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DMHosVrveröaer MAU. d7crge.6Lcrtt^. Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Unabhängige Zeitung für alle Ständein Stadt und Dischossmerda und den angrenzenden Gebieten Land.DichtesteVerbreitunginallenVolksschichten Dies Blatt enchäü die amtlichen Bekanntmachungen der Amtrhaupt- Beilagen: Sonntag» - Unterhaltung «blatt und Landwirtschaftliche Beilage mannschast, der Schulinspektion und de» Hauptzollamts -u Bautzen, Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 18. — Druck und Verlag der de« Amtsgericht», des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. Buchdruckeret Friedrich Way in Bischofswerda. — Fernsprecher Nr. 22 Grschet«»«-»»effer Jeden Werktag abend, für den folgend. Laa. BePtgopr««: Bet Abholung tn der Geschäftsstelle monatlich ML 14S.— bet Zustellung tn» Hau, monatlich Mb. 1S0.—, durch dte Post bergen monatlich Mb. ISS.— mll Zustellung»g«bühr. Alle Postanstalten, Postboten, sowie Zeitung,au,träger und die Geschäftsstelle de, Blatte, nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Poftschrck-Kouto: Amt Dresden St». 1-21. Gemeinde« verband-gtrokafs« Bischof«»erd« Konto Str. 64. Am Falle höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger irgend welcher Störung de, Betrieb» der Zeitung oder der Beförderung,einrich- tungen — hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung de, Bezugspreise,. -- Anzeigenpreis: Die «gespaltene Grundzeile (Alm. Masse ich oder deren Raum 12.— Mb., örtliche Anzeigen 0.— Mb. Im Tert» teil (Zlm. Moste 14) SL- Mb. die Sayoaltene Zeile. Bet Wied«. Holungen Nachlaß nach feststehenden Baben. — Amtliche Anzeigen die Sgespalten« Zeil«. 24.— Mb. — Für bestimmte Tage oder Platze wird beine Gewähr geleistet. — Erfüllungsort Bischofswerda. Nr. 238. Mittwoch, den 11. Oktober 1V22. 77. Jahrgang. Dechow sei dann sehr «in« d«r Auf Antrag der Verteidigung wird nach Lbsi rshnvmg des Angeklagten Tilless dem Morde müßte oder von «Mer» Beteiligung. Mvg- sich ' gen. Als er in» Tucherrestaunmt v. Salomon dogewese«. der vor Techow, der da» Auto führte, ah mtt Kern chn von der Unsinnig kett seiner Pläve bezüghch Rathenaus zu überzeugen gesucht. - Kem rief ober ausr „Wenn man Euch bloß fragt, dann kommt«» noch so weih daß man eine» Tage» im Bett stirbt wie ein alt« Weck. Bei Fischer hätte er den Eindruck gehabt, daß er schon längst aus seiner (Tilleflens) Seite wär« und habe auch von Ke« annehmen können, daß er die Geschichte nicht mehr unterneh men wollte. »Wir fuhren dann , berichtet Lilleffen weiter, „in die Wohnung Kerns, um dort über Nacht zu bleib«», Luch v. Salomon und Ploas blieben hier. Noch einem Wortwechsel zwischen Kern und Plaas, in dem Ikern weg« seine» Plane» mtt der Handgranate aufgezogen wurde, rief Kem: „Mießmacher seid ihr alle.* Zu v. Salomon sagte Kem: „Du kannst abreisen, ich brauche Dich nicht mehr.* Sch entnahm darau», daß Kem sein Vorhaben endgültig oufge» geben hatte.* Am anderen Morgen sei Tillessen aufgestanden und mtt Ploas und v. Salomon zur Bohn gegangen. Er versichert wiederholt, daß es ihm höchst unangenehm gewesen sei, in die Affäre verwickelt zu fein, er habe sich detzhÄb fo hoch verabschiedet. Der Präsident: „Es besticht doch die Verpflichtung, w«» man von einem Mord erfährt, ihn anzuzeigen.* lilleffen: ,Lch hatte die Ansicht, daß Kern den Plan ganz aufgegeben hatte. Auch wußte ich nicht, daß vorher schon allerhand Dorbereitungen getroffen waren. Der Oberreichsanwalt: „Ist bei der Zusammenkunft mtt Drüdigam nicht schon von dem Mord plan die Nedo ge wesen?