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Der sächsische Erzähler : 16.06.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192506167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19250616
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19250616
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-06
- Tag 1925-06-16
-
Monat
1925-06
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 16.06.1925
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überbrachte Glückwünsche der Zittauer Sewerbekammer. Der Tätigkeitsbericht, den Syndikus Dr. Tim- »ermann erstattete, ließ erkennen, daß das Jahr 1924 den Aufstieg begonnen habe und verbreitete sich über ver schiedene Berufsfragen. Aus den weiteren Verhandlungen über den Kassenbericht, den Bericht des Landeswirtschafts verbandes für 1924 und den Ankauf von Lagervorräten von den Deutschen Werken ging hervor, daß der Friedensvertrag Erschwernisse gebracht habe und die Konkurrenz der Indu strie immer schärfer werde. Der vielbekämpfte Vertrag mit ven Deutschen Werken in Spandau, der inzwischen wieder hinfällig geworden ist. habe das Gute gehabt, daß er die Konkurrenz dieser Werke gesunden habe. Der gegenwärtige Auftragseingang sei gering, doch werde er sich bei Wieder- äufnahme der Reparationslieferungen hoffentlich neu be leben. Wie in der Vorstandssitzung, so war auch in der Hauptversammlung dep Ruf nach 4 jähriger Lehrzeit hart umkämpst. Eine nach langer Aussprache vorgenom mene Abstimmung ergab, daß nur 6 Innungen dafür stimm ten, während 17 Innungen an der 354jährigen Lehrzeit fest zuhalten wünschten. Syndikus Timmermann bedauerte, daß der Wille des Vorstandes auf Einführung der 4jährigen Lehrzeit keine Meinung gefunden habe, doch solle innerhalb der Innungen diese Frage noch einmal besprochen werden. In einer angenommenen Entschließung an den Deut schen Stellmacherbund wird die Herbeiführung eines neuen Ausbaus der Berufsorganisation auf Landes- u. Bezirksver- vkinden beantragt. Dr. Weiße (Dresden) verbreitete sich über die Frage: „W elchc Steuern hat ein Stellmacher zuzahlen?" Die Vorstandswahlen ergaben einstimmige Wiederwahl. Der Haushaltplan für 1925 wurde genehmigt. Als Ort für den nächstjährigen Verbandstag wurde Freiberg bestimmt. Die weiteren Beratungsgegenstände betrafen innere Berufsangelegenheiten. Für Montag waren Aus flüge in Bautzens Umgebung vorgesehen. Fl. Feuerwehr-Rundschau. r. Vauhea, 15 Juni. Der 47. Feuerwehrkag des Ober- iauslher Gebirgsgau-Verbandes nahm am Sonntag, den 14. Juni, in Sohland an der Spree seinen planmäßigen Verlauf. Der Ort war festlich geschmückt und über den Straßen schwebten Girlanden mit Embleme in großer Zahl. Vom frühen Morgen an herrschte in ganz Sohland ein außerordentlich reges Leben. Mit klingendem Spiel zogen die verschiedenen Wehren von allen Seiten im Ort ein, um sich im Schlltzenhaus zu treffen. Dort wurden, nachdem um tzLII Uhr an beiden Kriegerdenkmälern Kranz niederlegungen stattgesunden hatten, von 11—12 Uhr die auswärtigen Gäste empfangen. Punkt 1 Uhr begann die im Saale des Schützenhauses stattfindende Abgeordneten sitzung, zu der von ungefähr 30 Wehren 9 Branddirekto ren, 4 Kommandanten, 22 Hauptleute, 20 Stellvertreter und 90 Abgeordnete erschienen waren. Der Vorsitzende des Gau-Verbandes, Branddirektor