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/ ' Beiblatt zu Nummer 346. Der SäWche Lrzähter. Donnerstag, »«, 22. Oktober 101«. verlkftltp, Rr. zs »rr Skchs. Armee. ausgegeben am 20. Oktober 1914, nachmittag» 5 Uhr. (Auszug). Reserbr Infanterie-Regiment Rr. 192. Schlegel, Wilhelm Soldat aus Bautzen — schwer verwun det Brust. Salm, Johannes Paul, Gefreiter aus Bautzen — gefallen. Laudwehr-Jnfanterie-Regimevt Nr. 104. Göhler, Heinrich Andreas, Gefreiter d. Ldw. aus Trotz- röhrSdorf — vermitzt. > Reserve-Jnfanterie-Regiment Nr. 106. Burkhardt, Otto, Gefreiter aus Kamenz — gefallen. 12. Infanterie Regiment Nr. 177, Dresden und Baracken lager Königsbrück. , Krause III, Kurt, Soldat aus Bautzen — verwundet. Schreiber, Otto, Gefreiter aus Grohröhrsdorf — gefallen, Thalheim, Paul, Soldat aus Grohröhrsdorf — gefallen. Paul, Richard, Reservist aus Seeligstadt — verwundet. Wmf III, Paul, Soldat aus Niederneukirch — verwundet. Arömmel, Richard, Unteroffizier d. Res. aus Seeligstadt — gefallen. Schreier, Emil, Gefreiter d. Res. aus Oberputzkau — verw. Johne, Alfred, Soldat aus Häslich — verwundet. Walter, Artur, Soldat aus Seidau — leicht verwundet, Hand und linker Futz. 4. Feld-Artillerie-Regiment Nr. 48, Dresden. Baumann, Martin, Kanonier aus Schmölln — gefallen. 5. Feld-Artillerie-Regiment Nr. 64, Pirna. Neumann, Ernst Albert, Kanonier d. Res. aus Weifa — leicht verwundet, linker Arm (wieder dienstfähig). Riemer, Moritz Artur, Fahrer aus Arnsdorf — leicht ver wundet, linker Arm. Kleinskück, Max Erwin, Fahrer aus Pulsnitz — schwer ver wundet, linker Arm. Lischke, Ernst Paul, Kanonier d. Res. aus Bautzen — schwer verwundet, Rücken. Walther, Hermann, Kanonier aus Neudorf — leicht ver wundet, rechtes Bein. Pötschke, Ernst Richard, Kanonier aus Bautzen — schwer verwundet, Kopf, Arm. Wagner, Heinrich Albin, Kanonier d. Res. aus GeitzmauuS- darf — gefallen. Kunze, Ernst, Gefreiter aus Paunewitz -- gefallen. Kretzschmer, Friedrich Alwin, Fahrer d. Res. aus Nieder- lichtenau — leicht verwundet, Futz. Pogt, Ernst Paul, Gefreiter aus Steinigtwolmsdorf — schwer verwundet, Kopf. Klahre, Ewald Paul, Kanonier aus Rückersdorf — gefallen. Wagner, Karl Paul, Unteroffizier aus Schirgiswalde — schwer verwundet. Lange, Paul Richard, Kanonier aus Burkau — schwer ver wundet, Brust. 2. Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 19, Dresden. Paulick, Ernst, Fahrer aus Zefcha — schwer verwundet, beide Oberschenkel und Gesäh. Kannegietzer, Hugo Paul, Unteroffizier d. L. aus Radeberg — vermitzt. 1. Pionier-Bataillon Nr. 12, Pirna. Jähne Fritz, Pionier aus Berthelsdorf — schwer verwundet, rechtes Bein. Sächsische Staatsangehörige in außersachsische« Truppenteilen. Groschke, Johann Kurt, Musketier aus Bautzen — leicht verwundet. Zieschang, Hermann, Füsilier aus Kamenz — vermitzt. Alles mobil. Unter der Ueberschrift „Alles mobil" bringt das Pro testantenblatt (Nr. 23) allerlei reizvolle Einzelheiten. Fahre ich neulich mit einem Kutscher: „Sie sind wohl schon zu alt für den Dienst?" „Ja," sagte er, «aber ich habe drei Söhne, die sind alle schon ausgerückt, und drei Pferde habe ich, von denen müssen zwei mit, dieser Schwarze auch. Hü, Schwarzer!" damit nimmt er die Peitsche, und ernst, aber ohne Verbitterung treibt er das Pferd an. Wenige Tage noch, dann hat er von seinem Hab und Gut nur noch einen einzigen Gaul. Kommt der einzige Sohn einer Witwe und bittet mich: „Meine Mutter ist noch nicht von ihrer Reise zurück, ich mutz morgen früh fort. Gehen Sie hin zu ihr und sagen Sie ihr von ihrem einzigen Sohn den letzten Gruß. Und sollte sie mich lebendig nie Wiedersehn, das eine sagen Sie ihr, sie solle stolz auf ihren Sohn sein können." Und vielleicht