Volltext Seite (XML)
Vas Kind ans der Stratze. Auf dem Schoße der Mutter findet da« Kind, das die Fesseln des Steckbettchens gesprengt hat, seinen ersten Spiel- und Ruheplatz. Und haben die Gehversuche der Bewegungs möglichkeit des Kindes weiteren Spielraum gebracht, dann entflieht es gern der Kinderstube und geht auf die Straße, vorerst auch geleitet von führender Mutterhand, später aber allein. Damit wird es hineingestellt in eine ihm ganz neue Welt. Wenn auch die Straße zunächst den Zwecken des Ver- kehrs dient, so beeinflußt sie mit ihrem so wechseloollen Be triebe jeden Menschen, der sich ihr anoertraut. Für das Kind, dessen leibliche und seelische Entwicklung und Entfal tung erst in den Anfängen steckt, dessen Körper und Geist noch so überaus empfindlich und empfänglich sind, kann und muß die Straße als wichtiger Erziehungsfaktor in Rechnung gestellt werden. Buntgestalttg und mannigfaltig, wie in einem Guckkasten, zieht das Straßenleben am Kinde :ior- über: Gutes und Böses, Schönes und Häßliches, Erfreuliches und Betrübendes. Und die Sinne des Kindes, vor all->m Gesicht und Gehör, haben fleißig zu schaffen, all das Ge botene auf dem Wege der Wahrnehmung und Empfindung aufzunehmen und dem Speicher des Geistes zuzuführen, dessen geheimnisvoll wirkende Kräfte diese Innenwelt zu Vorstellungen und Begriffen, zu Urteilen und Schlüssen for men. So wird auch die Straße den Geist des Kindes beein flussen neben Haus und Schule, und zwar bald im guten, bald im bösen Sinne. Das Straßenleben wird Verstand und Gedächtnis, Gefühl und Willen, ja letzten Endes die gesamte Charakteranlage des Kindes gestalten helfen. Kaum haben die Strahlen der Sonne die letzten Schnee reste hinweggeleckt, so geht das Kind auf die Straße, und beim Kreisel-, Reifen- und Murmelspiel, beim Singspiel d.-s Ringelreihens schwindet ihm im Fluge so manche heitere Stunde, findet es unter den Gespielen so manchen Freund, vielleicht fürs ganze Leben. Dem Dorfkinde bietet der Dors teich und der die Dorsstraße begleitende Bach mit seinen klaren Wellen und blumigen Ufern reichliche Gelegenheit zu allerlei Kurzweil, und auf dem herrlichen Rasenteppich von Garten und Wiese kann die liebe Dorfjugend nach Herzens lust spielen und tollen. Dem Stadtkinde fehlen leider diese so natürlichen Spiel- und Erholungsgelegenheiten, dafür bietet ihm aber die Straße weit mehr Sinnenfälliges: die glänzenden Schaufenster mit der bestrickenden Märcken- pracht der Auslage, die von der Mode geschmückten oder auch entstellten Gestalten des Bürgersteiges; der laut und rastlos flutende Verkehr des Fahrdammes. Gefährte aller Art, vom Kinderwagen bis zum Landauer, vom Fahrrad bi» zum Auto, vom Handkarren bis zum Rollwagen, ziehen vorüber. Da ein Leichenwagen mit einem Entschlafenen, dort ein Kremser mit fröhlicher Gesellschaft; hier eine stark besetzte Elektrische, da ein Löschzug der Feuerwehr. Jetzt ist das Kind ein Zeuge roher Tierquälerei, dann schweren Unfalles. Da sieht es einen Betrunkenen die Leute belästi gen, dann wieder gewahrt es Anständige bei lebhafter Unter haltung. Gemeine Worte halbwüchsiger Burschen und Mädchen schlagen an sein Ohr. Fleißige Arbeiter, bedauerns werte Arbeitslose, verkommene Bummler kreuzen seinen Weg. Ueberschreitet es verkehrsreiche Straßen und Plätze, muß es größte Vorsicht üben. « Mit zunehmendem Alter wird auch das Interesse des Kindes an den Gestalten und Erscheinungen der St-ahe wachsen, und der Einfluß derselben auf seinen Geist wird tie fer und reichhaltiger werden. Daß diese Einwirkung sich m der Richtung auf das Gute, Schöne und Edle bewegt, das muß unablässige und ernste Sorge der berufenen Erzieher in