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1. Beiblatt M Nummer 277.» Der Sachliche Lrzähter. Sonntag. de» 2V. Rove»der 1V14. Die Opferfreudigkeit »nferer Laud- bevölkeruug. Die Spenden der Städter, die vorwiegend in Geldein- zatzlungen bestehen, für Zwecke der Kriegshilse verschieden» ster Art, nehmen sich stattlich au» in fast allen Zeitungen. Weit weniger tritt von dem hervor, was das Land opsert. Liegen doch auch die meisten Zentralen des Roten Kreuzes in großen Städten, die nicht mehr von Landbevölkerung im guten alten Sinne, von eingesessener Bauernschaft, wurzel echten Landbewohnern umgeben sind. Die Großstadt wirkt auch auf den Umkreis ihres Weichbildes umformend ein. Bon Interesse dürfte deswegen, so schreibt man der „Kölni schen Zeitung", ein Ueberblick sein über das, was eine Bauerngemeinde,'an der Grenze Preußens und Hessens ge legen, Hunsrückbauern und Rheinhessen, zwischen Alzey und der Mosel ansässig, nach der Zentrale in Kreuznach an Lie besgaben für Truppentransporte und Verwundete in Na turalien lieferten. Die Hessen sandten ihr Geld nach Darmstadt, auch die Dollsachen für die Krieger im Felde lieferten sie dorthin ab. Die Naturalien aber kamen nach Kreuznach. Im Kreise Kreuznach zogen Kirn, Bingerbrück und teilweise auch Mün ster am Stein der großen Berpflegungsstationen wegen viele Lieferungen an sich. Es waren daher insgesamt 61 Ortschaf ten (43 preußische und 18 hessische), die der Zentrale in Kreuznach Liebesgaben in regelmäßigen oder sporadischen Lieferungen machten. Eine Statistik über das, was in zehn Wochen (von den ersten Lieferungen an gerechnet) seitens der Sammelstelle an Liebesgaben verteilt werden konnte, gibt einen Einblick in die Opferfreudigkeit unserer Landbe völkerung in diesen 61 Gemeinden; an geschenkten Broten 3241 Stück, an Butter 1280U Pfund, an Eiern 27 842 Stück (der bleibende Bestand war 6250, so daß also insgesamt 34 0S2 Eier in zehn Wochen geschenkt wurden), an Kartof feln 6S7 Zentner (Winterbestand von rund 400 Zentner war noch vorhanden), an Gemüsen — in runden Waschkörben ge messen — 271 Körbe voll (dazu Kohlrabi, Rüben, Möhren eingekellert, 13 Faß Sauerkraut und 5 Faß Bohnen einge schnitten und 38 Weckgläser, gefüllt mit Gemüse); an Obst 238 Körbe voll (eingemacht davon außerdem und verwahrt: 269 Steintöpfe und 826 Gläser), an Geflügel 211 Hühner, 50 Tauben, an Milch 4591 i/^Liter, an Speck und Schinken 413 Pfund» an Würsten 202 Stück (obwohl die Schlachtzeit erst noch bevorsteht), an Mehl 196 Pfund (noch vorhqnden rund 9 Zentner, alles geschenkt). Tabak und Zigarren und Zigaretten (1544 Päckchen, 28 956 bezw. 14 498 Stück), die die Sammelstelle in zehn Wochen als Liebesgabe bekam, stammen nur teilweise vom Lande. Auch am Wein haben städtische Weingutsbesitzer ihren Anteil. Dagegen sind wie der fast ausschließlich voyl Lande geschenkt: Hem den 7805^ Bettücher 1203, Handtücher 2200, Kissenbezüge 712 (vielfach noch aus selbstgesponnenen Leinen, alles ver teilt in Lazarette, Bestand außerdem 1600 Hemden). Seit für die Kriegsgeschädigten an unserer deutschen Ost- und Westgrenze gebeten worden ist, kommen auch dafür — ab gesehen von allem, was die Stadt in reichem Maße dazu liefert — Leiterwagen voller Kleidungsstücke, Leib- und Bettwäsche vom Lande herein. Es ist ein Geben ohne Auf hören. Selbst in der jetzt schon rauh werdenden Jahreszeit hat es an Liebesgaben vom Lande noch nie gefehlt. Und wieviel Mühe und Kosten bedeutet, von dem Wert des Gelieferten abgesehen, das Abliefern der Liebesgaben mit dem mühsamen Hereinbringen in die Stadt! Jedermann weiß, daß an Gespannen in diesen Kriegszeiten fühlbarer Mangel war, daß in der Erntezeit auf dem Lande auch Menschenkraft schwer zu entbehren ist. Trotzdem hat die Mehrzahl der Ortschaften Fuhren zu regelmäßiger Wochen- lieferung gestellt, oder hat die Kosten elektrischer Beförde rung oder die Mühe des Verpackens mit der Bahn nicht ge