Hünlich-Neusalza eröffnete die Sitzung mit begrüßenden Worten, die besonders Herrn Bürgermeister Förster galten als Vertreter der gastgeb. Ge meinde. Branddirektor Hünlich geißelte die Disziplinlosig keit des Publikums bei Bränden und wies darauf hin, daß diesbezüglich eine Eingabe an die Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau gerichtet worden sei, die bei der erstge nannten großes Berständnis gefunden habe, jedoch bei der Löbauer Amtshauptmannschaft völlig. Bautzen habe ^ie Polizeiorgane angewiesen, weitgehendste Unterstützung zu gewähren. Die Stellung des Branddirektors erklärte der Gauvorsitzende dahin, daß der Verkehr zwischen der Ge meinde und der Wehr durch den Branddirektor einzig und allein vermittelt werde. Wo ein solcher nicht vorhanden Kl, fülle dieses Ami der Bürgermeister der Gemeinde aus. Al» Spender einer Motorspritze wurden die Herren Fabrik besitzer Hantusch und Grombt, sowie die Herren Stein, Har nisch und Paulick unter Ueberreichung einer Anerkennungs urkunde zu Ehrenmitgliedern der Sohländer Wehr ernannt. Ebenso wurden 10 Angehörige der Wehr für 20-, 25- und 40jährige Dienstzeit ausgezeichnet. Branddirektor Hünlich betonte, daß 1919 der Gauverband noch keine motorische Löschkrast besaß, während er jetzt eine Dampfspritze m,t 10 0ÜO Liter Minutenleistung und 10 Motorspritzen besitzt Den inzwischen von Doberschau (Verbandstag des Bezirks verbandes Bautzen) eingetrosfenen Amtshauptmann Dr. Jungmann, Bautzen, begrüßte er herzlichst. Die nächste Sitzung, Hauptmannssitzung, findet in Wehrsdorf, der nächste Feuerwehrtag in Kirschau statt. Anschließend an diese Sitzung nahm der Führer des Verbandes eine Besich tigung der Sohländer Wehr vor, um dann die Steiger übungen, Schulübungen mit Fuß- und Gerätedienst abzu nehmen. An den langen, sich durch das ganze Dorf be wegenden Festzug, welchem die Einwohnerschaft großes In teresse entgegenbrachte, schloß sich eine Löschübung an einem Scheunengebäude an. Obwohl während des Festzuges ein leichter Regen einsetzte, konnte das Programm ohne Stö rung und Verzögerung abgewickelt werden. Neues aus aver Wett. — Halle führt eine Wegcsleuer für Automobile ein. Im Haushaltsausschuß der Stadt Halle wurde eine Magist ratsvorlage angenommen, die eine städtische Wegesteucr für Autos einführt. Cs sind folgende Sätze vorgesehen: bei Lastkraftwagen über 2500 Kilogramm Eigengewicht 10 Pfg. für das Tonnen-Kilometer, bei Lastkraftwagen bis 2500 Kilogramm Eigengewicht 8 Pfennig, bei Lastwagen mit tie rischer Kraft und Personenkraftwagen 5 Pfennig. Es han delt sich um die Erhebung von Vorauszahlungen für die Wege-Unterhaltung. Der Regierungspräsident hat, wie es heißt, gegen die Erhebung dieser Sondergebühren Einspruch erhoben. — Die Tragödie einer Familie. Im Bauerndorf Prett- min, Kreis Kolberg, schoß der 23jährige Landwirt Herbert Holz im Verlauf eines Streites seinen 20jährigen Bruder nieder und erschoß sich darauf selbst. Die Mutter bewirt schaftete mit ihren Söhnen, die seit einiger Zeit verfeindet waren, ihr 70 Morgen großes Besitztum. Der Vater war während des Krieges als Wachtposten von kriegsgefangenen Russen ermordet worden. „Deutschlands größter Afrikaner". Zu Hermann van Wißmanns 20. Todestage. Von Oskar Schwär-Dresden. Heute vor zwanzig Jahren fand der