Haus und Schule und gewiß auch solche der Allgemeinheit sein. Ist ja gerade bei dem Kinde die Macht des Beispiels so gewaltig. Uns ollen aber muß das leibliche und seelische Wohl und Gedeihen unserer Jugend, als der besten Quelle unseres deutschen Volkstums, in dieser überaus schweren Zeit doppelt wertvoll und heilig sein. Eltern und Lehrer, Jugendfreunde und Behörden dürfen sich nicht der Aufgabe entziehen, auch das Leben des Kindes auf der Straße zu überwachen und zu betreuen. Namentlich das Kind der Großstadt, dessen Iugendhimmel von qualmenden Schloten verdüstert, dessen Iugendtraum von kahlen Mauern zerstört, besten Iugendlied vom Straßenlärm übertönt wird: namentlich dieses Kind erfleht unser tiefstes Erbarmen und fordert unsere liebevollste Fürsorge. Diesem Kinde soll und muß Gelegenheit geboten werden, dann und wann dem sinn betäubenden, unheilschwangeren Getriebe des Straßen lebens entfliehen zu können und auf schönen Spielplätzen mit Sandhaufen und Rasenflächen, in Walderholungsstätten mit staubfreier und sauerstoffreicher Luft, oder draußen auf dem Lande mit seinem stillen, urkräftigen Leben auch seinen Iu gendhimmel zu finden und sich zu freuen und zu spielen und zu träumen u. dabei an Leib u. Geist zu erstarken. So man che« Gute ist in Verfolgung dieses hohen Zieles schon ge leistet worden, mehr noch muß geschehen. Darum Augen und Hände öffnen! Es geht um Gedeihen und Bestand unseres deutschen Volkes! Ern st Vogelsang- Mittweida. stattet es jm Rahmen der gegebenen Verhältnisse nzit allem au«, was da» Gemüt des Kranken zu e heitern und seine niederdrückenden Gedanken zu bannen vermag. Auch un ter bescheidenen Verhältnissen kann die li»bende Fürsorge der Umgebung die einfachste Stube zu einem behaglichen Aufenthaltsort für den Kranken umgestalten. Da bekanntlich die äußere Umgebung von dem aller- größten Einfluß aus die Stimmung eines reden, ganz beson- ders aber eines Kranken ist, so müssen die Farben, die-an den Wänden und in der Zimmereinrichtung vorherrschen, Beachtung erfordern: dunkle Farben stimmen trübe, allzu grelle oder übermäßig bunte machen reizbar und nervös, am geeignetsten sind die zarten, blassen F^rbentöne, so rosa, hellblau, grünlich. Sogar die Muster der Tapeten sind nicht gleichgültig, einfache, kleine Zeichnungen sind großen, kom plizierten oder gar fratzenhaften Darstellungen vorzuziehen, da diese den Kranken ängstigen und ihm besonders im Halb- dunkel Schreckbilder vortäuschen. Das Gleiche gilt auch von den Gardinen, Fenster- und Türvorhängen, soweit man diese überhaupt im Zimmer behält, denn Vorhänge, Tep piche, überhaupt alles, was Schmutz und Staub in sich auf nimmt, gehört nicht ins Krankenzimmer. Der Kranke, der zu tagelangem, beständigem Hinblicken auf ein und dieselbe'Stelle der Wand verurteilt ist, muß im . Zimmer Gegenstände finden,die ihm einiges Interesse er wecken. Wenn daher der Zustand des Kranken es irgend gestattet, soll man Bilder an die Wand hängen. Diese müs sen deutlich erkennbare Zeichnungen Haven und so hängen, daß sie vom Bett aus bequem gesehen werden können, ja es wird oft nötig sein, um dem Kranken diese einfachste Form der Zerstreuung ausreichend zugute kommen zu lasten, häufig mit den Bildern zu wechseln. Und dann darf man im Krankenzimmer niemals die Blumen vergessen. Nach dem Wort eines berühmten Arztes gehören sie ebenso zur Behandlung wie Arznei. Die. Befürchtung, starke Blumen düfte könnten dem Kranken schaden, läßt sich durch die Ver wendung nicht stark duftender Blumen vermeiden. Wo ab geschnittene Blumen, Blütensträuße und Buketts im Kran kenzimmer aufgestellt werden, ist darauf zu achten, daß sie nur kurze