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DerSächWeLrMer MliHofswerüaer Hauptblatt und gelesensteZeitung imAmtsgerichts- dezirk Bischofswerda und angrenzenden Gebieten Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt- Mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. «WÄtgeSbatt-- Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichten Beilagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilage. Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag der Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda. — Fernsprecher Nr. 22. Erscheinungsweise: Jeden Werktag abends für den folgend. 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Amtliche Anzeigen bie 3gespaltene Zeile 240 Pfg. — Für bestimmte Tage oder Plätze wird kein Gewähr geleistet — Erfüllungsort Bischofswerda Str. 234. Donnerstag, den 6 Oktober 1S21. 76. Iahrgany. Die Koalitionsverhandlungen. Uno. Berlin. 5, Oktober. Es ist fast erheiternd zu sehen, wie die Parteiinteressen -allmählich unter dem Druck der Außenpolitik zerrieben wer den. Bis weit in die Kreise der Unabhängigen hinein, emp findet man die Notwendigkeit, daß irgend etwas geschehen muß, daß die politische Macht in Deutschland in der einen oder anderen -Form gegründet, konstituiert werden muß. Bei allen Beteiligten herrscht aber gegenwärtig noch der Wunsch vor, diese Konstiiuierung möglichst mit entsprechen dem parteipolitischen Zusatz vorzunehmen. Die Mischung der Farben rot, rosa, gold, schwarz und hellblau ergibt er fahrungsgemäß grau. Man sähe in diesem Grau jedoch Zern eine gewisse Nuance, etwa rötlich oder schwärzlich oder bläulich. Um diese Frage wird gegenwärtig verhandelt. Am Montag nachmittag hat i nter Borsitz des Reichskanzlers eine 'Verhandlung über die Koalitionsbildung stattgefunden, de ren Ergebnis noch nicht ganz zu übersehen ist. Nebenbei taufen andere Verhandlungen, natürlich hinter den Kulis sen. Entscheidend wird schließlich die Haltung der Mehr- heitssozialiften sein. Sie haben in Görlitz eine „taktische Wendung" vollzogen, eine Wendung, die im Lande nicht überall entsprechenden Beifall gefunden hat. Die Berliner Sozialdemokraten haben der Parteileitung eine glatte Ab sage erteilt. Ähnliches wird auch aus anderen Parteidomä nen berichtet. Mair fürchtet die Unabhängigen. Diese «haben gegenwärtig Oberwasser. Die Partei Breitscherds ist zur Hüterin der sozialistischen Tradition geworden und wirst -als solche den Genossen auf dem rechten Flügel Verrat an dem Evangelium der Arbeiterschaft vor. Somit ist die Par tei Scheidemanns in verzwickter Lage. Man liebt den Wettbewerb von links durchaus nicht. Man ist der Zusam menarbeit mit der Volkspartei ebenfalls abgeneigt. Ande rerseits will man wieder zur politischen Macht gelangen/ -Einfluß genießen auf die Steuergesetzgebung. Das könnte man unzweifelhaft in Verbindung mit den Unabhängigen. Dies aber reicht nicht aus. Es geht nicht an, daß die Steuern nur von den Par teien der Linken beschlossen werden und den anderen De- rufsschichten einfach oktroyiert werden. Damit wird jeder steuerpolitische Erfolg von vornherein unmöglich gemacht. Die praktische Arbeit erfordert Kompromisse, erfordert Klar- Heil der Linie des Entschlusses, kurzum Opfer. Wenn man allein im Zimmer ist, kann man tun, was man will. Die Gegenwart anderer erfordert Rücksichten. Rücksichten fordert vor allem die außenpolitische Lage. Jeder sieht ein, daß wir dringend eine Regierung brauchen, die