scheut. Drei Leiterwagen voller Zwetschenkuchen brachte zwei Sonntage hintereinander eine Gemeinde für die Laza rette herein, ein Beweis, daß die Frauen der Gemeinde sich I Der Suezkanal ist vielleicht die wichtigste BerkehrSstraße der Welt. Sie hat den See weg noch Ostindien, den einst Basco da Gama sand und der damals um das Kap der Güten Hoffnung ging, unendlich ab gekürzt. Die Verkehrstechnik, die der schnellaufende Dampfer erfand, hat denn für die heutige Zeit eine Reise nach Ostindien, die früher etwas Fabelhaftes hatte, eigentlich zu einer Spa zierfahrt gemocht. Aber eS bandelt sich heute nicht um Ostindien allein, sondern um den ganzen fernen Osten mit feinem unermeßlichen Handels- gebiet. Von Norden fährt man von Port Said in den Suezkanal ein, um ihn im Süden bei Suez zu verlassen. Im Hosen von Port Said er kält der Reisende, der von Europa kommt, den ersten An blick bunten orientalischen Lebens, und hier erblickt er auch das Standbild Lesseps, des französischen Ingenieurs, der den Suezkanal erbaute. den verwundeten Kriegern zuliebe mit Freude und Stolz einer extra großen Arbeit unterziehen. Fünf Stunden weit waren zwei alte Bäuerchen aus einem enllegenen, armen Waldort unterwegs, um aus einem Leiterwägelchen 2 Sack Kartoffeln und einen Sack Aepfel der Sammelstelle zuzufüh ren. Da kam allwöchentlich der Lehrer aus einem Nachbar ort mit fünf mit 2 bis 4 Kindern bespannten kleinen Leiter wagen über den Bergrücken herüber. Da trugen zwölf Mäd chen in stolzer Haltung selbstgesponnenes, selbstgenähtes Lei nen in Körben auf dem Kopf herbei. Der Herr Dechant ließ sich ebensowenig den Weg zur Sammelstelle verdrießen wie der Herr Pfarrer, der Herr Gemeindevorsteher, die Frau Bürgermeister. Aber den tiefsten Eindruck auf mich machte jener alte Bauer, der auf einer Karre schon zweimal ein Fäßchen extra guten 1911er herbeifuhr. „Aber mein Name soll nicht in die Zeitung! Ich will das nicht." Und mit ern ster Stimme fuhr er fort: „Die rechte Hand soll nicht wissen, was die linke tut. Für unsere Krieger bring' ich das." Sie tragen auf den Dörfern Woche für Woche zusammen, was jeder zu geben vermag. Der einzelne Geber wird nie ge nannt. Die Gemeinde gibt. Die Opferfreudigkeit der Land gemeinden an der preußisch-hessischen Grenze ist für jeden, der sie mit ansehen durfte, ein Erleben gewesen. Sül-W-L. SS Itt^cn zpo«i-1k. » 450. * L»//. 0/. /.in. et /?te. Lrtt. />/?. Larsa/zv, /r«-ü. Ztttte/, nut. Nim», ^zac/i.. /»atmiL, Stet, //not-, Lteae. OOOOGOGGOOOGGOOGGOGG WM ks Weltkrieges M. Ein Kriegstagebuch des „Sächsischen Erzählers." Bischofswerdaer Tageblatt. Der heutigen Ausgabe liegt Nr. 6 bei. Alle neu hinzutretenden Abonnenten erhalten auf Wunsch die erschienenen Nummern der Kriegschronik nachge liefert. Bestellungen auf den „Sächsischen Erzähler" nehmen unsere Zeitungs boten jederzeit entgegen. OGGOOOGOOGOGGGOOGOOG Vumes Allerlei. Ei« I Sjähriger Prinz als Kriegsfreiwilliger. Auf dem Kölner Hauptbahnhof spielte sich, wie berichtet wird, eine bemerkenswerte Szene ab. Mit einer ganzen Schar sechs Fuß hoher Landwehrmänner kam auch ein ganz junges und kleines Kerlchen mit dem Arm in der Binde an. Er schien kaum 16jährig und war offenbar als Gemeiner mit der Absicht der Beförderung in unser Heer eingetreten. Als er dem Wagen entstieg, begrüßte ihn der Bahnhofsvorsteher und lud ihn ein, in das Fürstenzimmer einzutreten, um dort eine Erfrischung einzunehmen. Der kleine Verwundete lehnte aber die Einladung ab und sagte, er wolle mit seinen Kameraden auf dem Bahnsteig ein Butterbrot essen. Der Freiwillige war ein Prinz v. Isenburg, ein Sohn des Für sten von Isenburg-Büdingen, und mit 16 Jahren aks Frei williger in das Heer etngetreten. von 1000 Soldaten sind Analphabeten: in Rußland 617, in Serbien 434, in Italien 306, in Oster- reich-Ungarn 220, in Belgien 92, in Frankreich 30, in Eng land 10, in der Schweiz 3 und in Deutschland 0,5. — Der Kladderadatsch