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Auerlhal-Mtung. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Jelle-Klöfterlrin, Rieder-«. Oberpfannenftiel, Lauter, Bockau, Bernsbach, Beyerfeld und die nmliegenden Ortschaften. Erscheint Mittwoch«, Freitag» u. «ouutag». «bonuementspreis incl. der 3 werlhvollen Beilagen vierteljährlich mit Bringerlohn 1 Mk. LV Pf. durch die Post 1 M. LV Pf. Wit 3 issustrirten Beiblättern: Deutsches Aamilienölatt, Oute Krister, Zeitspiegel. Verantwortlicher Redakteur: Emil Hegemeister in Aue (Erzgebirge). Redaktion u. Expedition: Ar»«, Marktstraße. Inserat« die einspaltige EvrpuSzeile 1V Pf., die volle Seit« 30, >/, S. 20, -/« St. 0 Mk. bei Wiederholungen hoher Rabatt. All« Postanstalten und LandbriestrLger nehmen Bestellungen an. No. 60. Sonntag, den 21. Mai 1893. 6. Jahrgang. Bekanntmachung. Infolge vorgekommener Unzuträglichkeiten wird hiermit bei Geldstrafe bis zu 30 Mark oder entsprechender Haft das sogenannte Botschekspirl feiten» der Kinder aus öffent lichen Straßen und Plätzen strengstens untersagt. Bei gleicher Strafe wird das Reifen-Treiben der Kinder auf verkehrsreichen Straßen, wie Bahnhofstraße, Schwarzenbergerstraße, Bockauerstraße, RcichSstraße, Schnee- bcrgerstraße und Wettinerstrabe verboten. Für Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot seitens der Sinder haften deren Eltern oder Pflege-Eltern. Aue, am 18. Mai 1893. Der McrLb der Stadt. vr. Kretzschmar. Ahn. ZUM Pfingstfest! O, seht den Wald in Maiengrün Die FrühlingSpracht im Thal, Wie tausend lichte Blumen blüh'» Im Hellen Sonnenstrahl. Und schaut ihr rings den FrühliagStraum, Der Blütheu reichen Flor, So denkt, daß einst ein Wunderbaum Auf Pfingsten sproßt' hervor. Bald tehnt er über Land und See Die starken Aeste schon; Er wuchs empor zn stolzer Höh', Zum Himmel ragt die Kron'. Und staunend sah die Welt hinauf Zu jenes Baumes Macht, Und Himmelsblüthen sproßten auf In seiner Zweige Pracht. Noch grünt und blüht der alte Baum In jugendlicher Kraft; Er ist's, der rings im Erdenraum Des Lebens Fülle schafft. Und wieder uns der Tag erschienen. Da Gott im SlurmeSweh'n Hieß jenen Wunderbaum erblüh'», Die Kirche ließ rrsteh'n. Denn Gottes Geist, aus HimmelShöh'n Vom Herrn herabgesandt, Ließ FrühlingSlüfte stürmend weh'» Und jener Baum erstand. Er wuchs empor in Frühlingskrast, Von Gottes Geist umweht; Der Erde Bild ward umgeschafft, Seit jener Baum erhöht. Und rings von Völkern eine Fluth Strömt jenem Baume zu; Sie finden vor des Tages Gluth In seinem Schatten Ruh' — Schon sind es achtzehnhundert Zahl', Seil jener Baum erstand; Noch streckt die Aeste immerdar Er über Meer und Land. O Geist, der alles Gute schafft, Kehr' heute bei uns ein; Dem Baum gieb neue Lebenskraft Und fröhliche» Gedeih'», Er wachse hoch zu Gottes Ehr', Zu Jesu Preis und Ruhm, Einst pflanzt'ihn Christus groß und hehr In Gottes Heiligthum. sNachdruck verboten). Aeuiü'eton. Das Maifest. Pfingsterzählung von Wilhelm Grothe. Ostern war leit vier Wochen vorüber, der April hatte sein Ende erreicht. Ueberall sproßte und keimte die Erde, die Natur war zu vollem, neuem Leben erwacht. Die Ar beiten auf dem Felde hatten begonnen, und überall blickte die Saat glückbringend aus der Muttererde hervor. Früh ling! Frühling! tönte es in der Runde und hob jede» Herz zu doppeltem Schlage. In dem Herrenhause zu Wallingburg herrschte emsiger Fleiß; de» Baron» Sohn Oswald wurde aus der Fremde erwartet. Er hatte Italien, Frankreich und zuletzt Eng land besucht und kehrte jetzt zurück, um auf heimischem B-- den sich niederzulassen und sein Heim zu gründen. Man freute sich seiner Rückkehr, und Jeder glaubte, daß er seinen Ahnen nachahmen würde, sich auf dem weitläu figen Besttzthume niederlassen, um daselbst wie sie, glück bringend zu walten, ein Patriarch unter den Seinen un beneidet, allbeliedt. Die Empfangsfeierlichkeiten sielen aber gewissermaßen i» da» Wasser, denn Oswald kam nicht zur bestimmten Zeit, lächelte auch, als man ihm erzählte, wie er durch seine verfrühte Ankunft der Gemeinde deS Dorfe» ein Fest genommen habe. „Pah", sagte er, „was hatten die guten Leute sich vor genommen? Eine umfassende Rede, weißgekleider Mädchen und dergleichen. Darüber geht es in Deutschland ja doch nicht hinaus. Wenn ich dagegen die Feste in England nehme, so erscheint mir Alle- hier kleinlich und lächerlich." »Welche Feste meinst Du?" fragte der Baron Oswald» Vater, „Weihnachten?" „Ich gebe Euch zu", sagte Oswald, „daß Weihnachten nur in