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Der sächsische Erzähler : 22.11.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192211225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19221122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19221122
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-11
- Tag 1922-11-22
-
Monat
1922-11
-
Jahr
1922
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 22.11.1922
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Ve-irL»auOsch»tz. Tq>esordmma Mr Sitzung d« B»»t«ck»aMchuff«, um Montag, d«n 27. November 1922, vonn. sLIO Uhr. 1. Nochitf« für Erwerbsunfähige. Bericht über di« Vorlage an di« Bezirksoersammtun«. Beschaffung ander- weiter Mittel. — 2. Bezirtskossenrechnung für 1920/21. — 3. Nachtrag Mm Haushaltplan. — 4. Gebühren für Kohlen- scheine. — 5. Beihilfen aus Bezirtsmitteln ») zum Aufwand der Bautzener Schulen, b) zur Deutschen Oberschule in Bi schofswerda, c) zur Handels, und Gewerbeschule in Bischofswerda, ä) zur Errichtung von Freistellen bei den ehemaligen Volksschulseminaren, e) an die Gemeinde Wilthen zur Durchführung des Hilfswerkes für die Klein- rentnet, 1) für das Dolksbad in Wilthen, «) für die Herberge zur Heimat in Bischofswerda, tz) für den Rheinland- dank, j) für den Landesverein Sachs. Heimatschutz. — 6. An legung von Bezirksgeldern. — 7. Anteil der Stadt Bi schofswerda an den Bezirksausgaben für Sozialrent ner. — 8. Eingemeindung von Seidau. — 9. Bezirksan stalts-Angelegenheiten (Überwachung der Heizanlagen; Eingemeindung nach Bautzens. — 10. Eingemeindung von Gutsbezirken. — 11. Bezirksbesoldungsordnung. — 12. Kunstdünger- und Fleiscl;mehlfabrik betr. as Prüfungsbe richt über die erste Halbjahresbilanz der Bautzner Kunstdün ger- und Fleischmehlfabrik, K) Beschlußfassung über den An kauf eines Rollwagens und eines Seuchenwagens für die Fabrik, e) Erhöhung der Berfügungssumine des Geschäfts führers Bethke von 5000 -tl auf 10 000 <^l. — 13. Beihilfe gesuch der Gemeinde Niederputzkau zur Wasserlaufs regelung der Wesenitz. — 14. Antrag der Rittergutsherr schast Mittel auf Genehmigung zum llmbau der Ablluß- wehre an der Mühle, sowie an der Fischhälteranlaae in Mil- kel. — 15. Verteilung der Wegcbauhilfen. — 16. Unterhalts beiträge zur Landesschule Dresden. — 17. Ortsqesetz der Stadtgemeinde Schirgiswalde — Tagegelder und Reisekosten betr. — 18. l. Nachtrag zum Ortsgesetz der Gemeinde Nie- derneukirch — Tagegelder und Reisekosten betr. — 19. —24. Nachträge zur Genieindesteuerordnung. — 25. Ge- sehmignnig an den Bezirksverbandskassenrevisor, eine Ab schrift jeder Gemcinbekassenprüfung an die Amtshaupt- marmschaft zu geben. — 26. Beihilfegesuch des Turnvereins „Freie Turner" in Doberschau, Errichtung eines Sportplatzes betr. — 27. Ausbezirkung der Gemeinde Kleinvostwitz aus idem Hebammenbezirk Callenberg und Einbezirkung in den Hebammenbezirk Wilthen. — 28. Errichtung eines Standes amtes in Doberschau. — 29. Neucinteilung des bisheriaen Standesamtsbezirks Seidau. — 30. Neuregelung der Ge meinbegehälter der Beamten der Mieteinigungsämter. — 81. Erhöhmig der Schornsteinfegerkehrlöhne. — 32. Geneh migung der teilweisen Veräußerung des dem Gasthofsbesitzer Emil Richard Löhnert in Belinsdorf gehöriaen Grund stückes Bl. 62 für Belmsdorf nach dem