Festigkeit, Dauer und ein politisches Programm besitzt. Die Verhandlungen über die Revision des Friedensvertrages liegen in der Lust. Jeder Augenblick kann Entschlüsse erfordern, bei denen ein fache Parteikundgebungen politisch ungenügend sind. Mas sendemonstrationen sind Ausdruck einer Stimmung, nicht .maßgebend für die politische Linie. Je besser der Willen der Nation in der zu bildenden Regierung zum Ausdruck kommt, um so größer werden unsere außenpolitischen und wirtschaft lichen Erfolge sein, lind so glauben wir denn, daß das End ergebnis der langwierigen, leider viel zu langwierigen Ver handlungen eine Verbreiterung der Regierungsgrundlage sein wird, und zwar nach rechts ebenso sehr wie nach links. Ob sie allerdings die Belastung der Steuerberatungen gänz lich unverändert überstehen wird, ist nicht sicher. * Berlin, 5. Oktober. (Drahtb.) Die die Blätter hören, haben Demokraten und Zentrum ihre Zustimmung zum Ein tritt der Unabhängigen in die Reichsregierunq von folaen- den drei Bedingungen abhängig gemacht: Ersten» müssen sich die Unabhängigen ans den Boden der Weimarer Verfas sung stellen. Zweitens muß eine Einigung über ein gemein sames Neqierungsprogramm erzielt werden. Drittens muß die Koalition auch die Deutsche Volkspartei umfassen. Dämmernde Erkenntnis London, 4. Oktober. (Drahtb.) »Manchester Guardian" fordert in einem Leitartikel eine Neuregelung der internatio nalen Schulden zur Hebung der Arbeitslosigkeit. Churchill sehe ein, daß es zum Vorteil Englands seiu würde, wenn es den größeren Teil der von Deutschland geschuldeten Rech nung nicht eiatreibe. Sogar in Frankreich dämmere die ^Überzeugung, daß seine Wohlfahrt von einer Art Industrie gemeinschaft mit Deutschland abhäage. wenn Deutschland mit einer Geschwindigkeit abwärt» treibe, die io wenigen Monaten ja seinem finanziellen Zusammenbruch führte, so sei das mehr als England sich leisten könne. Dies müsse, wenn möglich, verhindert werden. Der Verlust des engli schen Anteils an den R^arationen wäre nicht verglichen mit dem Schaden, den England erleide, wenn das indu strielle Deutschland in den Zustand Polens verfallen sollte. Andererseits würde England durch eine Stabilisierung der deutschen Finanzen mehr gewinnen, als es aus den Repara tionen herauszubekommen hoffen könne. London, 4. Oktober. (Drahtber.) Wie aus New Vock gemeldet wird, erklärte Lord Jrwersorth in einer Unter redung, die einzige Lösung der augenblicklichen Weltprob leme sei seiner Ansicht nach eine Vereinigung der englisch sprechenden Völker. Diese könnten dann die Politik, sowie die Kredit- und Handelsmethoden diktieren. Die Vereinigten Staaten und England kontrol lieren die Rohstoffe der Welt. Eine Union zwischen beiden Ländern würde einen dauernden Frieden gewährleisten. (Ein angelsächsischer Block würde die völlige Isolierung Frankreichs bedeuten. D. R.) Vor der Entscheidung Lider Oderschlesien. s Paris, 4. Oktober. (Drahtber.) „Journal des Debats" erfährt aus Gens: Der Völkerbundsrat sei zu einem voll kommenen Einvernehmen über die oberschlesische Frage ge langt und habe seine Schlußfolgerungen redigiert. Zu re geln seien nur noch einige Einzelfragen. Das Gutachten des Rates werde, nachdem es höchstwahrscheinlich am Sonnabend dem Vorsitzenden des Obersten Rates mitgeteilt wurde, anschließend sofort veröffentlicht werden, aber von selten des Völkerbundsrates. Polnischer Terror Berlin, 5. Oktober. (Drahtb.) Der „Berliner Lokal-Anz." meldet ans Pletz: Gestern früh erfolgte am Kriegerdenkmal eine heftige Entladung von Sprengstoffen, die zur Folge hatte, daß die Figur vom Denkmal herunter geschleudert wurde und zerbrach. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Anschlag von polnischer Seite verübt worden ist. Die fran zösische Dache ist kaum hundert Meter vom Denkmal ent fernt im Schlosse untergebracht. — Dasselbe Blatt meldet aus Ribot: In Moscheziewih im kreise Rybnik warfen Po len eine Handgranate in einen Gasthof, in dem die Hochzeit eines zurückgekehrten deutschen Flüchtlings gefeiert wurde. Acht schwer und vier leicht Verletzte wurden ins Kranken haus geschafft. Von polnischer Seite war schon am Freitag mit einer Sprengung der Hochzeit gedroht worden. Die Fälle Ryssel und Lotze im Landtag. Dresden. 4. Oktober. Vor Eintritt in die Tagesordnung gab Vizepräsident Dr. Dagner ein Schreiben des Ministerpräsidenten bekannt, in dem ausgefiihrt wird, daß in Anbetracht der finanziellen Notlage Sachsens für die Opfer in Oppau nicht wie das in einem kommunistischen Antrag gefordert, 250 000 son dern mir 100000 -K bewilligt werden können, und daß aus denselben Gründen die in dem kommunistischen Antrag geforderten 250 000 M für Rußland nicht bewilligt werden könnten. Hierauf verkündete der Minister des Innern Lipinski die Gesetzesvorlage über Neuwahlen in den Gemeinden. nach der in solchen, die mit anderen Gemeinden in Einge- meindungsverhandlungen stehen, die Neuwahlen bis zum 31. März 1922 hinausgczogen werden können. Abg. Börner (Deütschnat.) nennt die Vorlage ein lex Leipzig, die den Zweck haben soll, die sozialistische Herrschaft in Leipzig zu sichern. Dieses könne nur mit Hilfe von den Eingemeindungen gesck>ehcn, zu deren raschen Durchführung der unabhängige Ryssel zum Amtshauptmann von Leipzig berufen worden sei. Weil dieser aber bei -den in Betracht kommenden Stellen auf Granit gebissen, habe man die gegenwärtige Vorlage herausgebracht, um die sichere Nie derlage der Sozialdemokraten bei den Leipziger Stadtver- ordnetenwahlsn zu vermeiden. Der Abgeordnete Roelllg (Deütschnat. Vp.) führt aus: Di« Vorlage sei nichts als eine Kraftprobe der Unabhängi gen und eine Vergewaltigung der Stadt Leipzig und daß man -en Landtag dazu benützt, um die Vergewaltigung einer Gemeinde gesetzlich zu sanktionieren. Abg. Claus (Dem.) bezeichnet es als ein Novum, daß um der Einverleibung einiger Gemeinden willen ein beson deres Gesetz geschafft« wird. > Nachdem noch W>g. Liebmann (Unabh.) und Minister Lipinski den Gesetzentwurf zu verteidigen versucht hatten, wurde er einstimmig zur Weiterberatung an den Rechts ausschuh verwiesen. Das gleiche Gebiet mit der Gesetzesvorlage über die Eingemeindung selbständiger Gutsbezirke, in der es heißt, daß zu jeder Vereinigung von selbständigen Gutsbezirken mit Gemeinden, die nicht vom Ministerium des Innern zwangsweise verfügt, es der Genehmigung der allen Betei ligten nächst vorgesetzten Aufsichtsbehörde bedarf. Das Ge setz soll rückwirkende Kraft vom 1. Oktober 1919 haben. ! Darauf folgt die Besprechung der Anfragen, die von den Deutschnationalen, von der Deutschen Volkspartei und von den Demokraten zur Berufung des Abgeordneten Ryssel zum Amtshauptmann von Leipzig ' gestellt worden sind. Abg. Röllig (Deutsche Vp.): Der Fall Ryssel sanktioniert die Unfähigkeit als Grund für die Berufung auf ein hohes Amt. Seine Parteifreunde wußten, daß bei Rassel weder große Erfahrung im Verwaltungswesen noch