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Englisch« Infanteristen in kriegsmäßiger Ausrüstung. Da eü in England eine allgemeine Wehrpflicht nicht gibt, wird das aktive Peer durch Werbung ergänzt. Des Herzens Gebot. Original-Novelle von Fr. Lehne. lFortfehung» Graf war hingerissen von ihrem Anblick. Nie wohl hatte er sie so schön gesehen. Das enganliegende Prin- WWM zeßkleid aus weichem, schmiegsamem Stoff brachte jede Linie ihrer königlichen, hoheitsvollen Gestalt voll zur Geltung. Und die wundervollen dunklen Augen konn ten wohl einem Mann die Sinne verwirren. Dagmar Odenberg war es wert, daß sie seinen Namen trug, mehr als jede andere. „Sie sind wunderschön, Dagmar", kam es heiß von seinen Lippen. Sie spürte semen Atem, so dicht stand er jetzt neben ihr. Sie wich einen Schritt zurück, richtete sich hoch auf und maß ihn mit stolzem Blick. „Dagmar — Dagmar!" wiederholte sie in verweisendem Ton, und sie zog die Boa fester um ih^en Hals, wie um sich vor seinen dreisten Blicken zu schützen. „Ja, Dagmar! Und Ihre Schönheit hat mich ganz toll ge- macht!', „Sie langweilen mich, Graf! Kommen Sie, damit ich meine Verpflichtung gegen Sie erfülle!" entgegnete sie nachlässig. Verblüfft sah er auf sie. Kein Lächeln? Kein verheißungs voller Blick aus diesen schönen Augen? Gleichgültig, müde glitten sie über ihn hin weg, und das reizte ihn. Er faßte ihren Arm. „Sie sind berauschend, Dagmar, berau schend wie junjser Wein" — er drückte seine brennenden Lippen auf ihren weißen Hals — „Dagmar!" Sie zuckte zusammen und stieß ihn von sich. „Sie vergessen, Graf Willstetten, wen Sie vor sich haben!" zürnte sie. Sie nahm die Schleppe ihres Kleides zusammen und wandte sich zum Gehen. Er trat ihr in den Weg. „Ein Wort, Dag mar, hören Sie mich!" Er hatte seine ganze kühle Überlegung in der Nähe dieses hin reißenden WeibeS verloren. Seine bebenden Hände hielten ihre Rechte fest umklammert. „Dagmar, ich liebe Sie! Werden Sie mein Weib!" Tief .aufatmend stand sie da. Einen Mo ment schloß sie die Augen, als ob ein jäher Blitzschlag sie blende. Da war das Wort, nach dem sie seit Monaten gelechzt, um das sie ein großes, goldenes Glück von sich gewiesen — jetzt war es ausgesprochen — endlich war er ihrem Zauber erlegen! — Ihre Eitelkeit konnte ihren schönsten Triumph feiern! Dagmar, Gräfin Willstetten! Doch nun sie das Wort gehört, war nichts von der stolzen Freude, dem jauchzenden Glück in ihr, wie sie erwartet hatte. Still und tot blieb es in ihrem Herzen. Und die Erkenntnis der Unmöglichkeit stieg in ihr auf, seine Werbung anzunehmen. Es war, als dränge sich Bernhard Wagners Bild vor die elegante, weltmännische Gestalt des Grafen, sie traurig, vor wurfsvoll, warnend ansehend. — Nicht eine Minute der Über legung bedurfte sie mehr! Sie nahm seine Hand. „Graf Willstetten, verzeihen Sie mir!" sagte sie leise mit Weicher, bittender Stimme, „verzeihen Sie mir, und lassen Sie uns diese Stunde vergessen — denn ich kann Ihren Wunsch nicht erfüllen!" Fassungslos starrte er sie an. Das hatte er doch nicht erwartet! Er war sich seiner Sache so gewiß gewesen, daß er mit seiner Werbung gezögert, weil ihm dieses Ungewisse, Spielende und doch Bedeutungsvolle, was zwischen ihm und Dagmar bestand, einen prickelnden Reiz gab, den er jeden Tag von neuem genießen wollte. Sie war ihm ja sicher. Und nun auf einmal diese über raschende Wendung! Sie hatte ihn einfach nicht verstanden, denn sonst war es doch undenkbar, ihn, Arnulf Willstetten, ab zuweisen ! „Dagmar, ich bot Ihnen mein Herz, meinen Namen an!" Seine Stimme bebte vor Aufregung, mit nervöser Ge bärde zerrte er an seinem blonden Bärtchen. „Ja, Graf Willstetten, ich habe Sie wohl verstanden, und ich danke Ihnen für die Ehre, die Sie mir zugedacht haben. Meine Antwort aber bleibt die gleiche." „Aber warum, Dagmar?" fragte er fassungslos; sein hübsches Gesicht war tief erblaßt. „Weil mein-Herz nicht mehr frei ist!" sagte sie einfach und klar, und bei dem Gedanken an Bernhard Wagner trat ein Lächeln in ihre Augen, auf ihr schönes Gesicht, das dadurch förmlich verklärt wurde. Er sah es, und in das Gefühl seines beleidigten Stolzes, seiner gekränkten Eitelkeit, mischte sich ein ehrlicher Schmerz, dieses seltene Mädchen, das er auf seine Art aufrichtig liebte, an einen andern verloren zu haben. Wer aber konnte der Glückliche sein? Er wußte niemand unter den Bekannten, den sie vor ihm bevor zugt hätte. „Dagmar, ich glaubte sicher, daß ich Ihnen nicht gleichgültig war!" murmelte er, noch immer nicht recht begreifend, „aber wer, wer? — Und mich haben Sie vor so vielen ausge zeichnet — ermutigt?" „Sie haben recht, mich anzuklagen; ich bin nicht frei von Schuld," entgegnete sie offen, „ich will sie aber nicht noch vergrößern dadurch, daß ich ohne Liebe die Ihrige würde, Sie täusche und belüge und uns beide schließ lich unglücklich mache, Graf Willstetten! Es ist etwas in mein Leben getreten, wovon ich selbst vor vier Wochen noch nichts geahnt hätte — unbedenklich hätte ich da Ihre Wer bung angenommen! Sehen Sie, ich bin ehr lich, und deshalb dürfen Sie mir nicht zür nen; ich bitte Sie so herzlich um, Verzeihung!" Sie streckte ihm beide Hände entgegen, und mit bezwingendem Blick sah sie ihn an, „ich werde abreisen, Gra' Willstetten, niemand wird nur em Wort von mir hören — und Sie werden mich vergessen." „Das werde ich nie!" stieß er mit halberstickter Stimme hervor; er drückte ihre Hände, daß es sie schmerzte. Sehnsüchtig blickte er nach dem roten Munde, von dem er so oft geträumt. Wie gern. hätte er ihn geküßt! Und wenn er nicht in triumphierendem Siegesbewußtsein gewartet hätte, bis es zu spät geworden, so hätte er heute das schönste Weib sein eigen genannt. Um nicht Aufsehen zu erregen, mußte Dagmar mit ihm in den Saal zurück. Sie fühlte sich so frei, so leicht, wie seit langen, nicht. Sie hatte ihre Eitelkeit besiegt; die Probe war nicht leicht gewesen, aber der Sieg war köstlich — und sie hatte sich selbst Vellage zum „Sächsischen KrzäHter" Verlag von Friedrich May, Bischostwerda.