sächs. Gesetz vom 20. November 1920. — 33. Ermächtigung des Bezirkswoh- nungsausschuffes zur Verwendung der für Wohnungsbnu- ten tm Haushaltplan eingestellten Mittel. — 34. Neu- bezw. Wiederwahl der Vorsitzenden und Beisitzer der Mieteini gungsämter Bautzen-Land und Bischofswerda und deren Vertreter. — 35. Wahl eines Mitgliedes des Bcirkswoh- nungsausschusses als Ersatz für den freiwillig ausscheiden den Gemeindevorstand Richter—Wehrsdorf. — 36. ll. Nach trag zur Wasserwerksordnung Kirschau. — 37. VI. Nachtrag zur Äcmeindesteuerordnung Weickersdorf — Hunde steuer betr. — 38. Wahlen zum Wohlfahrtsausschüsse. — 39. Verpflegsätze s) in der Verpflegsstätte Neusalza-Snrem- berg, k) in der Wanderarbeitsstätte Lshndorf. — 40. Sonsti ges. — Nichtöffentlich. 41. Gehalt des Grundsteuer kommissars. — 42. Anrechnung der Witwenben'iae der Frau verw. Grötzschel auf die Dienstbezüge. — 43. Gehalts zahlungen an die Kommunalverbandsangestellten. — 44. FeftstWmv M GchdA» «e d« WillstMsMlnii -er WM«. Vreden, 21. November. Gerhart y»pk»«»i Feier. Am Sonnt« fand tm Schauspielhaus« in Dearnmart de« Mimst« rprüswertten Buck, de» Oberbü vgermeister» Bücher, sowie eines Mhlreichen Publikum» eine festlich« Veranstal tung Mr Feier von Gerhart Hauptmann« 00. Geburtstag statt, gleichzeitig als Einleitung der Gerhart-Hauptmann- Woche. Der Dichter selbst war der Einladung Mr Teilnah. me an der Feier gefolgt und wohnte ihr in der Log« bei. Nach dem Vortrage eine» Beethoven-Quartett» wurden von Mitgliedern der Staatstheater Werke von Gerhart Haupt mann zum Vortrag gebracht. Die Veranstaltung stand un ter der künstlerischen Leitung von Dr. Karl Wolff. Die Dar bietungen wurden mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Am Schlipse der Darstellung mußte Gerhart Hauptmann auf der Bühne erscheinen und wurde von dem begeisterten Publikum mit freudigem Beifall begrüßt. Aus Sachsen. Olbernhau, 21. November. Ein Schmuggler größten Stil» ist durch das energische Eingreifen eines Beamten der hiesigen Zollinspektion verhindert morden. Dem Beamten, der sich zur Kontrolle in einem nach Neuhausen fahrenden Persouenmge befand, fielen drei Per-sonen auf, di« ein« An zahl größere Pakete witfülirten. Auf seine Aufforderung legitimierte sich ein Herr als Inländer und stellte die beiden Mitreisenden Frauenspersonen als seine Braut und seine Schwiegermutter vor, die in den Paketen angeblich in Dres den eingekauste Brautausstnttunqsgegenstände mitgenom men hätten. Der Beamte schöpfte Verdacht, beschlagnahmte die Pakete nnd verhaftete die drei Personen, von denen dir beiden Frauen nunmehr gestanden, mit dem verhafteten Herrn nicht verwandt urch auch keine Inländerinnen, son dern aus Völnnen zu sein. Der Herr mochte daran' *--n ver- redlichen Versuch, den Beamten mit 300 Kronen m bestechen. Er wie seine Begleiterinnen wurden festaenommen. Bei der Prüfung der beschlagnahmten Pakete stellte sich heraus, daß die gemachten Angaben nicht stimmten. Es befanden sich darin Tertilmaren im Werte von über eine Million Mark. Plauen i. V., 21. November. 