das Rührendste. Melden sich da neulich mehrere Taubstumme als Krankenpfleger. Ohne ihre Schuld können sie nicht ins Feld mitziehen, aber sie wollen zeigen, datz sie auch ihre Kräfte in den Dienst der Gesamtheit stellen. Wo alles opfert, wvllen sie nicht zurück stehen. Eine wirklich schwere Aufgabe, diesen Leuten klar zu machen, auch dazu sind wir nicht zu gebrauchen. Ein an derer Taubstummer liegt im Krankenhaus darnieder. Da rafft er seine Kräfte zusammen, meldet sich beim Arzt, sorgt dafür, daß er entlassen wird, und geht direkten Weges zum Krämer. Zwei harte Taler legt er auf den Tisch. „Die habe ich mir gespart dadurch, datz ich vorzeitig aus dem Krankenhause gegangen bin: nun will ich für das Geld Le bensmittel haben, die sollen die Soldaten mit ins Feld neh men." Sprachs, nahm seinen Korb voll Lebensmittel und trug sie den Weg, den sein deutsches Herz ihn wies. — Wo so viel tätige Liebe, wo so viel freudige Hilfe ist, ja da mutz ein Heer begeistert werden. Die Soldaten sind ja nicht allein mobil. Mobil sind all« Kräfte im Volke. Die Spende der Arbeiterin. In der „Frankfurter Schulzeitunq" finde» wir folgen des Erlebnis Traubs: „Ich redete in Düsseldorf. Die Men schen bezahlten ihr Eintrittsgeld zum Zweck der Kriegs fürsorge. Da kommt auch eine Arbeiterin und erlegt ihre 20 Pfennig wie jeder ändere, und schon greift der Kassierer zu den nächsten, die eingezahlt werden Da legt sie stillschweigend einen zusammengefalteten Briefum schlag auf den Teller und geht lautlos weg, hinein in den Saal. Die etwa- unsauber« Hülle hebe ich mir unter meinen Kostbarkeiten auf. ES standen in unbeholfenen Schriftzügen darauf: „Für unsere Krieger eine Ardenerin." Drinnen lag ein Fünfzigmarkschein, zwei Zwanzigmarkscheine und fünf Zweimarkstücke, macht zusammen: Einhundert- Mark. Lies es noch einmal, lieber Freund! Meine Hand zittert, so schwer wiegt das leichte Papier Einhundert Mark — was mag die Frau davon erwartet und geträumt haben? Sie gab es sicher nicht vom Urb« stutz, sondern sie tat sich weh und gab, was sie hatte. Aber nicht einmal die Höhe der Summe ist das Größte. Welche Feinheit liegt in der Art des Opfers! Sie kommt, gibt und geht weg. Niemand kennt sie. Keine Hausnummer verrät ihre Wohnung, keine Aufschritt ihre Herkunft. Das ist Würde. Man wird andächtig, wenn man ein solches Blatt Papier in die Hand nimmt, und schämt sich seiner Kleingläubigkeit und seines Mißtrauens. Wie viel sind im Saal, die sich mit dieser Ungenannten vergleichen können'? Vielleicht ist es dort die Frau, die du gar nicht beobachtest hattest. Vielleicht ist sie schon wieder forlgegangen. Die linke Hand hat nicht ge wußt, was die rechte tat. Ich freue mich dieses seelischen Anstandes aus tiefem Herzensgrund. Ein Volk, das solche Frauen zählt, geht nicht unter!" Ein Winterfeldzug in Rußland. Einen Winterfeldzug in Rußland halten viele nach den furchtbaren Erfahrungen des Feldzuges von 1812 für ganz ausgeschlossen. Die Kälte, die Schwierigkeiten der Provian» tierung sind dieselben feindlichen Kräfte, an denen Napo- leons Weltreich scheiterte. Aber können wir ihnen gar nicht beikommen? Diese Frage erörtert Professor Ballod in den Preußischen Jahrbüchern. Er hat einen großen Teil seines Lebens in Rußland zugebracht und kennt es genau. Un bedingt nötig für einen Winterfeldzug sind Schafpelze, Win terschuhe, die die Oesterreicher schon haben, Sweaters und die Kopffchutzkappen, die sogenannte Baschliks, die einst und zwar um 1870, auch unsere Damen trugen. Sie bilden ein Stück der Winterausrüstung jedes russischen Soldaten, der aber keinen Pelz hat. Eine Armee von über einer Mil lion mit alledem auszurüsten, kostet Arbeit, aber unsere Or ganisation hat