besondere Be fähigung vorhanden gewesen ist. « Abg. Dr. Seysert (Dem.) wendete sich dagegen, daß den Amtshauptleuten zugebilligt wird, Politik auf eigene Faust zu treiben. Abg. Börner (Deütschnat. Vp.) führt eine Reibe von Be weisen dafür an, daß die Ernennung Ryssels nur auf Be streben des Ministers Lipinski zurückzuführen ist. Er wandte sich entschieden dagegen, daß Minister Lipinski bei der Be rufung seines Parteifreundes Ryssel die zustcnrdigen Beam- tenorganisationen übergangen Habe und betont, daß die ge samte staatstreue Beamtenschaft die Ernennung Ryssels als einer: Schlag ins Gesicht empfinden müsse. Minister des Innern Lipinski wendete sich zunächst ent schieden gegen die Auffassung, daß Len Beamten ein Streik recht zustehe. Der Beamte dürfe in seinen Angelegenheiten nicht aus die gleiche Stufe wie der gewerkschaftlich organi sierte Arbeiter gestellt werden. Der größte Teil der Beamten habe sich Zwar auf die neuen Verhältnisse eingestellt, bei einer großen Reihe aber bestehe nicht der Wille dazu. Er wolle nicht untersuchen, inwieweit ein Beamter, der zu gleich Abgeordneter ist, Minister lächerlich zu machen berech tigt ist. (Lebhafte erregte Zurufe.) Er habe 'geprüft, ob Ryssel die Voraussetzungen erfülle, die für den Posten ge geben sind, und er habe Ryssel nach dieser Prüfung für ge eignet befunden und deshalb bliebe es bei seiner Berufung. Der Abgeordnete Börner habe mit seiner Forderung, daß nicht mir Ryssel, sondern auch Lipinski von ihren Posten verschwinden müßten, sich mit der Mörderzentrale indenti- siert. (Hierauf Gelächter beim größten Teile des Hauses.) Justizminister Dr. Zelgner: Die Bürgerlichen haben den Fall Lotze zu einer wüsten Pressekampagne gegen ihn benutzt. Lotze sei zur Beratung der Angelegenheit der unte ren und mittleren Veamtengruppen berufen worden, die bisher von hohen Beamten nicht gut drangenommen wor den seien. Daß Lotze die vorgeschriebenen Prüfungen nicht bestanden habe, hätte für ihn kein Hinderungsgrund sein kömien, Lotze zu berufen. Die Berufung sei vielmehr recht lich, bcamteirpolitisch und persönlich richtig gewesen. Abg. Delhke (Soz.): Die Behandlung der Fälle Ryssel und Lotze sei nichts als eine Mache der höheren Beamten, die um ihre gefährdete Machtkonzession kämpfen, die durch die Losung „Freie Bahn dem Tüchtigen" ins Sckyvanken gerate. Der größte Teil der hohen Beamten sitze auf dem großen Geldsacke. Abg. Dr. Wagner (Deütschnat. Dp.) belegt an Hand von AussprückM von Unabhängigen und Abgeordneten, wie diese für die Diktatur und gegen die Verfassung eintreten und daß infolgedessen die Berufung der unabhängigen Par teileute in hohe Beamteifftellen keineswegs die gefährdete Verfassung besonders zu schützen geeignet sei. Er erinnert, wie der Juftizminister Dr. Harnisch, die Ministerpräsiden ten Buck und Dr. Gradnauer und der Reichskanzler dem deutschen Berufsbeamtentum den Dank für sein« selbstlos« Arbeit im Dienst« -es Vaterlandes ausgesprochen haben. Abg. Günger (Dtsch. Vp.): Trotz der Erklärunaen d-w Justizministers Dr. Zeigner werde im Untersuchungsaus schuß d«r Fall Lotze sachgründlich nachgeprüft werden müssen. Nach langen weiteren Besprechungen wurde der An trag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zn dem Fall Lotze angenommen und als Mitglieder in den Aus schuß gewählt von den Sozialdemokraten die Abgeordneten Völkel und Castan. von den Unabhängigen Menke und Weckel. von den Kommunisten Renner, von den Deutsch-