Zeit im Zimmer bleiben und daß das Master, in dem sie stehen, mehrere Male erneuert wird, denn bekannt lich verbreiten abgeschnittene Blumen nach einiger Zeit, einen lästigen und unangenehmen Geruch, und in dem Wasser, in dem sie aufbewahrt werden, entwickeln sich schnell niedere Organismen. Zum ständigen Aufenthalt sind die grünen Topfgewächse und Schlingpflanzen am meisten zu empfehlen, da sie, ganz abgesehen von ihrem erfreuenden Anblick, die Zimmerluft durch die Absorption der Kohlen-, säure von feiten des Chlorophylls verbessern. Jm Krankenzimmer muß Ruhe herrschen, und beson ders darf das Verhalten der Umgebung für den Krankeck nicht eine Quelle der Unruhe bilden. Ferner muß man mit dem Kranken natürlich und deutlich sprechen und das Dämp fen und Verstellen der Stimme unterlasten; alles, was im Krankenzimmer vorgeht, muß osten und vor den Augen des Patienten vor sich gehen; streng zu vermeiden ist das Flü stern und Tuscheln, da der Kranke stets meint, es sei von ihm und seinem Zustand die Rede. Zum Komfort des Krankenzimmers gehört auch die peinlichste Reinlichkeit und Sauberkeit, und zwar muß die Reinigung des Zimmers nicht durch Abklopfen mit einem trockenen Tuche oder durch Abstauben mit einem Besen, son dern durch Abwischen mit einem feuchten Lappen geschehen; auch der Fußboden muß feucht ausgenommen, nicht etwa nur ausgekehrt werden. Große Sorgfalt ist auch auf die Lufterneuerung, die durch häufiges Oeffnen der oberen Fensterflügel zu ge schehen hat, zu verwenden; eine gute Krankenzimmerluft ist immer daran zu erkennen, daß sie niemals riecht. Auch die Temperatur des Krankenzimmers verdient sorgfältige Beachtung: im Zimmer von Erwachsenen soll sie durch schnittlich 12—14 Grad R., von Kindern 15—18 Grad R. betragen, bei fiebernden Kranken kann sie geringer sein: 10 bis 12 Grad R., bei Blutarmen wieder höher: 15—16 Grad Reaumur. Sie kann des Nachts etwas kühler sein, doch ist es wünschenswert, daß sie im ganzen wenig schwankt. Praktische Winke. Pft^lich« Behandlung von Kleidungsstücken. Ein farbige Kleidungsstücke von dunkler Farbe und auch bunte kann man lange und ansehnlich erhalten, wenn man sie von Zeit zu Zeit in folgender Weise behandelt: Man übergießt für 20 H Ouillajarlnde in einer Schüssel mit einem halben Liter Master und läßt den Aufguß bis zum nächsten Tage ziehen. Die zu behandelnden Kleidungsstücke klopft man und bürstet sie zunächst so lange aus, bis sie staubfrei sind. Etwaige Flecke werden einzeln ausgebürstet, indem man di- Bürste in die Ouillajarinde taucht. Dabei entsteht ein leich ter Seifenschaum, der aber bald wieder verschwindet. Hier auf bürstet man das ganze Kleidungsstück Strich für Strich von oben nach unten aus, wobei es sich empfiehlt, die Bürste nicht naß zu machen. Sind die Sachen sehr schmutzig, so kann man sie auch in einer solchen Mischung ganz waschen. Man spült sie dann in klarem Master nach und hängt sie naß zum Trocknen auf, ohne sie erst auszuwringen. Wetzn sie noch etwas feucht sind, wickelt man sie in ein wol lenes Tuch und plättet sie von de.' linken Seite wieder auf. Auch Decken und farbige Strümpfe kann man in der letzte ren Weise behandeln. Behandlung von Brandwunden. Wunden, die durch Verbrennen verursacht sind, bestreicht man mit Oel, Butter, Schmalz oder bestreut sie mit Mehl, Bullrichs Salz usw. Ein anderes Mittel ist eine nicht zu schwache Lösung von Kochsalz in Master, in die man Finger, Hände, Arme oder Deine hineintaucht. Bei Brandwunden im Gesicht und an anderen Körperteilen macht man Salzwasterumschläge. Wie stillt man Nasenbluten? Um heftiges Nasenbluten zu stillen, atmet man tief durch die Nase ein und durch den