schon manche ähnliche Arbeit zu bewältigen verstanden. Di« Verproviantierung läßt sich dadurch erleich- tern, datz jeder Infanterist einen Handschlitten erhält, auf den er Proviant für 60 Tage, aber auch noch sonstiges Ge päck ladet. Ein so bepackter Handschlitten soll 84,2 Kilogr« wiegen. Pferde braucht man genug für die Munitions transporte. Ballod berechnet sie auf 120000; wollte man allen Proviant durch Proviantkolonnen nachführen lassen, so würde man 160000 mehr beanspruchen. Als Ziel dieses Winterfeldzuges aber denkt sich Ballod natürlich nicht Mos- kau, nicht einmal Petersburg, sondern Kiew. Der Einbruch in Rußland müßte also in Galizien erfolgen. Wir wollen diesen strategischen Vorschlägen nicht weiter folgen, es stehen sicher große Bedenken gegenüber. Der Kriegsschauplatz würde ins Unendliche wachsen. Das können wir getrost dem Generalstab überlassen. Wichtig genug ist der Nach- ' weis, das selbst im russischen Winter wir ans Schlagen den- A Sinnspruch. » * Die Schule d>s Leidens lehrt Vorsicht, Ver- > » schwiegenheit und Mitgefühl. Friedrich der Große. 8 Gedenktage: 21. Oktober 1805: Vernichtung der französischen Flotte bei Trafalgar durch Nelson. Nelson fällt. 1866: Friede zwischen Preußen und Sachsen; Sachsen tritt dem Norddeutschen Bunde bei. Astronomischer Kalender. 22. Oktober: «Sonnenaufg. 6 Uhr 35 Min.! Mondaufg. 1 l Uhr 27 Min. Sonnenunterg. 4 Uhr 53 Min.! Mondunterg. 6 Uhr 14 Min. Los vom Joch. Roman aus der Zeit der Befreiungskriege. Von E. v. Winterfeld-Warnow. (3. Fortsetzung). '(Nachdruck verboten.) Am schlimmsten war, daß keiner mehr dem anderen traute. Es wurden ja künstlich Spitzel gezüchtet. Denn dem Verräter wurde ein Fünftel der Verkaufssumme zugefagt. In dieser Zeit, die so viele schlechte Eigenschaften wach sen und gedeihen lietz, wuchs aber auch etwas anderes zu seltener Größe empor. Das war der Patriotismus ein- -einer l Die glühende Liebe zu der armen, geknechteten Heimat, das Gefühl, daß es doch ein Vaterland sei, ein Deutschland, trotz aller Zersplitterung, trotz aller Einzelstaaten, ein gro ßes deutsches Vaterland! Und so konnte auch nur ein« solche Zeit tiefster Schmach -eine Zeit höchster Erhebung bringen, wie es 1813 geschah. Vorläufig war noch an keine Erhebung zu denken! Bremen seufzte schwer unter dem Druck. O In der Brautstratze wohnte damals der Zimmermeister Lühring, ein braver, ehrlicher Handwerksmeister, der sich -gar nicht in diese Zett finden konnte. . WaS war aus seinem schönen Wremen geworden? WaS war aus dem gemütlichen Leben geworden? Kein Abendschöppchen mehr im Ratskeller! Kein ge mütliches Plauderstündchen auf der Bank vor der Haustür! Kein Spaziergang auf den Wällen mit einem guten Freunde! Ueberall hockten diese französischen Soldaten, diese widerlichen Kerls! In alles steckten sie ihre Nasen. Jede Gemütlichkeit nahmen sie einem! Neulich hatte mal der Richter Heineken den Senator Tidemann auf der Straße getroffen und bis zu des Sena tors Hause begleitet. Vor der Haustür standen sie ein we nig länger und unterhielten sich. Auf einmal krachte eiw Schuß, und die Kugel flog dem Richter Heineken gerade an der Schläfe vorbei. Nur eine kleine Warnung, daß lange Gespräche nicht beliebt seien! Aber doch eine recht ungemütliche Art der Warnung! Zimmermeister Lühring hatte eine Tochter von siebzehn Jahren, ein schönes, ruhiges Mädchen, das dem Vater in der Hauswirtschaft half. Die Mutter war krank und immer bettlägerig. Sie konnte ihm nichts sein in diesen Zeiten. Dadurch war Anna früh ernst geworden. Der harmlose Ju gendmut anderer Mädchen in ihrem Alter war ihr nicht eigen. Dafür aber ein Herz, das begeistert für Deutschland schlug, das litt und bebte mit dem geknechteten