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Auechal-Zeitung. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle-Möfterlein, Rieder.« Oberpsannenftiel, Sauter, Bock»«, Bernsbach, Beyerfeld, Sachfenfeld, Zschorlau nnd die umliegenden Ortschaften. Erscheint «tttwockb, Kreitag« u Gonntag». Abonnemeutbpret» incl. der 3 wertvollen Beilagen vierteljährlich mit Vringerlohn 1 Mk. 20 Pf. durch die Post 1 M. 2<i Pf. Wit 3 issustrirten Aeiölattern: Deutsches Jamittenötatt, Hute Heister, der Aeitspiegek. Verantwortlicher Redakteur: «Mil Hegemeister in Au« (Erzgebirge). Redaktion u. Expedition: Al»«, Marktstraß«. Inserat« die einspaltige EorpuSzeile 10 Pf., die volle Seite 30, >/, S. 20, V« St. 6 Mk. bei Wiederholungen hoher Rabat. Alle Postanstalteu unv Landbriestrlige» nehmen Bestellungen an. Freitag, den 23. December 1892. No. 152. Bestellungen auf die WM-AuerLHaL-Zeitung (No. 665 der Zeitung-Preisliste) für das 1. Quartal 1SSS werden in der Expedition (Aue, Marktstraße), von den Aus trägern des Blattes, sowie den Landbriesträgern jederzei gern angenon.mtu. Hrpedition der „ Auerlhal-Zeitung," Politische Nachrichten. Deutschland. ' Berlin, den 21. Dezember. — Unter allen Parteien ist die nationalliberale der Militärvorlage am günsl gstcn gestimmt. Ank einem Par teitage in Neustatt in der Platz sprachen nach einem Be richte de» ReichStagrabg. Buht mehrere Redner unter Zu stimmung der Versammlung een Wunsch auS, es möchten di« Forderungen der Reichsregierung bewilligt und dadurch dir Autorität der Regierung dem Auslände gegenüber ge wahrt werden. Schließlich wurde einstimmig eine Resolu tion angenommen, worin ter Entschluß kundgegeben wird, alles autzubieten, soweit die wirtschaftlichen Kräfte irgend erlauben, damit Deutschland aus eigener Kraft die Feinde fern halte. Entgegengesetzt ist die Stellung der Antisemiten zur Mil'tälvorlage. Der Abg. Werner er klärte in Berlin in öffentlicher Neve, daß er und seine Parteifreunde nichts von einer Hcercövermehrung wissen wollen. Die Versammlung nahm eine Resolution an, nach welcher sie sich gegen die Militärvorlage erklärt, «eil sic es für eine patriotische Pflicht hatte, dem Volke keine neuen Steuerlasten ausbürden zu lassen und weil Besorg nisse vor einer Friedensstörung nicht vorhanden seien. — Bismarck ist mit dem Treiben der Antisemiten nicht einverstanden. Die „Hamb. Nachr." schreiben: „In den letzten Tagen hat infolge verschiedener Vor gänge di« Diskussion »er sog. Judensrage in der Presse sehr überhand genommen. Wir sehen den Nutzen davon nicht «in und müssen es daher ablehnen, uns daran zu beteiligen. Wir sind davon entfernt, die Ansichten des Grafen Caprivi in dieser Sache, oder etwa den Stand punkt der östreichischen Regierung zu teilen, aber wir sind der Meinung, daß sich die antisemitische Bewegung auf einem Holzwege befindet und nicht- erreichen kann. Ge gen einen Zustand, unter denk man thatsächlich lebt, ohne die Kraft zu haben, ihn zu ändern, fortwährend mit fruchtlosen antisemitischen Renommistereien anznkämpfen, halten wir für unwürdig." — Der Neuen Stettiner Ztg. wird au» Berlin tele graphiert. Wie aus zuverlässiger Quelle gemeldet wird, ist jene Firma, weiche schon seit Jahren in Gtmeinschast mit amerikanischen Waffenfabriken fast den gesamten Teil ihrer Fabrikation an Gewehren und sonstigem KritSöma- terial an Frankreich liefert die sFirma Sßeinlen in Mül hausen im Elsaß. — Wir geben di«stLNachr*cht unter Vorbehalt wieder. In dem Fall Löwe-Boulanger handelte IcS sich nicht um „Gewehre und sonstige- Kriegsmaterial", sondern um Maschinen zur Fabrikation der Lebelgewehre. Jedenfalls wird die Firma Steinten die Frage wohl auf klären. — In Geldsachen hört die Gemütlichkeit, in Geschäfts sachen der Patriotismus aus. Es ist wcKr, daß Krupp, Gruson und Schichau seit 1^70 nicht- an Frankreich lie fern. Rußland gegenüber, daß Deutschland ebenfalls be droht, nehmen