Allerdings hat der Apostel Paulus von einem eitlen und sittlich untüchtigen Wissen das Wort geschrieben : „Das Wissen blühet auf," und an einer andern Stelle gesagt: „Christum lieb haben ist besser denn alles Wissen," und die menschliche Thorheit hat das zuweilen so ausgelegt, als sei Gelehrsamkeit und wissenschaftliches Streben gleichgültig oder gar gefährlich für den Christen. Allein wie solche Deutung schon durch Pauli eigene Person Lügen gestraft wird, dem bekanntlich eine umfassende Geistesbildung und rastlose Thätig- keit eigen Ivar, so erhellt auch aus dein Zusammenhang jener Stellen, wie wenig er von einer Verachtung der Wissenschaft redet. Denn wahrend er an der erstgenannten Stellt das bedeutungsvolle Wort folgen läßt: „So aber sich Jemand dünken lasset, er wisse etwas, der weiß noch nichts, wie er wissen soll," womit aller trägen Selbstgenügsamkeit und eitlen Selbstüberschätzung das Urtheil gesprochen ist, so verwirft er auch au der zweiten Stelle das Wissen nicht, sondern er stellt es nur an Werth unter die Liebe zum Herrn und also unter die Gesinnung. Daß aber in Wahrheit das Wissen seinen rechten Werth erst durch die Gesinnung erhalte, in welcher es erstrebt und verwendet wird, ja daß eine edle Gesinnung auch da Großes schaffen könne, wo eine höhere Bildung nicht mit ihr verbunden ist, während eine Bildung ohne Sittlichkeit gerade eine furchtbare Waffe der Sünde und eine mächtige Feindin aller mensch lichen Wohlfahrt wird, daß darum die Gesinnung höher steht als das bloße Wissen, wird von jedem Verständigen zugegeben. Endlich sei es noch vergönnt, ein Wort anzuführen, das in groß artiger Weise die ruhige Klahrheit und den freien Blick des Apostels und damit des Evangeliums, welches er vertritt, offenbart. Unter den Christen der Stadt Corinth waren Parteien entstanden, die sich nach Petrus, Paulus und Apollos nannten. Diesen Spaltungen tritt Paulus mit dem Ausspruch entgegen: „Niemand rühme sich eines Menschen; es ist Alles euer." Wenn nun hierin der Apo stel zunächst nur den Gedanken ausspricht, daß der Christ nicht aus eines einzelnen Lehrers Wort und Weise, sondern aus all' den großen Thaten und Veranstaltungen Gottes selbst den Weg des Heiles zu ler nen habe, so dürfen wir doch seiner Rede nach dem Geiste der ganzen