* lilleffenr „Nein, das weiß ich positiv, ixch damals nicht davon geredet wurde. Beisitzer Fehreabackn „Woher hatten Sie Ihr« Über zeugung, daß Kem fernen Plan ausgegeben hatte? Ich kann aus den Vorgängen und ihren Gesprächen mtt Kem und Fischer einen Entschluß zur Aufgabe nicht entnehmen.* ' Lilleffen: „Ich kann hier nicht sagen, Kem habe mtt da» in die -and gesprochen. Ach hatte es nur im Gefühl.* " . „ . . „ . der Vernehmung de» Angeklagten Dtllessen wiederum «ine Paus« gemocht, da der AngSlagte Warnecke der Verhandlung nicht mehr zu folgen vermag. Nach Wiedereintritt in die Verhandlung wird der Angeklagte Plaas vernommen. Plaas traf mtt DUleffen in Frankfurt (Main) zusammen, wo er Schriftleiter der „völkischen Rundschau war. Er bestätigt im wesentlichen die Aussagen Dillesfens und kann Neues nicht berichten. — Der Präsident: „Haben St» sich nicht für verpflichtet gehalten, von dem Mordplan Anzeige m machen?* — Plaas: „Ich war davon überzeugt, daß der Plan völlig begraben war. Kem hatte zu von Sals man gesagt: „Du kannst nach-auf« fahren, du wirst nicht mehr gebraucht.* — Der Präsident: „Wie standen Sie selbst zur Dat?* — Ploas: „Ich hab« st« unbedingt verurteilt.* Hierauf werden die Zeugen aufgerufen. Kriminalkommissar Autt berichtet über die Verhaftung de» Lngekla^en Ilsen»««. Man habe bei Mnnann «tn« Pistole kn B«tt gefunden. Er selbst habe wenig gesprochen, im übrigen aber berichtet, daß ihm di« Maschinenpistole zum übergeben worden fei. Außerdem habe er ge- , daß der ihm ebenfalls zur Aufbewahrung übergebene r von ihm zerschnitten worden fei. Die Teil« hab« er zum leit in «inen Deich geworfen. Später habe er diese Aus sage widerrufen. — Ferner werden noch die Kriminalkom missare Jahn, und Heller au» Berlin über dt« ver- Haftung einzelner vernommen. Sahn hat Stein- back verhoftet, Heller dm und GSpner den Ploa». Zum Schluß wird al» Zeuge Studienassessor Reetzsch. der Vorsitzende des Deutschnationalen Iugendbunde» ver- nommen. Bekanntlich war bereit» di« Rede davon, daß am Lage de» Nathenaumorbe» «in Festabend d«» Deutschnatio nalen Iugendbunde« stattfand und daß Günther dort mtt Hallo! und mtt den Rufe« «mpfangen worden sei: „Du bist doch der Mörder Rathenou»?* Der Zeuge bezeichnet den Angeklagten Günther al» «inen großen Renommisten, der immer viel von sich reden machen wollt«. An dem Fest» abettd sti nicht zutage glommen, daß Günther mtt dem Reetzsch berichtet ferner, daß er an dem Festabend de» Iugendbunde» eine Rede gegen den Mord gehalten habe. Rechtsanwalt Gallnick fragt, was er über Günther ge dacht habe, ob er beteiligt war «d w«shalb sie ihn mtt Hallo empfangen haben. Der Zeuge Reetzsch: „Sch.weiß nicht,ob femanb^von uttd baß einige du doch wie- Niemal« — ich würde die Tat auch nie Präfld«ü: „Hoben Sie dte Schriften Rathenau» Wa» hielten Sie von ihm?* : „Ich konnte mtt «tn objektive» BW nicht bin Aar nicht ein solcher Politiker, wj« man mich räfldeuk: „Nach dem Lrzbergermoch sollen St« den Ausdruck getan haben: „Dar ist mein der das Schwein Erzberger abgskillt (See- mamrsausdruck vom englischen io kill ---- töten. Vie Schnftt.) «tl* Lilleffen: „Dao ist «ine gong gemeine Lüge von Vrüdi» -am!* Der Präsident: „Wie standen Vie zu dem Mord?* Lilleffen: „Ich verurteilte ihn durchaus* — Der Präsi dent: „Nun erzählen Sie mal, was Sie in Berlin erlebt baden.* — Lilleffen: Ich wollt« mich dort mtt Brandt tref fen, der mich vorher tn Sena versetzt hatte, wo ich Ihn für ein paar Lage besuchen sollte. Brandt Hobe darauf erklärt, es ginge nicht anders, Kern habe «in Attentat auf Minister Rathenou vor. Er habe Ihm darauf gesagt: „Kerle, seid-hr denn verrückt? Habt Ähr denn noch nicht genug an dem ScheidemünmAttentat?