aber alle diese Fabriken eine andere Stel lung ein. Schichau liefert fortgesetzt Torpedoboote für > Rußland, Gruson fertigt für Rußland Panzdrturme an,i die nur gegen den Dreibund Verwendung finden sollen. Krupp liefert seine Kanonen und Panzerplatten an alle Staaten, ohne Unterschied, und will sogar eine Filiale in Rußland errichten. Doch auch in dem deutschfeindlichcn Serbien wetteifern deutsche und französische Betriebe, um die Lieferung von Kanonen, Gewehren, Panzerschiffen zu erhallen. — Es giebt viel Armut und Elend. Trotzdem ist der Volkswohlstand im langsamen Steigen begriffen. In 5. Jahrgang. Preußen hatten im Zahre 1852 nur 6,9 Prozent rin Ein kommen von 900—16000 Mk, 1890 hatten bereit- 13,3 Prozent ein solches Einkommen. Auch die Einkommens klasse von 1500—3000 Mk. ist erheblich gestiegen, s» daß die gesamte Klasse von 900—3000 Mk. die etwa als Mittelstand zu bezeichnen ist, zugenommen hat. Zu die sem Mittelstand gehörten nämlich 1852 bi- 1854 8,9 Proz., 1883—1890 18,4 Proz., der Bevölkerung. Ab schwächend kommt freilich in Betracht, daß ter Geldwert seit 1852 wesentlich gesunken ist und daß jetzt die Nah rungsmittel fast das Doppelte wie vor 40 Jahre» kosten. — Der freisinnige Abg. Rechtsanwalt MuUkes, welcher im Jubenfiintenprvzeß als Vertreter Löwe'- gegen Ahl- wardt austrat, ist zum Justizrat ernannt worden. — Der Wahlkreis Stuhm-Marienwerder ist den Deut schen leider verloren gegangen: Bei der Reich-tag-ersatz- wahl erhiclt von DonimirSki (Pole) 8423 und Wessel (sreikonscrvativ),7330 Stimmen. Ersterer ist mithin ge wählt. Es ist das seil 1890 der vierte bisher deutsch ver tretene Wahlkreis, der an die Polen übergeht. — Eine kostbare Sendung, die für Rußland bestimmt ist, hat am Sonnabend Berlin passiert. Sie bestand au- 280 Mill. Franks welche in Holzkisten verpackt, in drei Personenwagen untergebracht waren. Sie kamen von Pa ris und waren von dreißig Personen als Bedeckung be gleitet. Im nördlichen Holland steigt infolge von Armut un. ^ Arbeitslosigkeit, sowie auch infolge der Aufhetzung durch ' , sozialistische Agitatoren die allgemeine Unzufriedenheit in hohem Grade. An vielen Orten herrscht wegen ungenä-- geneer Pvlizeimacht Gesetzlosigkeit; die örtliche Presse wagt es nicht, ihre Meinung zu äußern, und verschweigt di« Thaljachen. In Finsterwalde beschädigte der Pöbel mit Steinen und Rcvolverschüss n verschiedene Wohnungen; di« Bürgermeister mehrerer Orte sind nach Groningen ge reist und beraten dort mit der Provinzialbehörde. Schläge reien der Arbeitslosen mit der Polizei und den Truppen sind an der Tagesordnung. Jetzt ist zur Verstärkung der Polizei eine Schwadron Husaren nach Groningen gesen- det worden. (Nachdruck verboten.) Jeuitleton. Die Armen der Millionenstadt. Ein Berliner Roman aus der Gegenwart von M. Palfh. (Fortsetzung.) Sie fühlte, das Opfer war vollbracht, ihr Herz war stark geblieben, keine cifersichtige Regung trübte mehr ihren Frieden. Ruhig, wenn auch schmerzlich bewegt, vermochte sie jetzt, von ihm zu scheiden. Sie hob da- schöne Haupt, faßte seine Hände und sah den Geliebten mit unwiderstehlicher Bitte an. »Ich gehe," flüsterte sie leiise, „scheide für immer. Denke mein,» in Lebe — ohne Groll. Unsere Liebe wird keine Schuld mehr sein, nur noch die sanste Trauer der Erin nerung. — Lebe wohl!" Und indem sich ihr schönes Haupt anmuthig gegen Gret chen neigt«, zog sie langsam den schwarzen Schleier über da» verweint« Gesicht und schritt nach der Thür. Han-, der wie gebannt stehen geblieben, machte «ine Bewegung nach ihr hin. Da wandt« sie sich noch einmal, umfaßte mit einem vergehenden Blicke unendlicher Lieb^ seine hohe Gestalt und den Raum, in dem er schafft» »eichen die scheidende Sonne mit ihren letzten Strahle n grüßte, — dann schritt sie langsam, still und müde hinaus. So. „Ueber's Jahr!" Die Beiden waren allein, Gretchen hob da» Haupt und sah ihn an. Ein so