7Mt heißem Waller «er- brüht hat sich in einem unbewachten Auoenblick da» 2i/„iähr. Söhnchen des Handelskammersvndikus vr. Zeh. Das Kind riß ein mit heißem Wasser gefülltes Gefäß um. An den Brandwunden verstarb es bald. Friedersdorf a. d. L., 21. November, von einem Schaf bock an gefallen. Übel zu gerichtet wurde eine ältere, kränk liche Witwe durch einen angriffslulliaen Schafbock, der ihr mehrere Rippen brach bezw. quetschte und verschiedene schmerzhafte Beulen stieß. Auch an Kindern ließ das Tier schon seinen Übermut auf solche wenig „schafsmäßig fried liche" Weise aus. Schmuggler-Tricks. In Staaten mit schnell sinkender Valuta herrscht stets großer Ausverkauf. Die Wertverminderring des Geldes geht dort schneller vor sich als die Steigerung der Preise der Waren, und es ist daher natürlich, daß ausländische Käufer von dem günstigen Kurs Gebrauch machen, um für wenig Geld wertvolle Güter zu kaufen. Das Kaufen ist eine leichte Sache, aber das Gekaufte über die Grenze zu bringen, das ist schon schwerer, denn die Grenzpolizei wacht wie ein Zer berus. Besonders auf der Donau wird jetzt viel geschmug gelt. denn obwohl die Regierung alle Dampfschiffe von der Polizei und von Geheimdetektiven bewachen und durchsuchen läßt, scheint es doch noch immer Keleoenheit zu geben, dort kleinere Gegenstände zu verbergen. So fiel es vor einigen Tagen, wie die „N. B. Z." berichtet, einem Detektiv auf, daß M Ksstmr beet Stütze Teller aus dem Büfett M dete und lieber Teller holen ging, wenn keine steinen Teller mehr auf dem Büfett standen. Vies kam dem Geheimpol sten verdächtig vor, aber -uerst glaubte er an einen Zufall Während er so do« Tun und vasten de« Kellner» beobach tete, begab er sich selbst zum Büfett, um ein Glas zu holen Der Kellner erschrak sichtlich, reichte ihm diensteifrig rasa, das Glas, schloß aber sofort den Teil de» Büfett«, in den die Teller ausbewahrt waren. Am Abend; al« die Restaura tion geflossen war,.li-ß der Detektiv durch den Schiffskap tän das Büfett öffnen. Er nahm einen, zwei, drei, vie Teller weg — nichts verdächtiges war zu sehen. Aber nack, dem fünften Teller kam des Rätsels Lösung. Zwischen ihn. und dem sechsten Teller lagen nämlich ungarische Hunderi Kronen-Goldstücke, ebenso zwischen dem sechsten und siebe», ten usw. Insgesamt belief sich der Wert der auf diese Wei' versteckten Goldstücke auf sieben Millionen ungarisch Kronen. Ein anderer Fall, der auf einem Donaudampfer sich ab spielt«. Ein Detektiv mochte die seltsame Wahrnehmung daß der zweite Schiffskapitän trotz der drückenden Hitze m einem riesigen Pelz und dicken Pelzhandschuhrn bekleidet au der Brücke stand. Dies schien ihm verdächtig. Er trat au ihn zu und stellte sich ihm als Detektiv der Flußpolizei vo Der Kapitän verneigte sich, reichte jedoch dem Detektiv nick; die Hand, sondern wandte ihm sogleich den Rücken zu, al. ob die Lenkung des Schifies seine ganze Aufmerksamke erforderte. Der Geheimpolizist erkannte, daß in diesen Fall resolutes Handeln allein zum Ziel führen könne. Er griff daher nach den riesigen Handschuhen und riß sie herab. Die Handschuhe wogen anderthalb Kilogramm und waren mit Goldmünzen gefüllt. So auch der Pelz, unter dessen Laß ein weniger herkulisch gebauter Mann unbedingt zusammen gebrochen wäre. In der Gegend eines Bergwerkes, nahe an der tschecho slowakischen Grenze, schob eines Tage» ein« Frau einen Kohlenwagen vor sich hin. Obwohl der Wagen sehr groß war, glaubten die Grenzbeamten zu der Annahme berechtig; zu sein, daß die Frau ihn doch zu leicht