kühne und erfolg reiche Forscher, der im dunklen Afrika aus dem Kampfe mit Naturgewalten, gefährlichen Feinden der Tierwelt und verräterischen Eingeborenen immer siegreich hervorgegan gen war, ungeheure Strapazen, Malaria, Hunger und Kälte überstanden hatte, in Steiermark einen eigenartigen Tod. Er war auf der Jagd seines Landsitzes, von der erdrücken den Hitze erschöpft, auf dem Ansitz' eingeschlafen. Die Ex preß-Doppelbüchse hatte er zwischen den Knien und zwar mit gespannten Hähnen. (Es war immer seine Gewohnheit gewesen, auf der Jagd mit gestochener Büchse zu gehen.) Wie er aus dem Schlafe auffuhr, wurde der eine Hahn los gedrückt, es war ein Kopfschuß. Der Jäger fiel seiner eige nen Kugel zum Opfer. Wißmanns Taten und Schriften haben sofort die ver diente Anerkennung gefunden. Nach der ersten Expedition, » e. linr Pogg«, seinem trefflichen Lehrmeister und treuen Kameraden, von Angola aus nach dem oberen Kongo unternahm und nach des schwererkrankten Führers Rück kehr allein über den Tanganikasee und Tabora bis zur Ostküste durchführte, womit ihm die erste West-Ost-Durch- querung Zentralafrikas und die Erforschung noch unbekann ter Gebiete und Völker gelang, wurde er vom König Leo pold von Belgien mit der Führung einer großen Expedition ins südliche Kongobecken betraut. Der „große weiße Fleck" auf der Karte erhielt durch diese schwierige, aber glücklich zu Ende geführte Reise die Ausfüllung mit gar wichtigen Flußlinien und Ortschaften: denn nun war endlich der Lauf des gewaltigen Kassai und das Netz der anderen südlichen Nebenflüsse festgestellt, die Station Luluaburg am Lulua gegründet und das Gebiet ethnographisch schon weit er forscht.. Der Araberaufstand in Deutschostafrika wurde An laß, Wißmann zum Dienst für sein Vaterland, den er sich schon lange gewünscht hatte zu berufen. Bismarck beauf tragte ihn mit der Niederschlagung des Aufstandes. Mit verhältnismäßig geringen Mitteln — zwei Millionen Mark bewilligte der Reichstag — und wenigen deutschen Hilfs kräften ging er hinüber, schuf sich aus Eingeborenen eine Truppe, und in "kurzer Zeit konnte er mit Unterstützung des Kreuzergeschwaders die Küstenplätze einnehmen, die feind lichen Lager im Innern erstürmen und schließlich den Re bellenführer Bushiri selbst gefangennehmen. Nach diesem Erfolge wurde Wißmann vom Kaiser in den Adelstand erhoben, kurz darauf zum kaiserlichen Kommissar für Deutsch-Ostafrika ernannt. Er schlug einen neuen Aufstand nieder, widmete sich mit Eifer der weiteren Erforschung von Land und Leuten und übernahm im Auftrage des Prin zen zu Wied eine Expedition gegen die Sklaverei. Bei einem Urlaub hielt er in der Heimat Vorträge und warb dabei 300 000 Mark für die Ausführung, besonders zur Beschaf fung eines zerlegbaren Dampfers, den man in Tausenden von Einzellasten ins Innere des Landes nach dem Njassasee transportieren konnte. Das große und außerordentlich schmierige Unternehmen im Dienste der Zivilisation wurde durch vollen Erfolg gekrönt. Wißmann reiste zur Erho lung nach Indien, kehrte nach Deutschland zurück, wo er sich verheiratete, und ging als Gouverneur der Kolonie 1895 wieder nach Deutsch-Ostafrika; doch blieb er nur ein Jähr auf diesem Posten, dann verließ er den schwarzen Erdteil für immer. Alls Jagdreisen kam er noch in das Sinaigebirge, nach