2. BISHERIGE PRÜFVERFAHREN ZUR BESTIMMUNG DER SCHNEIDFÄHIGKEIT (SF) UND SCHNEIDHALTIGKEIT (SH) VON MESSERKLINGEN In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden erstmalig Versuche zur zahlen mäßigen Festlegung der Schneidfähigkeit und Schneidhaltigkeit von Messerklingen vorgenommen. Sie wurden nach einem Bericht [1] bei der Firma I. A. Henckels, Solingen, folgendermaßen durchgeführt: Ein Schlitten mit einer Schrägliegenden Messerklinge wurde mit Hilfe eines über eine Rolle laufenden Gewichtes vorgezogen. Hierbei schnitt das Messer unter stets gleichbleibendem Druck einen Normalkörper (?) durch, der nach jedem Schnitt gleichen Vorschub erhielt. Die Anzahl der Schnitte bis zum Stumpf werden, die bei den einzelnen Stoffen verschieden ausfallen mußte, galt als Maß für die SF. Die Werte waren aber angeblich zu roh, so daß sich dieses Prüfverfahren nicht behaupten konnte. Auf Anregung der Firma I. A. Henckels erteilte der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes am 20.12.1895 der königlichen mechanisch-technischen Versuchsanstalt m Charlottenburg den Auftrag [2], eine Methode ausfindig zu machen, nach welcher Stahl auf seine Schneidfähigkeit hin untersucht werden kann. Die Versuche wurden mit fünf Sorten großer Taschenmesserklingen durchgeführt. Die Schneide wurde auf Festigkeit und Zähigkeit geprüft, indem zwei Messerklingen unter einem geringen Neigungswinkel der Klingenflächen kreuzweise übereinander gelegt und gegeneinander gedrückt wurden, bis ein Einriß von der Schneidenkante aus erfolgte. Es sollte festgestellt werden, bei welcher Belastung die erste bleibende Form änderung (Kerbe oder Scharte) bei einer der beiden zu vergleichenden Klingen auftrat. Die Prüfungsergebnisse waren aber so undurchsichtig und wenig gesetzmäßig, daß man von einer Schlußfolgerung Abstand nahm. Es wurde außerdem die Härte der Messerschneide geprüft, indem der Eindruck in der Messerschneide gemessen wurde, den eine Klinge gleicher Gestalt bei rechtwinkliger gegenseitiger Auflagerung beider Schneiden bei bestimmter Belastung hinterließ. Die Ergebnisse waren wiederum wenig ermutigend, so daß man die Festigkeitsversuche nicht an den zu untersuchenden Klingen selbst, sondern an Schneiden aus weichem Stahl ausführte. Es wurden jedes Mal eine Schneide und ein ebenes Plättchen hergestellt. Beim Versuch wurde die Schneide senk recht gegen das Plättchen gedrückt und die unter der Last eintretende Formänderung gemessen. Diese Versuchseinrichtung gestattete es, mit Hilfe von Spiegelapparaten eine Messung bis zur Größenordnung von 0,0002 mm vorzunehmen; sie war aber für Erschütterungen äußerst empfindlich. Nachdem bereits lange Meßreihen aufgezeichnet waren, mußten die Versuche aufgegeben werden, zumal diese sich von der eigent lichen Aufgabenstellung immer mehr entfernten. Am Schluß seines Berichtes [2;S. 148] vom 3. November 1898 bittet Prof. A. Martens, der damalige Leiter der Versuchs anstalt, diese von der ihr erteilten Aufgabe zu entbinden. Der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes ließ sich trotz dieses Mißerfolges die Hoffnung nicht nehmen, sondern schrieb anschließend sogleich eine Preisaufgabe aus [1; S. 139]. Für die beste Arbeit über die Bestimmung der Schneidfähigkeit des Stahls waren 3000,— Mark und die silberne Medaille ausgesetzt. Es soll aber bis zum Lösungstermin (15. November 1901) keine einzige Arbeit eingegangen sein. Um die Jahrhundertwende erschienen über dieses fragliche Thema auch die ersten theoretischen Abhandlungen und Vorträge F. Hendr ich s’, und zwar Aufzeich nungen in einem Tagebuch aus den Jahren 1899—1903, ein Vortrag vor dem Verein für Technik und Industrie, Solingen: „Über schnittfähigen Stahl“ [3], eine Handschrift