Deutschland wahrhaft gefeiert werhen kann. Al le» ist dafür angethan; man zieht sich in seine Klaus« zu rück, zündet sich und seiner Familie den Tannenbaum an, hockt sich umhrr und denkt, wa» man in dem Jahre Dum mes vollbracht oder auch Unüberlegtes ausgeführt hat." Ueber die Stirn des alten Barons lief ein dunkler Schatten, dann blickte er wieder heiter: „Meinst Du, daß die englischen Weihnachten —". Hier unterbrach ihn Os wald. „SS fällt mir durchaus nicht ein, da« leutsche WeihnachtSfcst anzutasten; weiß ich doch sehr wohl, wie es Euch an das Herz gewachsen ist, und daß sich in dem Kerzen; chein deS Tannenbaums selbst die altbackensten Her zen erneuern und frisch gestalten. Was habt Ihr sonst aber für Feste? Nehmen wir Ostern. Im glücklichsten Falle legt Ihr Ostereier und erfreut Euch, wenn sie ge funden werden. Wer aber hat in Deutschland nur eine Idee von der Feier des Frühling. Geht Euch die Mai feier in England an, diese Aufzüge diese Pracht!" Der Vater lächelte. „Meinst Du, Oswald," sagte er, „daß die Maicn'cste in Deutschland ausgestorben sind? Wir Pflanzen freilich keinen Maienbaum, es erscheinen bei uns freilich keine Masken, wie in dem alten lustigen Eng land ; sieh' aber die Häuser zu Pfingsten an, ob Dir nicht überall der Frühling in seiner grünen Frische, im s»ft>gen Birkenreis entgegenlacht." „Pfingsten!" da- Wort schlug in des jungen BarouS Herz zündend ein; „Pfingsten ; — wahrhaftig, das soll unsere Maifeier sein — ich will sie zurichten, und ich bin überzeugt, daß diese Maiseier sich einbürgern wird." Schon am folgenden Abend hatte Oswald die Spitzen des Dorfe- in den Krug geladen, um mit ihnen eine Pfingstfcier im englischen Maistyl zu berathen. Er er zählte ihnen von dem Fest« und seiner Königin, so daß selbst der Müller äußerte: „Dös muß ganz lächerlich syn." „Allerdings", fiel Oswald ein: „es ist sehr vergnüg, lich, und wenn ihr den Robin Hood darstellt, so wird sich keiner weigern, der kleine John ober der Bruder Tuck zu sein." Der Müller schüttelte dazu den Kopf. „Nö", sprach er: „ich bin kn Röver — ich will och kener syn." „Ihr sollt ja auch keiner sein oder werden", rief Os wald aus; „aber Ihr sollt dergleichen zu Pfingsten dar stellen." Den Bauern den sommerlichen Karneval in den Kopf zu bringen hielt schwer, noch schwerer sie in ihre Rollen hineinzuzwängen. Wenn Oswald sich heiser gesprochen halt« und sich dann an di« Darstell«« wandt«, so «urd« ihm die Antwort: „Ja, ja, warum nicht?" Eine unüberwindliche Schwierigkeit schien jedoch die Maikönigin dem jungen Edelmann zu sein. Die gewand teste Dorfbewohnerin war zu plump und ungeschickt zu der Rolle, und ost seufzte er: „England! Alt-England I" Da vernahm er, daß in der Gegend sich eine Gaukler truppe aufhielt. Er eilte in den benachbarten Ort und überzeugte sich, daß die Primadonna der Gesellschaft nicht nur ein schöne» Mädchen sei, sondern auch von einer seltenen Begabung. Leicht ging Fräulein Clara auf seine Intentionen ein, so daß Oswald, als er heimkehrte äu ßerte: „Wir werden einen Maibaum und eine Maitän zerin haben, wie sie das alte, fröhliche England kaum aus zuweisen gehabt hat." „Und wer wird die Königin sein?" fragte Tante Ama lie, eine Verwandte de» Hause-, die sich im Alter der Fünfzig befand. „Wer?" ries Oswald: „Ja, Tantchen, da- sollte ei gentlich ein Geheimniß sein; -doch will ich e- Ihnen er» öffnen. Eine Zigeunerin, aber nicht schrecklich anzu schauen." Bei diesen Worten schreckte Tante Amalie zusammen. „Eine Zigeunerin!" versetzte sie: „Oswald, Du sollest das Gesindel fliehen. Denke daran, wa» diese» heimlich« Volk ist : „Diebe, Räuber Betrüger!" „Tantchen", äußerte er: „das sind vorsündfluthige An sichten I" „Im Gegenteil", fiel sie ein; in meiner Jugend stand die Romantik in ihrer Blüthe und man sah die fahren den Leute al- poetisch« Naturen an; doch wehe Jenen, die sich diesem Glauben Hingaben ; Enttäuschung war ihr herbes Loos." „Zu Ihrer Beruhigung, Tantchen, sei bemerkt," lacht« Oswald, „daß meine Donna Clara keine wirkliche Zegru- nerin, sondern nur eine Seiltänzerin ist." Diese Eröffnung beruhigte Tante Amalie kine-weg», sie meinte, daß fahrendes Volk so gut wie Zigeuner sei. Oswald lächelte und äußerte: „ES handelt sich hier nicht um die Vagabunden, sondern, um die Maik-nigin. Pfingsten war gekommen, da» Dorf hatte sich mit vir- kenreisern geschmückt, und überall zeigten dir Gesichter Fest stimmung und auch Erwartung de» Kommenden. Nie mals war weniger Aufmerksamkeit der Pfingstpredigt ge-