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Ls geht die Sage, daß kein Blitzstrahl die Linde zu treffen wage, weil sie Wodans Gemahlin Frepja geweiht ist, und es ist ver ständlich, daß unsere Vorfahren diesen Schutz auch auf ihre Siedlungen auszudehnen wünschten. Seit alters her ist kein Dorf, keine Gemeinde ohne die Dvrflinde, unter der sich an den Sonn- und Feiertagen des Sommers die Jugend zum fröh lichen Tanze versammelte, in deren Schatten die Gemeindeväter ihre Beratungen abhielten, die durch Jahrhunderte hindurch Freude und Leid, Seuchen und Kriegsnot miterlebte, und die der Dorfgemetnschast daher ans Herz wuchs wie kein anderer Baum. Uralte Recken gibt es unter diesen Dorflinden, und wenn ihr „tausendjähriges" Alter, das ihnen zuweilen nachge sagt wird, auch eine lokalpatriotische Übertreibung ist, so mögen doch viele von ihnen ihre 600 Jahre, vielleicht auch mehr, auf dem „Rücken" haben. Meist ist es die großblättrige aus dem Grunde des Kelches mit ihrem Rüffel den süßen Honig schlürfen. Um Selbstbestäubung der Blüten zu verhindern, brechen die Narben erst auf, wenn der Pollen zum größten Teil verstäubt ist. Vor Nässe ist der Pollen gut geschützt, weil die Laubblätter über dem Blütenstand wie ein Dach einen Regen schutz bilden. An dem Tragstiel des Blütenstandes ist ein häutig durch scheinendes Flügelblatt angewachsen, das den Früchten nach der Reife als Flugapparat dient. Die Früchte sind kleine Nüßchen mit fünf kräftigen Rippen, die sich im Gegensatz zu den dünn schaligen Früchten der Winterlinde nicht zwischen den Fingern zerdrücken lassen. Wenn die Linde im Herbst oder im folgenden Frühjahr ihre Früchte auf die Reise schickt, löst sich der Frucht stand als Ganzes vom Baum und wird vom Flügelblatt in Schraubenlinie, ähnlich wie beim Ahorn, ein beträchtliches Stück Sommerlinde (Tills plst^pliMos oder Zrsnäikülis), die am „Brunnen vor dem Tore" steht oder auf dem Markt- bzw. Dorf platz, an den Wegkreuzungen, wo eine alte Steinbank zu kurzer Rast ein ladet, oder als Alleebaum am Wege, der zum Herrenhof führt. Auf einem kurzen, aber gewaltigen Stamm, der bis 15 m Umfang erreichen kann, er hebt sich die massige, breit ausladende Krone, stockwerkweise aus starken Hauptästenaufgebaut. Mit30mHöhe tritt sie sogar mit dem Turm der Dorf kirche erfolgreich in Wettbewerb. Ihre verhältnismäßig großen, herz förmigen Blätter von 6-10 cm Länge, die Ende April erscheinen, sind unter seits blaßgrün und in den Winkeln der Blattnerven mit kurzen, weihen Härchen bärtig besetzt. Kurz vor der Sommerwende, nach der völligen Be laubung des Baumes, öffnen sich die ziemlich großen, hellgelblichen Blüten, die zu drei bis fünf in trugdoldigen Lbensträußen aus den Achseln der Blätter hervorbrechcn. Sie atmen einen honigsüßen köstlichen Dust aus, der nach den Küssen schmeckt, die die verliebten Herzen junger Menschen höher schlagen lassen. Walther von der Vogelweide hat es gesungen: „Unter der Linden an der Heide, da unser zweier Bette was, da muget ir vinden schöne beide gebrochen Bluome unde Gras. Vor dem Walde in einem Tal, tandaradei, schone sanc diu Nachtegal." Aus den Linzelblüten ragen etwa 30 bis 50 Staubgefäße, die am Grunde bündelweise verwachsen sind, weit her- vorundgeben denbesuchendenBienen, Hummeln und Fliegen Halt, wenn sie (Tttia ooi-Lita). FamiA«.' Tiü'-rc-en. Liütereit.- Liut«