur allzubald wieder in die Stadt hinein. An den Bäumen, di« an jenem frühlingsfrohen Nachmittag so lieblich in ihrer Blütenpracht geleuchtet hat ten, hingen längst kleine Früchte, als der Registrator mit seiner Frau seine Urlaubsreife antrai. Sie führte dos Paar nach der Hauptstadt, denn der Registrator wollte Leben sehen, großstädtisches, pulsierendes Leben nach dem ein tönigen, langweiligen Dasein in der alten .Kleinstadt. Aber noch etwas lockte ihn in die Hauptstadt, und das waren die Lichtspieltheater. Denn ihre Filme ließen ihn in ein Leben hineinblicken, von dem er nichts, aber auch gar nichts wußte, und das ihn doch immer wieder reizte und anzog mit begehr lichem Werben. Er sah da Frauen, deren Anblick ihm das Herz klopfen machte, sah, wie sie lebten, liebten, und wie sie in kühner Lust das Leben bezwangen, und wenn er so ein tollphantastisches Stück Mcnschendasein aus der Leinwand an sich vorüber hatte zucken sehen, war es ihm, als ob er alles das auch mitcrlebt hatte. Und dabei fühlte er denn immer ein Wohlbehagen, das in sein eigenes kleines Leben hineinleuchtete wie ein lustiger lebensfrischer Strahl aus der großen bunten Welt. Wieder stand das Paar vor einem der Filmpoläste und betrachtete aufmerksam das Programm, al» die Frau Re- gistrator plötzlich ausries: „Das müssen wir uns ansehen, Max. — Schau doch nur, da zeigen sie ja gar unser Städtle! — „Malerische Bil der aus der alten Stadt Cdina-n" heißt es. — Da bin ich doch wirklich begierig, wie sich das Städtle im Film macht! Ein paar Minuten später saßen sie im dunklen, men schenvollen Raum und sahen auf der Leinwand zuerst noch den Schlußakt eines „Sensationsdramas" mit einer so bild schönen Heldin, daß des Herrn Registrators Herz schon wie der heftig zu klopfen begann. Und dann kam die „male rische Kleinstadt". Mit großem Vergnügen und erfreuten Ausrufen, denn man kannte ja jeden Stein im Städtchen, wurden die wirk lich hübschen Bilder von den beiden begrüßt. Da war der Marktplatz mit den hochgiebeligen Häusern, da die alte Jo- hanniskirche, da der Michaelis-Torturm und da die alte Stadtmauer mit ihren Türmen und da... da, an der Stadtmauer ging eben ein Paar, ein älterer Herr und ein junges, schlankes Mädel und der ältere Herr ging ganz nahe an sie gedrückt und sprach eifrig in sie hinein und... An das, was nun folgte, denkt der Herr Registrator nicht gern, denn es waren die schwersten Stunden seines Le bens, die nun folgten, Und der schöne Urlaub war vergällt, und es dauerte lange, lange, ehe die Frau Registrator ihrem Mann wieder ein gutes Wort und einen Halbwegs «orten Blick gab. Und bei alledem^war es noch ein Glück. Denn was wäre erst gewesen und daraus geworden, wenn der Photograph — er ist der einzige Mensch, den der Herr Re gistrator bis in die Seele hinein haßt! — ja, wenn der Photograph auch noch den Augenblick erwischt hätte, als der ältere Herr der Cilly weißes, weiches Kinn in di« Höhe hob! Königliche Randbemerkungen. , Erinnerungen an Friedrich Wilhelm I. (Nachdruck derbsten) Mit zu dem Interessantesten, was von Friedrich Wil helm I., dem Vater Friedrichs des Großen, berichtet wird, gehören unstreitig die originellen Randbemerkungen, die er eigenhändig auf den Berichten und Bittschriften anbrachte, die ihm sein« Ratgeber am frühen Morgen, im Winter um 7, im Sommer um 5 Uhr vorlegte«. Döe Vorschläge, die ihm nicht gefielen, versah ex. wie Ernst Laoisse in der Zeitschrift „Historia" erzählt, mit der typischen Bemerkung „Narren possen!" Die am häufigsten wiederkehrende, in allen Sprachen geschriebene Randglosse jedoch lautet: Ich habe kein Geld! koiot ä'krgoott oder auch, mit einem groben Verstoß gegen die lateinische Grammatik: Ron dadeo kekuma. Als ein Minister für Bauern, di« durch ein Fehljahr auf eine harte Probe gestellt waren, mn Unterstützung ein- kam, gab er ihm zur Antwort: „Die nächste Ernte wird gut ausfallen, keine Unterstützung nötig." Seine Schrift war — besonders nachdem ihn die Gicht befallen hatte — so entsetzlich, daß sie nur wenige lesen konnten. Einmal schrieb ^r an den Rand eines Berichts de» Berliner Regierungsstattholters über einen Maurerauf stand: „Du mußt den Rädelsführer hängen lassen, ehe ich komme." Der General las statt „Rädelsführer" — „Rädel früher." Der Satz lautete demnach: Du sollst den Rädel hängen lasten. Der Staathalter kannte nur einen Rädel; es war ein Offizier. Er ließ ihn festnehmen und war im Begriff, ihn aufknüpfen zu lasten, als einer, der die Schrift des Königs besser kannte, ihm das Mißverständnis auf- klärte. Darauf setzt« der Statthalter den Offner wieder in Freiheit und verfügt stch nach dem Sefängnls, in dem die verhafteten Maurer sich befanden; da er aber nicht heraus- bringen konnte, welche« der Rädelsführer war, so suchte er Main« a»s, d«r nüe Hamwchatt^ nnd ließ ihn hängen
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