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ReichSbankdirektor vr. v. Lumm. <MU Text.) Hofphot. H. Noack. Des Herzens Gebot. Original-Novelle von Fr. Lehne. (Schlich) MDMA ein, das soll man nicht!" entgegnete die Pfarrerin ernst und bestimmt, „man soll es nicht, und seien die Bortelle noch so groß und glänzend! Sie haben das IlOMV Richtige gewählt; von Herzen freue ich mich darüber — und vor allem, daß Sie wieder zu uns gekommen sind." Sie beugte sich nieder und küßte Dagmar auf beide Wangen. „Jetzt legen Sie sich zu Bett und schlafen recht schön; nach einer solchen anstrengenden Reise bedürfen Sie der Ruhe! Und morgen gleich teilen Sie Ihrer lieben Mutter mit, daß Sie glücklich angekommen sind. Sie wird nicht unversöhnlich sein; sie hat ja Ihr Bestes gewollt!" Die Pfarrerin nahm Dagmars Kopf in ihre beiden Hände und schaute lange in das mondbeglänzte schöne Gesicht des Mäd chens. Und da sah sie ganz deutlich, wie Tränen in den Augen schimmerten und langsam über die Wangen rollten. „Gott behüte Sie, mein liebes, liebes Kind!" sagte sie mit vor Rührung zitternder Stimme. „Gute Nacht!" Sie ging, ohne zu ahnen, daß ihr Sohn es war, dessen die verwöhnte Dagmar Odenberg in Liebe, Sehnsucht und Reue gedachte — daß er es war, um den sie auf eine glänzende Lebens stellung verzichtet hatte! Es war Dagmar völlig Ernst mit ihrem Vorsatz, ein anderes Leben zu führen. Sie vertraute sich der Pfarrerin an und knüvfte die Bitte daran, sie zu unterstützen und Geduld mit ihr zu haben. Das war nun etwas für die schaffens freudige, tätige Frau! Selten hatte sie wohl Über etwas eine so große Freude gehabt, wie über Dagmars Bekehrung aus einer elegan ten, nur dem Müßiggang lebenden Dame der Welt zu einem Wesen, das auch für die prak tische Seite des Lebens Interesse gewann. Die Hauptsache — der gute Wille — war da, und mit Güte und Geduld unterwies sie das junge Mädchen. Dagmar fühlte sich befriedigt wie lange nicht. Sie duldete nicht mehr, daß man sie bediente. Sie ordnete ihr Zimmer selbst, bereitete sich das Frühstück und wirtschaftete mit wahrer Lust und Liebe in der geräu migen, blitzsauberen Küche herum — wenn auch die feinen, anfangs so ungeschickten Hände manche Brandblase, manchen Ruß flecken aufwiesen — das tat nichts — es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! tröstete die resolute Pfarrerin. Auch für den Garten, das Obst und das Gemüse hatte Dagmar viel Interesse; es war, als seien.Talente in ihr erwacht, von denen sie bisher keine Ahnung gehabt. Unter der liebevollen Anleitung der Pfarrerin lernte Dagmar in ganz kurzer Zeit viel mehr als anderswo vielleicht in einem Jahre! Zum erstenmal lernte sie das frohe Gefühl kennen, das ernste Beschäftigung und Tätigkeit verleiht. Es war ihr nicht bloß Sport, nein, innigster Wunsch, sich Hausfrauenkenntnisse zu erwerben! Sie wollte nicht mehr lediglich ein Schmetterlingsdasein führen, wie Doktor Wagner ihr einmal gesagt. Vor Freude errötend nahm sie das Lob des Pfarrers entgegen, wenn sie ihm eine Lieblingsspeise bereitet hatte; sie war mehr beglückt darüber, als über die ihr früher gespendeten Schmeicheleien. Und den beiden alten Leuten ging das Herz auf, wenn sie ihren Fleiß, ihre Unverdrosjenheit sahen. Das war mal wieder eine rechte Herzensfreude für sie! Dagmar begleitete jetzt auch die Pfarrerin auf deren täglichen Gängen zu den Armen und Kranken im Torf. Sie hatte nun Gelegenheit, zu sehen, in unmittelbarster Nähe, weiche schroffen Gegensätze das Leben bot. Tapfer bezwang sie den Widerwillen, den Ekel, der in ihr aufstieg in diesen dürftigen, von schlechter, verbrauchter Luft und allen möglichen Gerüchen angefüllten Räumen — ja, sie bemühte sich sogar, freundlich und lieb zu den Leuten zu sein. Frau Odenberg zürnte noch immer und gab der Tochter unbeschränkten Urlaub. Eine — wenn auch nur schwache — Genugtuung hatte sie doch. Kurz nach Dagmars Abreise war Graf Wülstetten ebenfalls abgereist — doch ohne daß eine Ver lobung mit Ernesta Hollmann zustande gekommen war' In Hohensdorf erkrankten einige Leute am Typhus. Dagmar ängstigte sich sehr vor einer Ansteckung, wagte aber nichts zu sagen, da die Pfarrerin die Kranken besuchte, zu des Mädchens Entsetzen. „Meine Pfarrkinder würden sich sehr wundern, wenn ich mich gerade jetzt nicht um sie kümmerte — ich darf mich nicht ängstlich zurückhalten, das geht nicht. Mir ist in den vielen Jahren noch nie etwas zugestoßen", hatte sie auf Dagmars Vorstellungen, doch an sich zu denken, erwidert. Aber diesmal hatte sie sich doch zuviel zugemutet. Mit einem Male fühlte sie sich so unpäßlich, daß auch ihr starker Wille, sich aufrecht zu halten, brach. In großer Sorge erwartete man den Arzt , Doktor Riemann, der 'etzt so wie so jeden Tag im Pfarrhause vorfprach. Er machte ein ernstes Gesicht, als er die Patientin sah, und verordnete sofortiges Nie derlegen. Am andern Tage konnte er den Ausbruch jener tückischen Krankheit feststellen. Er und Pfarrer Wagner verlangten in folgedessen Dagmars sofortige Abreise, die sich aber unter Tränen weigerte, diesem Verlangen nachzukommen; ja sie bestand da rauf, die Pflege der Kranken selbst zu über nehmen; ihr Platz sei jetzt am Krankenbette ihrer gütigen Freundin, sagte sie, und wenn sie durch etwas ihre Liebe und Anhänglich keit und Dankbarkeit zeigen könne, so sei jetzt die richtige Gelegenheit. Unermüdlich, unverdrossen war sie um die Pfarrerin bemüht, sie wich kaum von deren Seite. Wlerdings mußte sie ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um stets ein heiteres Gesicht zu zeigen. Denn manchmal drohte all das Unangenehme, das eine schwere Krankheit mit sich brachte, sie zu überwältigen. Sie hatte sich ja früher allem ferngehalten, was störend wirkte! Aber nun betrachtete sie dies als eine Prüfung, die sie dem Geliebten näherbringen, als ein Opfer, das sie in seinen Augen beben würde — immer mehr fühlte sie, wie sie Bernhard Wagner liebte, daß der Gedanke an ihn sie besiegte. Magddienste hätte sie für ihn verrichten können! Sie war in diesen Wochen der Angst und Sorge um ein teures Leben eine ganz andere geworden. — Die Krankheit hatte ihren Höhepunkt überschritten; jede Gefahr war jetzt vorbei, und die Pfarrerin schlummerte ihrer Genesung entgegen. Bis jetzt hatte inan auf ihren bestimmt ausgesproche nen Wunsch, Bernhard nichts von ihrer schweren Erkrankung