1. EINLEITUNG Der mechanische Vorgang „Schneiden“, auch „Zerschneiden“ genannt, spielt von jeher eine überaus bedeutende Rolle. Den Schneidwerkzeugen ist in der Geschichte des Menschen immer eine starke Beachtung geschenkt worden. Der Schneidwerkstoff wechselte im Laufe der verschiedenen Zeitalter. So sind ehemals aus Stein angefertigte Geräte und Werkzeuge (Urfaustkeile) durch Metall der später folgenden Metallzeitalter (Bronze-, Eisenzeit) ersetzt worden, wobei über Jahrtausende die Grundform, der Keil, bis zur heutigen Massenerzeugung von Kleineisenwerkzeugen erhalten blieb. Im großen Zusammenhang gesehen, wird von jeher mit den Schneidwerkzeugen der Zweck verfolgt, durch das Eindringen eines Keiles (Schneide) die Trennung einer Masse herbeizuführen, die weicher ist als der Schneidwerkstoff selbst. Damit ist zu gleich der Begriff „Schneiden“ grob umrissen, der heute folgendermaßen definiert wird: „Schneiden heißt, einen Stoff ohne nennenswerten Material Verlust mit einer Schneide zerteilen“. Dabei ist es vorerst gleichgültig, in welcher Richtung und in welchem Maße Druck und Zug am Schnitt beteiligt sind. Auch tritt die umstrittene Frage des Stoffverlustes zunächst in den Hintergrund. Obwohl die Messerklingen als Kleineisenwerkzeuge einen bedeutenden Platz im Alltag einnehmen, wurden erst sehr spät, und zwar um die Jahrhundertwende, Ver suche zur Lösung der den Messerschnitt betreffenden technologischen Fragen durch geführt. Einigermaßen greifbare Ergebnisse, die die Mechanik des Messerschnittes etwas genauer festhalten, sind eigentlich erst Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhun derts bekannt geworden. Rohe technologische Prüfungen werden schon seit früher Zeit durchgeführt. So besuchte Stercken [1] 1898 zum Zwecke des Studiums der Messer- und Scheren fabrikation die Firma I. A. Henckels in Solingen, damals die größte Messerfabrik auf dem europäischen Kontinent. Er berichtet, daß die Messer nach ihrer Fertigstellung auf alle inneren und äußeren Eigenschaften genau untersucht werden. Stercken schreibt wörtlich: „Die tadellose Klinge wird dann gewaltsam hin- und hergebogen, um fest zustellen, ob genügend Zähhärte vorhanden ist. Auch wird die Klinge mit der Schneide über eine abgerundete sehr harte Stahlkante gezogen und darf hierbei die Schneide eine bleibende Durchbiegung nicht erfahren. Die eintretende Durchbiegung muß viel mehr sofort zurückfedern. Das Abziehen der Rasiermesser geschieht auf liegenden Steinen zuerst mit Petro leum und dann mit öl. Dabei werden sie zuerst am Fingernagel oder an Federposen, zuletzt an einem Frauenhaar probiert, welches freistehend durchschnitten werden muß. Andere Messer werden entsprechend ihrer Zweckbestimmung an allen möglichen Stoffen: Holz, Leder, Knochen usw. probiert.“ Bei diesen Prüfungen wird also die Güte eines Messers nach ziemlich groben Gesichtspunkten bestimmt, die außerdem individuellen Schwankungen unterliegen. Erst als die Untersuchungen mit Prüfgeräten durchgeführt wurden, war man in der Lage, die Güte eines Messers präziser zu beurteilen. Hierbei wurde eindeutig erkannt, daß sich die Schneideigenschaft als Sammelbegriff in die exakt bestimmenden Begriffe