Lande. Seit kurzem wußte man auch in Bremen von dem furchtbaren Ausgang des russischen Feldzuges. Der „Moni teur vor Paris", die Zeitung Napoleons, die für alle Er eignisse immer nur den Maßstab Frankreichs anlegte, das große Lügenblatt, das noch am 21. Oktober zu schreiben wägte: „Das Schicksal der Armee verbessert sich von Tag zu Tag", mußte doch endlich das am 27. Dezember ausge gebene 29. Bulletin abdrucken. Es war aus dem Feldlager vom 3. Dezember datiert und gestand endlich die furchtbaren Verluste und die Vernichtung der Armee ein und schloß mit den merkwürdigen Worten: „Das Befinden Sr. Majestät ist nie bester gewesen." Wie sie aufatmeten auch im französischen Bremen! Der Kaiser auf der Flucht nach Parisi Das Heer vernichtet! Nun mutzte eS doch auch hier anders werden! Allerdings bebten erst viele Herzen um die Söhne, Brüder und Gelieb ten, die mttgemutzt hatten nach Rutzkmd. Wer würde zurückkommen? Wer war in den Eisfeldern geblieben? Auch Anna Lühring bangte um ein geliebtes Leben. Ihr Stiefbruder, der Sohn ihrer Mutter auS deren ersten Ehe, war ihr Gespiele seit ihrer Kinderzeit. Sie waren sich immer gut gewesen und er war gegen die kleine Schwester der zärtlichste Kamerad. Meister Lühring hatte dagegen nicht allzu viel übrig für den Stiefsohn. Er hatte immer das Gefühl, als ob ihm dieser Sohn zu viel von der Liebe seiner Frau fortnähme. Und ohne daß er sich's eingestand, war er in: innersten Her zen nicht traurig gewesen, als die französischen Werber den Fritz Alfken mitgenommen hatten. Aber es war gut, datz die den jungen Pastor an St« Martini nicht mitgenommen hatten. Tenn der zeigte ernst liche Absichten auf Anna. Ihm war Vater Lühring durchaus nicht abgeneigt. Ihm würde er die Tochter mit Freuden geben. Domine Wernicke war ein sehr kluger Mann. Seme durchdachten Predigten hielten immer klug die Mitte zwi schen Gottesverehrung und Napoleon-Verehrung. War ein Tedeum zu Ehren eines französischen Sieges angekündigt, hielt er es gewitz genau so, wie es vorgeschrieben war. Laut Dekret des Moniteurs vom 19. Februar 1805 wurde der 15. August als Festtag des Heiligen Napoleons angesetzt, als des Wiederherstellers der katholischen Kirche in Frankreich. Und selbst in den protestantischen Kirchen sollte des Tages gedacht werden. Das hatte Pastor Wernicke auch in den letz ten Jahren gehorsam getan. Er wollte nicht wie der Domprediger Kottmeyer in die Verbannung gehen müssen. Don dem hatte der Kultus minister Bigot zu Paris gesagt, datz er von einem überaus schlechten Geiste beseelt sei und seine Predigten ungünstige Auslegung zulietzen. Anna Lühring aber verachtete Pastor Wernicke wegen seiner Fügsamkeit. Der Heilige Napoleon! — Das war der Hochmutskitzel des verhaßten Korsen! Me konnte ein deut scher Prediger dem noch Vorschub leisten? Und diesen Mann sollte sie heiraten? Diese Kreatur der feindlichen Macht haber? Einen von denen, die nur schweifwedeln konnten vor dem Eroberer! Zum ersten Male verstand sie ihren alten Vater nicht. Er war doch wahrhaftig kein Franzosenfreund l Wie konnte er den Mann achten, der so handelte? Aber Pastor Wernicke verstand es, den einfachen, alten Mann durch seine Beredsamkeit, seine gleisnerische Freund lichkeit ganz zu betören. Wenn er Meister Lühring von sei ner klugen, schönen Demoiselle-Tochter sprach, von seiner groben Liebe zu ihr, von dem schönen, gesicherten Heim, das er ihr bieten könne, da er gut angeschrieben sei bei den fran zösischen Machthabern, dann fühlte Meister Lühring nur die hohe Ehre, die ein solcher Mann seinem einfachen Hause antat, indem er um die Tochter freite. Und ein zweiter Grund kam dazu, der ihm diesen Freier für Anna genehm machte. (Fortsetzung fvlgt.)