von der Stelle bringe. Einer von den Detektiven hielt daher die Frau an und nahm ein großes Stück Steinkohle von dem Wagen — es war so leicht wie eine Feder. Es stellte sich heraus, daß die Kohler, stücke ausgehöhlt und in ihnen wichtig« Dokumente und Plane eines geheimen Produktionsverfahren« verborgen waren. Einen ganz neuartigen Gchmugglerknisf brachte der in ternational bekannt« ungarische Betrüger Schwarz in An Wendung. Eines Tages wurde er Im Schnellzug von Buda vest nach Rumänien von einem ungarischen Detektiv entdeckt Dieser fragte ihn, wohin er fahre, worauf er barsch zui Antwort gab, er habe seine Streife abgesesien und unterneh me fetzt wie jeder andere Staatsbürger ein« Reise, die e: diesmal zu seinem Vergnügen nach Rumänien mache. Die ser Schwarz hatte früher zwei aesund« Augen und nun ein Auge von Glas. Wo haben Sie das eine Auge verloren, fragte der neugierige Detektiv. Der Gauner wurde verlegen und tischte die Geschichte von einer Augenoperation auf. Da ganze Benehmen des Schwarz kam dem Detektiv verdächtig vor und er lud deshalb ihn ebenso freundlich wie enerats-b ein, mit ihm auf der nächsten Station auszusteigen. Dort untersuchte ein Gerichtsarzt das Glasauge und bald war die Verlegenheit des Schwarz aufgeklärt. In der Höhlung des Glasauges war ein Brillant im Werte von drei Millionen ungarischen Kronen versteckt, der von einem Einbruch in Budavest stammte. Schwarz hatte sich das eine Auge neh men lassen, um mit Hilfe des Glasauges steine wertvolle Gegenstände zu schmuggeln. Wie man aus den angeführten Fällen sieht, verstehen sich die ungarischen Schmuggler an' ihr Handwerk und brauchen wegen origineller Einfälle im Ausland nicht in die Lehre zu gehen. Aebexflüssig. Skizze von Ma tha G r a n o w - Neukölln. Nun ging wieder die Sonne auf. Ein köstlich frischer Herbstmorgen war's. Leichter Nebel wallte über den Gär ten der Vorstadt. Dicker weißer Reif glänzte silbern von den Dächern der Lauben, lag in den Krautbüschcln und um hüllte die bunten Herbstblätter. Aus der Chaussee in der Ferne fuhr ein Lastg-svanv. lautlos und seltsam unwirklich durch den weißen Dunst. Spatzen schwirrten lustig um die Holunderbüsche und naschten von den schwarzen Beeren. Kreische ud hüpften sie aus den Telephondrähten umher und lugten listig in die Fenster diests letzten Wohnhauses am Rcndo Berlins. Und oben, vier Treppen hoch, stand ein altes Fräulein am Fenster und schaute mit großen Augen weit umher. Welche stille Schönheit lag vor ihr ausaebreitet im Son- nenglast. Jetzt kam dort unten ein Trupp Schulkinder die breite Ahornalle« entlang. Sie lärmten froh und sangen. Die beiden letzten Mädelchen kramten ihre Stullen aus und zeigten sie einander. Frühstückszelt! Fräulein Iulietta von Nordenau wandte sich hinweg und ging zu ihrer kleinen K"che. Ein Nestchen Margarine war noch in der silbernen Butterdose. Sie bereitete Tee und deckte feierlich den FrnhMückstiich In der Sonne. Mit stillen, Lächeln stellte sie den Strauß bunter Herbstblätter auf den Tisch und freute sich an dem kräftigen Rot des Ahorns unn an dem strahlenden Gnsd der Kastanien. Sie fetzte sich in den atlachezogenen Sessel nnd aß bedächtig — und trank in kleinen Schlucken. Da» letzte Frühstück Es mußte sein! Vom Vermögen war nur ein kleiner Rest übrig, der mußte