Arabien, nach Algier, Tunis und Marokko und schließ lich ins Altaigebirge bis an die chinesische Grenze. Auf seinem Gute im schönen Steiermark gab er sich der gelieb ten Jagd hin. Er hätte noch manches fesselnde Buch schrei ben können, dazu aber hatte dieser Mann der Tat nicht die Ruhe. Wir besitzen von ihm die Werke: „Unter deutscher Flagge von West nach Ost 1880 bis 1883." „Im Innern Afrikas, die Erforschung des Kassai", „Meine zweite Durch querung Aequatorialafrikas", „Afrika, Schilderungen und Ratschläge zur Vorbereitung für den Aufenthalt und den Dienst in den deutschen Schutzgebieten." Diese Schriften, in denen Wißmann seine Erlebnisse in schlicht-bescheidener, da bei aber anschaulicher Weise erzählt, sind für den Geogra phen, Ethnographen, Zoologen und Botaniker eine zuver lässige lind reiche Quelle; jeden anderen aber fesseln ihre Schilderungen der Landschaft, der Menschen mit ihren Sit ten und Bräuchen, der Tierwelt, der Kämpfe und Jagden. Mir scheint, daß Wißmanns Bücher viel zu wenig gelesen werden, besonders die Jugend sollte sein Werk „Meine zweite Durchquerung Aequatorialafrikas" viel fleißiger lesen, sie würde nicht nur ihre Kenntnisse bereichern, sondern darüber hinvus die Bedeutung deutscher Forscherarbeit schätzen lernen und an dem edlen, großen Charakter und dem Bismarckschen zielklaren Tatwillen erstarken! Der Kaiferstuhl. Erinnerung von Leo Walter Stein. lNachdruck verboten) Bitte erschrecken Sie nicht, mein lieber Leser — ich will Jynen keinen geographischen Unterricht erteilen. Der Kaiser- jtuhl, von denl hier die Rede sein soll, hat mit dem badischen Höhenzug gleichen Namens nichts zu tun. Ich meine auch nicht den alten Kaiserstuhl Heinrichs des Dritten, der im Kaiserhaus zu Goslar gezeigt wird — nein, der Kaiserstuhl von dem ich hier erzählen will, ist jüngeren Datums und steht in meinem Arbeitszimmer. Und doch ist auch dieser Stuhl nicht ohne eine gewisse historische Bedeutung, denn er trägt eine silberne Platte, aus der zu lesen ist: „Auf diesem Sessel saß Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. bei der Fest vorstellung im Bromberger Stadttheater „Roßbach" von Leo Walter Stein am 1v. Dezember 1904." Und das kam so: In Bromberg, damals gut deutsch, wenig polnisch, lag seit vielen Jahren das Grenadicrregi- ment zu Pferde Freiherr von Derfflinger Neumärkifches Nr. 3 in Garnison. Grenadierregiment und zu Pferde? — — ein Nonsens, höre ich sagen. Nicht so! Als eines der ältesten Reiterregimenter der preußischen Armee, wurde das Ncumärkischc Dragonerregiment Nr. 3 im Dezember 1704 unter König Friedrich I. von dem Generalmajor Frei herrn von Defslinger gegründet. Den Ehrennamen Grena dierregiment zu Pferde hatte es sich 1709 in der Schlacht von Malplaquct erworben, wo es abgesessen, zu Fuß kämp fend, den großen Sieg über die Franzosen entschieden hatte. Im Frühjahr 1904 erschien eines Tages der Oberst des Regiments bei mir, der ich zur Zeit Direktor des Bromber ger Stadttheatcrs war, sprach von der im Dezember bevor stehenden 200jährigcn Jubelfeier der Grenadiere zu Pferde, und äußerte die Bitte, daß sich an dieser Feier auch das Kai serlich subventionierte Stadttheater beteiligen möge. Er er bat meinen Rat, in welcher Weise das geschehen könne, ob er sich vielleicht von Wildenbruch oder Lauf einen Prolog schreiben lassen solle, dem dann die Aufführung eines vater ländischen Stückes zu folgen haben würde. „Herr Oberst," erwiderte ich, „das wäre das übliche, allgemein gebräuch liche bei solchen Gelegenheiten. Ich möchte Ihnen einen an deren Vorschlag machen. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich ein Festspiel aus der Geschichte Ihres Regimentes schrei ben und von meinen Schauspielern unter gütiger Mitwir kung Ihrer Grenadiere an Ihrem Ehrentage spielen lassen." — „Das wäre ja herrlich! Machen Sie das und seien Sie meines wärmsten Dankes gewch. Wenn dos klappt, gelingt cs uns vielleicht sogar, Seine Majestät zu unserer Jubelfeier nach Bromberg zu bekommen. Schreiben Sie los, lieber Direktor, und was ich vom Regiment aus tun kann, wird selbstverständlich geschehen." — Ich fing nun an, die umsangreichc Rcgimentsgeschichte zu studieren, kam aber nur bis zur Schlacht bei Roßbach. Da machte ich halt! Das war die ruhmreichste Waffentat der Grenadiere zu Pferde — die wollte ich von mir aus noch weiter verherrlichen. In wenigen Wochen konnte ich dein Oberst melden: „Zu Befehl — fertig!" Es würde nun aus der Mitte des Offizierkorps eine literarische Kommission gewählt, der ich das zweiaktige, in Knittelversen geschriebene Stück vorlesen sollte. Zwei Rittmeister und ein Oberleutnant, alle drei mir als fleißige Besucher des Theaters persönlich bekannt, erschienen mit militärischer Pünktlichkeit zur Vorlesung, setz ten ihre kritischsten Mienen auf und fanden alles wunder schön! Einer verstieg sich sogar zu einem schmeichelhaften Vergleich mit Wallensteins Lager, den ich in meines Nichts durchbohrendem Gefühle natürlich ablehnen mußte. Mur ein Bedenken wurde laut. — Im zweiten Akt ließ ich Fried rich den Großen selbst auftreten. Die Herren machten mich darauf aufmerksam, daß ohne besondere Kaiserliche Geneh migung ein Angehöriger des Hohenzollernhauses nicht aus die Bühne gebracht werden dürfte. „Ja, meine Herren, die Schlacht bei Roßbach kann auch auf der Bühne ohne Friedrich den Großen nicht geschlagen werden. Wir müssen eben die Genehmigung bei seiner Majestät einholen." — „Famos," rief Rittmeister von Diebitsch aus, „wir schicken das Ding vom Regiment aus an das Militärkabinctt — dann bekommt cs der Kaiser in die Hand, und wenn er es gelesen hat, dann kommt er auch her. Monate vergingen man hörte nichts von „Roß ¬ bach" und nichts vom Kaiser. Mitte November etwa stürzte eines Abends Herr von Diebitsch behelmten Hauptes in mein Büro und meldete dienstlich im Auftrage des Ober sten: „Der Kaiser hat gelesen — der Kaiser hat den alten Fritz erlaubt — der Kaiser kommt!" — lind er kam! Am 16. Dezember mittags 12 Uhr 30 traf sein Zug ein — 12 Uhr 40 Parade des Grenadierregi- mcnts zu Pferde auf dem Weltzienplatz — 1 Uhr Vorbei marsch der ganzen Garnison von fünf Regimentern an dem obersten Kriegsherrn — 1 Uhr 30 Begrüßung im Rathaus mit Ehrentrunk — 2 Uhr Festessen im Zivilkasino — 3 Uhr 30 Reiterfest der Offiziere und Mannschaften in der Manege — 5 Uhr Teestunde im Ofsizierskasino — 6 Uhr Festvorstellung ini Stadttheotcr — 7 Uhr 30 Abfahrt nach Berlin. Allen Respekt vor dieser Kaiserlichen Leistung! Die Stadt war tagelang schon in höchster Aufregung — der Kaiser war noch nie in Bromberg gewesen — die Aus