Mund aus. Dabei hält man die Arme in die Höhe und legt in den Nacken nasse Umschläge. Bewährt hat sich auch, daß man Essigwasser in die Nase einzieht oder Hande und Füße in heißes Wüster eintaucht. « Der Komfort der Krankenzimmers. Der Komfort des Kranken ist nach einem Ausspruch von Leydens kein überflüssiger Luxus, sondern eine Not wendigkeit: der Komfort umfaß» alle Maßnahmen, die dem Kranken mährend der Krankheit seine Existenz erleichtern und ihm seine Lage so angenehm wie möglich gestalten. In erster Linie gehört dazu ein behaglich und freundlich ein gerichtetes Krankenzimmer. Zum Aufentholtsraum für den Kranken bestimmt man, wenn man in der glücklichen Lage ist, zwischen mehreren Zimmern wählen zu können, am besten ein Helles, lustiges, ruhig gelegenes Zimmer und Aas de» Wege zur Frauenkleider-Reform. Von Dr. Anna Forkel. Lange genug hat es gedauert, bis die Frauenwelt zum Verständnis der ihr obliegenoen Rechte und Pflichten und zum Entschluß ihrer nachdrücklichsten Wahrnehmung aus dem ihrer eigensten Fürsorge naturgemäß anbeimsallenden Gebiet der Kleiderreform allmählich herangereist ist. Lange genug, mehr als zwei Jahrhunderte hindurch sind die Aerzre einsam« Wüstenprediaer gewesen, wenn sie gegen Miß bräuche und Auswüchse der Mode nicht bloß, sondern gegen durchgreisende, jeden Modewechsel überdauernde Fehler und Verirrungen in dem ganzen System der Franenklei- dung die Stimme erhoben. Gesund, praktisch, schön — das sind die Endziele, denen alle Reform- oder Besserungsversuche aus diesem Gebiet zu streben und die sie womöglich gleichzeitig und vereint zu ver ¬ wirklichen trachten. Nun, über das, wus an der bisherigen Kleidung in erster Reihe „ungesund", unhygtenisch und di rekt schädlich, also in vollstem Maße „reformbedürftig" ist, kann unter allen mit dem Gegenstand Vertrauten kein Zweifel obwalten. Hier kommt immer und immer wieder als Mittelpunkt der ganzen Kleiderreformfrage das Korsett in Frage — nicht allein allerdings, sondern im Verein mit anderweitigen Ausflüssen des gleichen fehlerhaften Prinzive: der Einpres sung der Taille durch schnürende Rockbänver und Gürtel. Das langjährige, in der Regel schon früh in fast noch kind lichem Alter beginnende Korsettraaen hat, wie nachgerade genügend bekannt geworden sein sollte, eine große Reihe ausschließlich oder vorzugsweise dem weiblichen Geschlecht eigener funktioneller und organischer Störungen in unzäh ligen Fällen zur Folge. Zu ihnen gehören einerseits die insbesondere von der Verengung des B.ustraums herrüh renden Beeinträchtigungen der Atmung, der Blutzirku lation, der Blutbildung und Ernährung, deren weitere Folgezustände wir unter die Krankheitsbegriffe der „Blut armut" und „Bleichsucht" einzuordnen gewohnt sind: ande rerseits die von schweren und fortgesetzten örGchen Druck wirkungen abhängigen krankhaften Störungen in Lage, Form und Funktion großer lebenswichtiger Organe. Das Register der durch Korsett und künstliche Taillen- einprcsstmg erzeugten Schädigungen ließe sich erheblich ver längern. Doch dürfte schon das Angeführte genügen, um den unansechrbaren Beweis zu erbringen, daß behufs Ver hütung und Abwendung mannigfacher, dem weiblichen Ge schlecht drohender Krankheitsgefahren die Abschaffung oder doch Unschädlichmachung des bisherigen Korsetts unum gänglich notwendig ist. Indes ist mit der Abschaffung des Korsetts allein noch nicht alles getan — vielmehr wirkt auch die Einpressung der Taille durch festes Binden der Rockbänder in gleichem Maße schädigend ein. Wenn Rockbänder und Beinkleidbänder ohne darunter befindliches, den Druck teilweise ausnehmen des Korsett direkt festgezogen werden, niuß die