* Brandt hab« ihm dann erklärt: „Sa, Kem Hot uns überzeugt, daß es vielleicht hoch gut ist, d« Attentat auszuführen.* Er (Tillessen) habe dann auf Brandt wenigsten» «ine Stund« eingevedet und sei der be» Der Präsident zum Angeklagten Günther: „Was haben Sie dort getrieben?* — SSuther bestätigt, daß er dort al» Schreiber bei dieser Firma, die die Bagdadbahn baute, be schäftigt war. Auf Grund gefälschter Unterlagen besorgte er sich wieder einen Freifahrtschein nach Berlin. Nach wei teren Urkundenfälschungen und Betrügereien wurde er des halb und wegen Fahnenflucht zu einem Jahr 6 Mo naten Gefängnis verurteilt. Zur Frage der Zurechnungsfähigkeit Günther» führt der Sachverständige au», daß Günther zweifelst»» Psychopath sei, dessen Phantasie stets mit ihm durchgehe. Er leide zudem an moralischem Schwachsinn und sei von einer starken Persönlichkeit leicht fortzureißen, aller dings nicht willenlos zu machen. Er sei also Psychopath, aber deshalb sei durchaus nicht die -«Mae Zurechnungs fähigkeit zu verneinen. Nur im Sinne des Entwurfes zum neuen Strafgesetzbuch sei Günther als vermindert zurech nungsfähig zu bezeichnen. Der Präsident fragt Günther: „Wieviel Briefe haben Sie von Ludendorff bekommen?* Günther: „vielleicht elf bis zwölf* — ver Präsident: „Soviel?* — Günther: „Ja, meistens wegen Vereinsein ladungen und ähnlichen Dingen und einen zum Geburts tag.* — Der Präsident; „So — — zum Geburtstag hat er Ihnen einen Brief geschrieben?* — Günther: „Ja!* — Der Präsident: „Die kam denn das, daß Genercü Ludendorff Ihrem Geburtstag wußte?* — Günther: „Ich hatte ihm zum Geburtstag gratuliert und er hat mir dafür gedankt!* — Der Präsident: „Ach so ist das! — Also nicht zu Ihrem Geburtstag." — Günther: „Nein!* (Große Heiterkeit.) Auf Antrag der Verteidigung, die Warnecke, der angegriffen aussieht, Äs unpäßlich bezeichnet, tritt viertelstündige Pause ein. — Nach Wiedereröffnung Verhandlung wird die Vernehmung des Angeklagten Llveffen fortgesetzt. Lillessen erzählt weiter, wa» vrüdiaam weiter über die Redakteure der „Dolksstimme* geäußert habe. Sie seien alle »brauchbar. Tillessen hab« ihm nicht weiter geantwortet, da er ihn los werden wollte. Darauf habe Brüdigam wieder anaefangen zu Hetzen: man müsse amen di« Süden vorgehen, sie feien alle schuld, und der Bolsche wismus käme doch. Tillessen gibt zu, daß er bei dieser Ge legenheit wohl gesagt haben kann: „Rathenau zu erschießen, ist immer noch Zett.* Er bedauert diesen Ausdruck, wenn ei gefallen fein sollte, da er nicht» beabsichtigt habe. Der Präsident: „Sie haben diesen Plan nicht gehabt oder unterstützt?* Lilleffen: „Niemal« — ich würde die Tat auch nie unterstützt haben.* Der gelesen? Till machen, immer Der Wiederaufnahme des Nathenauprozeffes. Am Montag eröffnet der Präsident di« Derhand- Üung gegen 9»-4 Uhr und gibt bekannt: „Ee hat sich ergeben, daß di« Krankhettserscheimmgen b«t einzelnen Angeklagten einen sehr ernsten Hintergrund haben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß irgend ein Atttentat auf die Gesundheit oder das Leben eines der Angeklagten vorlieat. Dieser Verdacht, der noch der weiteren Aufklärung Bedarf, hat zu Sicherungsmaßnahmen Anlaß gegeben, die ">arin bestehen, daß erstens die Zahl der Zuhörer ganz wesent- ch beschränkt wird und zweitens die Zugelassenen nach Er lassen der Polizeibehörde und diensttuenden Beamten einen Ausweis über ihre Ä»entität