schmückung der Straßen war prunkvoll, das Menschenge wimmel beängstigend, von Stunde zu Stunde noch zuneh mend, so daß kurz vor Beginn der Theatervorstellung die Zugangsstraßen für die Anfahrt des Kaisers und seines Ge- solges abgcsperrt werden muhten. Als ich mich von meiner nahegelegenen Wohnung rechtzeitig ins Theater begeben wollte, wurde ich nickst durchgelassen. „Nur Besucher der Vorstellung mit Ausweis dürfen passieren," erklärte der diensttuende Artilleriehauptmann. — „Mich werden Sie schon ohne Ausweis durchlassen müssen, Herr Hauptmann." „Ausgeschlossen, hier kommt keine Katze durch!" — „Jo, dann wird wohl die Festvorstellung ausfallen!" — „Was heißt das?" — „Das heißt, daß ich der Direktor, Spielleiter und Verfasser von Roßbach bin!" — „Ach, Herr Direktor, jetzt erkenne ich Sie. Es ist so dunkel — bitte sehr, natürlich — ohne Sie geht die Chose ja nicht, entschuldigen Sie!" In: Theater war alles in höchster Bereitschaft, und kaum hatte ich meinen Beobachtungsplatz eingenommen, als Wilhelm Ii. auch schon die Loge betrat. Das in glänzen den Uniformen, besternten Fracks und großen Toiletten mit genau vorgeschriebenem Ausschnitt erstrahlende Publikum erhob sich — ich brachte das Kaiserhoch aus, das Orchester intonierte die Hymne, und das Publikum sang die erste. Strophe mit. Der Kaiser stand während dieser ganzen Zeitz) auf seinen Pallasch gestützt, wie aus Stein gemeißelt — ein' historisches Monument! „Dieser Mann steht fest auf sei-) nem Platz.— nichts kann ihn stürzen!" So dachten wohl; alle in jenem Augenblick. Und doch — und doch! Richt .daran denken! Der Vorhang war nach dem zweiten Akt gefallen — ich war in die Loge befohlen. Mit ausgestreckter Hand kam der Kaiser auf mich zu: „Ich danke Ihnen, Herr Direktor») das war sehr hübsch — frisch — lebendig — humorvoll —,l miltärisch gut gesehen — na, und meine Dragoner hoben- doch gut gemimt, wie?" — „Hervorragend, Majestätf" Ja, ein guter Soldat kann alles! Uno Ihre Komiker — zum Schreien — ich habe Tränen gelacht, überhaupt, Sie haben Ihre Leute gut im Zuge — klappte alles vorzüglich.) Die Szene mit den beiden Französinnen — wissen Sie denn überhaupt, daß Hülsen Ihnen die streichen wallte — sie sei zu pikant. Ne ne, habe ich gesagt, lassen Sie mal, die ist sehr lustig, und vor allem historisch richtig — die franzö sischen Offiziere haben ja tatsächlich ihre Dämchen bei sich ge habt." So plauderte der Kaiser in bester Laune weiter, bis der Generaladjutant sich ihm näherte. „Aha — mein Zug — ja, Herr Direktor, bei uns muß auch alles klappen — auf die Minute — genau wie bei Ihnen. Nochmals Dank, es war wirklich sehr nett." Noch ein Händedruck — kernig fest — man fühlte ihn, und der hohe Gast hatte das Haus verlassen. Alles haben die Polen bekommen, das schöne Theater mit dem ganzen Fundus. Nur den Stuhl, auf dem der letzte deutsche Kaiser gesessen hat, nicht! Da hatte ich ein gegriffen, freilich ohne zu ahnen, wozu es später einmal gut sein würde. Ms ich von Brombera fortzog, nahm ich den reichgeschnitzten Sessel mit — kein Diebstahl, ich hatte c^n vollständig gleichen anfertigen lasten und gegen den richWen auegetauscht. Der polnische Magistrat, der das deutsche Erbe angetreten Hatz mag mich meinetwegen verklagen.
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