zur Beerdigung im Norbennuschen Erbbegräbnis übrig bleiben, lind nir gends war sonst eine E'nnakmieguclle. Zwar hatte sie noch viele Kostbarkeiten, aber alles hatte einmal «in Ende., Was nicht» es, wenn sie sich acht Wochen länger hielt? Sprung haft schnellten die Preise für das Allernotmendiaste in die Höbe; täglich wurde höhnisch dekretiert, wo» und um wie viel sed«, wieder teurer wurde. Da ging dem Rentner wohl bald der vttm aus. In diesem vrvsetaristerten, «knechte- ten Deutschland, dar sich nur fieberhaft «gen di« völlige Grdeosjestrng durch di» sogenannten Slegermächt« wehrte, uxws» solch» Luruseristenzen, wie alt« vornehme Fräu- sein», »4, Mtt M schaffen vermochten mit ihren schwachen AM», nicht» M» Wiederaufbau beitragen konnten, über- MWWt NbeefffWg mtt all Ihren reichen Kenntnissen, mit Me M»» Kustur. mit ihrem empfindlichen Schönheits- ünv. De kvmtten gehen ,md — sollten gehen. Liese Pe- r»rfW hatte — vorgemacht; sie hatte den Gashahn aus v«Mn ausgelassen. Und FrSnlein von Tlasenborn war »ich Gstz»A S«f-chn-ll — 1» SavM« — und hatte dort ein Bootsunglück. Ettq von Hohenfels aber, als sie ihre kleine Wohnung im Tiergartenviertel, wo sie achtunddreißig Jahre gewohnt, räumen mußte, war ins Irrenhaus gekom men und saß in ihrer gräßlich rosaroten Anstaltsjacke am Fenster und starrte gedankenlos vor sich hin. Dick war sie geworden, schrecklich dick und aß alles, was sie nur bekam. Das war grauenhaft und noch überflüssiger . . . überflüssig. Das grausame Wort hatte sie unten beim Kaufmann von einer Schiebersrau gehört. Die kaufte Leber» wursi fiir 380 Mark und Schinkcnwurst für 500 Mark und meinte breit lachend: „Det langt ooch bloß for een Abend brot; wir sind ja vier Mäuler!" Da sprach man über die Not der Alten, der Pensionäre und Ruheständler, daß sich- die alten Leutchen, die einst bessere Tage gesehen hättm nun durchhungeru müßten, während andere „Die sind ooch ttbeislüssiq, die nischt verdienen; die können abschram men!" Und als man sich nach dem alten vornehmen Fräu lein umsah, die sich eben ein Viertel Margarine abwiegen ließ, wiederholte die Frau halb bedauernd, halb mit Genug tuung: „Et sing ihnen ja immer so sut, nu sind se eben über flüssig! Wie in ne Schaukel, mal oben und mal unken. Det is nü eben lo!" überflüssig! Da hatte sie den Mut zum Leben «rloren. Mochten die Nichten in'München ihr Familiensilber erben, di« Brillanten und die lieben alten Möbel — sich darum zanken! Was ging es sie an? Heute Abend wollte sie die Tür leise — leise hinter sich zuziehen... Am EM der Welt aber sitzt der Alte mit der Harfe — er spielt ein Lied, ein süßes, feines Schlummerlied — es tropft herab wie Tränen — wie Kindertränen, unbewußt und weh — so weh — und verklingt in der unendlichen Still« — da» seligbcmge Lied vom Leben. . . Sie lehnte den Kopf gegen die kühlen Scheiben. Di« di« Sonne strahlte. Dks Nebel waren verflogen. Ein sanfter Wirch wehte bunte Blätter auf die Straße. Dunkelblau rmd duftig schloß die ferne Kieferrchaide den Horizont ab. , El n paar Schornsteine reckten sich darüber hinaus in den blaß blauen Himmel und ließen ihre Rauchfahnen lustig flattern. Weiße Wölkchen aber schwebten wie still« Grüße abgeschiede ne Lieben hoch oben am Firmament. Jetzt würde sie sich -um Spaziergang mmeiden —Lanz sorgsam — und dann ... Sie dachte niemals di» -u End». Sie hatte alles vorbereitet und war überzeugt, wenn di« letzte Verzweiflung kam, würde sie den notwendigen „Zu fall" finden. Das eben erhöht uns über da» T,er da, wir unserm Leden selber ein Ziel setzen können. Den Mut dazu hatte sie . . . _ , ., - . Langsam ging da« alte Fräulein di« Treppen hinab. Rechts und lenk? Türen und hinter Mr Mur dockte wohl eine Not — und jede Not hatte ein ander Gesicht. Hier iw zweiten Stockwerk sink» die blaffe Dam« erwartete das viert» Kindchen. Der Mann schien viel M verdienen, aber sie Nagt« neulich beim Kaufmann, daß sie so allein wäre und kein Ver laß auf die Dienstmädchen sei. Eben ging die Tür. „Gnädiges Fräulein, Sie? Würden Sie — ach, ich wage nicht. . <" „Ja, kann ich Ihnen irgendwie helfen, Frau Werner?" „Ich bin so verzweifelt. Mein Mann mußt« gestern noch Hamburg reisen und nun — ich glaube, ich muß schnell in die Klinik. Es kommt so früh und ich kann ihn gar nicht telegraphisch erreichen. Aber die Kinder, ich fürchte, sie der Minna allein zu überlassen. Und die Wohnung auch, In diesen Zeiten, wo jeder stiehlt: die Minna habe ich erst sechs Wochen, und sie hat soviel Verwandte." „Kann ich? Ich würde so gerne helfen! Wenn Sie Vertrauen hätten! Ich wollte schon Ihre Kinder hüten — und Ihr Heim." „Sie wollten wirklich? Und finden meine Ditte nicht unverschämt? Ich habe gegrübelt und gegrübelt. Ich dachte schon an Sie. Wir kennen uns so lauge. Zu arbeiten brau- chen Sie ja nicht, nur da sein, daß den Kindern nichts ge schieht, daß man mir nicht alles aus dem Hause trägt — daß ich mich in Ruhe niederlegen kann!" Die beiden Frauen standen noch immer auf dem Trep penflur. Da kam ein fast mütterlicher praktischer Sinn über das alte Fräulein. „Kommen Sie herein. Sie müssen sich niedersetzen. Dann können Sie mir alle» sagen und alles zeigen. Ehrlich sein und das Ihre hüten, das will ich wohl und da« kann ich; und die lieben Kinder sMn es aut haben. AL, da bin ich doch nicht überflüssig." „Überflüssig, wie Sie das sagen können! Wenn man nur manchmal einen treuen Menschen wüßte, der ist wahr haftig unbezahlbar jetzt und nicht überflüssig in diesen Zeiten. Vas weiß der liebe Himmel!" . . . Wieder ging die Sonne auf. Zwei Treppen tiefer stand Fräulein Iulietta am Fenster, hielt die vierjährige Lott« Werner im Arm und zeigte dem Kinde, das sich so sehr noch der Mutter bangte, die liebe schöne Sonne und di« lustigen Spatzen und erzählte ihm vom lieben Schwesterchen, das der liebe Gott der Mama «schenkt habe. Fritz und Ewald waren Mr Schule geschickt und Minna milchte eben das Eß- zimmer aus und schielte noch der „ollen Schachtel", die aus paßte „wie'n Schießhund." Da ging plötzlich die Tür; Herr Werner kam herein, direkt von der Bahn. Er war erstaunt und erschrocken und dann voller Freude und Dankbarkeit Er fand nicht genug Worte für seinen Dank. „Denn Sie nicht« dagegen haben, bleibe ich. bi« Ihre Gattin wieder «sund ist. Ich hab' nicht» M versäumen und bin sonst überflüssig.' , „O gnädige, Fräulein, wenn Sie das wollten, wi« froh wären wir!' Fräulein Iulietta oder faltete dankbar dir Hände: „vielleicht sind noch Andere froh, wenn man ihnen mit s«I- ner Ehrlichkeit hilft. Vas will ich versuchen.'
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