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Des Herzens Gebot. Original-Novell« von Fr. Lehne, lgorgepung.» s wird nichts Wichtiges sein!" bemerkte Dagmar gleich' mütig. „ich bekomme öfter Grüße auf diese Art zuge- sandt." Einem aufmerksamen Beobachter wäre viel leicht das Beben m ihrer Stimme nicht entgangen. Sie entfaltete das Telegramm. Er sab sie an. Sie schwieg. Dann reichte sie ihm das gelbliche Papier. „Darf ich?" Sie nickte. Er warf einen Blick darauf. Jäh veränderte sich der Ausdruck seines Gesichtes» „Und das nennen Sie nichts Wichtiges, Dagmar?" kam es schmerzlich und vorwurfsvoll von seinen Lippen, „wünsche Dein sofortiges Kommen", las er halblaut und mit merkwürdig stockender Stimme, Sie wagte nicht, ihn anzusehen; ihr Auge suchte den Boden. „Und werden Sie reisend „Ich muß wohl — wer weiß, weshalb Mama mich wünscht! Sie ist allein. Papa . ist doch in England. Einmal muß ich doch fort, ob ich nun acht oder vierzehn Tage früher reise, bleibt sich schließlich gleich", bemerkte sie in gezwungen leichtem Tone. Doch das Herz klopfte ilhr heftig, denn sie fühlte, daß sie jetzt vor einer folgenschweren Entscheidung stand. „Für mrch ist es aber nicht, gleich!" rief er leidenschaftlich und faßte nach ih rer Hand, „daß Sie so sprechen, tut mir weh, denn mir ist jeder Tag, rede Stunde, die ich in Ihrer Gesellschaft zubringen darf, ein Geschenk! Und Sie — tut es Ihnen denn nicht leid, fortzugehen?" „Ja, auch ich bin traurig darüber!" sagte sie leise. „Dagmar, muß ich Ihnen erst sagen, was Sie mir geworden sind? Fühlen Sie es nicht selbst, daß ich Sie liebe und daß es mein höchster Wunsch ist, Sie, Dag mar —" Etwas in ihr gebot ihr, ihn nicht weiter reden zu lassen. Dagmar legte die Hand auf seinen Arm. „Nicht, Doktor, sprechen Sie nicht Wei- ter — ich darf es nicht hören!" bat sie mit leiser Stimme. Da waren die Worte, nach denen sie verlangt hatte — und nun empfand sie Schmerz und Scham darüber, ihn durch ihre Koketterie dahin gebracht zu haben. v°w»o. Denn es war doch unmöglich, seine Bitte zu erfüllen; man wird nicht eine simple Frau Doktor, wenn eine Grafenkrone winkt. „Warum nicht, Dagmar?" fragte er verwundert. Hastig fuhr sie fort: „Nein, Doktor, in Ihrem Interesse — ich verdiene nicht, daß —" „Dagmar," unterbrach er sie, „was ficht Sie an?' „Lasten Sie es mich sagen: Sie verdienen eine bessere Frau, als ich Ihnen sein könnte — ich passe nicht für Sie!' „So bescheiden sind Sie, Dagmar? Und für mich sind Sie die Eine, die Einzige, die ich nur lieben kann!" „Nein I" stieß sie hervor, unwillkürlich ergriffen von der Innig keit, die aus seinem Bekenntnis sprach, „nein, Sie dürfen das nicht, ich bin es nicht wert — ich bin so schlecht!" Verständnislos schüttelte er den Kopf. „Schlecht, Dagmar? Nein! Sie sind nur ein verwöhntes, anspruchsvolles Weltkind, und zweifellos haben meine etwas spießbürgerlichen Ansichten Sie eingeschüchtert, nicht wahr. Dagmar?" fragte er herzlich. Und da sie nicht antwortete: „Nein, Dagmar, wenden Sie das schlimme Wort nicht auf sich an. Ich kenne Sie besser — Sie sind wahr und stolz, und ich liebe Sie, wie Sie sind." Eine tiefe Liebe, ein inniges Vertrauen klang ihr aus seinen Worten entgegen, daß sie davon erschüttert wurde. Die wider streitendsten Empfindungen tobten in ihr. Ach, sie war nicht stolz und wahr, wie er glaubte, sie schämte sich, und als sie in seine erwartungsvoll auf sie gerichteten treuen Augen sah, da drängte sie etwas in ihrem Innern, ihm rückhaltslos die Wahrheit über sich zu sagen, mochte er sie dann verdammen, aber sie war wenigstens wahr gewesen. „Nein, Doktor, Sie kennen mich nicht! Sie täuschen sich in mir. Ich bin unwür dig Ihrer guten Meinung. Ich bin eitel, oberflächlich, gefallsüchtig —" „Dagmar, wie kommen Sie dazu, sich so zu erniedrigen?' „Weil Sie mich kennen lernen sollen, Bernhard, so wie ich wirklich bin und nicht wie ich Ihnen scheine! Nie könnte mich ein Leben befriedigen, wie Sie es mir bieten! Ich muß immer Abwechslung . haben, ich kann nicht im verborgenen sein." Ein schmerzlicher Zug glitt über sein tief erblaßtes Gesicht. „Dagmar, es ist also die Aussicht, stän dig hier auf dem Dorfe leben zu müssen, die Sie zurückschreckt?' Er schwieg eine Weile und betrachtete das Mädchen vor sich in heißer Zärtlichkeit. Dann faßte er nach ihrer Hand: „Dagmar wenn — wenn ich mich nun nach Ihren Wünschen richten würde?' Fast ungestüm entzog sie ihm ihre Hand. Seine Worte erschreckten sie. Sie wußte, was es ihn kostete, auf seinen Lieb lingsgedanken zu verzichten. Wie mußte er sie lieben, wenn er das tun wollte! „Nein, das sollen Sie nicht, Bernhard!" rief sie, „ich gestehe ja, mir wäre es uner träglich, in der Einsamkeit zu leben, denn Ler deutsche Kronprinz ich hin so lange in der Welt gewesen, daß nahm mit leiner Armee Longwy und M-Nim«d>> jch jie nicht mehr entbehren kann. Ich Bieber. brauche stets Abwechslung, Geselligkeit, Courmacher — ja die auch!" fügte sie trotzig hinzu. Er faßte sie fest um das Handgelenk, finster, zürnend sah er sie an. „Dagmar, beantworten Sie mir die eine Frage, zu der ich Wohl eine Berechtigung habe," sagte er herrisch: „Lieben Sie mich? Jch durfte es wenigstens bisher glauben!" Gequält wandte sie sich ab. „Jch weiß es nicht! Und wenn, so würde dieses Gefühl doch nicht ausreichend sein für ein ganzes langes Leben." Lange und traurig sah er sie da an. Sie senkte vor seinem vorwurfsvollen Blick die Augen.