Volltext Seite (XML)
dass ein Bruch oder eine andere bleibende Veränderung erfolgt. So hat Glas, obschon es viel vollkommener elastisch ist als Kautschuk, doch eine viel geringere Elasticitäs-Grenze. Fast alle elastischen Wellen, welche wir gewöhnlich beobachten können, entstehen durch verhält- nissmässig so kleine Impulse dass wir sie nur durch Töne oder Vibrationen irgend einer Art gewahr werden; die früheren Formen solcher Wellen sind für das Auge nicht wahrnehmbar. Aber wenn der ursprüngliche Impuls sehr stark und die Masse der plötzlich bewegten Materie sehr gross ist, wie bei einem Erdbeben, so kann die Grösse der Wellen selbst so bedeutend werden, dass sie eine wahrnehmbare, oft sichtbare Undula- tion des Bodens hervorbringen kann ; bei dem Durchgang dieser Wellen können dann Körper auf der Erd oberfläche (vorzüglich in Folge ihrer eigenen Trägheit) von der Stelle gerückt oder umgeworfen werden etc. Man kann es als ausgemacht ansehen, dass ein Erdbeben nichts anderes ist, als „der Durchgang einer oder mehrerer in Folge elastischer Zusammendrückung entstandener Wellen durch die Kruste und Oberfläche der Erde in was immer für einer Richtung, vertical aufwärts, schief oder horizontal in jeglichem Azimuth, von einem oder mehreren Stossmittelpunkten aus, und häufig begleitet von Schall- oder. Fluth-Wellen, je nach dem Impuls und dem Ver hältnis« der Lage zu See und Land." („The transit of a wave or waves of elastic compression in any direction, from vertically upwards to horizontally in any azimuth, through the crust and surfaee of the earth, from any centre of impulse or from more than one , and which may be attended with sound and tidal wavea, dependent upon the impulse and upon eircumstances of position as to sea and land.“) Für den Beobachter von Erdbeben-Erscheinungen ist es vor allem nothwendig, dass er sich klare Ansichten über die Grundbedingungen der Fortpflanzung von Erdbebenwellen bilde. Fig. 4. stellt einen senkrechten Durchschnitt eines Theils der Erde in der Ebene eines grössten Kreises vor, welcher die Oberfläche bei h’li schneidet und durch den Ursprungsort des Stosses bei A durch geht; .%)) ist eine Senkrechte von diesem Punkt aus, dessen Tiefe unter der Oberfläche BA ist. Die Welle geht vom Ursprungsort (die Erdmasse als homogen angenommen) mit einer normalen und zwei transversalen Schwingungen aus; vernachlässigen wir letztere für jetzt, so können wir uns das, in allen Richtungen stattfindende, Fortschreiten der Welle nach aussen hin durch concentrische Kugelschalen vorstellen, deren Volumen in derselben Wellenphase dasselbe ist. Ist p der mittlere Radius, so nimmt der Zwischenraum zwischen je zwei solchen Kugelschalen ab wie p 2 , und die niederwerfende Kraft des Stosses (the overthro- wing energy of the shock) in der Richtung von p wird geringer im Verhältniss des Quadrates der Entfernung vom Ursprungsort. Der Stoss erreicht die Oberfläche bei B gerade senkrecht über dem Ursprungsort; aber für alle Punkte rings um B kommt er unter Winkeln an , welche sich in dem Maasse mehr der horizontalen Linie nähern, als die Entfernung von der Oberfläche zunimmt. Der Durchschnitts-Kreis zwischen irgend einer Kugelschale und der Oberfläche, oder der Kreis gleichzeitiger Erschütterung, wird von Mailet die coseis- mische Linie genannt oder der Kamm (crest) der Erdwelle. Diese Linie ist kreisförmig (gleich den Kreisen in einem Teich, in welchen man einen Stein hat hineinfallen lassen), wenn das Mittel homogen ist; sie ist jedoch mehr oder weniger unregelmässig in einem heterogenen Mittel, wie es die verschiedenen Formationen der Erdrinde sind —immer aber ist sie eine geschlossene Curve. Die Transversal-Schwingung pflanzt sich nach aussen hin in der Normalrichtung (Ac) langsamer fort als die normale Schwingung, und das ist eine der Ursachen der kleineren zitternden Bewe gungen, welche man oft nach dem Hauptstoss fühlt, Beobachter in Erdbeben-Gegenden sollten sich mit den gewöhnlichen Erscheinungen und begleitenden Vorgängen vertraut machen, welche mit einer gewissen Regelmässigkeit bei allen Erdbeben Vorkommen. R. Mailet giebt in seinem „First Report upon the Facts of Earthquakes“ in den Trans, of the Brit. Assoc. for 1850 eine systematische Uebersicht dieser Vorgänge. Eine eben so gute Zusammenstellung findet man in Naumann’s „Lehrbuch der Geognosie“, 2. Auflage, 1. Band, Leipzig, 1857. Die grössten Stösse sind nicht die lehrreichsten (ausgenommen die sekundären Wirkungen). Jedem grossen Stoss folgen gewöhnlich mehrere kleinere; der erstere sollte daher als eine Aufforderung zur sorg fältigen Beobachtung der letzteren betrachtet werden. Die Erscheinungen bei einem jeden Erdbeben können eingetheilt werden: 1) in primäre oder solche, welche eigentlich dem Durchgang der Wellen durch den festen oder flüssigen Theil der Erdrinde, die