besitzen müssen. In der Regel wird ein Paß mtt Photographie, aus der die Einwandfreiheit der Persönlichkeit klar hervorgeht, erforderlich sein." Rechtsanwalt Gollnick bittet, den Zeugen Luckart, einen Landwirtschaftslehrer und Saatgut-Inspektor aus Ber lin, vor Dernchnmng de« Sachverständigen Dr. Schütz, der ein Gutachten über den Geisteszustand des Angeklagten Gün ther abgeben soll, zu vernehmen. Zeuge Joachim Luckart ist geprüfter Landwirtschaftslehrer und sagt folgendes aus: „Ich kenne Günther seit der Schule. Er neigte dazu, sich schnell anderen anzuschließen und ließ sich leicht beeinflussen. Er war im allgemeinen nicht lügetchaft, aber phantastisch, wenn es sich darum handelte, seine Person in den Vorder- gründ' zu rücken. Das charakteristische Merkmal war seine „große Aktentasche*, in der immer „Geheimakten* sein soll ten. Einmal rief er quer über die Straße: „Ich fahre mor gen als Geheimkurier nach Nürnberg!* Tatsächlich aber ist er nicht gefahren; denn ich habe ihn am andern Morgen wie der getroffen. Der Präsident läßt Günkher noch einmal vortreten und fragt ihn: „Sn der Presse ist viel davon gesprochen woiden, daß Sie zu höchsten Persönlichkeiten tn Beziehung gestanden haben. So zu General Ludendorff. Ist dar richtig? Günkher: „Ja, ich habe mtt General Ludendorff in Be ziehung gestanden. Es war bei dem Prozeß von Iagow.* Der Präsident: „Wie kam das, hat er sich an Sie ge wandt?* Günkher: „Ich war bei Herrn von Jago«, und wir ha- ben über das Verfahren gesprochen. Sudendorff war der Ansicht, daß es nicht wünschenswert sei, da» Verfahren wie- der aufzunehmen.* Der Präsident: „Haben Sie einmal einen Dries von General Ltdendorff erhalten?* Günther: „Jawohl. Es war bei der Fahnenweihe de» Deutsch-nationalen Jugendbundes. Der Präsident: „Ist das der Brief, der anfängt „Mein lieber Günther?* Günther: „Jawohl!* , Der Präsident: „Haben Sie sonst noch Beziehungen ge habt? Zu Helfferich?'^ Günther: „Ja, insoweit, daß ich «beten habe, nicht mit Gewalt etwa« zu unternehmen. Mtt dieser Bitte HÄ mich Exz. -effferich an Oberst Dauer gesandt * Der Präsident: „Haben Sie sonst noch andere Bezwun gen zu diesen Personen gehabt?* — Günther-. „NÄn. sonst sicht!* — Der Präsident: „Also irgendwie mtt Rathenau nicht?* — Günther: „Nein!* , Der OberreichsamvÄt: „Wie sind Sie zum ersten Male ntt General Lttdendorff zusammengekommen?* Günther: „Erstmalig im Jahre 1918 gelegentlich her Hindenburg-Geburtstagsfeier der Gruppe „Hansa* de» sieutschnationalen Jugendbund«. Ich hatte ihn gebeten, r möchte die Festrede übernehmen. Sch wuche mtt dem Ehrenvorsitzenden vorgestellt* Beisitzer Fehrenbach: „Sie haben es so dargestellt, Äs venn der Gedanke zum Losschlagen von Ihnen gekommen ei. Deshalb sind Sie zu Helffertch msi» Bauer gegangen Die kamen Sie dazu?* — Günther: „Nein, er war nicht »on mir.* — Der Präsident klärt auf, daß der Angeklagte rur den Gedanken erwogen hob« und um Rat frag»« s pollte. I Hierauf wird Dr. Schätz, Gerichts- und Nervenarzt in < felpzig, vereidigt. Er geht bei der Beurteilung au» von , en aktenmäßigen Unterlagen und berichtet von der sonder- ' »men militärischen Laufbahn Günther», wie er sich in einer ! Huhrparkkolonne selbständig nach der Türkei versetzt hab« i md wie ihm da» auf Grund der gefälschten Formular» ! ,uch geglaubt worden fei. Nach kurzem Aufenthalt fei er ' n Kmfftantinopel angelangt und hab« sich auch beim > triegsmtnistertum gemeldet, oh« daß für seine versttzmig I tzva» vorlag. Er hab« sich dann in Konstantinopel «in« < Nell« bei einer Firma Hohmann L Co. verschafft. 1