Schnürwir kung natürlich noch nachteiliger sein, so daß das Korsett un ter solchen Umständen sogar als „kleineres Uebel" aufgefaßt werden könnte. Röcke und Beinkleid dürfen überhaupt also nicht, wie man dies noch lg häufig sieht, um die Taille ge bunden, müssen vielmehr durch Knöpfen oder Anhaken in geeigneter Weise befestigt werden, falls die auch in Frage kommende Uebertragung auf die Schulter durch Rockhalter und dergleichen als minder ratsam erscheinen sollte. Der Kampf gegen das Korsett ist nun schon so alt, er hat namentlich in den letzten Jahren auch bereits bedeutende Erfolge zu verzeichnen. Indessen: es gibt noch mindestens 60 Prozent aller Frauen, die auch heute noch nicht das Korsett abgelegt haben. Dagegen ist die Ersatzindustrie rüh rig am Werke und hat Neuerungen geschaffen, die wirklich praktisch und empfehlenswert sind, da sie allen Anforderun gen entsprechen. Die Versuche zur Umstellung der Unterkleidung selbst sind auf fruchtbaren Boden gefallen, weil die Modenindu strie sich der Sache annahm und es verstand, den Frauen bess.re und gesundere Unterkleidung anzupreisen. Freilich ist man in Deutschland anderen Ländern gefolgt und hat nicht zuerst die Initiative ergriffen. So war man in Eng land, Norwegen, Amerika schon vor 20 Jahren so weit, wie heute 50 Prozent unserer Frauen. Jm großen und ganzen aber herrscht jedoch wenigstens in betreff eines Hauptpunkts unter den Reformerinnen aller Länder ziemlich weitgehende Uebereinstimmung; nämlich über die Abschaffung des bisher als wesentliches und eigentümliches Hauptstück weiblicher Kostümierung angesehenen Unterrocks oder vielmehr seiner Mehrheit: der mit ihren Bändern die Taille einschnürenden und die Hüften in schwerfälliger Weis« belastenden Jupons, und über ihren Ersatz durch das geschlossene, am Leibchen (oder „Reformkorsett" anzuknöpfende Beinkleid. Vom gesundheitlichen Standpunkt aus wichtiger als diese ziemlich untergeordneten Formfragen erscheint jedoch die Lustdurchlässigkeit (Porosität) der Unterkleidung und ihr hemmender Einfluß auf die Wärmeabgabe des Körpers bei verhältnismäßiger Leichtigkeit; danach bestimmt sich der im Einzelfall zu bevorzugende Stoff, und so erscheinen in un serem kühlen Klima mit seinem häufigen Witterungswechsel die porösen Trikotstoffe, besonders Wolltrikot und Wollsei- denmischung, sowie die leichtern Wollflanelle für die Unter kleidung im allgemeinen vorzugsweise benutzbar. In geringerem Mikße als die Unterkleidung bietet die weibliche Oberkleidung zu prinzipiellen Bedenken und zu kühnen reformerischen Neuerungsversuchen Anlaß. An ihr machen sich überdies die rasch wechselnden Launen der Mode so eindringlich wahrnehmbar, daß ein Kampf gegew ihre flüchtigen Eintags- oder Einsaisonschöpfungen ebenso aus sichtslos wie im Grunde unnötig und überflüssig erscheinen müßte. Immerhin leuchtet jedoch ein, daß auf die Dauer auch die Oberkleidung sich dem Einfluß der so gänzlich ver änderten Unterkleidung bei Wegfall des Korsetts, Ersatz der Unterröcke durch das geschloffene Beinkleid usw. schwerlich entziehen wird und daß namentlich mit der auch hier belieb ten unnatürlichen Einengung um die „Taille herum zu brechen sein wird. Bei einer den natürlichen Verhältnissen der weiblichen Gestalt entsprechenden, nicht künstlisch ver engten und hinaufgeschnürten „Taille" muß selbswerständ- lich auch das Oberkleid anders gearbeitet sein, hier müssen wir zu ästhetisch befriedigenden, hoffentlich auch dauernde ren Formen gelanhen, als wir sie jetzt in den Abbildungen unserer Modcblätter in der Regel erblicken, obwohl gesagt werden kann, daß die neuen Moden dieser Forderung schon weitgehend Rechnung tragen.