verzweifelt» Jammer stand in den massen Zügen, daß er erschrack. «D' ,Ach," sagt« sie stockend, — „sie war e« werth, daß Du sie geliebt. Jetzt weiß ich auch, warum Du mich verlassen mußtest. Aber ach, da» Herz thut mir so weh! Ich habe e- nie glauben wollen, daß Du mir ganz ver loren seist!" „Gretchen!" sagte er bestürzt. Mit Scham und Trauer in den Mienen fuhr sie fort. „Wenn ich Dir sagen könnte, mit welchen Gefühlen ich hierher kam, wie ich mich darnach sehnte» ein gute- Wort von Dir zu hören. Dich einmal wiederzusehen l Ach, und dann, als ich meine Scheu überwunden hatte und erwar tungsvoll wie ein Kind die Thür ausriß, welcher Anblick wurde mir da! Der Schlag traf mich, wie au» dem Hin terhalt ein Todesstoß. Siehe, Hans," und sie schlug er glühend die Hände vor da- Gesicht, „hätte ich eine Ahnung gehabt, daß Du eine Andere liebtest, ich wäre nicht zu Dir gekommen, Mein Stolz hätte mich vor dem Schrecklichsten bewahrt. Aber Du hieltest mich nicht einmal für werth, mir Lebewohl zu sagen. Ach, gewiß, ich hätte Dir ver ziehen I Ich hätte getrauert, aber Du, Dein Angedenken wäre mir rein geblieben, weiß ich doch, wie unüberwindlich Liebe ist. Ich weiß «S, — sie ist stärker -l- Stolz und Trotz. Mußt' ich Dich doch auch lieben! Nur di« Wahr heit, sieh, di« hättest Du mir sagen sollen!" Er trat in heftiger Bewegung auf sie zu und wollte ihre Hand erfassen. „Gretchen, sie ging um niemal- wie- berzukehren," sagte er bittend. Da stieß sie «inen Schrei der Empörung au-, »ehrte seine Hände ab und floh vor ihm. In ihre blaue» Augen trat ein wilde», zornige- Funkeln. „Du näherst Dich mir, «ährend Deine Hände noch warm sind von den Hände«, dir in den Deinen ruhten, Dein Mund noch heiß ist von den Küssen, die Du auf ihre Lippen gepreßt. Deine Wan- gen noch zittern von dem Duft ihre- Haares, da- Dich gestreift," rief sie in furchtbarer Erregung. „Ach, ich habe gelitten und geschwiegen, aber daß Du so, — so roh die Hände nach mir autstreckst, während mein Herz um Dich I blutet, da» ist «in töbtlicher Schimpf." 1 Ihre Glieder flogen, er fühlte jetzt erst, bei diesem Au»- strömcn ihre- innersten Gefühle-, den ganzen Vertrauen»- bruch, den er an ihrer reinen Denkweise begangen hatte und die Unmöglichkeit, ihr über die furchtbare Stund«, die sie ohne seinen Willen erlebt hatte, hinrvegzuhelfen. „Wärest Du nur zehn Minuten später gekommen," sagt« er traurig, „ich bin unglücklich und verlaffen, Du allein hättest meinem Leben einen neuen Halt, eine neue Hoff nung verliehen!" Sie wandte sich ab und biß die Zähn« zusammen vor Jammer. Dann aihmete sie hoch auf. Ein unbeugsamer, fast fanatischer Stolz trat in ihr junge« Gesicht und machte sie ihrem Bruder ähnlich wie nie, „zu spät," erwiderte sie fest. „Ich wußte et," seufzte er leise. „Ich verdiene «», daß Du von mir gehst. Aber jetzt erst, o mein Gott, jetzt erst weiß ich, wa» ich an Dir verlor." Er sank auf einen Stuhl nnd schlug die Hände vor da» Gesicht. Sein Sanftmuth entwaffnete sie, sie blickte ihn an, aber als sie ihn so reuevoll, müde und gebrochen sqh, da kam ein echt weibliche» Mitleid über sie. Der hohe, stolze Mann, zu dem sie emporgeblickt, wie zu einem Gott, er war wie ein thönerner Götze vor ihr zusammengebrochezi. Und zusammengebrochen mit ihm waren die Trünarer ihre» Lcben-glücke-, Hoffnung und Vertrauen. Sie litt schwer, aber es schmerzt« sie, daß auch er litt. Mochten st« loch — eine» wenigsten-au« dem Schiffbruch retten: di« Achtung, den Glauben an sich selbst l Und so that sie zögernd «inen Schritt auf ihn zu und legte die Hand leis« auf seinen Arm. Er hob den Kopf und sah sie wehmüthig an. „Han»l" rief sie tidtlich erschrocken bei de« «»»druck seiner Augen. „Du willst sterben! Aber nein, nein, Du darfst nicht sterben, e» wäre Feigheit, so ohne Kampf au» dem Leben zu gehen. Wirke, schaffe, Du wirst vergessen lernen l Strebe, Du hast Pflichten, Du hast etwa» gelernt