bemerkt hierzü: Ein neuer Beweis der Bar barei, mit der die Deutschen, diese Hunnen, die unschuldig sten Geschöpfe verfolgen. Der Analphabetismus ist ein —ismus, der dieselbe Daseinsberechtigung hat wie der Stoi zismus, der Buddhismus, der Naturalismus und der Mili tarismus. Die Analphabeten haben dasselbe Recht zu leben wie die Proleten, die Aestheten, die Sudeten und die Mone ten. Aber die Deutschen verjagen die Analphabeten aus Schule und Hau», au» Volk und Heer. Diese engherzige Un duldsamkeit nennen sie Freiheit! Nein, die wahre Freiheit wohnt nur in Rußland, wo die 617 Analphabeten dieselben Rechte haben wie die 383 Alphabeten, wo jene zu den höch sten Ehren und Aemtern kommen können. Ehrliche Kameradschaft. Aus einem Strandort an der Kieler Förde wird der „Franks. Ztg." geschrieben: Man weiß, daß es im Felde mit dem Unterschied zwischen mein und dein nicht immer allzu genau genommen wird, auch wohl unter dem Zwang der Verhältnisse nicht immer genommen werden kann. Um so rührender wirkt das nachfolgende Erlebnis, das gleicher maßen von der Ehrlichkeit wie von der Kameradschaftlichkeit unserer Feldgrauen ein sympathisches Zeugnis ablegt: Wir hatten gehört, daß ein aus unserem Ort gebürtiger eltern loser und mit Glücksgütern nicht gesegneter Musketier, der in Frankreich im Schützengraben liegt, einem hiesigen Bekann ten geschrieben und ihm sein Leid darüber geklagt hatte, daß seine Kameraden andauernd Pakete aus der Heimat be kämen, er selber aber immer leer ausginge. Wir beschlos sen daher, obwohl er uns unbekannt war, ihm ein kleines Liebespaket zu senden. Meine Frau packte einige Woll sachen, sowie Eßwaren und etwas zu rauchen ein und fügte eine Postkarte mit ihrer Adresse bei, um Bestätigung der Ankunft der Sendung bittend. Heute kam die Karte zurück, auf welcher der Adressat den Empfang des Paketes meldete, aber seinem Zweifel darüber Ausdruck gab, ob die Gabe de? ihm unbekannten Absenderin wirklich für ihn und nicht etwa für einen Kameraden seines Namens bestimmt sei. „Obgleich mir der Mund gewässert hat nach den Zigaretten," schreibt er, „habe ich alles wieder eingepackt und das Paket aufge hoben . . Falls ein Irrtum vorliegt, bitte ich es mir mit zuteilen; ich werde es dann dem richtigen Empfänger auf dem kürzesten Wege zustellen." — Meine Frau hat den ar men Soldaten sofort brieflich beruhigt und aufgeklärt. Liegt nicht auch in diesem ehrlichen Verzicht eines guten Kamera den ein Stück stillen Heldentums? Englischer Hohn für das Eiserne Kreuz. Wie dem B. L.-A. mitgeteilt wird, tragen die englischen Söldner vielfach eine grobe Nachbildung des Eisernen Kreuzes mit einer Inschrift, die die deutschen Soldaten ver höhnt. Sie tragen dieses Hohnkreuz auf dem Rücken. Darin liegt eine ganz besondere Bosheit. Denn die Engländer sind aus diese Weise sicher, daß unsere Feldgrauen das höhnende Abzeichen so viel häufiger zu sehen bekommen, als wenn es auf der Brust der englischen Söldner befestigt wäre. 0 Annemarie! Bekanntlich pflegen viele junge Damen ihren Liebes gaben, die sie ins Feld senden, durch beigefügte Gedichte (selbstver—faßte) erst die rechte Weihe zu geben. Gewöhnlich sind diese Verse leider danebengelungen und der gute Wille wird für die Tat angesehen. Einmal scheint nun solch ein mißlungenes Kunstwerk einem im Schützengraben in die Hände gefallen zu sein, der entweder zur wirtlichen Dichter gilde oder im Zivilberuf zur boshaften Zunft der Kritiker gehört. Jedenfalls erhielt eine Stralsunder Zeitung bald da nach aus dem Felde folgende ungalant« Reime: „An Annemarie! O laß die Flammenzeichen ruhig rauchen, Annemarie, und auch die Schwerter blitzen, Laß Turko-Katzen uns entgegenfauchen; Du solltest lieber in die — Küche flitzen, Auch stricken Strümpfe und des Pulses Wärmer, Doch mach' die Dichter nicht um Lorbeer ärmer! Auch Würste magst Du den Soldaten spenden, Doch ring' Dir nie mehr Verse aus den Händen . . .l* * O Annemarie!